Protokoll der Sitzung vom 13.12.2013

Ein bisschen mehr Zeit habe ich dadurch jetzt, oder?

Der Redebeitrag war sehr lang. Ich werde deshalb mit den fünf Minuten tolerant umgehen.

Gut, aber meine Zeit hat doch jetzt noch nicht angefangen; denn ich bin ja gerade erst an das Pult getreten.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen, die Debatte wieder auf ein rationales Grundgerüst zurückzuführen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Kollege Höhn hat schon gesagt, dass uns - man kann inzwischen sagen: im Wochenrhythmus -

Schreiben von Eltern, von Lehrern, von Gemeindevertretern, von Bürgermeistern erreichen, die Alarm schlagen und alle den gleichen Tenor haben. Sie sagen: Diese Schulentwicklungsplan ist familienfeindlich, sie ist wirtschaftsfeindlich und sie geht zulasten des ländlichen Raumes. Das lehnen wir ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich möchte es mir an dieser Stelle ersparen, aus diesen vielen Briefen, die Sie alle erhalten haben, zu zitieren. Ich möchte es mir jedoch nicht ersparen, auch an dieser Stelle aus dem Koalitionsvertrag zu zitieren. Der Koalitionsvertrag stammt vom Beginn des Jahres 2011; wir haben jetzt Ende 2013 - also ein durchaus überschaubarer Zeitraum, insbesondere für die regierungstragenden Fraktionen, die eine Politik absegnen, bei der Prognosen für zehn oder 15 Jahren gemacht werden. Dann kann man wohl ein bisschen Verlässlichkeit für den Zeitraum von zwei Jahren erwarten.

Im Koalitionsvertrag von SPD und CDU steht: Schulschließungen - -

(Unruhe bei der CDU)

- Ich finde es dort hinten irgendwie laut.

(Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Meine Damen und Herren! Sie glauben gar nicht, wie laut es hier vorn ist. Schenken Sie Frau Professor Dalbert Ihre Aufmerksamkeit! - Vielen Dank.

Die CDU und die SPD schreiben in ihrem Koalitionsvertrag:

„Schulschließungen, die über die gültige mittelfristige Schulentwicklungsplanung der Schulträger bis zum Schuljahr 2013/2014 hinausgehen, sollen möglichst vermieden werden.“

Das ist keine zwei Jahre her. Jetzt stehen mehr als 80 Schulen auf der Liste zur Schließung. Das nenne ich keine Verlässlichkeit in der Bildungspolitik.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nun unterstelle ich ja immer, dass politisches Handeln auch von einer gewissen Rationalität getragen wird, also dass man irgendwie nachvollziehen kann, wie es zu Vorschlägen und politischen Beschlüssen kommt. Die kann man dann teilen oder nicht. Irgendwie stirbt die Hoffnung zuletzt, dass es sich um eine rational begründbare Handlung handelt.

Bei den Schulschließungen geht es um eine Spardebatte. Es geht darum, Lehrerinnen und Lehrer einzusparen. Und es geht darum, Geld zu sparen.

Das ist das Rationale, das vordergründig dahinter steht.

Dann kann man fragen: Warum sollen denn Lehrerinnen und Lehrer und warum soll denn da Geld gespart werden? Dazu haben wir jetzt einen Punkt in der Debatte schon mehrfach gehört: weil wir angeblich weniger Kinder haben werden.

Nun ist es ganz einfach, sich dazu die Zahlen anzugucken. Es gab eine interministerielle Arbeitsgruppe. Die hat uns die Zahlen vorgelegt. Insofern zitiere ich jetzt einfach Zahlen, die von den Ministerien erarbeitet wurden.

Da lese ich, dass wir im Schuljahr 2013/2014, also im laufendenSchuljahr, das im Sommer beginnt, 167 391 Schülerinnen und Schüler haben werden. In zehn Jahren, im Schuljahr 2022/2023, werden wir 167 706 Schülerinnen und Schüler haben, also knapp 300 Schüler mehr. Die Zahl ist also in dem Zeitraum von zehn Jahren stabil. Also ist doch überhaupt keine Reduzierung der Anzahl an Schülerinnen und Schüler zu beobachten.

Auch wird in demselben Papier spekuliert, dass wir in den Jahren 2025 oder 2026 vielleicht weniger Grundschüler haben werden. Dazu kann man nur sagen: Die Eltern dieser Kinder kommen gerade ins gebärfähige Alter. Es ist Spekulation, was die in zehn Jahren an Kindern haben werden. Das ist das Erste.

Das Zweite. Dann kommt immer das Stichwort vom demografischen Wandel.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Das ist ja wirklich wie Demagogie, wie fasziniert vom demografischen Wandel. Anstatt zu sagen: Das ist eine politische Herausforderung. Ertüchtigen wir unsere Hochschulen. Die sind doch in der Lage, junge Menschen ins Land zu holen.

Überlegen wir uns doch, wie wir Eltern ermuntern, nicht nur ein oder zwei Kinder, sondern drei, vier Kinder zu bekommen. Gucken wir doch einmal nach Frankreich, wie die das machen. All das sind doch politische Herausforderungen. Denen müssen wir uns stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zuruf von der CDU)

Noch eine Zahl zu diesen Strukturen, die sich so wenig geändert haben. Immerhin wurde bei uns im Land seit der Wende bereits jede dritte Grundschule geschlossen. Das nenne ich alles andere als ein unveränderbares System.

Ein weiterer Punkt, der in der Debatte angeführt wird, ist der Punkt, dass wir ja Lehrer einsparen müssen. Die Landesregierung sagt, wir müssen Lehrer sparen. Wir müssen 2 000 Lehrer und Lehrerinnen einsparen.

Wir haben dann die Landesregierung gefragt: Wie viel spart ihr denn mit euren Schulschließungsplä

nen? Dann sagt uns die Landesregierung: Von den 2 000 Lehrern, die wir sparen wollen, sparen wir 200 Lehrer damit, dass wir hier im Land mehr als 80 Schulen schließen.

Und die Zahl 200 stimmt vermutlich nicht. Nach eigenen Berechnungen, aber auch nach Berechnungen der GEW sind es vermutlich eher ca. 120 bzw. rund 140 Lehrer und Lehrerinnen. Da frage ich: Zu welchem Preis spart man diese 120 bzw. 140 Lehrer und Lehrerinnen?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Deswegen ist es höchste Zeit, dass uns die Landesregierung endlich verlässliche Zahlen vorlegt, wie sie denn denkt, dass sie dieses Schulnetz, das sie in dieser Schulentwicklungsplanung festschreiben will, mit Lehrern und Lehrerinnen untersetzt.

Dabei geht es eben nicht um Grundschullehrerinnen. Dabei geht es um Berufsschullehrer, von denen wir zu wenige haben. Es geht um Sekundarschullehrer, die wir an den Universitäten nicht haben, weil die Studienplätze nur sehr wenig nachgefragt werden. Es geht auch um Lehrer mit Förderkompetenz, die wir auch nicht in ausreichender Zahl haben. Da möchte ich dann gern einmal sehen, wie das Schulnetz, das hier angedacht ist, mit Lehrern und Lehrerinnen untersetzt ist.

Ein letztes Wort. Ich glaube auch, wir müssen in eine ganz andere Richtung kommen, von der Schulentwicklungsplanung in der alten Form wegkommen, mehr Kompetenzen nach unten geben und die Schulträger selbst in einem stärkeren Maße entscheiden lassen, wie sie ihre Schulstruktur vor Ort aufrechterhalten.

Denn wenn Sie durchs Land reisen und vor Ort mit den Leuten über Schulschließungen sprechen, dann werden Sie feststellen: Die Situation ist sehr unterschiedlich. Es gibt Orte, die sagen: Damit haben wir kein Problem. Es gibt Orte, die sagen: Schon die aufnehmende Schule ist zu klein, um alle Kinder aufzunehmen, die wir jetzt aus den Schulen aufnehmen müssen, die wir schließen sollen. Es gibt Orte, wo ein Filialschulnetz oder ein Verbund von Schulen hilfreich sein könnte, und vieles mehr. Ich denke, das muss die Richtung sein, in die wir gemeinsam bei der zukünftigen Schulentwicklungsplanung denken. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Wanzek. Bitte, Herr Abgeordneter.

(Herr Wanzek, SPD: Ja, ich weiß! Oh, jetzt bin ich dran?)

- Ja, jetzt sind Sie wirklich dran.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich erst einmal für die rationale Vorrednerin. Sie ist ja dann doch sehr emotional geworden. Kommen wir wieder etwas runter.

Wir alle bekommen Briefe und Resolutionen von Kreistagen, Gemeinderäten, Stadträten, Eltern, Lehrkräften. Natürlich ist es verständlich, dass sich Eltern für die Schulen einsetzen, in die ihre Kinder gehen. Wenn das nicht so wäre, wäre das ein Skandal, wäre das verwunderlich.

Auch ist es verständlich, dass kommunale Mandatsträger die Aufgabe der Schulentwicklungsplanung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Doch viele haben sich dieser Verantwortung jetzt schon gestellt. So sind in vielen Bildungsausschüssen der Landkreise die Entwürfe verabschiedet worden. Einige Kreistage haben die Schulentwicklungsplanung schon bestätigt. Manche werden es noch in den nächsten Tagen tun.

Nur zwei Landkreise haben eine Fristverlängerung - auch das ist ja möglich - beantragt. Also scheint da der Handlungsbedarf doch nicht so groß zu sein. Aber natürlich nehmen wir auch die Sorgen und Bedenken ernst. Auch wir verschließen uns nicht neuen Ideen, wie man Schulen in unserem Land organisieren könnte.

So wird zum Beispiel der Petitionsausschuss - ich gucke da Herrn Mewes an - am 9. Januar 2014 eine Anhörung mit Vertretern des Aktionsbündnisses „Grundschulen vor Ort!“ Sachsen-Anhalt durchführen, in der die sogenannte Landschule vorgestellt werden soll. Auch der Bildungsausschuss ist zu dieser Veranstaltung eingeladen. Wie realistisch dieses Schulmodell für Sachsen-Anhalt ist, ist zu diskutieren. Ich teile da eher die Auffassung von Herrn Dr. Schellenberger.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundschulen sind ja in der Trägerschaft der Gemeinden. Das hat Vor- und Nachteile. So werden leider Schulentwicklungspläne nicht immer so getroffen, wie sie es sein sollte, nämlich im Interesse der Schülerinnen und Schüler nach pädagogischen Maßstäben oder nach Länge der Schulwege. Vielmehr wird meistens geguckt, wie man die Schule in der eigenen Gemeinde am längsten, am besten aufrechterhalten kann.