Protokoll der Sitzung vom 18.09.2014

Es bedarf nach wie vor der Überzeugungsarbeit, dass Kinder und Jugendliche über die Kompetenz verfügen, Expertinnen und Experten in eigener Sache zu sein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In der Stellungnahme des Deutschen Kinderhilfswerks zu unserer Verfassungsänderung heißt es - ich zitiere -:

„Der Formulierungsvorschlag des Ältestenrats nimmt zwar eine Verbesserung des aktuellen Textes vor, bleibt allerdings deutlich hinter den in der UN-Kinderrechtskonvention formulierten Rechten zurück. Gerade angesichts des Blicks in andere Bundesländer steht Sachsen-Anhalt mit dem vorliegenden Vorschlag deutlich zurück.“

Dem kann ich nur zustimmen. Ich weiß aber auch, dass die Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung ein Kompromiss aller vier Fraktionen des Hohen Hauses ist und damit nicht alle Wünsche realisierbar sind. Dennoch sollten wir überlegen, ob es möglich ist, die dritte Säule, die des Rechtes von Kindern und Jugendlichen auf Beteiligung, aufzunehmen.

Dies würde zeigen, dass wir es ernst meinen, und das wäre im 25. Jahr der UN-Kinderrechtskonvention nur konsequent. Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene ist in den meisten Bundesländern festgelegt. Überhaupt keine Regelungen dazu gibt es in Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich noch einen Appell an Sie richten. Jedes Kind hat die gleichen Rechte, ganz egal, an welchem Ort der Erde es aufwächst. Wir alle, Regierungen, Wirtschaft und Gesellschaft, müssen die Verwirklichung der Kinderrechte vorantreiben. Jeder Einzelne kann etwas dafür tun. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hohmann. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Frau Abgeordnete Grimm-Benne. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

„Ich glaube es ist angemessen, dass heute die Sonne scheint,“

(Herr Striegel, GRÜNE: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit!)

„weil dieser Tagesordnungspunkt, den wir jetzt beraten, wohl zu den Höhepunkten gehört, die die Beratungen des Landtages in dieser Legislaturperiode bestimmen.“

(Zustimmung bei der SPD)

Mit diesen Worten stellte Reinhard Höppner am 9. April 1992 den Entwurf der Landesverfassung den Abgeordneten vor.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Herr Borgwardt, CDU: Ist klar!)

Obwohl wir heute keine neue Verfassung beraten, haben die vorgeschlagenen Änderungen in unserer Landesverfassung eine ebenso große Bedeutung für die Zukunft. Deshalb ist es auch heute angemessen, dass die Sonne scheint.

Ich möchte mich in meinem Redebeitrag auf einige Ausführungen zu den Änderungen in unserer Verfassung konzentrieren. Sie haben es zum einen verdient. Zum anderen möchte ich meinen Redebeitrag nutzen, die Gemeinsamkeiten, die wir unter allen Parlamentariern gefunden haben, herauszukehren und nicht die Unterschiede.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Wir haben in Sachsen-Anhalt eine gute Verfassung. Der Präsident hat es gesagt. Die letzte Änderung liegt zehn Jahre zurück. Damals haben wir nur einmal die Quoren abgesenkt.

Die Abgeordneten des Landtages der ersten Legislaturperiode - davon gibt es noch einige hier unter uns - haben hervorragende Arbeit geleistet. Deshalb entscheiden wir mit der Verabschiedung dieser Parlamentsreform - die in wichtigen Teilen auch eine Verfassungsreform ist - darüber, ob sich unser Land weiterhin in guter Verfassung befindet, ob also die Grundwerte, an denen wir uns orientieren, zukunftsweisend sind und ob die Organisationsformen, die wir hierfür anpassen, weiterhin den Handlungsspielraum eröffnen, der eine lebendige Demokratie und ein funktionsfähiges Staatswesen ermöglichen.

Um die Änderung der Landesverfassung haben wir aus diesem Grund intensiv gerungen. Es liegt zwar ein gemeinsamer Vorschlag der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und unserer Fraktion vor, aber ich weiß, dass die Fraktion DIE LINKE um Verfassungsänderungen mitgerungen hat, und ich bin froh, dass Sie diesen heute zustimmen werden.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Zum einen werden wir - darüber freue ich mich besonders - die Kinderrechte in die Verfassung aufnehmen. Kinder brauchen mehr als Gummibärchen und Plüschtiere. Sie brauchen Wertschätzung und Zuwendung, Freiräume und Entwicklungschancen. Angesichts sinkender Kinderzahlen ist es wichtiger denn je, Kinder und Jugendliche als Partner wahrzunehmen, die die Welt mit eigenen Augen sehen.

Was eine Gesellschaft für wichtig hält, schreibt sie in die Verfassung. Deshalb gehören die Rechte der Kinder in unsere Landesverfassung.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zustimmung bei der CDU)

Artikel 11 unserer Verfassung wird deshalb neu gefasst. In Absatz 1 werden die Schutzrechte aufgenommen und konkretisiert. Das Elternrecht ist nicht unbeschränkt. Es steht in Beziehung zu der Elternpflicht und wird durch das Kindeswohl begrenzt. Staatlichem Handeln kommt dabei ein Wächteramt zu. Es muss die Einhaltung der Grenzen der Elternrechte und die Erfüllung der Pflichten überprüfen und auch notfalls eingreifen.

Bisher wurde Kindern in Artikel 24 Abs. 2 unserer Verfassung die Aufnahme in eine Kinderbetreuungseinrichtung garantiert. Der neue Artikel 11 Abs. 3 gestaltet diese bisherige Einrichtungsgarantie zu einem Teilhaberecht der Kinder und konkretisiert sie zusätzlich.

Absatz 4 schützt die Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung und darüber hinaus vor einer Arbeit, die Gefahren für ihre Gesundheit mit sich bringt oder ihre gesamte Entwicklung schädigen könnte.

Eine weitere Änderung der Landesverfassung mutet auf den ersten Blick etwas technisch an, hat aber weitreichende Konsequenzen. Angesichts der zum Teil erschütternd niedrigen Wahlbeteiligung bei den zurückliegenden Landtagswahlen muss man sich fragen, welche Möglichkeiten es gibt, damit die Wahlbeteiligung wieder steigt.

(Zustimmung bei der CDU und bei den GRÜ- NEN)

In erster Linie hängt die Wahlbeteiligung sicherlich von inhaltlichen Angeboten ab, die die Politik den Wählerinnen und Wählern unterbreitet. Aber es gibt auch Rahmenbedingungen, die dazu beitragen können, die Beteiligung zu verbessern.

Mit der vorgeschlagenen Regelung wird es möglich, dass unser Wahltermin nicht weiter in den Winter rutscht. Die Neigung zu wählen scheint nicht nur am letzten Tag der Sommerferien wenig ausgeprägt zu sein, wie wir das erst jetzt in Sachsen erleben mussten; ich bin auch davon überzeugt, dass sich die Wahlbeteiligung nicht verbessern wird, wenn der Termin immer näher an den Jahreswechsel rutscht.

Wir alle wissen um die Bedeutung von Fraktionen. In Artikel 47 unserer Verfassung haben wir zu diesen Regelungen geschaffen. Sie bilden den Arbeitsrahmen und sind deshalb mit besonderen Rechten und Pflichten ausgestattet. Es war mir wichtig hier noch einmal darzustellen, dass die vorgeschlagene Änderung sicherstellt, dass auch

bei einem verkleinerten Parlament die Bildung einer Fraktion in jedem Fall möglich ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Kommen wir nun zu einem weiteren Bereich, der die Öffentlichkeit ebenfalls stark interessiert. Es geht um die Höhe der Abgeordnetenentschädigung und die Höhe der Kostenpauschale.

Wir begrüßen es, dass mit der vorgeschlagenen Änderung in Artikel 56 noch klarer wird, dass die Entschädigung von objektiven Fakten abhängig ist. Zukünftig wird es so sein, dass die Entwicklung der Entschädigung von der allgemeinen durchschnittlichen Lohnentwicklung abhängt und automatisch angepasst wird. Dies erhöht die Transparenz und es stellt Abgeordnete weder besser noch schlechter.

Woran, wenn nicht an einer allgemeinen Lohnentwicklung sollten wir uns orientieren? - Das ist eine faire Lösung. Damit wird der Vorwurf der Selbstbedienung beendet. Die Höhe der Kostenpauschale wird sich nach der allgemeinen Preisentwicklung im Land richten.

Die Regelung zur Immunität - der Präsident hat es angesprochen -, wonach Abgeordnete wegen

einer Straftat nur mit Genehmigung des Landtags zur Verantwortung gezogen werden dürfen, soll angepasst werden.

Sicherlich lohnt sich in diesem Zusammenhang - ich weiß, dass es auch einige Kritiker gibt - ein Blick in die Geschichte. Die parlamentarische Immunität hat ihren Ursprung zum einen im Schutz der gewählten Abgeordneten vor der Willkür der monarchischen Herrscher - etwa vor erfundenen Anklagen und manchen Festnahmen, die es gerade im 19. Jahrhundert vor wichtigen Abstimmungen gab - und zum anderen in der Freiheit der Meinungsäußerung, der sogenannten Redefreiheit. Diese Redefreiheit sollte besonders gewählten Volksvertretern garantiert werden, da diese den Interessen ihrer Wählerschaft verpflichtet sind und nicht durch die Herrschenden mundtot gemacht werden sollten.

Die Neuregelung berücksichtigt damit zum einen die Praxis des Landtags, wonach seit seiner Konstituierung in der ersten Wahlperiode alle Anträge, und zwar alle Anträge der Strafverfolgungsbehörden zur Aufhebung der Immunität genehmigt wurden. Zum anderen wird mit der Neuregelung deutlich, dass das Immunitätsrecht ein Parlamentsrecht ist, das die Arbeitsfähigkeit der Volksvertretung sicherstellen, den einzelnen Abgeordneten jedoch nicht vor Strafe schützen soll.

Bereits bei der letzten Verfassungsänderung wurden die Quoren für plebiszitäre Elemente abgesenkt. Angesichts der Tatsache, dass sich durch die Verringerung der Zahl der Wahlberechtigten

das zu erreichende Quorum relativ erhöht hat, schlagen wir auch in § 18 des Volksabstimmungsgesetzes eine Absenkung des Quorums von 11 % auf 9 % vor.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Über diese Vorschläge zur Änderung der Verfassung hinaus möchte ich schon heute, zu Beginn der Debatte über den Gesetzentwurf zur Parlamentsreform 2014, ankündigen, dass es im weiteren Verfahren einen weiteren Änderungsvorschlag geben wird. Dieser bezieht sich auf die Frist zur Wahl des Ministerpräsidenten.

In Artikel 65 zur Bildung der Landesregierung ist festgelegt, dass die Wahl des Ministerpräsidenten innerhalb von 14 Tagen nach dem Zusammentritt des Landtags stattfinden muss. Die erste Sitzung des neugewählten Landtags muss spätestens am 30. Tag nach der Wahl stattfinden. Somit muss die Wahl des Ministerpräsidenten spätestens sechs Wochen nach den Landtagswahlen stattfinden.

Über diese enge Frist müssen wir nachdenken. Die Erfahrung bei den letzten Wahlen - Landtagswahlen, Bundestagswahlen - lehrt, dass die Entscheidungsprozesse zur Regierungsbildung ihre Zeit brauchen. Sechs Wochen sind dabei ein enges Korsett.

Ein Blick in die Verfassung anderer Länder lehrt, dass die Regelungen sehr unterschiedlich sind. So regelt zum Beispiel die Verfassung in Sachsen lediglich, dass der Landtag als aufgelöst gilt, wenn die Wahl des Ministerpräsidenten nicht innerhalb von vier Monaten nach dem Zusammentritt des neugewählten Landtags erfolgt ist. Im Saarland beträgt diese Frist drei Monate. In anderen Ländern finden sich gar keine Fristen.

Es macht Sinn, in den Beratungen darüber zu reden, wie wir diese Fristen lockern.

Abschließend möchte ich in Anlehnung an Reinhard Höppner ausführen: Die Verabschiedung unserer Parlamentsreform wird ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer lebendigen Demokratie sein. Ich hoffe, dass wir damit die Voraussetzungen, die für die vielen kleinen Schritte der Bürgerinnen und Bürger nötig sein werden, schaffen, damit die Demokratie zum Wohle aller Menschen weiter wächst und gedeiht.

Ich schließe mich den Ausführungen zu den beantragten Überweisungen in die genannten Ausschüsse an und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.