Das alles waren die Ursachen für die massiven Proteste. Die Menschen, die auf die Straße gegangen sind, haben ganz klar gesagt: Liebe Landesregierung, eure alleinige Fokussierung auf Schuldenabbau, eure alleinige Fokussierung darauf, diesen Haushalt vermeintlich zu sanieren, das ist nicht die Zukunft dieses Landes. Liebe Kollegen
von der Landesregierung, diese Fokussierung, dieser Tunnelblick gefährdet die Zukunft dieses Landes.
Das war die zentrale Aussage der Menschen auf den Straßen. Denn sie hatten eine einfache Erkenntnis: Die Zukunft dieses Landes, liebe Kollegen, entscheiden keine Rating-Agenturen. Die Zukunft dieses Landes entscheiden Menschen mit ihrer Entscheidung: Bleibe ich hier oder gehe ich weg?
Bekomme ich hier Kinder oder bekomme ich sie nicht? Lege ich gesellschaftliches Engagement an den Tag oder engagiere ich mich im Beruf?
Das ist die Erkenntnis, die am Kabinettstisch keinen Platz mehr hatte und die dem Kabinett durch diese Proteste von außen aufgedrückt werden musste.
Deswegen erfolgten die Korrekturen eher zögernd und widerwillig. Sie entsprachen nicht der Überzeugung dieser Landesregierung.
Sie kosten aber trotzdem Geld. Sie kosten nicht wenig Geld. Deswegen sage ich: Wenn die Analyse des Jahres 2013 wirklich gestimmt hätte, dann wären wir jetzt abgrundtief in die Schuldenspirale hineingerutscht. Da wir diese Aufrufe, die es damals gegeben hat - permanent Gürtel enger schnallen, Personal abbauen, wir müssen streichen, wir müssen kürzen; das ist ja zum großen Teil nicht umgesetzt worden -, nicht wirklich realisiert haben, hätten wir jetzt eine desolate Finanzsituation des Haushaltes haben müssen.
Aber nein, die Landesregierung kommt überraschenderweise zu einem völlig anderen Urteil. Noch vor einem Jahr: Gürtel enger schnallen, radikale Einschnitte. - Heute: Alles ist super, alles ist gut; wir stehen hervorragend da. Finanzpolitik ist Wachstumspolitik usw. usf. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer soll diese Einschätzung noch glauben?
Dann haben Sie versucht, diese Botschaft herüberzubringen, und zwar vor 14 Tagen bei einem Pressebrunch der Landesregierung. Offensichtlich waren aber auch die Kollegen von den Medien so geschockt worden, dass sie das irgendwie nicht reflektiert haben. Die „Altmarkzeitung“ hat einen Artikel gebracht, alle anderen haben das irgendwie ignoriert.
Dann hat offensichtlich die Landesregierung gesagt: Na ja, dann müssen wir es ihnen noch einmal sagen. Okay, der Ministerpräsident macht eine entsprechende Regierungserklärung. In Ordnung.
Das schien allerdings wiederum den Finanzminister so geärgert zu haben - denn er wollte die positive Botschaft überbringen -, dass er vor einer Woche genau zu diesem Thema eine Pressekonferenz gemacht hat. Nun gut. Jetzt haben wir also die neue Strategie dieser Landesregierung. Jetzt haben wir den neuen Paradigmenwechsel. Sparen und Konsolidieren ist vorbei. Jetzt geht’s nach vorn.
Aber was ist an dieser Geschichte nun Show? Ist diese Kehrtwendung, weil viel zu abrupt, ein völlig unglaubwürdiger Versuch, sich mit einem neuen Image auszustatten, nachdem man gemerkt hat, dass man mit dem Image, dass man sich im Jahr 2013 zugelegt hat, eigentlich überhaupt keine Resonanz mehr in der Bevölkerung findet?
Dazu haben wir tatsächlich drei wesentliche Erkenntnisse. Erstens. Unsere Positionierung gegen die damalige Sparstrategie der Landesregierung war völlig richtig. Unsere Strategie, gegen die Kürzungen vorzugehen, führte das Land SachsenAnhalt eben nicht in die Katastrophe, sondern war die richtige Antwort auf die Kabinettsbeschlüsse des Jahres 2013, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zweitens. Es ist auch ein Sieg der Protestbewegung. Sie war weder egoistisch, noch stellte sie unbezahlbare Forderungen. Diese Protestbewegung war notwendig und sie war richtig. Heute gibt die Landesregierung zu, dass die Forderungen völlig berechtigt gewesen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Dritte Erkenntnis: Ein solcher Paradigmenwechsel der Landesregierung, wie er heute hier zelebriert wird, ist zu abrupt, um glaubwürdig zu sein. Ich möchte auch gleich ein Beispiel anführen, das uns zu dieser Erkenntnis führt.
Erste Dokumentationen über den Doppelhaushalt für die Jahre 2015 und 2016 haben wir bereits. Diesbezüglich gibt tatsächlich eine gute Stimmung im Kabinett. Aber offensichtlich hat man vor, sich diese gute Stimmung von anderen bezahlen zu lassen. Denn beim Finanzausgleichsgesetz hat man vor, in den nächsten beiden Jahren 130 Millionen € und danach 160 Millionen € pro Jahr einzusparen.
Die Begründungen dafür werden flexibel sein, ähnlich wie damals bei den Hochschulkürzungen. Sie sollen uns hier nicht weiter interessieren. Aber
eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist doch klar: Jeder, der sich mit dieser Materie auskennt, der weiß doch, was eine zehnprozentige Kürzung der FAG-Summe für die Kommunen bedeutet. Das wird radikale Auswirkungen vor Ort haben.
Insofern ist die Botschaft der Landesregierung ganz klar: Nein, wir streichen nicht mehr selbst, wir lassen streichen, und zwar durch die Landräte und Landrätinnen, durch die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, durch die Kreistage und die Gemeinderäte. Das, liebe Kollegen von der Landesregierung, ist schon ziemlich zynisch.
Bei Ihrer Regierungserklärung beschleicht einen schon ein eigenartiges Gefühl. Die Ankündigung, dermaßen radikal in die Kommunalfinanzen eingreifen zu wollen, erreicht uns wenige Wochen nach den Kommunalwahlen. Man hat versucht, die schmerzhaften Einschnitte auf der Landesebene irgendwie im Jahr 2013 durchzudrücken. Jetzt sind die Kommunalwahlen vorbei, jetzt kann man an die Kommunalfinanzen herangehen.
Das wirft die Frage auf, was von dieser Landesregierung eigentlich nach den nächsten Landtagswahlen kommen wird.
Was passiert dann im Jahr 2016? Wird sich dann wieder ein Ministerpräsident hier hinstellen und wie im Jahr 2013 eine Blut-, Schweiß- und Tränenrede halten und von Konsolidierung, von Sanierung, von radikalen Einschnitten in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge reden? Werden wir dann wieder wie beim letzten Mal Zeuge dessen werden, dass in einer Koalitionsvereinbarung handstreichartig und ohne über die Konsequenzen zu reden der Einstellungskorridor halbiert wird?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Agieren dieser Landesregierung legt diese Vermutung nahe. Deswegen wird es unser Ziel sein, dieser Landesregierung nicht noch einmal die Chance zu geben, einen solchen Fehler zu machen.
(Beifall bei der LINKEN - Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Das beurteilen die Wähle- rinnen und Wähler!)
Was bleibt unterm Strich? - Den Paradigmenwechsel dieser Landesregierung kann man, wenn man ihn positiv bewertet, als radikale Selbstkritik im Hinblick auf die Arbeit in den letzten drei Jahren bewerten. Aber er hat einen großen Makel: Er leidet an mangelnder Glaubwürdigkeit. Wir werden in den Haushaltsberatungen in den kommenden Monaten sehr genau hinschauen
und prüfen, ob die Probleme von der Landesregierung mit ihren Vorschlägen wirklich angegangen werden oder ob man versucht, die Probleme auf andere, nämlich auf die kommunale Ebene, abzuwälzen.
Wir werden uns dabei von einer realistischen Analyse der Chancen und Ressourcen in diesem Land tragen lassen. Das ist allemal seriöser, das ist allemal besser als ein Hin und Her zwischen Untergangsgesängen und Jubelarien. - Danke.
Danke, Herr Kollege Gallert. - Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion der SPD die Fraktionsvorsitzende Frau Katrin Budde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Klasse, einer ganz leise, einer ganz laut - ich versuche jetzt einmal die Mitte zu treffen. Das Thema der heutigen Regierungserklärung lautet „SachsenAnhalt in guter Verfassung“. Ich möchte, bevor ich darauf zu sprechen komme, einige Sätze zu der ersten Sitzung in dem modernisierten Gebäude sagen. Ich finde, das gehört an den Beginn des Tages.
Ich möchte von unserer Seite aus Dank sagen. Wir haben anderthalb Jahre in einem Übergangsdomizil gearbeitet und in der Johanniskirche getagt. Wir waren, glaube ich, alle etwas skeptisch, dass das funktionieren würde. Deshalb möchte ich an dieser Stelle danke sagen, danke an die Landtagsverwaltung, danke an das Finanzministerium, dass das alles so gut geklappt hat, und danke an diejenigen, die das Gebäude saniert haben.
Das Parlament, jedenfalls das Gebäude, ist wieder in guter Verfassung. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen und das ist ein Aushängeschild für die Demokratie in unserem Land.
Zugegebenermaßen war ich anfangs ein wenig überrascht, als die Regierungserklärung angekündigt wurde. Sie ist streckenweise auch ein vorweggenommener Beitrag zur Haushaltsdebatte gewesen. Wir als Parlament haben die Vertitelung der Einzelpläne noch nicht vorliegen.
Wir haben Ähnliches schon im letzten Jahr gehabt. Damals hieß der Titel der Regierungserklärung „Investieren, konsolidieren, Innovationen fördern - mit solider Haushaltspolitik heute Zukunft gestalten“. Der Anlass war damals allerdings ein anderer. Heute ging es wohl auch ein wenig
Herr Ministerpräsident, ich möchte aber auch ausdrücklich anerkennen, dass Sie sich - das konnte man der Regierungserklärung anhören - meine Worte aus dem letzten Jahr vielleicht ein Stück weit zu Herzen genommen haben. Sie werden sich daran erinnern, dass ich vehement dafür geworben habe, das Land nicht schlechtzureden und den Menschen nicht nur zu vermitteln, dass es bergab gehe.
Im Gegenteil. Wir wollen niemanden abschrecken. Wir wollen, dass die Menschen zu uns kommen und dass sie hier bleiben. Die heutige Regierungserklärung ist inhaltlich schon um 180 Grad gedreht.