Ohne das Thema der interkommunalen Zusammenarbeit und ohne die Frage, wie die Zusammenarbeit künftig steuerlich beurteilt wird, zu überhöhen, muss man doch sagen, dass drei Themenkreise berührt sind, die es wert sind, dass über sie hier im Landtag diskutiert wird.
Es geht zum einen um eine ordnungspolitische Frage. Es geht also darum, wie ich unter Berücksichtigung des Kartellrechtes künftig prüfe, welche wirtschaftliche Betätigung durch die Kommunen und zwischen den Kommunen umsatzsteuerlich zu privilegieren ist, ohne dass das negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und auf den freien Markt hat.
Zweitens geht es um einen finanzpolitischen Aspekt. Welche Folgen entstehen möglicherweise, wenn Kernbereiche der öffentlichen Verwaltung und von Kooperationsformen künftig der Umsatzsteuerpflicht unterliegen?
Ich will daran erinnern, dass wir in diesem Haus vor einiger Zeit den Beitritt zum nordostdeutschen IT-Verbund Dataport beschlossen haben. Das ist nach der Auffassung des Bundesfinanzhofes zukünftig eine potenziell steuerpflichtige Leistung. Wenn man einmal berücksichtigt, dass dort jährlich rund 50 Millionen € über den Tisch gehen, dann kann sich jeder ausrechnen, was um 20 % höhere Kosten für den Landeshaushalt bedeuten würden.
Hinzu kommt auch die Frage, wie die Rundfunkanstalten, die sich zum Beispiel bei gemeinsamen Übertragungen auch Sendewagen überlassen - das ist bislang auch steuerlich privilegiert gewesen - künftig mit diesem Thema umgehen. Das würde wieder direkt auf den Gebührenzahler durchschlagen, ähnlich wie die eigentlich sehr bewährte Zusammenarbeit in Zweckverbänden und in anderen Trägerformen. Das hat also schon eine nachhaltige Wirkung.
Dann muss erwähnt werden, dass Sachsen-Anhalt in demografischer Hinsicht eines der ältesten Bundesländer ist, die wir in der Republik haben. Sachsen-Anhalt hat insbesondere das Problem, dass es zu über 90 % aus ländlichem Raum besteht. Es geht also um die Frage, wie ich die Infrastruktur im ländlichen Bereich und das Verfassungspostulat der gleichwertigen Lebensbedingungen aufrechterhalte; denn auch in diesem Bereich ist die interkommunale Zusammenarbeit ein durchaus geeignetes Instrument.
Ich werde auch mit Blick auf das wohl verdiente Wochenende versuchen, mich auf die wenigen Punkte zu konzentrieren, die nach unserem Dafürhalten hier Berücksichtigung finden müssen. Ich habe bei der Vorbereitung des Antrages gemerkt, dass gerade unsere Wirtschaftspolitiker die große Sorge haben, dass man durch den nicht verantwortungsvollen Umgang mit Umsatzsteuerprivilegien dafür sorgt, dass zum Beispiel kommunale Bauhöfe und andere öffentliche Leistungen als Konkurrenz für den Markt noch gestärkt werden.
Ich kann Ihnen diese Angst aber nehmen. Wenn man sich den Ausgangspunkt anguckt - auf den möchte ich gern kommen -, also wenn man schaut, woher dieses Problem eigentlich stammt, dann wird man schnell merken, dass hier genau das Gegenteil der Fall ist, dass also eher die Gefahr besteht, dass man das Kind mit dem Bade ausschüttet und dass Leistungen, bei denen man bei einigem Nachdenken der Überzeugung sein könnte, dass sie klassische hoheitliche Aufgaben sind, zur Daseinsvorsorge gehören und deshalb umsatzsteuerprivilegiert bleiben sollen, durch die
Grenze abgeräumt werden, die zur Verhinderung von falschem Wettbewerb durch die wirtschaftliche Betätigung öffentlicher Auftraggeber durchaus berechtigt geschaffen wird.
Ich komme kurz zum Stein des Anstoßes. Nein, es war nicht etwa die Klage eines Marktteilnehmers aus der freien Wirtschaft, die den Stein ins Rollen gebracht hat. Es war ein besonders hartnäckiger Bürgermeister, der sich durch mehrere Instanzen den Vorsteuerabzug erstreiten wollte und dabei auch Erfolg hatte. Im eigentlichen Streitfall begehrte eine Gemeinde den Vorsteuerabzug für die Errichtung einer Sport- und Freizeithalle. Die Gemeinde nutzte die Halle für den Schulsport ihrer Schulen und überlies die Halle gegen Entgelt auch privaten Nutzern sowie einer Nachbargemeinde für den dortigen Schulsportunterricht.
Spontan würde man meinen, dass die Mitnutzung einer kommunalen Sporthalle durch die Grundschüler der Nachbargemeinde und gegebenenfalls auch durch Vereine benachbarter Kommunen eine gute Sache ist und zu Recht auch steuerlich privilegiert wird. Wir finden, dass es auch nur vor diesem Hintergrund Sinn macht, dass das Land die Errichtung einer solchen kommunalen Infrastruktur teilweise umfänglich mit Fördermitteln unterstützt. Dem Bürgermeister war nicht klar - das wissen viele, die in der Wirtschaft tätig waren -, dass die Gegenbuchung zum Vorsteuerabzug die Umsatzsteuerpflicht ist.
Nachdem das Finanzgericht entschieden hatte, dass es sich auch bei der Überlassung von kommunalen Liegenschaften an andere kommunale Einrichtungen um eine hoheitliche Aufgabe handelt, ist der Bürgermeister in Revision gegangen. Der Bundesfinanzhof hat dann entschieden, dass grundsätzlich nachhaltig und gegen Entgelt erbrachte Leistungen der öffentlichen Hand der Umsatzsteuer unterliegen.
Ich will das Urteil nicht weiter ausführen. Aber Fakt ist, dass diese veränderte Rechtsprechung sich im Wesentlichen auch einer Rechtsprechung des EuGH anschließt. Der hat diesen diffusen Begriff eingeführt. Diese Rechtsprechung besagt, dass die Grenze dort liegt, wo nicht unwesentliche wettbewerbsrechtliche Beeinflussungen entstehen. Das hat geführt, dass die Umsatzsteuerpflicht für die öffentliche Hand im Vergleich zur gegenwärtigen Besteuerungspraxis der Finanzverwaltung erheblich ausgeweitet wurde.
Der Bund hat zunächst in der Weise reagiert, dass er gesagt hat, er erlässt einen Nichtanwendungserlass, um zu verhindern, dass die kommunale und interkommunale Zusammenarbeit komplett zum Erliegen kommt. Das ist natürlich ein Instrument, das deswegen potenziell gefährlich ist, weil die Quelle dieser grundsätzlichen Rechtsmeinung in
der Europäische Union liegt und uns irgendwann die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens ereilen könnte.
Erfreulicherweise hat die große Koalition im Koalitionsvertrag schon reagiert und hat sich zumindest erst einmal zu Folgendem bekannt- ich zitiere -:
„Die interkommunale Zusammenarbeit soll steuerrechtlich nicht behindert werden. Wir lehnen daher eine umsatzsteuerliche Belastung kommunaler Beistandsleistungen ab und werden uns - soweit erforderlich - EUrechtlich für eine umfassende Freistellung solcher Leistungen von der Umsatzsteuerpflicht einsetzen.“
Ich glaube, wir sind, weil wir ein potenzieller Nutznießer einer Regelung sind, die kommunale Beistandsleistungen weiterhin möglich macht, gerade als Sachsen-Anhalt gut beraten,die große Koalition zu ermuntern, dieses Vorhaben möglichst schnell auf den Weg zu bringen und sich vor allem den Vorschlägen der Spitzenverbände zu öffnen: Damit soll im Umsatzsteuerrecht eine klare Regelung für die Definition dieser nicht unerheblichen wettbewerbsrechtlichen Folgen geschaffen und damit eine scharfe Grenze gezogen werden, die einerseits den Kommunen die Möglichkeit gibt zu entscheiden, wann eine interkommunale Zusammenarbeit Sinn macht, und andererseits auch jedem das Risiko der Umsatzsteuerpflicht ausreichend deutlich beschreibt, damit dann die Versuche, durch eine Ausweitung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen in Konkurrenz zum freien Markt zu treten, unterbunden werden.
Ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Erfreulicherweise hat die Finanzministerkonferenz bereits eine länderoffene Arbeitsgruppe eingesetzt, die einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten soll. Da ist nach unserem Dafürhalten etwas Geschwindigkeit geboten, damit wir möglichst schnell eine belastbare Regelung haben, damit diese Dinge in den Kommunen als Planungsgröße entsprechend berücksichtigt werden können.
Warum sind uns gute Rahmenbedingungen für die interkommunale Zusammenarbeit so wichtig? - Ich will auf wenige Punkte eingehen. Die sind, glaube ich, bei der Mehrheit in diesem Haus auch unstrittig. Wir haben zum einen natürlich das Problem, dass das Zusammenwirken von demografischer Entwicklung und die damit verbundenen fiskalischen Probleme, die viele Kommunen haben, dazu führen, dass das selbständige Finanzieren der kommunalen Infrastruktur immer schwieriger wird.
Nein, das ist nicht allein ein Problem, das auf die chronische Unterfinanzierung zurückzuführen ist. Das ist ein strukturelles Problem. Deutschland wird älter. Sachsen-Anhalt - ich habe es erwähnt - ist in demografischer Hinsicht das zweitälteste Bundesland. Jeder Bürger des Landes, der nicht zur Ver
fügung steht, ist auch auf der Einnahmeseite ein Schlag ins Kontor. Sie alle wissen, dass uns jährlich allein 60 Millionen € aufgrund des demografiebedingten Steuerkraftverlustes fehlen.
Interkommunale Zusammenarbeit bedeutet nichts anderes, als dass ich gute Dinge - ich nehme als Beispiel einmal eine Musikschule oder ein gemeinsames Standesamt, das viel Geld verschlingt - auf breitere Finanzierungsbeine stelle, indem ich einfach die Kosten teile und sage, das machen mehrere Kommunen gemeinsam. Ich finde, dass es in Sachsen-Anhalt bereits gute Beispiele gibt, solange sich das auf diesen hoheitlichen Bereich beschränkt. Auch im Bereich der Leitstellen, der Standesämter, in den Bereichen des Adoptionsrechtes oder des Wohngeldes arbeiten einige Landkreises schon zusammen und erledigen Aufgaben gemeinsam, die für den Einzelnen viel zu aufwendig wären.
Nach unserem Dafürhalten ist es so, dass sich die Pflanze der interkommunalen Zusammenarbeit in Sachsen-Anhalt entwickelt. Auf Landkreisebene läuft es gut. Aber ich kenne auch aus meiner Heimatgemeinde viele Beispiele dafür, dass Potenzial unerschlossen bleibt, weil die Schaffung von Trägerstrukturen und der vertraglichen Regelung, wie das zwischen den Kommunen ausgestaltet wird, natürlich teilweise schwierig ist.
Wir wissen aber auch, dass der Fiskalpakt und die Finanzsituation in Sachsen-Anhalt nicht dazu führen werden, dass wir künftig alle strukturellen Probleme durch das Ausschütten von mehr Landesgeld werden heilen können, sodass wir alle Potenziale jenseits der Forderung nach mehr Geld erschließen und die Kommunen dabei unterstützen, effektiver zu werden.
Ohne Frage ist im Bereich interkommunaler Zusammenarbeit noch viel Feld zu bestellen. Deswegen auch unsere Forderung nach einer umfassenden Evaluierung.
Ich meine auch die Idee des Kompetenzzentrums. Dieses soll nach unserem Willen im Wesentlichen dazu dienen, dass das Land den Kommunen insbesondere bei der Vertragsgestaltung und bei der Wahl der richtigen Kooperationsform auf die Sprünge hilft. Damit sind viele vor Ort einfach überfordert, sodass wir diesbezüglich tätig werden sollten.
Ich würde mich freuen, wenn wir dazu auch die Landesregierung in den Ausschüssen für Finanzen - er soll federführend sein - und für Inneres und Sport dazu hören, wie ihre Vorstellungen sind.
Wir sollten mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber reden, ob ein solches Kompetenzzentrum Sinn macht. Wir wollen das nicht um des Kompetenzzentrums willen; aber wenn aufgrund der Umsatzsteuerregelung Potenziale gehoben werden
können, ist unser Wunsch, dass ein klares Signal aus Sachsen-Anhalt dahin gehend kommt, dass der Bund diesbezüglich möglichst schnell tätig wird.
Ich war in einigen Fachausschüssen beim Bund und habe einen gewissen Verdruss beim Bundesfinanzministerium wahrnehmen können, das sozusagen über die Quelle dieses Problems noch etwas verärgert war und nicht unbedingt auf die Tube drückt, was das Tempo angeht.
Lassen Sie mich am Ende vielleicht noch zwei Sätze zu dem Änderungsantrag der LINKEN sagen. Ich fange einmal mit Punkt 3 an. Das ist eine sprachliche Feinheit. Ich glaube, wir sind uns inhaltlich relativ einig darin, was das Ziel dieses Kompetenzzentrums sein soll. Ich habe darin gar nicht so richtig den Unterschied finden können, außer dass wir natürlich als regierungstragende Fraktionen etwas höflicher sind und die Landesregierung bitten und nicht auffordern.
Zu Punkt 2. Es ist richtig, dazu gab es einmal einen Antrag. Aber nachdem Sie unsere Intention in meinen Ausführungen gehört haben, würde ich sagen: Die interkommunale Funktionalreform ist ohne Frage ein spannendes Thema, aber hat in dem Antrag jetzt nichts zu suchen. Das wäre wirklich ein Thema, über das isoliert noch einmal diskutiert werden sollte.
Das macht natürlich auch im Lichte der Haushaltsberatungen Sinn. Vielleicht können wir dann auch noch einmal im Ausschuss überlegen, ob wir an der Stelle vorankommen.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und würde mich freuen, wenn Sie den Antrag zu so später Stunde angemessen unterstützen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Barthel. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Stahlknecht. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unmittelbarer Anlass für den Antrag der regierungstragenden Fraktionen ist die Frage der steuerrechtlichen Behandlung der interkommunalen Zusammenarbeit. Die hier durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes unter Hinweis auf die Europäische Richtlinie über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem aufgeworfene Frage der Umsatzsteuerpflicht interkommunaler Zusam
menarbeit bedarf dringend einer gesetzlichen Klärung, da ansonsten das wertvolle und bewährte Instrument der interkommunalen Zusammenarbeit stark gefährdet würde.
Die Frage der Umsatzsteuerpflichtigkeit interkommunaler Zusammenarbeit beschäftigt das Bundesfinanzministerium sowie die Finanz- und die Innenministerien der Länder schon seit längerer Zeit. Eine länderoffene Arbeitsgruppe, eingesetzt durch die Finanzministerkonferenz, klärt offene Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung der öffentlichen Hand, insbesondere der interkommunalen Zusammenarbeit.
Eine Facharbeitsgruppe, bestehend aus den kommunalen Spitzenverbänden, der Innenministerkonferenz und der Wissenschaft, arbeitet an Lösungsansätzen für die sich aus der Anpassung der bestehenden umsatzsteuerrechtlichen Regelung an das Unionsrecht ergebenden Probleme, insbesondere im Bereich der interkommunalen Zusammenarbeit.
Diese hat inzwischen einen Lösungsvorschlag erarbeitet, der eine hinreichende Grundlage bietet, insbesondere weite Teile der interkommunalen Zusammenarbeit von der Umsatzbesteuerung auszunehmen. Unter anderem sieht er eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes vor.
Kernpunkte sollen unter anderem eine Umsatzsteuerfreiheit sein, sofern die Leistungen nach der Natur der Dinge nicht von Privaten erbracht werden, und des Weiteren Fallkonstellationen, die nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn sich aus dem Gesamtzusammenhang besondere Vorgaben für ein Tätigwerden der öffentlichen Hand ergeben, die zu einer längerfristigen Kooperation auf öffentlich-rechtlicher Grundlage bei reiner Kostenerstattung führen.
Zunächst möchte ich betonen, dass das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit in SachsenAnhalt den Kommunen bereits verschiedene Formen der interkommunaler Zusammenarbeit bietet, die zunehmend genutzt werden.
Im Zuge der Gemeindegebietsreform sind in Sachsen-Anhalt zukunftsfähige Gemeindestrukturen geschaffen worden. Allerdings werden durch die absehbare demografische Entwicklung insbesondere im ländlichen Raum die Einwohnerzahl und somit auch die Finanzkraft zahlreicher Kommunen merklich zurückgehen. Dies stellt die betroffenen Gemeinden vor große Herausforderungen.
Unter diesem Gesichtspunkt ist die interkommunale Zusammenarbeit ein wertvoller Ansatz zur Sicherung der notwendigen kommunalen Aufgaben bei grundsätzlicher Beibehaltung der bestehenden kommunalen Strukturen.
setzen. Die interkommunale Zusammenarbeit in Arbeitsgemeinschaften, im Wege von Zweckvereinbarungen und in Zweckverbänden bekommt deshalb zukünftig eine steigende Bedeutung.
Neben dem klassischen Bereich der Zweckverbandstätigkeit im Bereich Wasser und Abwasser - allein hier existieren etwa 60 Zweckverbände - muss künftig der Schwerpunkt der interkommunalen Zusammenarbeit im Aufgabenbereich der internen Servicebereiche, beispielsweise Personaldienstleistungen und Informations- und Kommunikationstechnik, gesehen werden.