Protokoll der Sitzung vom 28.03.2014

habe ich der „Volksstimme“ entnommen. Ich habe schon auf den IMAK-Bericht hingewiesen. Darin befindet sich ein ziemlich langer Katalog des Finanzministers. Er enthält Vorschläge, wie man Lehrerpersonal einsparen könnte, um auf die Quote von 13,5 zu kommen.

Zur Frage nach der Arbeitszeit habe ich Sie während der letzten Sitzung des Fachausschusses noch anders verstanden, nämlich dass diese Option nicht zur Verfügung steht. Danke, dass Sie das noch einmal bestätigen; die Arbeitszeit wird nicht angehoben.

Welche anderen Kriterien ziehen Sie denn dann in Erwägung? - Wir haben gestern beim Thema Schulnetz lange darüber geredet, wie viele Stellen wir mit der Schließung der kleinen Grundschulen - in Anführungszeichen - sparen. Selbst wenn dieses Vorhaben im Maßstab 1 : 1 realisiert würde, wäre es kleiner Bruchteil der 1 542 Vollzeitstellen, die Sie einsparen wollen.

Sie reden über die Qualität. Ich gehe davon, dass wir die Bildungsinhalte an den Schulen nicht weiter reduzieren wollen. Deswegen bleibt meine Frage bestehen, Herr Minister, auch wenn es Sie nervt. Ich erwarte eine Antwort auf diese Frage.

(Zustimmung von Frau Tiedge, DIE LINKE)

Solange Sie diese Antwort nicht geben, hilft es wenig, die Situation gesund zu beten.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Eines will ich wiederholen - darüber haben wir gestern auch schon geredet -: Ich halte es für keinen nachhaltigen politischen Ansatz, im Vorfeld jeder Haushaltsaufstellung die gleiche Situation zu haben, wie wir sie jetzt zum wiederholten Male haben. Das ist keine seriöse Haushaltsplanung.

Sie als Koalition betonen doch immer wieder, dass wir durch die mittelfristige Finanzplanung, die Haushaltsplanung und das Personalentwicklungskonzept mittelfristig wissen müssen, wo die Reise hingeht, worauf wir uns einzurichten haben und welche Zahlen wir erreichen wollen. Aber beim Thema Personal erleben wir das komplette Gegenteil. Sie machen keine zukunftsfähige Personalpolitik in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich komme zur letzten Bemerkung. Eine nachhaltige Haushaltspolitik beginnt, bevor in diesem Land Lehrerinnen und Lehrer eingestellt werden. Sie beginnt nicht erst, aber auch bei der Frage der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern. Die Ausbildung von Lehrkräften in Sachsen-Anhalt ist in den letzten Jahren und schon von der Vorvorgängerregierung sehr stiefmütterlich behandelt worden. Nichtsdestotrotz haben wir in Sachsen-Anhalt bei

allem, was noch verbessert werden kann, eine gute Lehrerinnen- und Lehrerausbildung.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜ- NE)

Ich will deutlich infrage stellen, dass es im Sinne des Haushalts und im Sinne der Qualität des Unterrichts an unseren Schulen verantwortungsbewusst ist, dass wir Jahr für Jahr in diesem Land Lehrerinnen und Lehrer ausbilden und sie dann in andere Bundesländer schicken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Nachhaltigkeit sieht anders aus. - Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollege Höhn. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherung der Unterrichtsversorgung ist für uns als SPD-Fraktion eine wichtige Aufgabe. Wir wissen, dass sie die Voraussetzung dafür ist, dass Kinder eine gute Schulbildung erhalten. Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass genügend Lehrkräfte vor der Klasse stehen.

Die Regierungsparteien haben dafür gemeinsam eine gute und konstruktive Lösung für das nächste Schuljahr gefunden. Einmal abgesehen von diesen Nickligkeiten hinsichtlich der Frage, wer es erfunden hat, denke ich, am Ende sollten wir uns einfach einmal über dieses Ergebnis freuen

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

und auch Wertschätzung zum Ausdruck bringen.

(Zustimmung bei der SPD)

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei dem Finanzminister und vor allem auch bei der Fachebene, die diese Arbeit in den letzten 14 Tagen mit vorangebracht haben.

(Zustimmung bei der SPD und von Minister Herrn Bischoff)

Mit der Erhöhung der Zahl der Neueinstellungen auf nunmehr 370 Lehrkräfte sind allerdings noch nicht alle Probleme gelöst. Das wurde angesprochen und das gehört auch in diese Diskussion mit hinein. Dennoch ist es wirklich ein gutes Ergebnis, um den Spagat zwischen einer guten Unterrichtsversorgung und der notwendigen Haushaltskonsolidierung hinzubekommen; denn wir wissen, für eine gesicherte Zukunft unserer Kinder brauchen wir beides.

Neben den nun geplanten 370 Neueinstellungen sind zusätzliche Anstrengungen erforderlich, um eine vollständige Unterrichtsversorgung für das kommende Schuljahr sicherzustellen und so die ausscheidenden Lehrer zu ersetzen. Nach der Einschätzung des Fachministeriums sind durch Abordnungen, durch die Maßnahmen der Schulentwicklungsplanung und durch Veränderungen in der Lehrer-Schüler-Relation in allen Schulformen Stellen einzusparen.

Dort stecken aber noch weitere Unsicherheiten dahinter, sodass immer noch ein kleines Stellendefizit für das Schuljahr 2014/2015 droht. Deshalb ist es notwendig, die neu zu besetzenden Stellen für das Schuljahr 2014/2015 sofort auszuschreiben, da wir, wie wir wissen, in Konkurrenz zu anderen Bundesländern stehen, die ihre Werbeaktionen längst gestartet haben.

So hat unser Nachbarland Brandenburg in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ bereits am 11. März eine Anzeige geschaltet, in der verkündet wird, dass 900 bis 1 000 Lehrkräfte zum nächsten Schuljahr eingestellt werden. Man lockt mit der Möglichkeit einer Verbeamtung. Auf der gleichen Seite wirbt weiterhin Mecklenburg-Vorpommern mit sofortiger Verbeamtung, überdurchschnittlichem Gehalt, kleinen Klassen und Meer - hier ist das Meer mit dem Strand gemeint.

Wir wissen also, dass die Konkurrenz nicht schläft und wir schon relativ spät dran sind. Das Ministerium, die Schulverwaltung und die örtlichen Schulträger müssen jetzt also Tempo machen.

Meine Damen und Herren! Für die Vorbereitung der nächsten Schuljahre müssen wir die Lehre ziehen, dass die genaue Schülerzahlentwicklung aus verschieden Gründen nicht exakt berechenbar ist. Einen starren Neueinstellungskorridor halte ich deshalb nicht für praktikabel.

Ich bin dafür, den jährlichen Einstellungsbedarf an Lehrkräften als Differenz zwischen dem Bedarf und dem Bestand für jedes Schuljahr neu zu ermitteln. Ich bin mir natürlich auch der latenten Gefahr bewusst, dass jedes einzubeziehende Ministerium und die Lehrervertretungen alle Jahre wieder mit eigenen Zahlen operieren werden und diese natürlich unterschiedlich sind. Aber dieses Problem müssen wir konstruktiv und auch schnell lösen.

Aus welchen Gründen kann die Entwicklung der Schülerzahlen nicht exakt berechnet werden? - Bisher gehen die meisten Prognosen insbesondere von der Entwicklung der Geburtenzahlen aus. Das ist zwar die wichtigste und auch sicherste Planungsgröße, aber sie reicht bei Weitem nicht mehr aus.

Warum? - Es gibt mehrere Gründe. So erhöht sich die durchschnittliche Gesamtschulzeit der Schüle

rinnen und Schüler durch eine längere durchschnittliche Verweildauer im System der allgemeinbildenden Schulen.

Wir haben zum einen die Schülerinnen und Schüler, die ein drittes Schuljahr in der flexiblen Schuleingangsphase absolvieren. Dieser Anteil stieg an von 9,8 % im Schuljahr 2008/2009 auf 15,3 % im Schuljahr 2013/2014.

Weiterhin ist der Wegfall der Verbindlichkeit der Schullaufbahnempfehlung in Klasse 4 der Grundschule zu nennen. Im Vorfeld des Schuljahres 2012/2013 erhöhte sich Quote des Übergangs an die Gymnasien signifikant. Dadurch sank die Anzahl der Schülerinnen und Schülern in den Sekundarschulen. Die Übergangsquote in die Gymnasien stieg von 42,9 % im Schuljahr 2008/2009 auf 46,5 % im Schuljahr 2012/2013 und soll sich im aktuellen Schuljahr noch einmal erhöhen.

In der Tendenz steigt diese Quote weiter an. Das bedeutet, für immer mehr Schüler erhöht sich die Regelschulzeit von zehn auf zwölf oder gar auf 13 Schuljahre. Inwieweit sich die Einführung der Gemeinschaftsschule auf diese Tendenz auswirkt, wird sich erst im Zeitverlauf zeigen.

Ausgehend von den Erwartungen und Erfahrungen in den schon länger bestehenden Gesamtschulen ist zu erwarten, dass sich die Übergangsquote in Klasse 11 insgesamt weiter erhöhen wird. Auch so steigt die jährliche Jahrgangsschülerzahl, ohne dass mehr Kinder geboren wurden bzw. geboren werden müssen.

Eine weitere Ursache besteht darin, dass durch die Zunahme der Übergangsquoten im zehnten Schuljahrgang der Sekundarschulen die Anzahl der Schüler sinkt, die das System bereits nach neun Schuljahren, also mit dem Hauptschulabschluss verlassen. Während im Schuljahr 2008/2009 noch ein Anteil von 25,8 % der Sekundarschülerinnen und -schüler die Schule nach der neunten Klasse verließ, waren es im Schuljahr 2013/2014 nur noch 13,6 %. Auch so entsteht Schüleraufwuchs.

Nicht ausgewertet wurde dabei die Entwicklung der Quote der Sitzenbleiber, die ebenfalls Einfluss auf die durchschnittliche Gesamtschulzeit der Schülerinnen und Schüler und damit auf die erforderliche Unterrichtsversorgung hat.

Was ist darüber hinaus zu beachten? - Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunft wächst. Auch das erhöht die Gesamtschülerzahl. Auch diesbezüglich ist keine seriöse Prognose zu erstellen, weil wir nämlich nicht voraussagen können, welche geopolitischen Ereignisse Einfluss auf die EU-Binnenwanderung haben werden und wie viele Kinder von Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt zukünftig zu beschulen sind.

Die gegenwärtigen außenpolitischen Ereignisse lassen aber erwarten, das Sachsen-Anhalt mit zu

sätzlichen Bildungsaufgaben zu rechnen hat, die in eine nachträgliche Analyse auch dringend eingebunden werden müssen.

Unter Berücksichtigung der von mir beschriebenen Entwicklungen sind also jährlich neu Schlussfolgerungen für die Planungen des Personalbedarfs für eine gesicherte Unterrichtsversorgung zu ziehen. Dafür sind entsprechende Routinen zur Datensammlung und -auswertung vom Fachministerium im Zusammenwirken mit dem Finanzministerium weiterzuentwickeln. Insbesondere müssen Unterschiede bei der Bewertung der Daten konstruktiv überwunden werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz einer Unterrichtsversorgung, die wir als gut einschätzen, sind Unterrichtsausfälle und nicht fachgerechte Vertretungen nicht vollständig zu vermeiden. So ist der durchschnittliche Krankenstand höher als die Vertretungsreserve. Er wird sich aufgrund des hohen Durchschnittsalters der aktiven Lehrkräfte auch kaum senken lassen. Das wurde bereits von mehreren Vorrednern angesprochen. Deshalb wünsche ich mir, dass im Land das Vertretungsmanagement zukünftig weiterhin verbessert wird.

Folgende Fragen sind aus meiner Sicht zu klären: Sollten bereits angesammelte Überstunden nach dem Teilzeittarifvertrag statt abgebummelt auf Antrag ausgezahlt werden? Sollten auf Antrag der Schulen befristet freiwillige Mehrstunden einzelner Lehrkräfte gegen Bezahlung fest eingeplant werden können? Sollte ein Fonds für die Schulen geschaffen werden, damit sich diese selbst Vertretungen organisieren können?

Sollten neben der Möglichkeit von Abordnungen und zeitlich begrenzten Neueinstellungen weitere Varianten zur Schaffung eines Pools von Vertretungslehrern - ich denke dabei an Honorarkräfte oder an die Reaktivierung von Ruheständlern - in Sachsen-Anhalt entwickelt werden? Über diese Fragen müssen wir nachdenken und darauf müssen wir Antworten finden.

Meine Damen und Herren! Neben der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung für das Schuljahr 2014/2015 muss es uns auch darum gehen, den mittelfristig noch steigenden Lehrerbedarf genauer zu identifizieren und die Nachwuchsgewinnung zu sichern. Auch das wurde bereits angesprochen.

Deshalb rege ich an, neue Vereinbarungen mit den Unis mit dem Ziel der Erhöhung der Anzahl der Studierenden in Lehramtsstudiengängen abzuschließen. Die alten Zielvereinbarungen sind, wie wir wissen, im Jahr 2013 ausgelaufen. Bis zum Ende des Übergangsjahrs müssen neue Vereinbarungen abgeschlossen werden. Diese Chance sollte genutzt werden, um die Absolventenzahlen für Lehrämter in Sachsen-Anhalt mittelfristig und weitgehend bedarfsgerecht zu erhöhen.

Fragen der Schulentwicklungsplanung und der Sicherung der Unterrichtsversorgung im Land führen oft zu hochemotionalen und nicht immer ganz sachlichen Diskussionen. Das haben wir gerade in den vergangenen Tagen erlebt. Mit Elterninitiativen und Kommunalpolitikern ins Gespräch zu kommen, ist in solchen Zeiten nicht ganz so einfach. Aber diesbezüglich kann ich empfehlen, die Maxime des amerikanischen Lyrikers Robert Lee Frost anzunehmen, der Folgendes feststellte:

„Bildung ist die Fähigkeit, fast alles anhören zu können, ohne die Ruhe zu verlieren oder das Selbstvertrauen.“

In diesem Sinne danke ich Ihnen für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.