Protokoll der Sitzung vom 19.09.2014

Vielen Dank. - Frau Kollegin Niestädt, wünschen Sie erneut das Wort? - Dann haben Sie es jetzt. Sie dürfen noch einmal sprechen.

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle erfreut fest, dass wir zu 95 % übereinstimmend - zumindest habe ich diesen Eindruck - festgelegt haben, was wir der Landesregierung für die Verhandlungen in Berlin mit auf den Weg geben.

Die Punkte, bei denen wir uns unterscheiden, Frau Dr. Dalbert und Herr Knöchel, sind aus meiner Sicht nicht so entscheidend. Wir wollen alle, dass in Sachen Altschuldenregelung etwas passiert. Aus unserer Sicht steht die Frage der Finanzierung.

Was den Stabilitätsrat betrifft, haben wir unterschiedliche Auffassungen. Aber auch Sachsen-Anhalt hat es gut getan, dass es einen Stabilitätsrat gibt. In den Berichten, die wir jährlich abliefern müssen, halten wir uns den Spiegel vor die Augen. Ich denke, das ist ein wichtiger Aspekt, wenn man Vereinbarungen trifft und wenn man Gelder vom Bund und von anderen Ländern mitnimmt.

Ich bedanke mich dafür, dass wir hierzu ein großes Einvernehmen haben.

(Zustimmung von Herrn Barthel, CDU, und von Herrn Borgwardt, CDU)

Vielen Dank. - Jetzt hat der Finanzminister das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Bullerjahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Beitrag an das Ende der Debatte gelegt, weil ich gestern schon die Grundzüge unserer Haltung dargestellt habe. Außerdem möchte ich

mit den von mir aufgezeigten pragmatischen Ansätzen eine Debatte nicht überflüssig machen.

Ich möchte drei bis vier Aspekte ansprechen, die Sie in der Gesamtheit sicherlich bedrücken werden. Die Themen sind genannt worden; sie lauten: Erstens Einhaltung des europäischen Fiskalspakts. Deswegen soll auch eine Stärkung des StabiRates erfolgen; das ist eine europäische Komponente. Wie steht Deutschland gegenüber den anderen Ländern in Brüssel da? Das kann kein einzelnes Land für sich allein festlegen. Auch der Bund - das haben die Landesfinanzminister festgestellt - kann sich nicht einfach hinstellen und für uns reden.

Zweitens geht es um die Voraussetzungen, die man schaffen muss, um Konsolidierung zu ermöglichen, dass also die dauerhafte Einhaltung der Schuldenbremse überhaupt möglich ist. Das betrifft dann auch das Thema Altschulden. Das möchte ich ein bissen relativieren.

Frau Dalbert, wir sind für die Westländer gar nicht verschuldet. Ich sage auch, dass man viel Glück und Geschick brauchen wird, damit wir überhaupt zu diesem Fonds kommen; denn es gibt Länder, die doppelt so viel oder noch mehr Schulden wie wir haben. Mit jedem Land, das dazu kommt - das können Sie anhand der Tabelle, die wir haben, gern nachvollziehen -, wächst dieser Fonds um einige Milliarden Euro auf.

Da geht es um die Frage, ob es um Tilgung und gleichzeitig um Zinsen geht und ob der Bund als Ganzes in den Kapitalmarkt eintreten wird. Wenn das der Fall ist, dann wird der Bund natürlich sagen, ich bestimme die Tilgungsschritte und nicht der Landtag in Sachsen-Anhalt. Es ist völlig irrelevant, ob Sie sich hier hinstellen und sagen, wir wollen tilgen oder nicht tilgen. Solche Staatsfragen wird man klären müssen. Aber da redet man eher über Bremen, das Saarland, NRW und andere Länder.

Die Westländer haben schon registriert, dass alle ostdeutschen Länder Überschüsse haben. Ich kann Ihnen eines sagen. Ob Grün, Rot oder Schwarz oder Baden-Württemberg - es sind sich alle einig: Wir sind dran. Deswegen - ich bin den Antragstellern ausdrücklich dankbar dafür, dass Sie dieses Thema besetzt haben - kann man sich die Diskussion über das Thema kommunale Steuerkraft hinter den Kulissen eigentlich sofort vorstellen.

Jetzt sagt Baden-Württemberg, nein, Jens, das kostet mich 750 Millionen €. Glaubst du, dass ich mit dem Antrag überhaupt nur in die Flure des Landtages gehe? Die schmeißen mich gleich raus, weil die GRÜNEN, abgestimmt mit Ihnen, genau das Gegenteil von dem fordern werden, was in Ihrem Änderungsantrag steht. Das ist kein Vorwurf. Ich habe es selbst in der Föko II erlebt. Ich

hätte manchen Sozialdemokraten erwürgen können. Aber er steht für seine Landesinteressen.

Deswegen, ganz pragmatisch gedacht: Es wird eine Regelung geben müssen, auch beim Thema Soli. Ich wäre froh, wenn der Soli als Masse weiterhin zur Verfügung stünde. Es gibt keinen großen Wurf. Ich sage einmal als Bullerjahn, ich könnte damit leben, wenn morgen diese Kommission abgeblasen und alles so bleiben würde, wie es ist, weil ich im Moment aufpassen muss, dass es nicht schlechter wird. Die westdeutschen Länder und sogar Bayern gucken inzwischen, damit sie am Ende etwas übrig behalten. Wenn schon Bayern überlegt, was getan werden muss, damit etwas übrig bleibt, dann brauchen wir nicht daran zu denken, dass wir mehr kriegen.

Deswegen ganz pragmatisch: Die MPs werden sich im Oktober und im Dezember noch einmal treffen. Wir versuchen bis dahin, das hinzubekommen. Ich werbe noch einmal ganz pragmatisch dafür, dass wir diese Fragen Altschulden, Verlagerung der Sozialleistungen hin zum Bund und Zusammenfassung der Investitionen nicht in einem neuen Soli III, sondern sozusagen in einem Fonds für strukturschwache Regionen zusammenbringen; denn dann haben wir zumindest bei diesen drei Sachen nichts zu befürchten.

Es hängt von den Verhandlungen ab, wie viel wir oben drauf kriegen. Ohne eine Stärkung des StabiRates wird es gar nichts geben. Da bin ich mir ziemlich sicher. Ich bin gern bereit, in den Ausschüssen zu berichten. Wir sitzen am nächsten Donnerstag schon wieder in der FMK. Die Staatssekretäre sitzen wöchentlich zusammen und bereiten das vor.

Aber ich würde Sie bitten, jetzt nicht solche Forderungen zu stellen. Wir müssen sehen, was da im Oktober oder November passiert. Bis dahin wird es ein Ergebnis geben. Ich glaube, wir müssen vielleicht eine andere Form des Informationsaustausches als die übliche suchen; denn wenn wir hier im Oktober oder November noch einmal stehen und Sie fragen, ob Landesparlamente beteiligt werden, wäre das nicht förderlich. Sie können mir das jetzt übel nehmen. Das wird kein Mensch machen.

Das wird auch nicht Föko genannt, weil 100 Wissenschaftler von der Tür stehen, die gern mitmachen möchten. Ich halte es für einen Fehler, dass die kommunalen Spitzenverbände nicht dabei sind.

(Zustimmung von Herrn Knöchel, DIE LIN- KE)

Aber selbst die haben es nicht geschafft, dabei zu sein. Ich gehöre zu der kleinen Gruppe der Finanzminister, die einen Antrag gestellt haben, die mit hineinzunehmen.

Also, ich unterstütze den Antrag ausdrücklich. Ich bin gern bereit, überall zu berichten. Aber bitte gehen Sie sehr pragmatisch an dieses Thema heran. Ansonsten bleibt das alles Theorie. - Schönen Dank, dass Sie mir zugehört haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Ich sehe niemanden, der auf den Minister reagieren möchte, was er könnte. Dann ist die Debatte abgeschlossen und wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

Ich werde gemeinsam mit Ihnen wie folgt verfahren. Ich rufe zuerst den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. Wenn der eine Mehrheit bekommt, dann verfahren wir entsprechend. Wenn er sie nicht bekommen sollte, dann rufe ich den Ursprungsantrag mit der durch die Koalitionsfraktionen gewünschten Änderung auf, dass der Punkt 2 des Änderungsantrages als Punkt 8 an den Ursprungsantrag angehängt wird. - Ich sehe nur Nicken und kein Kopfschütteln. Dann verfahren wir so.

Jetzt rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/3429 auf. Wer stimmt dem zu? - Das ist naturgemäß die Antragstellerin. Wer stimmt dagegen? - Das tun die Koalitionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Der Änderungsantrag ist abgelehnt worden.

Jetzt kommen wir zum Ursprungsantrag. Dazu wurde eine Einzelabstimmung beantragt. Deswegen rufe ich jetzt die Punkte 1 bis 7 und den neuen Punkt 8 einzeln auf.

Wer Punkt 1 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das ist das ganze Haus. Stimmt jemand dagegen? Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Punkt 1 ist angenommen worden.

Wer stimmt Punkt 2 zu? - Das ist das ganze Haus. Wer stimmt dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Niemand. Punkt 2 ist angenommen worden.

Wir stimmen über Punkt 3 ab. Wer ist dafür? - Das ist das ganze Haus. Stimmt jemand dagegen? Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Punkt 3 ist angenommen worden.

Wir stimmen über Punkt 4 ab. Wer ist dafür? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Punkt 4 ist angenommen worden.

Wir stimmen über Punkt 5 ab. Wer ist dafür? - Das ist das ganze Haus. Stimmt jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Punkt 5 ist angenommen worden.

Dann kommen wir jetzt zu Punkt 6. Wer stimmt Punkt 6 zu? - Das tun die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Die tut die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit auch Punkt 6 eine Mehrheit gefunden.

Jetzt kommen wir zu Punkt 7. Wer stimmt dafür? - Das ist wieder das ganze Haus. Ist jemand dagegen oder enthält sich der Stimme? - Nein. Punkt 7 ist angenommen worden.

Dann kommen wir jetzt zu Punkt 8. Das ist Punkt 2 des Änderungsantrages. Da gab es einen kleinen Einschub. Ich hoffe, dass ich ihn richtig formuliere: Der anstehende Neuaushandlungsprozess des Länderfinanzausgleiches und zahlreiche andere Regelungen der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sollen in einem offenen und transparenten Prozess, vorzugsweise im Rahmen einer Föderalismuskommission III, unter Einbeziehung der Landtage und von Vertreterinnen und Vertretern der Kommunen gestaltet werden.

Wer ist dafür? - Das ist das ganze Haus. Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Bei einer gewichtigen Stimmenthaltung ist dann auch Punkt 8 zugestimmt worden.

(Unruhe bei der CDU - Minister Herr Buller- jahn: Muss ich doch machen! Ich sitze doch in Berlin!)

Jetzt würde ich über diesen Antrag, dessen Punkte bereits im Einzelnen beschlossen worden sind, noch einmal insgesamt abstimmen lassen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen und ein Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das tun die Fraktion DIE LINKE und der größte Teil der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Antrag ist damit beschlossen worden und dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Beratung

Konsequenzen aus dem BGH-Urteil im Fall Oury Jalloh ziehen - Praxis polizeilicher Ingewahrsamnahme auf den Prüfstand stellen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/3406

Die Einbringerin ist die Kollegin Quade. Bitte, Frau Abgeordnete.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Über den Tod Oury Jallohs und die Geschichte seiner juristischen und politischen Aufarbeitung zu reden birgt immer ein Stück weit die

Gefahr, sich in einem der vielen unfassbaren und unglaublichen Details zu verlieren.

Zu viele Fragen sind und bleiben vermutlich offen. Zu viele Fragen bleiben unbeantwortet. Deshalb ist es mir wichtig, gleich zu Beginn der Rede festzuhalten, dass der eigentliche Skandal der Tod Oury Jallohs selbst ist und bleibt.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Auch wenn die Staatsanwaltschaft Dessau nach wie vor ein Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Todesursache führt, geht mit dem kürzlich durch den Bundesgerichtshof gefällten Urteil ein wesentlicher Teil eines neun Jahre währenden und wirklich fassettenreichen juristischen Aufarbeitungsprozesses zu Ende.

Die unterschiedlichen Verfahren wurden durch das Bemühen um eine politische Aufarbeitung begleitet - ich will an den Untersuchungsausschuss Polizei erinnern - und vom noch zäheren Ringen um gesellschaftliche Aufklärung und Aufarbeitung.