Protokoll der Sitzung vom 17.07.2014

Besonders bemerkenswert finde ich den dritten Punkt Ihres Alternativantrages. Sie fordern dort ein Verfahren bei der Landesregierung ein, das eigentlich selbstverständlich sein sollte. Aber es ist richtig - diesbezüglich teile ich Ihre Auffassung -: Manchmal muss der Landtag der Landesregierung ganz konkret und deutlich mittels Beschluss sagen, dass die einzelnen Ressorts im Kabinett sich gegenseitig informieren sollten, zusammenarbeiten sollten und sich abstimmen sollten.

(Zustimmung von Herrn Lange, DIE LINKE)

Das im Umgang mit dem Thema Rechtsmedizin Erlebte hat uns insbesondere in den letzten Wochen gezeigt, dass wir als Parlament im Sinne der Gewaltenteilung der Landesregierung klarmachen müssen, wer Ross bzw. Stute und wer Reiter bzw. Reiterin ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Rein an der Sache bzw. Beschlusslage hinsichtlich des Erhalts zweier Standorte der Rechtsmedizin orientiert, könnte man meinen, dass die heute zur Debatte stehenden Anträge nicht erforderlich und damit eigentlich überflüssig sind. Rein an der Sache orientiert kann ich Ihnen sagen und bestätigen: Das stimmt; wir befinden uns in einer Wiederholungsschleife.

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat am 10. Juli 2013 beschlossen - ich zitiere -:

„Die positive Entwicklung des rechtsmedizinischen Institutes ist unter der Maßgabe der Beibehaltung eines Institutes an zwei Standorten weiterzuführen.“

Nun könnte man meinen, damit wäre alles gut. Der Auftrag des Parlaments an die Landesregierung ist klar formuliert. Die bisher vergangene Zeit - immerhin bereits ein Jahr - ist mehr als ausreichend, um das zur Umsetzung Erforderliche zu tun.

Meine Damen und Herren! Mit dem kommenden Doppelhaushalt besteht grundsätzlich die Chance, die rechtsmedizinischen Institute in Halle und in Magdeburg in ein sicheres Fahrwasser zu bringen und sowohl den am Institut Arbeitenden als auch - das darf nicht vergessen werden - den Lehrenden und Studierenden die Gewissheit zu geben, dass ihre Arbeit qualitativ hochwertig und sowohl für die Lehre als auch für die Strafverfolgung und Strafermittlung in Sachsen-Anhalt unentbehrlich ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Doch weit gefehlt! Was bedeutet schon ein Beschluss des Landtages? Diese Landesregierung, allen voran der Minister für Wissenschaft und Wirtschaft, hat entschieden: Diesen Beschluss des Parlaments müssen wir nicht ernst nehmen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ehrlich!)

Wir - also die Landesregierung - erarbeiten ein Konzept, welches wir für richtig halten. Der Landtag wird schon begreifen, dass seine Entscheidung - die im Übrigen, daran erinnere ich Sie gern, von allen Fraktionen dieses Hauses getragen wurde - falsch war. Dann muss das Parlament seinen Beschluss eben wieder aufheben und ändern.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das machen sie nicht zum ersten Mal! - Herr Leimbach, CDU: Das kann auch eine Folge von Ein- sicht sein!)

- Über die Einsicht können wir noch reden. Darüber können wir gern diskutieren.

Die Landesregierung in Gänze beschloss auf ihrer Haushaltsklausurtagung, dass es zukünftig nur noch e i n e n Standort der Rechtsmedizin geben soll, auch wenn manch Anwesender oder Anwesende der Klausur den Beschluss nicht so recht mitbekommen oder wohl eher aus seinem Gedächtnis verdrängt hat.

Sehr geehrte Damen und Herren der Landesregierung, verstehen Sie das unter einem respektvollen Umgang mit der Legislative?

(Beifall bei der LINKEN - Herr Lange, DIE LINKE: Genau! - Herr Leimbach, CDU: Oh!)

Wenn ich an die letzte Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung zurückdenke, dann stelle ich fest: Es fehlt nicht nur der Respekt im Umgang mit dem Parlament, sondern gegenüber diesem Thema überhaupt.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Herbst, GRÜNE)

Vom Wissenschaftsminister wird mal eben ein Konzept vom Vortag aus dem Ärmel gezogen - ich habe eben daraus zitiert -, bei dem sich herausstellt, dass weder die Justizministerin noch sämtliche im Raum befindlichen Staatssekretäre des Innenministeriums, des Sozialministeriums und des Finanzministeriums davon Kenntnis hatten. - Aber gut, das Ende des Streits, ob das Konzept zwischen den Ressorts überhaupt abstimmungspflichtig ist, wird wohl heute beschlossen werden.

Kommen wir zurück zum eigentlichen Thema und zu dem vorgelegten Konzept. Erstaunlich ist meines Erachtens, dass dem Konzept schon zu entnehmen ist, dass die derzeitigen Flächen der Toxikologie in Magdeburg bereits für anderes verplant sind. Meine Damen und Herren! Wie kann das sein?

Wir als Landtag haben uns immer und öffentlich hörbar für den Erhalt beider Standorte starkgemacht. Ich frage mich auch, wie die an der MartinLuther-Universität vorhandenen Bedingungen so angepasst werden sollen - mancher kennt sie -, dass spätestens ab dem 1. Januar 2015 realisiert werden kann, dass die komplette Toxikologie dort arbeiten kann; denn das wird so erwartet.

Laut Konzept wird von einem Investitionsbedarf von mindestens 3 Millionen € ausgegangen. Wer Bauvorhaben in diesem Land verfolgt, der weiß, dass es meistens teurer wird.

Bemerkenswert an dem Konzept ist übrigens die Offenheit dahingehend, dass nicht bezifferbar und benennbar sei, wie teuer ein Umbau am Standort Magdeburg wäre. Meine Damen und Herren! Das hat einen sehr merkwürdigen Beigeschmack.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Offen ist nach wie vor, obwohl mehrfach danach gefragt wurde, welche Mehrkosten, beispielsweise durch erforderliche Mehrtransporte von Magdeburg nach Halle oder aus dem Norden Sachsen-Anhalts nach Halle, für das Innen- bzw. das Justizministerium entstehen. Welche tatsächlichen Einsparungen werden beim Personal realisiert, wenn man davon ausgeht, dass das momentan tätige Personal jeweils Arbeitsverträge mit der Otto-vonGuericke-Universität bzw. mit der Martin-LutherUniversität hat? Man kann nicht davon ausgehen, dass jeder einen Änderungsvertrag unterschreiben wird.

Unterm Strich soll, wie ich es bereits sagte, nach den Berechnungen des Wirtschaftsministeriums die bisherige Unterfinanzierung der Rechtsmedizin von 1,1 Millionen € auf ca. 900 000 € gesenkt werden. Das halte ich nicht für den großen Wurf.

Allerdings - das möchte ich zumindest sagen - halten wir die Entscheidung für positiv, dass die Gewaltopferambulanzen an beiden Standorten grundsätzlich erhalten bleiben sollen.

Wenn wir den Opferschutz jedoch tatsächlich ernst nehmen, sollten wir aus meiner Sicht den niedersächsischen Weg einschlagen und an jedem Standort eine Personalstelle hierfür vorhalten. Denn momentan wird diese Aufgabe eher nebenher und fast karitativ wahrgenommen. Denn die Begutachtung von Opfern, also die gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen und die Spurensicherung, beispielsweise nach sexueller oder häuslicher Gewalt, findet ohne eine Kostenrechnung statt. Das heißt, auch dieses Defizit lässt sich sehr wohl erklären.

In Niedersachsen wird dies vom Sozialministerium finanziert. In Sachsen-Anhalt wehren sich die Kliniken verständlicherweise dagegen, die Kosten dafür zu tragen, da weder die Patientengelder noch die Forschungsmittel oder die Hochschulmittel hierfür vorhanden sind.

Insgesamt ist festzustellen, dass das, was uns als Konzept vorgelegt wurde, keinesfalls zu den erwünschten Kosten- bzw. Defizitsenkungen führen wird. Ich erinnere jedoch daran: Das ist der alleinige Grund dafür, dass wir an dieser Stelle überhaupt über Strukturänderungen reden.

Meine Damen und Herren! Eines sollte uns klar sein - dazu sollten wir uns auch nicht gegenseitig in die Tasche lügen -: Eine kostendeckende Arbeit der Rechtsmedizin im Jahr 2017 mit dem bisher vorliegenden Konzept ist absolut unrealistisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein solcher Weg wäre allenfalls über eine weitere Änderung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes und auch durch eine Übernahme der Kosten für die Gewaltopferuntersuchungen durch das Sozialministerium realisierbar.

Aus unsere Sicht ist klar zu sagen: Wir streben keine Kostendeckung bei dem Institut an. Das ist illusorisch und nicht machbar. Vielmehr sehen wir hierbei selbstverständlich die öffentliche Hand in der Pflicht.

Im Übrigen: Das Problem der Defizite bei der Rechtsmedizin ist kein sachsen-anhaltisches Problem. Der Finanzausschuss hat eine Vorlage, die bereits im Jahr 2012 verteilt worden ist, aus der deutlich wurde, dass auch die süddeutschen Länder sehr wohl Defizite einfahren, also unterm Strich eigentlich jedes Land Probleme bei der

Rechtsmedizin hat. Die Gegenfinanzierung ist sehr unterschiedlich. Dabei ist man in den Ländern sehr kreativ.

Um es noch einmal klar zu sagen: Es ist kein sachsen-anhaltisches Problem, sondern es ist ein Problem - wenn man es überhaupt Problem nennen will - der hoheitlichen Aufgaben, die hier realisiert werden sollen.

Aus meiner Sicht ist für die Arbeit der Institute entscheidend, dass sie einen Beitrag zur Aufklärung von Verbrechen leisten und dass im Übrigen auch nicht ständig Verunsicherungen bei den Mitarbeiterinnen durch vermeintliche Schließungspläne verursacht werden dürfen.

Für uns ist schließlich auch selbstverständlich, dass Gerichte, Staatsanwaltschaften und meines Wissens auch Polizeistationen nicht kostendeckend arbeiten. Nun haben wir es hierbei im Gegensatz zur Polizei, zur Staatsanwaltschaft und zum Gericht tatsächlich mit einer besonderen Zuständigkeit zu tun, nämlich mit der Einbettung der Rechtsmedizin an den Unikliniken. Deswegen liegt das Problem auch bei Herrn Möllring auf dem Tisch; er hat die Federführung dafür.

Dennoch sage ich es noch einmal: Verabschieden Sie sich vom Ansatz der Kostendeckung allein aus den Kräften der Rechtsmedizin und lassen Sie uns gegenüber der Landesregierung gemeinsam erneut den klaren Auftrag formulieren darzustellen, wodurch welche Kosten an den Instituten entstehen und wer jeweils die finanzielle Verantwortung dafür trägt bzw. zukünftig zu tragen hat. Diese Verantwortung allein bei den Unikliniken zu belassen bzw. beim Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft ist aus meiner Sicht verantwortungslos. Ein Zuständigkeitsstreit hilft uns hierbei überhaupt nicht weiter

(Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

- das ist aber das, was wir seit Monaten leben -, genauso wenig wie ein Verstecken hinter den Eckwerten der Ressorts; auch das ist nicht hilfreich.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, Sie haben völlig Recht, wenn Sie in Ihrer Begründung schreiben, dass sowohl die hoheitlichen Aufgaben als auch Forschung und Lehre in hoher Qualität sichergestellt sein müssen. Das vorgelegte Konzept lässt mich daran aber zweifeln.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Nehmen wir uns selbst und die Beschlüsse, die wir bereits getroffen haben, ernst, fordern wir deren Umsetzung. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wenn wir das nicht regulieren, freuen sich einfach nur die Privaten, die diese hoheitlichen Aufgaben, sofern sie übertragbar sind, gern erledigen. Nur:

Dann wird es auf jeden Fall nicht kostengünstiger, sondern teurer für das Land.

(Frau Thiel-Rogée, DIE LINKE: Genau!)

Und für das Frauenschutzhaus kostenfreie Opferbegutachtungen vorzunehmen, davon können wir uns dann auch verabschieden. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)