Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

hörden praxisnah zu schulen. Im Kern geht es dabei um die Vermittlung eines professionellen Umgangs mit kultureller Vielfalt und Heterogenität im Arbeitsalltag und um eine Haltung, welche Zuwanderer nicht als Bittsteller sieht, sondern als Kunden behandelt.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Darüber hinaus sollen die Ausländerbehörden auch organisatorisch fit gemacht werden, indem ihre internen Prozesse und Arbeitsabläufe optimiert werden. Außerdem soll die Vernetzung mit anderen Behörden, insbesondere mit der Arbeitsverwaltung und mit den Migrationsfachdiensten, sowie weiteren lokalen Institutionen und Interessenvertretern verbessert werden.

Ein solches Projekt kostet natürlich Geld. Geplant ist, zur Finanzierung überwiegend Mittel des Europäischen Sozialfonds zu nutzen. Ich bin guten Mutes, dass uns dies auch gelingen wird.

Auch die künftigen Koalitionspartner im Bund haben die Schlüsselfunktion der Ausländerbehörden für die Verbesserung der Willkommenskultur erkannt und bekennen sich daher im Koalitionsvertrag dazu, deren Weiterentwicklung zu Willkommensbehörden gezielt weiter zu unterstützen.

Ich begrüße dies ausdrücklich. Gemeinsam mit dem Bund werden wir noch besser in der Lage sein, die Ausländerbehörden in Sachsen-Anhalt auf ihrem Weg zu einer stärker serviceorientierten Arbeit und weniger aus der Wahrnehmung einer hoheitlichen Funktion voranzubringen.

Eine Willkommenskultur zu etablieren heißt aber nicht nur, die Ausländerbehörden zu qualifizieren. Vielmehr geht es generell darum, Zuwanderern in ihrem neuen örtlichen Umfeld die Strukturen und Angebote bereitzustellen, die es ihnen ermöglichen, so schnell wie möglich Fuß zu fassen.

Weil sich der Erfolg von Integration ganz wesentlich vor Ort entscheidet, unterstützt das Innenministerium deshalb zum einen über unsere Integrationsrichtlinie lokale Integrationsprojekte. Wir haben dieses Programm auch im kommenden Haushaltsjahr wieder mit 250 000 € ausgestattet.

Die Integrationsrichtlinie wird übrigens gerade durch ein Forschungsinstitut evaluiert. Diese unabhängige Außenansicht war mir wichtig. Ich verspreche mir hiervon wesentliche Anregungen für die Weiterentwicklung unserer Förderkonzeption.

Darüber hinaus werden wir aber auch in Zukunft ganz gezielt die Integrationsarbeit der Kommunen selbst unterstützen, insbesondere indem wir weiterhin in den Landkreisen und kreisfreien Städten die sogenannten kommunalen Koordinierungsstellen für Integration finanzieren.

Die kommunalen Koordinierungsstellen für Integration sind mehr und mehr dabei, sich zu einer

Erfolgsgeschichte zu entwickeln, die auch über Sachsen-Anhalt hinaus Bedeutung findet.

Als die Förderrichtlinie zur Stärkung der kommunalen Integrationsarbeit geschaffen wurde, aus der im Wesentlichen Aufbau und Arbeit der Koordinierungsstellen finanziert werden, gab es vor Ort zwar auch schon gute und richtige Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund. Was aber oftmals fehlte, war eine Stelle, welche die Träger dieser Angebote in einem Netzwerk zusammenbringt, sodass die Angebote besser aufeinander abgestimmt und bedarfsgerecht weiterentwickelt werden können.

Eine solche Stelle ist dank der Förderinitiative des Innenministeriums nunmehr in allen Landkreisen und kreisfreien Städten vorhanden. Ich halte das für einen wichtigen Fortschritt, auch weil die Einrichtung von Koordinierungsstellen oft ganz wesentlich dazu beigetragen hat, Integration als kommunale Querschnittsaufgabe zu verstehen und zu etablieren.

Damit die Kommunen diesen erfolgreichen Weg weiterhin beschreiten können, wollen wir auch in Zukunft die Finanzierung der Koordinierungsstellen absichern. Dafür sind im Haushaltsjahr 2014 Mittel in Höhe von 590 000 € eingeplant worden.

Zu einer Willkommensstruktur gehören aber auch spezifische Beratungsangebote. Aufgrund des vergleichsweise geringen Migrantenanteils in unserem Bundesland leben Menschen mit Zuwanderungsgeschichte hier oftmals in einer DiasporaSituation. Anders als insbesondere in den Großstädten Westdeutschlands fehlen in der Regel Migranten-Communities, die gerade Neuzuwanderern mit Rat und Tat zur Seite stehen und auch als Vorbild wirken können. Umso wichtiger sind institutionelle Beratungs- und Betreuungsangebote.

Mein Haus finanziert mit den Einrichtungen der gesonderten Beratung und Betreuung seit Langem in allen Landkreisen und kreisfreien Städten ein solches Angebot. Zusammen mit den bundesfinanzierten Migrationsberatungen für Erwachsene und den Jugendmigrationsdiensten bilden die Einrichtungen der gesonderten Beratung und Betreuung ein landesweites Netz, das Menschen eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete Beratung und Betreuung bietet.

Eine Besonderheit dieser Einrichtungen ist, dass sie anders als die bundesgeförderten Dienste nicht nur dauerhaft Bleibeberechtigten offenstehen, sondern gerade auch auf die Betreuung von Asylbewerbern und Geduldeten ausgerichtet sind. Vor dem Hintergrund, dass diese Zielgruppen zuletzt wieder deutlich größer geworden sind, ist diese Bedeutung der Einrichtungen nochmals gestiegen.

Die gesonderte Beratung und Betreuung wird sich im Übrigen noch einer weiteren Herausforderung

stellen müssen: der zunehmenden Unterbringung von Asylsuchenden und Geduldeten in Wohnungen. Die Beratung dieser Menschen gehört zu den Aufgaben der gesonderten Beratung und Betreuung. Ich erwarte, dass sich die Beratungseinrichtungen dieser Aufgabe gerade auch jetzt in dem erforderlichen Umfang annehmen.

Eine wesentliche Voraussetzung für eine gelingende Integration ist auch und insbesondere der Erwerb der deutschen Sprache. Die vom Bund verantworteten Integrationskurse haben sich gerade für erwachsene Neuzuwanderer als zentrale Instanz zur Vermittlung der zur Überwindung der Sprachbarriere erforderlichen Kenntnisse bewährt. Allerdings erreichen die Integrationskurse nicht alle Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, die einen Sprachlernbedarf haben.

Hierzu gehören zum einen Personen, die aufgrund Ihrer individuellen Lebensumstände nicht den Weg in die Integrationskurse gefunden haben. Darüber hinaus gibt es Migranten, denen der Zugang in die Integrationskurse rechtlich versperrt ist. Dazu zählen insbesondere Asylsuchende und Geduldete. Ich halte es aus humanitären Gründen für erforderlich, auch diesen Menschen die Gelegenheit zu geben, zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache zu erlangen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU, und von Herrn Rothe, SPD)

Hierdurch wird es ihnen zunächst einmal erleichtert, eigenständig Ihren Alltag zu bestreiten, was übrigens auch die Arbeit der Ausländer- und Sozialbehörden vereinfachen und die Beratungsdienste entlasten würde. Außerdem sind Sprachkursangebote eine logische Konsequenz aus der Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für diesen Personenkreis. Ich denke, hierüber besteht auch weitgehend Einigkeit.

Die Frage ist nur, ob man zur Ermöglichung des Erwerbs von Kenntnissen der deutschen Sprache die Integrationskurse öffnen sollte. Ich habe bereits im November in diesem Hohen Haus gesagt, dass ich mir vorstellen könnte, Asylbewerbern und Geduldeten den Zugang zu den Sprachmodulen der Integrationskurse zumindest im Rahmen verfügbarer Plätze zu eröffnen.

Mittlerweile steht allerdings fest, dass sich die Koalitionäre im Bund nicht darauf verständigen konnten, diesen Schritt zu gehen. In der Konsequenz werden die für eine Öffnung der Integrationskurse erforderlichen Änderungen von Bundesrecht im Bundestag keine Mehrheit finden. Diese Realität müssen wir alle zur Kenntnis nehmen.

Immerhin ist im Koalitionsvertrag aber vereinbart, dass Asylbewerbern und Geduldeten ein früher Spracherwerb in Zusammenarbeit mit den Ländern ermöglicht werden soll.

Ich bin zu dieser Zusammenarbeit gern bereit. Es wird dabei darum gehen, für Asylbewerber und Geduldete auf deren Bedürfnisse zugeschnittene Angebote zu schaffen. Diese Angebote müssen so gestaltet sein, dass sie wenigstens ein sprachliches Fundament legen, das es den Betroffenen ermöglicht, ihr tägliches Leben besser zu meistern. Wer in Deutschland lebt, muss auch diese Sprache sprechen und verstehen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch Sprachkurse für Asylbewerber und Geduldete sind für mich Teil einer Willkommenskultur. Insofern werden wir damit auch weiterhin fordernd umgehen.

Das heißt allerdings nicht, dass alle auch die gleichen Rechte und Pflichten haben sollten oder gar müssten. Dass aus einem unterschiedlichen Aufenthaltsstatus und aus unterschiedlichen Bleibeperspektiven auch eine differenzierte Gewährung von Rechten erwachsen muss, liegt für mich in der Natur der Sache.

Doch in den vergangenen Jahren ist zunehmend deutlicher geworden, dass eine strikte Trennung zwischen Asylpolitik auf der einen und Integrationspolitik auf der anderen Seite aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Das ergibt sich einmal aus humanitären Gründen, es ist aber auch schlichtweg im Landesinteresse. Denn auf der einen Seite stehen wir - ich habe zu Beginn darauf hingewiesen - durch die Alterung unserer Gesellschaft und den in den nächsten Jahren deutlich wachsenden Fachkräftebedarf vor gewaltigen Herausforderungen. Auf der anderen Seite leben unter uns viele Asylbewerber und Geduldete, die nicht nur hilfsbedürftig sind, sondern oftmals nur darauf warten, hier bei uns ihr Leben selbst in die Hand nehmen zu können und sich aktiv einzubringen, was nur daran scheitert, dass wir die falschen rechtlichen Rahmenbedingen haben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Diese Menschen haben ein Anrecht darauf, dass wir fair mit ihnen umgehen. Zu einer solchen Fairness gehört, dass sie so schnell wie möglich Klarheit über ihre Bleibeperspektive erhalten; denn natürlich ist der rechtliche Schwebezustand, in dem sich insbesondere Asylbewerber, aber auch Geduldete befinden, für die Betroffenen und die anderen Menschen belastend.

Leider ist die Dauer der Asylverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor allem durch den starken Anstieg der Zugangszahlen zuletzt auf durchschnittlich mehr als neun Monate gestiegen. An dieser Stelle muss dringend gegengesteuert werden, insbesondere muss das Bun

desamt mit ausreichend Personal ausgestattet werden, damit es die Asylverfahren unter Beachtung der rechtsstaatlichen und grundrechtlichen Garantien deutlich schneller zum Abschluss bringen kann.

Es ist sehr erfreulich, dass auch die künftigen Koalitionspartner im Bund diesen Handlungsbedarf erkannt haben und sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichten, die Personalstärke des Bundesamtes so zu erhöhen, dass es in die Lage versetzt wird, Asylverfahren künftig regelmäßig innerhalb von drei Monaten abzuschließen. Das heißt, nach drei Monaten Rechtsklarheit zu haben, ist die Grundlage für das weitere Handeln. Ich halte dies für richtig und erwarte, dass diese Verpflichtung dann auch unverzüglich umgesetzt wird.

(Zustimmung bei der CDU)

Im Übrigen plädiere ich dafür, unverkrampft und ideologiefrei auch auf die Chancen zu blicken, die sich für unser Land aus der vorübergehenden oder oftmals eben auch langfristigen Aufnahme von Asylbewerbern und Geduldeten ergeben.

Bei einer vorurteilsfreien Betrachtung wird aber auch deutlich, dass die Gruppe der Asylbewerber und Geduldeten - das gehört auch zur Wahrheit - alles andere als homogen ist. Es finden sich in ihr auch solche, die mit dem primären Ziel zu uns gekommen sind, möglichst lange und möglichst viel staatliche Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen, und die deshalb alles tun, um die Dauer der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren so lange wie möglich hinzuziehen.

Der Anstieg der Asylbewerber aus den Westbalkanstaaten, die nahezu ausnahmslos keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn geltend machen können, nach einer für die Betroffenen günstigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Höhe der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ist hierfür ein deutlicher Beleg. Ich bin deshalb strikt dagegen, solchen Personen zusätzliche Anreize für einen längeren Verbleib in Deutschland zu geben.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies darf uns aber nicht daran hindern, die Strategie der Willkommenskultur zielgerichtet weiterzufahren. Entscheidend sind die vielen anderen, die sich rechtstreu verhalten, zum Beispiel auch ihren asylverfahrensrechtlichen Pflichten nachkommen, gut qualifiziert sind, bereits eigenständig Integrationsleistungen erbracht haben und nichts lieber täten, als ihren Lebensunterhalt eigenständig hier bei uns, in unserem schönen Sachsen-Anhalt zu sichern.

Diesen unterschiedlichen Haltungen und Lebenslagen innerhalb der Gruppen der Asylbewerber und Geduldeten sollten wir durch ein wesentlich differenzierteres Vorgehen als bisher Rechnung tragen. Dies gilt zunächst einmal für den Zugang

zum Arbeitsmarkt. An dieser Stelle hat sich zuletzt schon einiges getan. So wurde soeben aufgrund europarechtlicher Vorgaben das generelle Arbeitsverbot für Asylbewerber auf neun Monate herabgesetzt. Darüber hinaus haben sich die Koalitionäre in Berlin darauf verständigt, den Zugang für Asylbewerber und auch für Geduldete sogar schon nach drei Monaten zu erlauben. Ich halte das grundsätzlich für richtig.

Dabei ist auch klar, dass die fortbestehende Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit gerade in strukturschwachen Regionen wie SachsenAnhalt auch in Zukunft eine relativ hohe Hürde für den Arbeitsmarktzugang darstellen wird.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Wenn man auch diese Hürde noch absenken will, dann muss man sich allerdings bewusst sein, Herr Herbst, dass es sich um eine Gratwanderung handelt; denn was wir unbedingt verhindern wollen, ist, einen neuen Pull-Faktor für irreguläre Migration nach Deutschland zu schaffen.

(Zustimmung bei der CDU)