Protokoll der Sitzung vom 18.09.2014

Die Zahl von letztendlich 83 Mandaten ist einerseits dem demografischen Wandel angemessen, andererseits aber auch notwendig, um die Arbeitsfähigkeit des Parlaments zu erhalten und die Aufgabenfülle der Abgeordneten abzusichern. Eine weitere Herabsetzung der Anzahl der Mandate würde für die Abgeordneten aller Fraktionen zu einer nicht mehr überschaubaren Mehrbelastung führen.

Meine Damen und Herren! Soll die Nähe des Abgeordneten zu den Bürgern und den Kommunen als direkt gewählter Ansprechpartner seines Wahlkreises und zu den vor Ort bestehenden Problemen gewahrt bleiben, ist eine weitergehende Reduzierung der Anzahl der Mandate nicht vorstellbar. Dies gilt insbesondere für dünn besiedelte ländliche Regionen, die für die Abgeordneten bei einer weiteren Vergrößerung der Wahlkreise kaum mehr zu vertreten wären. Die Bürgerinnen und Bürger wollen einen Ansprechpartner vor Ort und nicht im fernen Magdeburg ohne Verwurzelung im Wahlkreis.

Das Wahlrecht selbst hat sich in seiner jetzigen Form in Verbindung von Mehrheits- und Verhält

niswahl über mehrere Legislaturperioden hinweg bewährt und wird in seinen Grundsätzen beibehalten.

Die im vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen Regelungen sind nicht nur im Hinblick auf den demografischen Wandel wegweisend, sondern sind auch ein Meilenstein für die direkte Demokratie des Landes Sachsen-Anhalt. 25 Jahre nach der friedlichen Revolution ist dies ein deutliches Signal, mit dem wir die Bürger zu mehr gesellschaftlicher und politischer Teilhabe befähigen und anregen wollen und mit dem wir allzu hohe Hürden für eine solche Bürgerbeteiligung beseitigen wollen.

Zukünftig soll es durch die Herabsetzung der erforderlichen Unterstützerzahl einfacher sein, ein Volksbegehren einzuleiten und durchzuführen. Indem wir gleichzeitig das Unterstützerquorum der Wahlberechtigten senken, wird es zudem leichter, sich mit einem Volksbegehren erfolgreich Gehör zu verschaffen. Damit tragen wir der Forderung nach Herabsetzung der erforderlichen Unterstützerzahl für die Durchführung des Volksbegehrens Rechnung.

Eine weitere Neuerung schaffen wir mit der in Anlehnung an die Schweizer Gesetzgebung geschaffenen Abstimmungsvorlage, die jeder Wahlberechtigte im Falle des Zustandekommens eines Volksentscheids mit der Wahlbenachrichtigung erhält. Hierin sollen ihm die Anliegen der Unterstützer des Volksbegehrens, der einzelnen Landtagsfraktionen und der Landesregierung in gleichem Maße erläutert werden. Dies gibt allen Beteiligten die Möglichkeit, die Wahlberechtigten umfassend über ihre Anliegen und Positionen zu informieren.

Meine Damen und Herren! Ein weiterer Punkt, den ich für äußerst wichtig erachte und der gerade in den Debatten der letzten Jahre einen großen Raum eingenommen hat, ist die Frage der Transparenz. Ich bin überzeugt, dass wir mit der jetzigen Parlamentsreform in dieser Frage einen großen Schritt nach vorn machen werden.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Wir ermöglichen es zum einen, mit Hilfe des Lobbyregisters Einblicke zu geben, wer wo wie Einfluss auf die Gesetzgebung des Landtages nehmen kann. Sachsen-Anhalt besetzt in dieser Hinsicht - neben Brandenburg - eine Vorreiterrolle. Hierauf bin ich sehr stolz und hoffe, dass andere Parlamente uns in diesem Punkt folgen werden.

Dies meine ich gerade deshalb, weil in das Register nicht nur Interessenverbände, sondern auch alle Interessenvertreter unabhängig von ihrer Rechtsform aufgenommen werden müssen. Nur wer in diesem Register eingetragen ist, kann auch im parlamentarischen Verfahren gehört werden. Dies schafft ein Höchstmaß an Transparenz.

Mit der Offenlegung der Nebeneinkünfte der Abgeordneten ermöglichen wir den Bürgern zum anderen den Einblick in die Unabhängigkeit der Mandatsträger. Grundsätzlich haben wir mit der zu beschließenden Mittelpunktsregelung klargestellt,

dass das Abgeordnetenmandat die Hauptbeschäftigung des Abgeordneten bilden soll. Anderweitige berufliche Tätigkeiten treten neben der Ausübung des Mandats zurück. Dies schließt allerdings - Herr Gürth ging schon darauf ein - weitere berufliche Nebentätigkeiten nicht aus. Mit der Offenlegung der Einkünfte kommen wir daher auch in diesem Punkt der Forderung nach Transparenz nach.

Bei der Veröffentlichung der Nebeneinkünfte haben wir durch die Nutzung einer Einkünfteskala gleichzeitig die Persönlichkeitsrechte der Abgeordneten gewahrt. Wir haben uns dabei durch die im Abgeordnetengesetz des Bundes getroffenen Regelungen leiten lassen. Ich denke, dass wir mit der vorliegenden Fassung eine angemessene Abwägung zwischen dem Informationsrecht der Bevölkerung und dem Persönlichkeitsrecht der Abgeordneten gefunden haben.

Im Hinblick auf die Transparenz möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf die Anpassung der Mandatsausstattung hinweisen. Mit der Koppelung der Abgeordnetenentschädigung an das Endgrundgehalt eines Richters in Sachsen-Anhalt kommen wir der langjährigen Empfehlung der Diätenkommission nach. Ähnliche Regelungen bestehen auch in anderen Landesparlamenten. Die neue Bestimmung wahrt die Unabhängigkeit der Stellung der Abgeordneten und schafft ein nachvollziehbares Verfahren zur Erhöhung der Entschädigung.

Jetzt muss ich bei meinen Ausführungen ein wenig springen, ich bin am Ende meiner Redezeit. - Ich bin gebeten worden, kurz auf die melderechtlichen und anderen zusätzlichen Regelungen der Wahlrechtsausübung, beispielsweise für Wohnsitzlose, einzugehen, auf die Anpassung an technische Dinge, beispielsweise an den Wahl-O-Mat und Ähnliches, was noch im Laufe des Verfahrens aufgenommen werden soll.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich ebenfalls bei meinen Kollegen, ausdrücklich bei allen parlamentarischen Geschäftsführern für die Mitarbeit, insbesondere beim Präsidenten und natürlich auch beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst. Ich bin überzeugt davon, dass wir mit dem Gesetzentwurf einen guten Reformvorschlag für dieses Land vorlegen.

Ich würde den Vorschlag bekräftigen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ältestenrat und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Inneres und Sport, für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Finanzen zu überweisen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Borgwardt, auch für die zeitliche Punktlandung. - Jetzt wie angekündigt die Fraktion DIE LINKE. Als Erster Herr Henke. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorgeschichte dieses Gesetzentwurfs ist bedeutend länger als das erste Halbjahr dieses Jahres; der Präsident ist darauf eingegangen. Die parlamentarischen Geschäftsführer haben schon lange verhandelt, um Verbesserungen für Transparenzregelungen oder für die Stärkung von Elementen direkter Demokratie zu erreichen. Lange wurde dort kein Fortschritt erzielt.

Im Landtagsbericht des Präsidenten vom 18. Juli 2014 formulierte er die politische Einigung zwischen den Fraktionsvorsitzenden und den Geschäftsführern vom 30. Juni 2014. Genau das wurde dann zum Beschluss des Landtages erhoben. Dieses Paket, ergänzt um die bereits erwähnten Änderungen zum Landeswahlgesetz wie auch die Einarbeitung der Änderungen zum Fraktionsgesetz, war von allen Fraktionen so vereinbart.

Ein Problem trat plötzlich noch auf: Mit einem Mal stand die Zahl 1 800 € für die allgemeine Kostenpauschale im Raum. Im Juli hatten die Fraktionen ausdrücklich einen deutlich niedrigeren Betrag, nämlich den von 1 600 € vereinbart.

Wenn Sie einmal in die Drucksache schauen, die am 18. Juli 2014 hier beschlossen wurde, so sehen Sie, dass in der Beschlussempfehlung auf der Seite 16 unter Buchstabe c ausdrücklich dargestellt ist, wie die 1 600 € zustande kamen und wie sie begründet wurden. Etwas anderes steht dort nicht. Genau daran hat sich die Fraktion DIE LINKE gehalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Lärm in der letzten Woche bezog sich interessanterweise nur auf das Verfahren, aber pikanterweise nicht auf den Gegenstand. Dass einige jetzt etwas angefasst sind, weil einmal die Finanzen zur Sprache kommen, ist deren Problem. Wir haben als Fraktion von Beginn an gegen die Erhöhung der Kostenpauschale auf 1 800 € gestimmt.

Kollege Borgwardt, die Fraktion DIE LINKE hat entgegen Ihrer Darstellung keine Öffentlichkeitsarbeit gegen dieses Reformpaket gestartet, überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Aber es ist falsch! - Herr Wunschinski, CDU: Waren Sie überhaupt bei den Bera- tungen dabei?)

Wir haben auch kein Ausstiegsszenario vorbereitet, auch das nicht. Es wird aber von den meisten

anerkannt, dass die Fraktion DIE LINKE zu den Vereinbarungen steht, so wie es hier in diesem Hause vor zwei Monaten beschlossen wurde. Sie werden es kaum glauben: DIE LINKE ist sogar regierungsfähig.

(Herr Wunschinski, CDU, lacht - Herr Wei- gelt, CDU: Politische Geisterfahrer!)

Die Fraktion DIE LINKE hat während der Reformverhandlungen Zugeständnisse gemacht. Sie will diese Reform, gerade für die erwähnten Verbesserungen, auf die meine Vorredner eingegangen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber auch das jetzt vorliegende Gesetzespaket ist etwas inkonsequent; denn es fehlt die bei einem Gesetzesvorhaben sonst übliche Kostendarstellung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gerade bei jenem Gesetz, mit dem die Verbesserung der Transparenz der Arbeitsweise des Landtages auf den Weg gebracht werden soll, wird auf eine Kostendarstellung verzichtet. Das ist etwas, was unsere Fraktion vor zwei Wochen noch einmal angemahnt hat.

Nun gut, sehr geehrte Damen und Herren, auf den 18 Seiten des Gesetzentwurfes gibt es vier halbe Zeilen, bei denen wir inhaltlich eine Differenz haben. DIE LINKE will diesen Gesetzentwurf, will diese Reform. Über die konkrete Einteilung der Wahlkreise wird noch konkret zu sprechen sein. Darüber werden wir im Innenausschuss verhandeln. Ansonsten geht unsere Fraktion davon aus: Nach all den Bemühungen - einschließlich Irritationen -, die es vorab gegeben hat, sollte der Rest des Weges durch uns gemeinsam auch noch zu schaffen sein. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. - Jetzt hat die Kollegin Hohmann das Wort. Sie haben noch eine Redezeit von sechs Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich in meinen Ausführungen hauptsächlich mit dem Teil der Kinderrechte befassen; denn wie Sie wissen haben wir am 20. November 2014 den 25. Geburtstag der UN-Kinderrechtskonvention. Somit hätten wir keinen besseren Zeitpunkt für die Aufnahme der Kinderrechte in unsere Verfassung wählen können.

Dieses positive Signal aus Sachsen-Anhalt ist begrüßenswert. Obwohl in den letzten 25 Jahren

einige Fortschritte für Kinder und Jugendliche in Deutschland und somit auch in Sachsen-Anhalt erreicht wurden, ist unser Land weit davon entfernt, das kinderfreundlichste Bundesland zu werden,

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Na, na!)

und das, obwohl Ministerpräsident Haseloff es überall verkündete.

Zwischen der Zielsetzung der Konvention und ihrer Verwirklichung klafft noch eine große Lücke. 25 Jahre nach der Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention fehlt es noch immer an der Umsetzung elementarer Forderungen. Zu nennen wären der Grundrechtestatus von Kinderrechten, die Bildungsgerechtigkeit und der Kampf gegen Kinderarmut.

Auf seinem Treffen am 31. Januar 2014 hat der UN-Ausschuss über die Rechte des Kindes unter anderem gerade für diese Bereiche Forderungen gegenüber Deutschland aufgestellt, welche umzusetzen sind.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zur Landesverfassung. Hierin sollen die Rechte von Kindern und Jugendlichen erweitert und verbindlich geregelt werden. Die grundsätzliche Anerkennung der Kinder und Jugendlichen als eigenständige Persönlichkeiten mit eigener Würde und Individualität sowie deren Subjektstellung sind dabei ein wichtiges Anliegen.

Bei den Formulierungen in unserem Gesetzentwurf über die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen hatten wir uns an Regelungen in den Verfassungen der Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern orientiert. Damit wollten wir alle drei Säulen zum Wohle des Kindes, nämlich erstens die Beteiligung, zweitens die Förderung und drittens den Schutz, die die UN-Kinderrechtskonvention fordert, in unserer Verfassung verwirklichen. Leider wurde dieser Vorschlag bei den Beratungen zur Parlamentsreform nicht berücksichtigt. Somit fehlt in dem uns vorliegenden Entwurf eine wesentliche Säule, nämlich die der Beteiligung.

Gerade die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen ist der Schlüssel zu einer demokratischen Gesellschaft. Es geht nicht darum, wie meine Kollegin Birke Bull oft zu Recht sagt, Demokratie zu üben, sondern es geht darum, Demokratie am eigenen Leib zu erfahren, und das ganz authentisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Es bedarf nach wie vor der Überzeugungsarbeit, dass Kinder und Jugendliche über die Kompetenz verfügen, Expertinnen und Experten in eigener Sache zu sein.