Wir brauchen natürlich mehr als nur Programme zur Unterstützung unserer politischen Forderungen. Wir brauchen strikte Regeln und Leitplanken. Wir brauchen gesetzgeberische Schritte, um die Gleichstellung von Frauen in so wichtigen Lebensgebieten wie zum Beispiel der Arbeitswelt rechtlich zu verankern. Dazu gehört zwingend ein Entgeltgleichheitsgesetz.
Wenn Frauen bei gleicher Qualifikation und Arbeit immer noch bis zu 25 % weniger verdienen als Männer, heißt die Schlussfolgerung nicht, Frauen seien schlechter. Die Schlussfolgerung heißt: Man kann es mit ihnen machen.
Unser Standpunkt dazu lautet eben nicht, Frauen hätten Pech und müssten sich besser durchsetzen. Unser Standpunkt lautet: Man darf es mit ihnen nicht mehr machen können. Und manchmal hilft an dieser Stelle nur ein Gesetz.
Gleiches gilt für Quoten in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in Aufsichtsräten und in Vorständen. Wir haben einerseits die Erfahrung ge
macht, dass Appelle an dieser Stelle nichts nützen. Wir haben andererseits aber auch die Erfahrung gemacht, dass Frauen gezielt gefördert werden, wenn es eine Quote gibt, und dass es selbstverständlich, weil notwendig, ist, Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.
Ich bitte herzlich darum, dass niemand mit dem abgedroschenen Argument kommt, es müsse nach der Qualifikation gehen. Stimmt, es muss nach Qualifikation gehen. Aber wenn mehr als die Hälfte der Abiturientinnen und Abiturienten weiblich ist, wenn die Frauen bessere Noten in Schule und Berufsausbildung haben und die besseren Abschlüsse machen und wenn das im Studium ähnlich ist, dann finden Sie die Frauen, die qualifiziert sind, auch. Man muss es eben nur wollen oder wollen müssen.
Deshalb - ich sage das hässliche Wort noch einmal - brauchen wir die Quote. Denn den Frauen hilft es bei der Überwindung der gläsernen Decke gar nicht, wenn oben das Licht heller gedreht wird und man ein bisschen deutlicher sehen kann, wohin man könnte. Die Quote, meine lieben Frauen, meine Damen, ist der kleine Diamant, der uns dabei hilft, diese gläserne Decke durchzuschneiden und an den Lichtschalter zu gelangen. Deshalb brauchen wir sie.
Der eine oder die andere werden sagen, wir fordern Quoten in Aufsichtsräten und erfüllen sie nicht einmal im eigenen Kabinett. Stimmt, das gehört geändert.
(Zustimmung bei der SPD und von Ministe- rin Frau Prof. Dr. Kolb - Herr Lange, DIE LINKE: Und das vor der Wahl?)
- Sie wissen doch, Herr Lange: Nach der Wahl ist immer vor der Wahl und vor der Wahl ist immer nach der Wahl.
- Ich bin gar keine Philosophin. - Quotiert heißt für uns Sozialdemokraten schon immer mindestens 40 % des unterrepräsentierten Geschlechts, wenn es um die Besetzung der Gremien in der SPD geht. Es mehren sich die Fälle, dass dies nicht immer die Frauen sind. Dafür haben wir mit der geliebten alten Tante Sozialdemokratie viel Zeit gebraucht.
Meine Damen und Herren! Gleichstellung bedeutet immer auch einen gesellschaftlichen Wandel. Das ist auch heute noch so. Dieser Wandel bleibt auch bitter nötig. Denn Gleichstellung heißt nicht nur, Frauen Berufs-, Karriere- und Lebenschancen zu
eröffnen. Gleichstellung heißt auch, Lebensentscheidungen zu akzeptieren und nicht zu bestrafen oder zu ächten. Das gilt für Frauen und für Männer gleichermaßen.
Familie heißt auch, aber eben nicht nur, Ehe. Familie ist dort, wo Menschen zusammenleben und Verantwortung füreinander übernehmen, egal ob mit oder ohne Trauschein. Deshalb brauchen wir eine Arbeitswelt, die familienfreundlich ist.
Wie wichtig es ist, dass wir nicht ermüden, meine Damen, zeigt die Allensbach-Studie vom letzten Jahr. Von der Zeitschrift „Bild der Frau“ in Auftrag gegeben, geht die Studie der Frage nach, wie die Männer in Deutschland ticken.
- Aber Allensbach ist doch sehr seriös. - Männer sind der Meinung, dass es mit der Gleichberechtigung der Frauen in Deutschland mittlerweile reicht. 28 % der Männer finden sogar, dass bei der Gleichstellung übertrieben wird.
6 % der Männer fühlen sich bereits benachteiligt. Das ist zu wenig, meine Herren. Sie reden immer davon, dass Gleichstellungsbeauftragte Männer und Frauen sein dürfen, können, sollen, müssen.
Wenn sich 50 % der Männer benachteiligt fühlen, dann haben wir die Quote erreicht und dann können es Frauen und Männer gleichermaßen sein. Solange es nur 6 % sind, stimmt etwas nicht.
Teilzeit kommt für 62 % der Männer nicht infrage. 81 % der Männer glauben, dass Frauen besser die Arbeiten im Haushalt erledigen können. Danke für das vergiftete Lob.
In der Studie steht auch, Männer fühlen sich überfordert, weil sie - das wollen der Studie zufolge wir Frauen - gleichzeitig berufs- und familienorientiert sein sollen, sich intensiv um die Kinder kümmern sollen, Aufgaben in Haushalt und Familien übernehmen sollen, gleichzeitig selbstbewusst und einfühlsam sein sollen
und zu allem Überfluss auch noch eigene Gefühle zeigen und eine selbstbewusste Partnerin schätzen sollen.
Aber, meine Herren, ich sehe es ein: Das ist zu viel verlangt. Denn dann müssten Sie das Gleiche leisten, was wir alltäglich und selbstverständlich im Leben als Frau leisten.
(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zurufe von Herrn Schröder, CDU, von Herrn Borgwardt, CDU, und von Herrn Kur- ze, CDU)
Sich dann noch im Anspruch gleiche oder bessere Qualifikationen messen lassen müssen, um in Bewerbungsgesprächen als Sieger hervorzugehen, wäre die Königsdisziplin für Sie.
Glauben Sie uns: Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es auch für uns nicht. Es gibt ein Nebeneinander verschiedener Lebensbereiche, die sich, wenn man sie gleichzeitig ausübt, einfach addieren. Wirkliche Gleichberechtigung würde eine veränderte deutsche Gesellschaft erfordern, von der wir noch meilenweit entfernt sind.
Erst wenn wir Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht mehr als individuelles Problem begreifen, das nur organisiert werden muss, erst dann werden wir eine neue Qualität erreichen. Mit Kinderbetreuung und Familienarbeitszeit könnten wir ein Stück der notwendigen Voraussetzungen schaffen.
Familienarbeitszeit würde bedeuten, dass beide Elternteile ihre Arbeitszeit auf 80 % anpassen, also auf 30 oder 32 Wochenarbeitsstunden. Ein Teil des ausfallenden Lohnes sollte vom Staat ersetzt werden. Die finanzielle Unterstützung soll im Anschluss an das Elterngeld gezahlt werden, sich wie dieses am Nettoeinkommen der Eltern orientieren und auf drei Jahre begrenzt sein.
Das würde übrigens, meine Herren und Damen, ein Bruchteil von dem kosten, was die Maut einbringen soll. Das wäre ein echter Beitrag.
Aber dazu brauchen wir nicht nur Geld und politischen Willen; dazu brauchen wir auch eine andere gesellschaftliche Akzeptanz. Dabei sind uns andere Länder um Lichtjahre voraus. Ein Beispiel: Der ehemalige norwegische Ministerpräsident Stoltenberg, heute Nato-Generalsekretär, hat vier Monate Elternzeit in Anspruch genommen. Er hat dazu wortwörtlich gesagt:
„Alle Frauen … wissen es; ich aber wusste es damals nicht: Sich um Kinder zu kümmern, ist harte Arbeit. Ich war vier Monate zu Hause. Nach vier Monaten Breikochen
und Windeln wechseln habe ich es als Erleichterung empfunden, als ich wieder zur Arbeit zurückgehen konnte und mich dort erholen konnte.“
In Norwegen war das normal. Als Sigmar Gabriel angekündigt hatte, er würde sich einen ganzen Nachmittag pro Woche für sein Kind Zeit nehmen, wurde seine Eignung als Minister öffentlich infrage gestellt. Solange das so ist, aber Ursula von der Leyen für die gleiche Prioritätensetzung völlig zu Recht große Anerkennung genießt, haben wir in punkto Gleichstellung noch einen weiten Weg vor uns, und jeder Schritt in diese Richtung hilft uns.