Welche Vision für unser Land liegt dem vorliegenden Haushalt zugrunde? - Einen erhellenden Einblick gab kürzlich exemplarisch eine Rede des Landwirtschaftsministers Dr. Aeikens vor dem Landkreistag in Stolberg/Harz. Den Landkreistag treibt ein ganz wesentliches Problem unseres Landes um, der demografische Wandel und die Abwanderung junger Menschen. Dies sind ernste Probleme, die gerade im ländlichen Raum ein besonderes Gewicht haben.
Herr Dr. Aeikens gab zwei bemerkenswerte Antworten. Erstens verbat er sich deutlich jede Diskussion über Einsparungen im Bereich der technischen, insbesondere der verkehrstechnischen Infrastruktur in betroffenen Gebieten. Das ist eine Position, die ich als Wunsch nachvollziehen kann. Ob sie haushaltspolitisch klug ist und durchzuhalten sein wird, ist eine andere Frage.
Aufschlussreich ist diese Positionierung des Ministers jedoch durch eine zweite These, die er aufgestellt hat: Selbstverständlich seien die im ländlichen Raum geplanten Schulschließungen als unvermeidlich hinzunehmen.
Es dürfte auf der Hand liegen, dass die Schulschließungen unseren ländlichen Raum in starker Weise prägen werden, nicht positiv. Worauf steuern wir zu? Stimmt diese Prioritätensetzung, ist das ein Konzept, unseren ländlichen Raum für junge Familien attraktiv zu machen? Ist das überhaupt ein Konzept?
In der Tendenz ähnliche Fragen treffen auch den Kultur- und Wissenschaftsbereich. Auch hierbei geht es um die Frage, ob wir uns nicht durch bestimmte Entscheidungen Zukunftsperspektiven verbauen, statt neue zu schaffen.
Wenn trotz des demografischen Wandels das Straßenbild in Städten wie Magdeburg und Halle doch den Eindruck junger Städte erweckt, so liegt dies maßgeblich an den Hochschulen. Kürzungen in diesem Bereich können das Potenzial haben, den Ast, auf dem wir mit einiger Mühe sitzen, grundsätzlich abzusägen. Das geht selbstverständlich über die Studierendenzahlen hinaus. Nachhaltiger als durch eine vielfältige und aktive
Ähnliches gilt für die Kultur, die - ohnehin nicht auf Rosen gebettet - für unser gesellschaftliches Leben und damit für die Lebensqualität und Attraktivität unseres Landes eine grundlegende Rolle spielt. Kürzungen und Schließungen können einschneidende und dauerhafte Nachteile mit sich bringen. Diese Nachteile für die Zukunftsfähigkeit des Landes wollen wir vermeiden.
Dies bedeutet nicht, dass einmal bestehende Strukturen auf Dauer unveränderlich, ja sakrosankt sind. Strukturen, sei es im Kulturbereich, aber auch in Bildung, Wissenschaft, Wirtschaftsförderung oder der allgemeinen Verwaltung müssen sich an veränderte Bedingungen anpassen.
Die mit dem Haushalt angestoßenen Strukturveränderungen sind leider nicht die Umsetzung zum Beispiel von Ergebnissen des Kulturkonvents, sondern das Gegenteil. Interessant ist, dass einem bei der Diskussion gerade um den Kulturetat häufig mit vorwurfsvoller Miene entgegengehalten wird, man dürfe nicht dem Druck der Straße nachgeben, es gehe nicht um den kurzfristigen Applaus auf Marktplätzen. Das ist diskreditierend. Der Druck der Straße ist legitim
und letztlich nichts anderes als der Druck der Wahlurne. Dieser stellt geradezu die Grundlage unseres Gemeinwesens dar.
Meiner Fraktion geht es nicht um ein billiges Beifallheischen, sondern um Darlegung und, soweit möglich, Durchsetzung einer Prioritätensetzung, die von der der Regierung abweicht. Wir Bündnisgrünen haben mit Änderungsanträgen in den Ausschussberatungen unsere abweichende Positionierung deutlich gemacht. Einige der Anträge stehen mit den jeweils zugeordneten Deckungsquellen heute nochmals zur Abstimmung.
Im Kulturbereich beantragen wir statt der Kürzung bei der Theater- und Orchesterförderung einen maßvollen Aufwuchs. Zu diesem Antrag Nr. 4 in unserem Änderungsantrag in Drs. 6/2637 beantragen wir die namentliche Abstimmung.
In weiteren Anträgen fordern wir, in Ergänzung der auch von der Landesregierung vorgesehenen erhöhten Ausgaben für den Hochwasserschutz eine neue Haushaltsstelle „Naturnaher Hochwasserschutz“ mit 7 Millionen € auszubringen. Ein wirksamer Hochwasserschutz wird nicht umhinkommen, den Flüssen mehr Raum zu geben Deiche zurückzuverlegen,
natürliche Retentionsflächen zu nutzen, wiederzubeleben oder zu schaffen. Diesen für einen wirksamen Hochwasserschutz wichtigen Prozess wollen wir mit der neuen Haushaltsstelle forcieren.
Einen Aufwuchs von 1 Million € halten wir mit dem Antrag zu Natura-2000-Gebieten für die Umsetzung der europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinien für erforderlich. Natur- und Artenschutz sind kein Luxus, sondern als Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ein Teil notwendiger Daseinsvorsorge.
Der Landesrechnungshof hat in seinem Bericht bemängelt, die Umsetzung des europäischen Naturschutzrechtes in Sachsen-Anhalt dauere zu lange. Die EU-Mittel können nicht fristgerecht ausgegeben werden. Bis jetzt sind nur 50 % der EUMittel verausgabt worden, die seit 2007 zur Verfügung stehen.
Vor dem Hintergrund der Sparpläne der Landesregierung und der hohen Bedeutung der Aufgabe, unsere Lebensgrundlagen zu schützen, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die zur Verfügung stehenden Mittel für diesen wichtigen Zweck tatsächlich einzusetzen.
Besonders problematisch sind die angesprochenen Kürzungen im sozialen Bereich und vor allem beim Blindengeld. Den Protesten der Betroffenen ist es zu verdanken, dass die Kürzungen deutlich geringer ausfallen, als dies zunächst geplant war. Wir beantragen, den bisherigen Ansatz und die bisherige Höhe des Blindengeldes beizubehalten. Auch die Kürzung von Jugendpauschale und Fachkräfteprogramm um jeweils 1 Million € und der Landesexzellenzinitiative um 9,6 Millionen € halten wir für falsch und beantragen die Rücknahme.
Wenn man die Prioritäten so setzt, wie dies von uns vorgeschlagen wurde und mit den heute in Teilen nochmals gestellten Anträgen auch weiterhin vorgeschlagen wird, und trotzdem Tilgung und Vorsorge fordert, muss man als Kehrseite der Medaille auch Prioritäten bei Einnahmenerhöhungen bzw. Ausgabenkürzungen anders setzen, als es von der Regierung und den regierungstragenden Fraktionen getan wird.
Wir halten eine Erhöhung der Einnahmen aus dem Wasserentnahmeentgelt um 3,9 Millionen € für sinnvoll. Kürzungen sehen wir vor allem beim Straßenneubau, bei Zuschüssen zum Bau neuer Gewerbegebiete, beim ländlichen Wegebau, bei Zuschüssen an private Unternehmen vor.
In diesen Themenfeldern bestehen - das wird aber gern bestritten - Spielräume. Nicht alles, was dort geplant wird, ist auch tatsächlich sinnvoll. Nicht alles, was dort wünschenswert ist, muss zwingend im nächsten Haushaltsjahr sein. Nicht alles, was gefördert wird, hat dies verdient. Wir hatten wie
Viele der fraglichen Maßnahmen verursachen dann fortlaufende jährliche Folgekosten, die jetzt schlicht ausgeblendet werden, die aber geeignet sind, für die Zukunft eine Hypothek darzustellen, die von einer sinkenden Zahl von Einwohnern kaum noch zu schultern sein wird.
Es ist unsere Aufgabe, als Haushaltsgesetzgeber die erforderliche Abwägung vorzunehmen. Manche hier vorgenommene Abwägung lässt einen staunend zurück. So gelang es der Landesregierung nicht, sich mit der eigentlich nicht sonderlich umstrittenen Kürzung der Zuschüsse für die Tierkörperbeseitigung um 271 500 € durchzusetzen. Die Kürzung wurde zurückgenommen. Es fällt mir schwer, angesichts der Kürzungen im Kultur- und Wissenschaftsbereich diesen speziellen Abwägungsprozess nachzuvollziehen.
Gern wird uns Bündnisgrünen entgegengehalten, unsere Kürzungsansätze seien nicht umzusetzen. Auch Herr Gallert hat dies heute wieder getan. Dies ist schlicht falsch.
Über die Ausgabe der von uns angesprochenen Landesmittel - und nur über diese Seite reden wir; ich rede nicht über Bundesmittel - entscheidet der Landtag. Dort, wo Kofinanzierungsmittel betroffen sind - das ist natürlich der Fall -, ergibt sich als Konsequenz eine entsprechend verringerte Drittmittelbindung. Das gehört natürlich zur Wahrheit dazu. Es ist aber nicht sinnvoll, eigenes Geld in etwas Sinnfreies zu versenken, nur weil die EU dabei mitmacht.
Das hohe Lied der vollständigen Drittmittelbindung wird immer nur dann gesungen, wenn es gerade passt. Als die Oppositionsfraktionen - beide waren es - im Themenbereich „Eine Welt“ die Einstellung von Mitteln zwecks Nutzung einer 60-prozentigen Förderung beantragten, drangen wir erstaunlicherweise auch mit dem Hinweis auf die Drittmittelbindung nicht durch. Die nicht ausreichende Drittmittelbindung im Bereich Natura 2000 hatte ich bereits erwähnt.
Insgesamt hat dieser Haushalt die Aufgabe, Weichen dahingehend zu stellen, wie wir die anstehenden Zukunftsaufgaben unseres Landes angehen wollen. In der Gesamtschau auf die angesprochenen Probleme, auf die vorliegenden Einzelpläne und Änderungsanträge lässt sich sagen: Wir brauchen eine andere Prioritätensetzung für unser Land. Diese ist auch möglich.
Ihnen doch die weiteren das Haushaltsgesetz betreffenden Anträge meiner Fraktion noch ans Herz legen. Unabhängig vom Vorgenannten sehen wir das Haushaltsrecht des Landtages von Regelungen im Haushaltsgesetz ausgehöhlt, indem es dort freie Übertragungsmöglichkeiten innerhalb von Hauptgruppen gibt und Umschichtungen zwischen den Programmen EFRE und ESF vorgesehen sind.
Wir wollen der Landesregierung zwar die nötige Flexibilität lassen, sehen aber bei Schwellenwerten von 100 000 € eine Unterrichtung des Finanzausschusses und ab 500 000 € eine Entscheidung des Finanzausschusses vor. Diese Entscheidungskompetenz sollte sich der Landtag zurückholen.
Gleiches gilt für die Frage der Umwandlung von Stellen in reguläre Planstellen, die nach dem Entwurf eigenmächtig durch die Landesregierung erfolgen könnte.
Bei der Ermächtigung der Ministerien zur Vorfinanzierung durch Dritte im Fall von Maßnahmen zur Energieeinsparung würden wir hingegen den Zeitraum, in dem sich die Maßnahme refinanziert haben muss, von zehn auf 20 Jahre verlängern. Bei größeren Maßnahmen erscheint uns der kurze Zeitraum unrealistisch, sodass eine Erweiterung sinnvoll wäre. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unseren Änderungsanträgen.
Vielen Dank, Herr Meister. Es gibt zwei Fragen. Die eine hat der Abgeordnete Herr Hövelmann und die andere hat Herr Barthel. Beantworten Sie diese?
Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Meister, Sie sprachen bei den beabsichtigten Kürzungen im Theater- und Orchesterbereich oder beim Blindengeld vom berechtigten Druck der Straße. Gilt dieser berechtigte Druck der Straße für Ihre Fraktion auch bei Verkehrsinfrastrukturprojekten wie der A 14 oder der A 143?
dass Leute angeblich dem Druck nachgeben. Das ist ja nicht der Fall, sondern man muss den Druck, der von der Straße kommt, aufnehmen und mit ihm argumentieren. Man muss mit den Leuten umgehen, man muss die Leute ernst nehmen. Das gilt auch für Leute, die die A 14 befürworten. Deswegen muss ich meine Position nicht ändern. Das werde ich auch nicht tun, so wie Sie es in diesen Punkten auch nicht tun. Trotzdem darf man sie nicht diskreditieren.
Herr Meister, Sie sprachen von Spielräumen im Einzelplan 14, die insbesondere bei Infrastrukturprojekten vorhanden seien. Es gibt einen Bericht des Rechnungshofes, wonach insbesondere der Landesstraßenbau chronisch unterfinanziert ist. Da werden im Jahr rund 100 Millionen € benötigt. Ich glaube, es sind jetzt knapp 30 Millionen € vorgesehen. Wir fahren dabei auf Verschleiß.
Im Übrigen sind das auch die Mittel aus dem Titel, mit dem Radwege gebaut werden. Ich habe gehört, dass Ihre Fraktion dazu eine besondere Affinität hat. Wenn wir 100 Millionen € brauchen, 30 Millionen € haben und zusätzlich Radwege bauen sollen, wo sind dabei die Spielräume? Das würde mich interessieren.