Protokoll der Sitzung vom 28.02.2014

- Die Frage des Herrn Güssau hat sich erledigt. - Dann erhält jetzt Frau Budde das Wort. Nach Frau Budde spricht die angesprochene Frau Schindler.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde gern für das Protokoll klarstellen, dass auch Abgeordnete der Regierungsfraktionen, egal ob sie der sozialdemokratischen oder der CDU-Fraktion angehören, das Recht haben, sich um die Schulen in ihrem Wahlkreis zu kümmern

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Echt?)

und die Ministerien und die Minister der Regierung sowie alle anderen Verwaltungsbehörden darauf anzusprechen und nach möglichen Lösungen im Rahmen der Schulentwicklungsplanung zu suchen. Und ihnen steht genauso wie anderen das Recht zu, dies dann auch vor der Öffentlichkeit oder auf geeigneten Podien zur Verkündung zu bringen, wie Sie es nennen, oder einfach nur zur Information herauszugeben.

Es gibt hier keine unterschiedlichen Abgeordneten. Wenn Frau Dr. Dalbert sagt, es gebe solche und solche, dann hat das schon etwas mit Abwertung zu tun. Wenn sie den Kolleginnen und Kollegen der regierungstragenden Fraktionen erst den Vorwurf macht, sie würden sich nicht um die Schulen in ihrem Wahlkreis kümmern und das Thema einfach so durchlaufen lassen, dann widerspricht das total den Vorwürfen, die sie wiederum den Kolleginnen und Kollegen aus unseren Fraktionen macht, wenn sie sich darum kümmern. Auf irgendetwas müssten Sie, Frau Dr. Dalbert, sich nun einigen.

Ich stelle noch einmal fest, dass die Abgeordneten meiner Fraktion und auch die Kollegen Abgeordneten der CDU-Fraktion das gleiche Recht haben, sich um die Schulen in ihrem Wahlkreis zu kümmern, die Argumente vor Ort anzuhören, abzuwägen und dazu mit dem Kultusminister ins Gespräch zu kommen. Und wenn es eine Lösung gibt, dann können sie diese auch öffentlich nennen.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Kollegin Dalbert, Sie wollen darauf offensichtlich nicht reagieren.

Auf eine Intervention? - Nein.

Frau Schindler, möchten Sie fragen oder intervenieren?

Ich möchte intervenieren. Ich möchte auf den Einwand von Herrn Gallert hin eine Erklärung zur Genese der gesamten Diskussion abgeben.

Als im Dezember 2013 die Bürgermeisterin von Seehausen erklärte, dass die dortige Grundschule im Jahr 2014 eventuell geschlossen werden soll, weil die Eingangsklasse nicht die erforderliche Anzahl an Schülern hat, die Gesamtschülerzahl für das Schuljahr jedoch ausreicht, bin ich vom Stadtrat der Stadt Wanzleben aufgefordert worden, mich darum zu kümmern. Ich bin persönlich angesprochen worden: Frau Schindler, Sie gehören zu den regierungstragenden Fraktionen, fragen Sie doch bitte den Kultusminister, ob es dabei bleibt oder ob man daran etwas ändern kann.

Das habe ich umgehend getan und habe diesen Auftrag des Stadtrates der Stadt Wanzleben erfüllt - eindeutig und nicht nur aus persönlichen Befindlichkeiten. Ich habe diesen Auftrag, den mir der Stadtrat mitgegeben hat, erfüllt. - Punkt 1.

Punkt 2. Es ist so, wie es der Minister schon dargestellt hat. Im Dezember 2013 gab es eine Debatte und Kleine Anfragen zur Schulentwicklungsplanung und zu den Schulgrößen sowie zu den Größen der Eingangsklassen. Der Minister hat dazu gesagt: Wenn die Gesamtschülerzahl für dieses Schuljahr ausreichend ist, gilt die Schulentwicklungsplanungsverordnung, das heißt, dass dann diese Ausnahme erteilt wird. - Genau diese Bestätigung habe ich mir noch einmal geholt.

(Frau Grimm-Benne, SPD: Wir haben das doch im Kreistag besprochen!)

Frau Kollegin Dalbert, auch das war nicht wirklich für Sie gedacht.

Nein, aber ich stehe hier geduldig.

Sie dürfen jetzt Platz nehmen.

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die Kollegin Reinecke. Frau Abgeordnete, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nächste Runde zur Schulentwicklungsplanung - dieses Mal vor dem Hintergrund der Besonderheit, die sich in den letzten Tagen und Wochen medial abgezeichnet hat. Ich muss an dieser Stelle mit einer Enttäuschung einsteigen, nämlich der Enttäuschung darüber, dass es hierbei um personalisierte Feststellungen geht: Wer hat wo wem wann was gesagt? Ich verbitte mir, auch im Namen der Angesprochenen, das Wort „Dealerei“.

(Zustimmung bei der SPD)

Das ist nicht das Vokabular, das wir an dieser Stelle und zu diesem wichtigen Thema verwenden sollten. Die Kollegen verwehren sich dagegen, und das, denke ich, mit gutem Recht.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Wir werden uns daran erinnern!)

Meine Damen und Herren! Es kommt nicht darauf an, über die Wirklichkeit zu lamentieren. Ich habe heute wirklich viel in dieser Richtung wahrgenommen. Es kommt darauf an, mit der Wirklichkeit zurechtzukommen und sie an der Stelle zu verbessern, wo es möglich ist.

In einer sich stetig verändernden Gesellschaft ist es in keinem ihrer Teilbereiche möglich, den Status Quo stets zu erhalten. Das Thema Demografie darf man, ob man es gut findet oder nicht, nicht herunterspielen. Wir haben in unserem Land sogenannte Demografiebeiräte, Demografietische eingerichtet, weil dieses Thema alle Teilbereiche betrifft.

Wenn ich in das Nachbarland schaue, dann stelle ich fest: Dort hat sich eine Demografiekommission gegründet, die gerade zum Thema Schulentwicklungsplanung ihre Lösungen vorstellt. Daher kann ich das Thema Demografie auch in der heutigen Aktuellen Debatte nicht außen vor lassen.

Wir wissen natürlich alle, dass die Schule mitten in einem Umbruch steckt. Es wurde schon sehr viel dazu gesagt. Die Zahl der schulpflichtigen Kinder hatten wir im Fokus, auch wenn sich momentan eine Beruhigung abzeichnet. Wir wissen, dass Weg- und Zuzugsbewegungen gerade im ländlichen Bereich ungefiltert auf den Bedarf an Schulen durchschlagen.

Wir wissen natürlich auch von der aufkommenden Entwicklung der Migration, wenn auch nur vereinzelt. Dieses Thema fordert aber auch den herkömmlichen Schulunterricht heraus. Das Thema Inklusion wurde auch schon als Thema benannt.

Im Grundschulbereich keine Veränderung vornehmen zu wollen würde bedeuten, dass Sachsen-Anhalt weiterhin über die bundesweit mit gro

ßem Abstand meisten kleinen Grundschulen verfügt.

Kleine Grundschulen würden aufgrund der schülerbezogenen Lehrerstundenzuweisung weiterhin mit weniger Lehrerstunden ausgestattet. Wir sind vorhin schon auf das Thema der Pflichtstundentafel eingegangen. Wir wissen auch, dass parallele fakultative Angebote, verschiedene Arbeitsgemeinschaften und zusätzlicher Förderunterricht an kleinen Schulen im Vergleich mit größeren Schulen nur in einem eingeschränkten Maße angeboten werden können.

Ich möchte auf einen Evaluierungsbericht hinweisen, nämlich im Kontext des Modellprojekts TASS zum Thema Grundschule und Theater. In der Zusammenfassung wird darauf verwiesen, dass „Grundschulen und Förderschulen in den untersuchten Landkreisen eine Vielzahl von kulturellen Aktivitäten aufweisen“. Aber - mit einem Ausrufezeichen versehen - es wird weiter festgestellt - ich zitiere -:

„Zum anderen ist vor allem die Größe dieser Schulen hinsichtlich Teilhabegerechtigkeit problematisch. In der Regel haben Schulen in ländlichen Gebieten 40 bis 60 Schülerinnen und Schüler und dementsprechend wenige Stammlehrkräfte. Daraus ergeben sich gleich mehrere Zugangshürden zu kulturellen Angeboten. Weniger Lehrkräfte bedeuten weniger Stundenkontingente, sodass kaum Stunden für Aktivitäten außerhalb des Lehrplans bleiben. Durch die geringe Anzahl der Schülerinnen und Schüler ist es den Veranstaltern bei einem angemessenen Eigenanteil der Schülerinnen und Schüler kaum möglich, den Schulen kostendeckende Angebote zu unterbreiten. Einen höheren Beitrag wiederum können die wenigsten Eltern bezahlen. Das gilt umso mehr, da die Eltern nicht nur einmalig, sondern während der gesamten Schulzeit die höheren Kosten tragen müssen.“

So viel zum Thema kulturelle Kinder- und Jugendbildung, die uns auch wichtig ist. Das sind für mich gewichtige Gründe, die für eine vertretbare Erhöhung der Mindestschülervorgaben an Grundschulen sprechen, wie sie in der im Mai 2013 veröffentlichten Verordnung zur Schulentwicklungsplanung verankert sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich wiederhole: Seit Mai 2013 wurde über die Vor- und Nachteile diskutiert. Die Verordnung wurde aufgrund von Hinweisen verändert und - wie bereits erwähnt - von den meisten Landkreisen inzwischen per Beschluss für die Schulnetzplanung planerisch umgesetzt. Diese Schulträger haben die Aufgabenstellung also ernst genommen. Natürlich kann ich mich auch noch an die Begleitmusik er

innern, an die Resolutionen, an die Briefe, an die Initiativen, auch vor dem Hintergrund, dass ich selbst in einem Kreistag ein Mandat wahrnehme.

Was soll aber jetzt im Stadium der ersten Umsetzung der Schulentwicklungsplanungsverordnung die Forderung nach einem Moratorium für die Grund- und Förderschulplanung? Ich denke, das ist gegenüber den Kreistagen, die ihren Entwurf zur Schulnetzplanung termingerecht eingereicht haben, nicht angemessen.

(Zustimmung von Frau Grimm-Benne, SPD)

Ist es ein Moratorium extra für diejenigen, die ihre Hausaufgaben nicht machen wollen, weil sie Entscheidungen mitzutragen haben, die in der Tat nicht schmerzfrei zu haben sind? Oder ist es ein Moratorium für Kommunalpolitiker, die glauben, dass die Schülerzahl in den nächsten zehn bis 15 Jahren wieder bedeutsam steigen wird? - Ein Optimismus, der auf Illusionen gründet, taugt nicht viel.

Wir wissen natürlich um den Zuwachs der Zahl von Grundschülern in den nächsten Jahren. Darüber freue ich mich auch. Das ist keine Frage. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass eine Erhöhung der Geburtenzahlen vorrangig in den Großstädten festgestellt wird. Während in der Stadt Magdeburg neue Kitas eröffnet werden konnten, sieht das im flachen Land anders aus. Ich denke, darauf müssen wir reagieren.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Niestädt, SPD)

Die problematische Situation mit Blick auf die regionalisierte Bevölkerungsentwicklung ab dem Jahr 2020 können wir an dieser Stelle nicht negieren. Zu dem Stichwort „demografisches Echo“ haben wir hier schon mehrfach, wenn auch in anderen Zusammenhängen, diskutiert.

Das Ausmaß dieser Entwicklung wirft grundsätzliche Fragen zur schulischen und regionalen Organisation von Schulen auf. Wir müssen also schon jetzt über die Frage nachdenken, wie schulische Versorgung in der Zukunft, also in der langfristigen Perspektive aussehen soll und wie wir die Weiterentwicklung der Schulqualität sichern können. Heute kommt es in den Kommunen darauf an, Standorte zu entwickeln, die noch in zehn Jahren und auch später noch halbwegs bestandsfähig sind.

Ich denke, es ist notwendig, dass man diese politischen Entscheidungen nicht weiter vertagt. Um es klar zu sagen: Ohne die Richtzahlen der Schulentwicklungsplanungsverordnung würden notwendige Entscheidungen immer weiter in die Zukunft verschoben werden und so die Schul- und Planungsträger der Möglichkeit der mittel- und langfristigen Fortschreibung ihrer Schulentwicklungspläne mehr oder weniger beraubt. Jetzt kommt es

also auf eine kluge Auswahl der Schulstandorte und einen gut organisierten Schülerverkehr an. Darauf und nur darauf muss die Kommunalpolitik ihre ganze Kraft setzen.

(Zustimmung bei der SPD)

Ja, der Weg zur Schule wird für einen Teil der Kinder länger. Dafür erhalten sie aber auch eine gut ausgestattete Grundschule mit pädagogischen Angeboten, wie sie in kleinen Grundschulen nicht möglich sind. Wir werden darauf achten, dass der Schülerverkehr optimal geregelt wird. Darauf ist der Kollege Hardy Güssau schon eingegangen. Die Verantwortung der Kreistage dafür muss ernster genommen werden, bei allem Für und Wider.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ach!)

Ich kenne die Diskussion und weiß auch, welche Ebene an welcher Stelle wie beschimpft wird. Das bringt uns aber nicht weiter.

Ich möchte auf ein gutes Beispiel hinweisen. Bei uns im Landkreis Wittenberg hat der Landrat einen sogenannten runden Tisch zum Thema Demografie für alle Bürgermeister eingerichtet. Dabei geht es darum, nicht schematisch vorzugehen, sondern die vielfältigen regionalen Gegebenheiten zu beachten und im Einzelfall zu entscheiden. Das heißt aber natürlich auch: Der Bürgermeister schaut über seinen Tellerrand hinaus und lässt die Kinder nicht auf Umwegen an anderen Grundschulen vorbei in seinen Stadtteil fahren. Das sind Einzelbeispiele, die zukünftig auch für andere Regionen genutzt werden können.