Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

Sie sehen, meine Damen und Herren, es geht hierbei schlichtweg nicht nur um eine Frage des guten Willens. Es geht um eine Frage der Gerechtigkeit. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Herbst. - Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Robra.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Herbst, die Absichten verstehe ich wohl, allein nicht alles, was Sie vorschlagen, ist mit dem Prinzip der Staatsferne des Rundfunks wirklich vereinbar.

Es ist nun einmal so, dass es in erster Linie eine Aufgabe des Rundfunks und der demokratisch legitimierten Gremien im Rundfunk ist, vieles von dem aufzugreifen, was Sie hier gesagt haben. Ihr Antrag bezieht sich auf den MDR, nicht auf die Medienwelt schlechthin.

Beim MDR sehe ich weder Ressentiments gegen Menschen mit Migrationshintergrund, noch habe ich dort in den letzten Jahren reißerischen Journalismus zulasten von Menschen mit Migrationshintergrund erlebt, sondern ganz im Gegenteil eine große Sensibilität in der Berichterstattung auf allen Ebenen.

Auch die Intendantin hat im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien in der Sitzung am 11. Juni 2014 sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, wie wichtig ihr das Anliegen ist, mit wem sie bereits im Meinungsaustausch steht und dass der Ausbau der interkulturellen Kompetenz für sie und alle anderen Verantwortlichen im MDR in Übereinstimmung mit dem Rundfunkrat eine ganz wichtige Aufgabe ist.

Aber bedenken Sie bitte, wie lange bei ARD und ZDF, bei den ARD-Anstalten außerhalb der neuen Länder, das gedauert hat, was Sie einleitend beschrieben haben: bekannte Namen von Menschen mit Migrationshintergrund und Gesichter, die zur Identifikation beitragen.

Eine Aussage dazu, wo wir beim MDR vergleichbar in der Entwicklung stehen: Im MDR wachsen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst heran. Mir ist es wichtig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDR ganz maßgeblich aus den mitteldeutschen Ländern kommen und darunter

dann auch Menschen mit Migrationshintergrund angemessen repräsentiert sind.

Das dauert eben seine Zeit. Das ist von 1990 bis heute in der Zahl noch nicht möglich gewesen. Bekanntlich leben bei uns nicht so viele Menschen mit Migrationshintergrund. Nicht alle davon streben eine journalistische Laufbahn an.

Die Sensibilität ist vorhanden, aber man muss dieser Entwicklung, soweit es um Namen, Gesichter und Personen geht, eben auch noch ein bisschen Zeit geben. Das ist in Nordrhein-Westfalen beim Westdeutschen Rundfunk naturgemäß ganz anders und darf Sie nicht verwundern.

Wenn ich mich jetzt an Ihrem Antrag entlang hangele, dann stelle ich zu Punkt 1 fest: Das sind medienrechtliche Standards, zu denen es überhaupt keinen Dissens gibt.

Dass wir die interkulturelle Kompetenz und die Bemühungen im MDR, dies als Zukunftsaufgabe zu verstehen, begrüßen - gern -, versteht sich von selbst, bedarf meines Erachtens keiner besonderen Hervorhebung, weil es überhaupt keine Missstände im MDR auf diesem Felde gibt. Es gibt diesbezüglich aus meiner Sicht nichts zu beanstanden.

(Herr Herbst, GRÜNE: Das steht ja auch nicht drin!)

Und wenn, dann sagen Sie es bitte konkret, was da nicht in Ordnung ist. Das ist überall im Leben so, lieber Herr Herbst.

Punkt 3 des Antrags geht gar nicht. Das ist mit dem Prinzip der Staatsferne nicht vereinbar. Die Landesregierung hat das Recht, einen einzigen Platz im Rundfunkrat zu besetzen. Das macht die Staatssekretärin Keding. Sie ist aber im Übrigen, wie alle anderen Rundfunkratsmitglieder, in der Wahrnehmung dieser Aufgabe völlig unabhängig und frei in all dem, was sie tut. Sie ist eine unter vielen. Die Landesregierung direkt und unmittelbar hat kein Initiativrecht im Rundfunkrat. Das wäre mit dem Gebot der Staatsferne völlig unvereinbar.

Entsprechendes gilt für die Anregung, dass ausgerechnet die Landesregierung, also der Staat sozusagen schlechthin, in den Gremien und darüber hinaus bestimmte Denkanstöße auslösen soll.

Wir werden bei der Änderung des Staatsvertrages diese und andere Fragen, nämlich die angemessene Berücksichtigung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in den Gremien, zu würdigen haben. Das hat der Landtag in der letzten Sitzung hier behandelt und darum gebeten, im Oktober 2014 über den Stand der Verhandlungen zur Novellierung des Staatsvertrags zu sprechen.

Zudem ist es eine Aufgabenstellung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die Dynamik der gesellschaftlichen Wirklichkeit in den Gremien an

gemessen abzubilden. Das ist völlig unstrittig und als Aufgabe erkannt.

In diesem Zusammenhang wird dann auch über die Gremienbesetzung zu verhandeln sein, welche Gruppen diese gesellschaftliche Realität angemessen in den Gremien reflektieren und inwieweit und vor allen Dingen von wem auch Mitglieder mit Migrationshintergrund zu entsenden sind.

Punkt 6 geht wieder gar nicht: partnerschaftliche Vereinbarungen zwischen der Landesregierung und dem MDR zur Förderung der interkulturellen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MDR. Das ist mit dem Prinzip der Staatsferne nicht zu vereinbaren und von der Intendantin als Problem erkannt worden. Von uns wird unterstützt, dass sie die interkulturelle Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördert. Aber eine institutionelle Vereinbarung auf, wenn man so will, Augenhöhe ist zwischen den staatsfernen Medien und der Landesregierung verfassungsrechtlich weder vorgesehen noch möglich.

Also sind das insofern diskussionswürdige Punkte, aber auch solche, bei denen man sehr vorsichtig sein muss. Ich bin gern bereit, im Ausschuss weiter darüber mit Ihnen zu sprechen.

Wir brauchen die Unterstützung - ich habe es neulich schon gesagt - des Landtages insgesamt bei der Präzisierung des MDR-Staatsvertrages aufgrund der Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Viele dieser Punkte hängen, wie Sie auch zu Recht gesagt haben, unmittelbar mit der Diskussion, die vor uns steht, zusammen. - In diesem Sinne herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Staatsminister Robra. Es gibt eine Nachfrage der Kollegin Dalbert.

Herr Robra, ich beziehe mich in meiner Frage auf einen Punkt, den Sie eben angesprochen haben. Sie haben ausgeführt, dass es Ihnen wichtig sei, dass die Redakteure und Redakteurinnen des MDR aus Sachsen-Anhalt stammten.

Aus Mitteldeutschland, habe ich gesagt.

Ja. Darüber bin ich etwas gestolpert. Ich möchte einfach nachfragen, damit ich das besser verstehe. Ich bin aus zwei Gründen darüber gestolpert. Zum einen habe ich gedacht, dass wir die Besten wollten und dass sie auch woanders herkommen und sich hier einarbeiten können.

Dann haben wir vielleicht eine spannende Mischung aus Leuten, die hier groß geworden sind, und anderen, die beispielsweise wegen ihrer besonderen Exzellenz in spezifischen Bereichen gewonnen wurden und denen wir zutrauen, das Land kennenzulernen.

Zum anderen bin ich darüber gestolpert, weil wir darüber jetzt im Zusammenhang mit der Willkommenskultur reden und ich mir vorstellen kann: Wenn wir mehr Beiträge in den Medien haben wollen von Menschen mit einem anderen kulturellen Hintergrund, die möglicherweise bei uns nicht so leicht zu finden sind, weil wir im Augenblick im Land nur knapp 3 % Menschen mit Migrationshintergrund haben, dann könnte das ein Grund sein, auf Leute zurückzugreifen, die nicht hier groß geworden sind.

Denn ich verstehe den Antrag so, dass eine Berichterstattung, die sich auf andere Fassetten von Kultur, Religion und anderen Dingen bezieht, Teil einer Willkommenskultur ist, dass man auch über Dinge berichten kann, die im Moment noch nicht Teil unserer Landeskultur sind, dass wir aber sozusagen auch damit werben, dass wir dafür offen sind, weil wir damit natürlich auch Menschen ins Land holen können.

Ich teile Ihre Auffassung, dass Empathie auch ohne eigenen Betroffenheitshintergrund möglich ist, dass sich Menschen auch einfühlen können in andere Lebenslagen. Aber gerade wenn Herr Herbst sagt, dass Themen für Menschen mit Migrationshintergrund auch von Menschen mit Migrationshintergrund gesetzt, bearbeitet und auf dem Bildschirm präsentiert werden sollen, dann erinnere ich daran, dass es aus unserer Sicht und auch aus der Sicht unserer Bevölkerung gute Gründe dafür gibt, mehr Wert darauf zu legen, dass sich im Mitteldeutschen Rundfunk die eigene Erlebniswelt unserer Menschen aus Mitteldeutschland angemessen wiederfindet.

Der Punkt war, dass wir jetzt in der Schnittmenge derjenigen, die von hier kommen, und derjenigen, die einen Migrationshintergrund haben, noch nicht die Voraussetzungen haben wie in NordrheinWestfalen. Das ist zunächst einmal eine banale Erkenntnis.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Diesbezüglich habe ich wirklich keine Sorgen. Ich weiß, dass die Intendantin das erkannt hat, dass sie an dem Thema arbeitet. Natürlich gibt es in zunehmendem Maße junge Menschen aus Mitteldeutschland, die einen Migrationshintergrund haben. Sehen Sie sich die jungen Männer und Frauen an, die bei uns das Abitur machen und die zum Teil auch eine journalistische Laufbahn einschlagen.

Was im Jahr 1990 noch absolut selten der Fall war, junge Vietnamesinnen und Vietnamesen oder Menschen mit einem Hintergrund in vietnamesischen Familien etc., findet sich heute in fast jeder Klasse. Ich glaube, in dieser Hinsicht sind wir auf einem guten Weg. Die Intendantin hat es erkannt und wird es berücksichtigen.

Danke schön, Herr Staatsminister. - Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion der SPD spricht Herr Abgeordneter Felke.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Blick darauf, dass wir uns erst im Mai 2014 in diesem Hohen Hause über die Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ZDF-Staatsvertrag ausgetauscht haben und uns darauf verständigt haben, auch über einen möglichen Änderungsbedarf beim MDRStaatsvertrag in dem zuständigen Ausschuss zu beraten, fand ich Ihren Antrag doch etwas überraschend.

Ich kann Sie, Herr Kollege Herbst, aber beruhigen. Wir werden Ihren Antrag nicht ablehnen, sondern darüber in einem sinnvollen Zusammenhang im Medienausschuss beraten.

Auch wir sind der Meinung, dass der MDR-Staatsvertrag auf den Prüfstand gehört. Ist die gesetzliche Grundlage noch zeitgemäß? Spiegelt die Zusammensetzung des Rundfunkrates die Vielfalt einer sich verändernden Gesellschaft wider? - Das sind Fragen, denen wir uns stellen müssen.

Der Anteil der sogenannten gesellschaftlichen Gruppen ist mit 26 % eindeutig zu gering, auch im Vergleich zu allen anderen ARD-Anstalten. Ebenso liegt der Anteil von Frauen im Rundfunkrat mit gerade einmal 12 % deutlich unter dem aller anderen Rundfunkgremien. Auch das Ungleichgewicht zwischen Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern ist mit 21 % zu 7 % nirgendwo so ausgeprägt wie beim MDR.

Eine Aufstockung des Rundfunkrates wäre nach unserer Auffassung nicht erforderlich, um die Vielfalt sicherzustellen. Sie wäre mit Blick auf die ersten Vorschläge zum künftigen ZDF-Fernsehrat in Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils, die eine Reduzierung von 77 auf 60 Mitglieder vorsehen, nicht erklärbar.

Es wäre aber zeitgemäß, auf die drei Vertreter der Landesregierungen im Rundfunkrat zu verzichten, wie es in den Gremien von vier ARD-Anstalten bereits gehandhabt wird. Zur Sicherstellung der Kommunikation können die Rechtsaufsicht oder Beauftragte der Landesregierungen mit beratender Funk

tion an den Sitzungen teilnehmen. Das dafür Notwendige ist bereits heute in § 22 Abs. 4 des derzeitigen MDR-Staatsvertrags geregelt.

Darüber, ob wir eine Staatsvertragsänderung benötigen, mit der ein Sitz für ein Mitglied mit Migrationshintergrund im Rundfunkrat festgeschrieben wird, sollten wir offen diskutieren. Sicherlich gibt es gute Gründe dafür, aber ich sehe hierbei auch einige Schwierigkeiten, zum Beispiel die Frage, wie eine breit akzeptierte Auswahl gelingen kann.

Wäre es nicht eigentlich das Normalste und auch ein Ausdruck unserer sich verändernden Gesellschaft, wenn schon jetzt von den entsendenden Verbänden auch Mitglieder benannt werden, die einen Migrationshintergrund besitzen? Vertreter von Wirtschaft, Jugend oder Sport bis hin zu Parteien können natürlich auch einen Migrationshintergrund mitbringen. Wir alle können das mit beeinflussen.

Es ist gut, dass sich Vertreter des MDR bis hin zur Intendantin regelmäßig mit Interessengruppen, darunter auch Migrantenorganisationen, treffen. Für dieses Jahr ist ein solches Treffen in SachsenAnhalt vorgesehen. Das Angebot der Intendantin, ihr Vorschläge für zu berücksichtigende Organisationen zu unterbreiten, sollten wir auf jeden Fall annehmen.

Dass der MDR in besonderer Weise darauf hingewiesen werden muss, mehr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Ausbau von Integration und Partizipation zu unternehmen, kann ich nicht erkennen.

Schon der im Staatsvertrag formulierte Programmauftrag macht deutlich, woran sich der MDR messen lassen muss. In § 6 Abs. 3 heißt es: „Die Sendungen des MDR haben den Belangen aller Bevölkerungsgruppen, auch der Minderheiten, Rechnung zu tragen.“ - Ich denke, diese Aufgabe wird erfüllt.