In Norwegen war das normal. Als Sigmar Gabriel angekündigt hatte, er würde sich einen ganzen Nachmittag pro Woche für sein Kind Zeit nehmen, wurde seine Eignung als Minister öffentlich infrage gestellt. Solange das so ist, aber Ursula von der Leyen für die gleiche Prioritätensetzung völlig zu Recht große Anerkennung genießt, haben wir in punkto Gleichstellung noch einen weiten Weg vor uns, und jeder Schritt in diese Richtung hilft uns.
Meine Damen und Herren! Wir hatten heute die Gleichberechtigung der Geschlechter im Fokus. Aber Gleichberechtigung ist sogar noch mehr. Viele Studien belegen, dass sich die Eliten gern selbst vervielfältigen.
Viele Studien haben gezeigt, dass die Entscheiderklasse in Politik und Wirtschaft dazu tendiert, ihresgleichen in Spitzenämter zu holen. Das sind meistens weiße mittelalte Männer, die von derselben Uni kommen oder die über den Anzugschneider bis zum Lieblingssport vieles gemeinsam haben. Das behindert nicht nur Frauen, sondern zum Beispiel auch Migranten und Arbeiterkinder. Verlieren wir diesen Aspekt also nicht aus dem Blick.
Wenn ich die drei Veranstaltungen, die die SPDFraktion in der letzten Woche durchgeführt hat, Revue passieren lasse, dann war sehr deutlich, dass das auch etwas mit Gleichstellung zu tun hatte. In der ersten Veranstaltung - das war der regionale Bankentag Ostdeutschlands - lag das Verhältnis der Teilnehmer bei 95 : 5 - Männer zu Frauen.
Bei der zweiten Veranstaltung - es ging um bilinguale Bildung in Kindertagesstätten - lag das Verhältnis der Teilnehmer bei 5 : 95. Ungefähr 5 % der Teilnehmer waren Männer.
Bei der dritten Veranstaltung ging es um die Frage, wie man Studienabbrecher und Unschlüssige in eine duale Ausbildung in der Wirtschaft bringen könne. Dort lag das Verhältnis bei 50 : 50. Auch das ist ein Punkt, den man vor dem Hintergrund der Gleichberechtigung durchaus einmal weiterdenken sollte.
Ich habe 18-jährige junge Frauen gebeten aufzuschreiben, was ihnen zum Stichwort Gleichberechtigung einfällt. Sie - fünf junge Mädchen bzw. junge Frauen - haben Folgendes aufgeschrieben:
Erstens. Für die Gesellschaft ist es unglaublich wichtig, obwohl es heutzutage noch nicht selbstverständlich ist.
Zweitens. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau bedeutet, dass Frauen in Bezug auf die Arbeitswelt die gleichen Aufstiegschancen haben wie Männer.
Drittens. Ich fühle mich gleichberechtigt, beispielsweise in der Schule; ich kann mich sehr glücklich schätzen. Dass dies in anderen Kulturen der Welt aber leider noch lange nicht erreicht ist, ist nicht gut.
Viertens. Gleichberechtigung bedeutet, bei gleicher Qualifikation nach keinem weiteren Kriterium wie Geschlecht oder Hautfarbe zu selektieren.
Fünftens. Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist Neutralität der Geschlechter und Objektivität in allen Lebensbereichen, sei es in der Arbeitswelt oder im Privatleben.
Meine Damen und Herren! Was sagen uns diese fünf Antworten von jungen Frauen? - Erstens. Es ist viel erreicht worden. Wenn wir Bilder sehen von Mädchen aus anderen Teilen der Welt, die nicht in einer Schule lernen dürfen, dann muss man feststellen: Ja, ist es viel erreicht worden.
Zweitens. Die jungen Frauen haben eine hohe Erwartung an Gleichberechtigung in zukünftigen Lebensabschnitten.
Viertens. Sie sind kluge qualifizierte junge Frauen, die wohl gesetzt formulieren können. Also lassen wir sie an den Lichtschalter und nicht an die gläserne Decke stoßen. Bringen wir sie in die Aufsichtsräte. Es gibt noch viel zu tun für die wirkliche Gleichberechtigung. Ich zähle auf Ihre Mitwirkung!
Danke schön, Kollegin Budde. - Damit schließen wir die Aussprache zur Regierungserklärung ab. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst. Der Tagesordnungspunkt 1 ist damit abgearbeitet.
Wir dürfen nun weitere Gäste im Hause begrüßen, Damen und Herren der Krankenpflegeschule aus Hettstedt. Willkommen im Plenarsaal des Landtags von Sachsen-Anhalt!
LINKE, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD. Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass sie nach der Einbringung reden möchte. Zunächst hat für die Antragstellerin Abgeordneter Herr Dr. Thiel das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt den weit verbreiteten Irrtum, man könne in Ruhe unbequeme Dinge aussitzen, es reiche aus, sich bei unliebsamen Ereignissen in den Schildkrötenpanzer zurückzuziehen und sich wegzuducken; denn die Zeit werde schon Gras über die Dinge wachsen lassen. Dies gilt aktuell und in besonderer Weise für die Vorgänge um die Jahn-Halle in Wolmirstedt.
Deshalb haben wir erneut eine Aktuelle Debatte im Landtag beantragt, damit sich dieser der Angelegenheit annimmt. Ähnlich wie beim Unter
suchungsausschuss zur IBG verbinden wir damit die Hoffnung, dass sich wirklich alle Fraktionen an der Aufklärung der Vorgänge beteiligen wollen,
Im Sommer dieses Jahres legte das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung - genannt Olaf - seinen Abschlussbericht zu den Vorgängen um die Förderung der Jahn-Halle in Wolmirstedt vor. Auf meine Nachfrage im September haben Sie, Herr Minister Webel, lediglich bekundet, Sie seien noch nicht in der Lage, Schlussfolgerungen aus dem Bericht zu ziehen, weil Ihnen die Anlagen fehlten. Das war nach heutiger Kenntnis zumindest ein Kaschieren der Wahrheit.
Seit gestern liegt der Bericht dem Landtag vor, inklusive der Anlagen. Ich hatte die Gelegenheit, mir einen ersten Überblick zu verschaffen.
Mit keinem Wort, Herr Minister Webel, haben Sie den Landtag über die darin enthaltenen Bewertungen informiert. Der Abschlussbericht von Olaf spricht eine deutlich andere Sprache als das, was uns als Abgeordneten bisher offiziell übermittelt wurde.
In der „Volksstimme“ vom 18. Oktober 2014 wurde der Öffentlichkeit die Brisanz des Berichtes sichtbar gemacht. Es heißt, Behörden hätten schlampig gearbeitet; die Prüfer halten Parteienfilz für wahrscheinlich. Sofort stellten sich Fragen nach der Verantwortung, nach der Kenntnis von Unregelmäßigkeiten, nach dem Kaschieren der Wahrheit,
„Es ist nicht Aufgabe von Olaf, politische Untersuchungen zu führen. Jedoch drängt sich im vorliegenden Fall der Eindruck auf, dass das gesamte Projekt Jahn-Sporthalle von Anfang bis Ende nur aufgrund politischer Konstellationen so gehandhabt wurde wie in diesem Bericht dargestellt.“
Dann werden die handelnden Personen benannt: von einem in Personalunion Vereinsvorsitzenden, Stadtratsvorsitzenden und Landesbeamten über den Landrat des Bördekreises bis hin zu den verantwortlichen Personen im Landesverwaltungsamt und dem Minister. Interessant ist auch die Bemerkung, dass die Behandlung der Akte Jahn-Halle nicht unbedingt von den für die Stadt und deren Bevölkerung besten Erwägungen geleitet worden sei, sondern womöglich parteipolitische Überlegungen im Vordergrund gestanden hätten.
Gerade im Bereich der Interessenkonflikte machen die Ermittler von Olaf darauf aufmerksam, dass die gültigen Verwaltungsvorschriften des Landes den Begriff „Korruption“ klar definieren. Korruption im Sinne der Vorschrift ist der Missbrauch eines öffentlichen Amtes, einer Funktion in der Wirtschaft oder eines politischen Mandates zugunsten eines anderen, begangen auf dessen Veranlassung oder aus eigener Initiative zur Erlangung eines Vorteils für sich oder einen Dritten.
„… dass der Einsatz von EFRE-Mitteln für den realisierten Endzweck unzulässig ist, da der Zuwendungsempfänger selbst vor der Fördermittelbeantragung ein öffentliches Interesse an der Nutzung der Halle negierte. Die Erstellung eines endgültigen Zuwendungsbescheides seitens des Landesverwaltungsamtes hätte aufgrund fehlender Belege und des dadurch unmöglich gewordenen Nachweises der Beachtung von § 6 LHO nicht erfolgen dürfen.“
Wir begrüßen es in diesem Kontext ausdrücklich, dass sich auch der Landesrechnungshof der Vorgänge angenommen hat, und hoffen, dass die Ergebnisse baldigst vorliegen werden. Das würde auch die weitere Aufklärung in den Fachausschüssen erleichtern. Wir schlagen vor, mit größtmöglicher Transparenz zu agieren, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.
Vor allem auch deshalb, weil das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises Börde sowohl im Jahr 2010 als auch im Jahr 2011 und im Jahr 2013 bestätigt hat, dass es keine ordnungsgemäße Nachweisführung aufgrund unvollständiger Projektunter
Und das haben Sie, Herr Minister Webel, als ehemaliger Landrat alles nicht gewusst? Gab es keine Vorlagepflichten bei festgestellten Unregelmäßigkeiten? Woher kommt Ihre Motivation, im Stadtrat von Wolmirstedt die eigenen Reihen fest zu schließen, aber in Dessau-Roßlau unliebsame Mitglieder, die sich gegen Fördermittelbetrug wehren, zum Schweigen zu bringen?
Ich möchte auch an den Beginn unserer Debatte dazu im Landtag erinnern. In der Fragestunde am 14. November 2013 hat Minister Webel mit großen Worten die Prüfberichte seiner Behörden gewürdigt, die keine Missstände festgestellt hätten.
Punkt für Punkt haben Sie, Herr Minister, aus dem Prüfbericht des Landesverwaltungsamtes vom 6. Dezember 2011 vorgetragen. Punkt für Punkt sollte Ihre Aussage stützen, dass es keinerlei Unregelmäßigkeiten gab. Punkt für Punkt zitierten Sie aus einem Prüfbericht, dessen Zustandekommen die Ermittler von Olaf aufgrund gravierender Dokumentationsmängel nicht nur für nicht nachvollziehbar halten, sondern den sie hinsichtlich seiner Auswirkungen auf den EU-Haushalt in keiner Weise akzeptieren können.