Protokoll der Sitzung vom 18.09.2014

Stark steigende Zinsen für alte und für von manchen auch noch gewollte neue Schulden würden unsere finanziellen Spielräume aufgrund unserer jetzigen Lasten bis 2020 dramatisch einschränken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb war und ist es richtig, dass wir 2012 in die Tilgung unserer Schulden eingestiegen sind und diese seitdem kontinuierlich abbauen,

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

zwar mit kleinen, wie ich gelesen habe, aber - was für mich umso wichtiger ist - mit kontinuierlichen Schritten. Die Tilgung der aufgelaufenen Schulden muss für uns und für unsere politischen Nachfolger Normalität werden und darf keine Ausnahme sein. Ich denke, das ist eine der wichtigen Voraussetzungen, damit wir in Zukunft überhaupt über das Ausgestalten von Politik reden können.

Deshalb ist es wichtig, dass wir eine Steuerschwankungsreserve - einfacher gesagt: eine Rücklage - von aktuell gut 170 Millionen € angespart haben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Mit dem weiteren Anwachsen dieser Reserve wird es möglich sein, konjunkturbedingte Steuerausfälle künftig ohne neue Kredite auszugleichen, auch wenn die Vorgaben der Schuldenbremse dies noch bis 2020 zulassen würden.

Aber wer bei 20 Milliarden € Schulden auch nur an neue Kredite denkt, der hat nichts aus der Vergangenheit gelernt,

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

der hat entweder keinen finanzpolitischen Sachverstand oder handelt grob fahrlässig gegenüber den Menschen in Sachsen-Anhalt.

Deshalb ist es auch weitsichtig, dass wir Vorsorge für heute schon bekannte Lasten, zum Beispiel für die Pensionslasten, treffen, um uns Spielräume zu erhalten, wenn diese anwachsen. Derzeit sind im Pensionsfonds - die Finanzausschussmitglieder wissen das - mehr als 400 Millionen € gebunden. Damit können wir uns im Vergleich der Länder heute schon sehen lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man diese Eckpfeiler einer soliden Haushaltspolitik nicht in erster Linie mit Sachsen-Anhalt in Verbindung gebracht. Ich weiß, worüber ich rede. Es ist für uns ein Erfolg, dass seit 2006 nur in zwei Jahren, nämlich 2010 und 2011, neue Schulden aufgenommen werden mussten. Die Folgen der Finanzkrise zeigten, welche Aufgaben noch vor uns standen. Sachsen und

Mecklenburg-Vorpommern sind ohne neue Schulden durch die Finanzkrise gekommen.

Heute können wir im Stabilitätsrat in Berlin gut bestehen. Bei den wesentlichen finanzpolitischen Kennziffern zeigen sich spürbare Verbesserungen. Das strukturelle Defizit von etwa 660 Millionen € im Jahr 2010 wurde abgebaut. Der Haushalt wurde strukturell ausgeglichen. Zudem verbuchen wir seit 2012 Überschüsse.

Ganz nebenbei: Seit zwei Jahren können wir gegenüber dem Bund auch eine vollständige zweckentsprechende Verwendung der Solidarpaktmittel nachweisen.

Mit den Haushaltsabschlüssen 2012 und 2013, mit dem Vollzug des Haushaltsplans 2014 und mit dem Entwurf für den Doppelhaushalt 2015 und 2016, der Ihnen heute vorliegt, haben wir die Grundlagen geschaffen für die weitere Gewährung von Konsolidierungshilfen in Höhe von jährlich 80 Millionen €. Das sind immerhin 400 Millionen € bis 2019,

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

die wir in Sachsen-Anhalt - im Übrigen als einziges Konsolidierungsland in Deutschland - vollständig an die Kommunen weitergeben.

An dieser Stelle noch ein Hinweis: An der Finanzierung der Hilfen ist die gesamte Ländergemeinschaft beteiligt. Auch daraus erwächst Verantwortung für solide Finanzpolitik.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Vorlage des Doppelhaushaltes - das möchte ich betonen - sowie die mittelfristige Finanzplanung bis 2018 haben weder etwas mit „Wohlfühlhaushalt“ noch mit „eitel Sonnenschein“ zu tun, sondern sind das Ergebnis eines Gesamtkonzepts, das drei Punkte umfasst.

Dies ist erstens das Einfahren einer oft umstrittenen Rendite - wir haben das heute Morgen in Diskussionen vor dem Landtag wieder erlebt - bei Strukturveränderungen in Verwaltungen und bei Personalanpassungen.

Dies ist zweitens die offensive und oft kritisch begleitete Umschuldung und Zinsstrategie bei gleichzeitiger Nutzung guter konjunktureller Bedingungen - also von Steuermehreinnahmen - für die Haushaltssanierung. Andere Länder haben einen erheblichen Teil dieser Steuermehreinnahmen ausgegeben.

Drittens ist und war wichtig eine langfristig abgestimmte Schwerpunktsetzung auf Wirtschaft, Forschung, Bildung und Infrastruktur und damit - das ist auch Aufgabe von Finanzpolitik - das Setzen wachstumspolitischer Impulse.

Meine Damen und Herren! Rückblickend zeigt sich, dass Sachsen-Anhalt seit der Wende in der

Finanzpolitik mehrere Etappen durchlaufen hat. Die erste Etappe, die Etappe zwischen 1990 und 2000, könnte man mit der Überschrift „Prinzip Hoffnung und gewaltige Strukturumbrüche im Land“ versehen.

Wir, die damals schon dem Landtag angehört haben, haben alle gedacht, dass uns hohe, aber eben vielfach kreditfinanzierte Investitionen voranbringen. Das ist grundsätzlich auch geschehen. Aber Investitionen, nicht vorangebrachte Strukturanpassungen, hohe Sozialausgaben und stetig sinkende Einwohnerzahlen bei gleichzeitig jährlich defizitären Haushalten haben einen riesigen

Schuldenberg hinterlassen.

Mit der Schuldenfinanzierung stand Sachsen-Anhalt nicht allein. Aber die Verschuldung schon in den ersten Jahren nach der Wende war bei uns wesentlich höher als in den anderen neuen Ländern. Heute, 20 Jahre später, muss man sich schon fragen: Hätten wir diese hohen Investitionen und die durchaus gute wirtschaftliche Entwicklung nicht auch mit etwas weniger Schulden erreichen können?

In der zweiten Etappe stand die Suche nach dem richtigen Weg im Vordergrund. So möchte ich die Zeit von der Jahrtausendwende bis 2009 beschreiben. Wie erwähnt hatten wir einen Schuldenberg von 20 Milliarden €. Wir mussten 2006 noch über 900 Millionen € an Zinsen ausgeben. Die Planung der nachfolgenden Jahre ging sogar von Zinszahlungen von mehr als 1 Milliarde € aus.

Auf der anderen Seite erhielten wir über den Solidarpakt in 2006 noch über 1,6 Milliarden €. Wir, diejenigen, die seinerzeit schon aktiv Politik bestritten haben, wussten schon damals, dass es im Jahr 2015 nur noch 796 Millionen € und in 2020 null Euro sein werden. Wir wussten auch schon, dass dieser jährliche Rückgang und die enormen Einwohnerverluste im besten Falle durch Steuermehreinnahmen ausgeglichen werden könnten. Deshalb steht auch der Umfang des Gesamthaushaltes seit Jahren relativ konstant bei 10 Milliarden €.

Übrigens, ein Effekt, der unterschätzt wird, ist, dass dabei gleichzeitig eine jährliche Entwertung stattfindet. Hier im Parlament und bei der Berichterstattung in den Medien wird das oft unterschlagen. Jeder kann selbst ausrechnen, was eine Geldentwertung von 1,5 % im Jahr bei 10 Milliarden € über zehn, 15 Jahre am Ende ausmacht.

Hohe Verschuldung, immense Zinszahlungen, globale Minderausgaben, etliche Haushaltssperren und dazu ein erheblicher Rückgang bei investiven Sonderzuweisungen - das prägte doch oft die Haushaltsberatungen. Und ich wundere mich, dass sich daran manche nicht mehr erinnern können und wollen.

(Herr Borgwardt, CDU: Wollen ist das Pro- blem!)

Die Entwicklung wurde immer schwieriger. Das wurde damals über die Fraktionsgrenzen hinweg festgestellt, egal in welcher Verantwortung. Die Erkenntnis war schon bitter, dass Sachsen-Anhalt dadurch Gefahr lief, seine finanzpolitischen Spielräume und damit auch die politische Gestaltungsfreiheit allmählich zu verlieren.

Aber dieses Gestalten war es doch gerade, was uns nach der Wende politisch angetrieben hat. Viele von uns, so auch ich, sind vor 25 Jahren in die Politik gegangen. Für mich gab es damals und gibt es auch heute noch zwei zentrale Anliegen der Politik: Das erste ist die politische und persönliche Freiheit, das zweite die Möglichkeit der aktiven Gestaltung von Zukunft.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Grimm-Benne, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war klar, wenn wir uns in Sachsen-Anhalt diese Freiheit zum politischen Gestalten erhalten wollten, musste umgesteuert werden. Das Umsteuern war in vielen Bereichen nötig. Es ging um grundsätzliche strukturelle Veränderungen, um längerfristige Planungen, um konzeptionelle Überlegungen auch und gerade bei Investitionen in Wirtschaft, Bildung, Sozialstaat und Infrastruktur. Denn nicht jede Investition in Bildung ist automatisch gut und nachhaltig.

Dieses Umsteuern musste aber ohne neue Schulden - und das war die neue Herausforderung - und mit dem Aufbau von Vorsorgeelementen geschafft werden, parallel und nicht nacheinander. Im Jahr 2004 - manche werden sich daran erinnern - veröffentlichte ich dazu ein Papier mit der Überschrift „Sachsen-Anhalt 2020“. Darin beschrieb ich aus einer ganz persönlichen Sicht die Herausforderungen und mögliche Lösungsansätze. Die darauf folgende Diskussion war für mich erfrischend und wichtig, denn über alle Parteigrenzen hinweg erkannte man an: Da gibt es etwas zu tun und man muss sich dieser Diskussion stellen und darf nicht darüber schweigen.

Vieles ist seitdem geschehen, eine Menge ist vorzuweisen. Ich möchte stichpunktartig einige wichtige Veränderungen nennen:

Die Zahl der Landkreise wurde von 37 auf elf und die der Kommunen von 1 290 auf 236 sowie die Zahl der Finanzämter von 21 auf 14 reduziert. Derzeit wird die Oberfinanzdirektion aufgelöst.

Wir reduzieren die Zahl der JVA bis 2020 von acht auf drei Einrichtungen, die dann aber modernsten Standards entsprechen.

Die nächste Stufe der Polizeistrukturveränderung wird gerade umgesetzt und die Verhandlungen mit den Theaterträgern über Strukturveränderungen sind abgeschlossen, ebenso die Veränderungen in den Stiftungsstrukturen und bei der Bündelung der Landesbeteiligungen.

Der Einstieg in eine offene, nach vorn gerichtete Diskussion über Hochschulstrukturen ist erfolgt. Gleiches gilt für Strukturfragen in und um die Unikliniken Sachsen-Anhalts. Was gäbe ich dafür, wenn diese Diskussion schon fünf Jahre eher begonnen hätte!

Allen diesen Strukturveränderungen liegt doch eines zugrunde: dass wir in Sachsen-Anhalt von einer Einwohnerzahl von über drei Millionen nach der Wende nunmehr auf eine Einwohnerzahl von zwei Millionen zulaufen, in welchem Zeithorizont auch immer; darüber streiten wir uns nicht.

Durch diesen Rückgang - und das ist eklatant - verlieren wir im Landeshaushalt jährlich etwa 50 Millionen €. Das sind in zehn Jahren 500 Millionen € und in 20 Jahren, die wir schon lange überschritten haben, 1 Milliarde €, die permanent Druck auf den Haushalt ausüben.

Der Bevölkerungsrückgang trifft auch unmittelbar die Kommunen, zum Beispiel, oft diskutiert, auch beim Thema Schule. Weder das Land noch die Kommunen haben das Geld, diese Veränderung bei ihren Strukturen unberücksichtigt zu lassen. Ich verstehe nicht, dass man das nicht zur Kenntnis nehmen will.

Das gilt erst recht für die Personalentwicklung. Im Jahr 1990 gab es etwa 115 000 Landesbedienstete in Sachsen-Anhalt. 2006 waren es noch 65 000, aktuell sind es 52 000. Im Jahr 2020 sollen es etwa 46 000 sein. Erst dann erreichen wir den Durchschnitt der deutschen Länder. Ich halte deswegen diesen Weg für umsetzbar und auch verantwortbar.

(Zustimmung von Herrn Borgwardt, CDU, und von Frau Niestädt, SPD)

Ganz nebenbei: 10 000 Beschäftigte entlasten den Haushalt um rund 600 Millionen €. Jetzt kann sich jeder selbst ausrechnen, was es für den Haushalt bedeuten würde, wenn es nicht diese Personalanpassung geben würde, so wie es manche im Parlament suggerieren.

Ich frage mich nach solchen Sitzungen immer wieder: Warum fällt es so manchem so schwer, diese objektiven Entwicklungen zumindest zur Kenntnis zu nehmen? Wie kommt man dazu, sie sogar infrage zu stellen?

Meine Damen und Herren! Durch die beschriebene Strukturveränderungen und die günstige Zinsentwicklung haben wir eine Rendite von jährlich etwa 500 Millionen € in den letzten Jahren erarbeitet, und zwar 100 Millionen € durch Strukturanpassungen und 400 Millionen € bei den Zinsen. Wir haben also viel erreicht. Das sage ich bewusst: auch über die Fraktionsgrenzen hinweg.

Diese jährliche Rendite über mehrere Wahlperioden ist belegt. Langfristige Konzepte gehen auf