Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Die Chancengleichheit und die Partnerschaftlichkeit von Frauen und Männern sollten aus meiner Sicht in allen Lebensbereichen die Ziele einer modernen Gleichstellungspolitik sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich muss an dieser Stelle feststellen, dass wir auch in Sachsen-Anhalt leider noch nicht allen Bereichen erreicht haben, was wir uns vorgenommen haben. Trotz der Verankerung der Verpflichtung in Artikel 34 unserer Landesverfassung, die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Bereichen der Gesellschaft zu fördern, und trotz der Fortschritte, die wir in den letzten Jahren tatsächlich erreicht haben, beispielsweise im Hinblick auf höchste Bildungsabschlüsse, berufliche Karrieren, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Teilhabe, gibt es noch eine Menge zu tun.

Die Landesregierung und dieses Hohe Haus haben in den letzten vier Jahren nicht nur über Gleichstellung diskutiert, sondern konkrete politische Vorhaben auf den Weg gebracht.

Der Landtag hat sich ausdrücklich für die Unterstützung einer Hamburger Gesetzesinitiative zur Einführung einer Frauenquote in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen im Bundesrat ausgesprochen.

Ich kann es wirklich so sagen: Sachsen-Anhalt hat diesem Gesetzentwurf zu einer Mehrheit verholfen. Ich glaube, Herr Haseloff hat dafür von der Kanzlerin nicht nur Lob bekommen, aber genau mit dieser Entscheidung des Bundesrates haben wir die Diskussion beschleunigt. Heute liegt nun der Gesetzentwurf des Bundes über eine bessere Teilhabe von Frauen vor.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Landtag hat die Landesregierung aufgefordert, eine Bundesratsinitiative zur Herstellung von Entgeltgleichheit zu erarbeiten.

Wir haben das Thema „Frauen im Erwerbsleben“ im letzten Jahr, also im Jahr 2013, zum Leitthema der Gleichstellungsministerinnen- und Gleichstellungsministerkonferenz gemacht - ich hatte den Vorsitz -, sodass wir ganz bewusst den Schwerpunkt auch auf diese Themen legen konnten.

Wir haben eine länderübergreifende Arbeitsgruppe „Entgeltgleichheit“ eingerichtet, die Sachsen-Anhalt und Hessen gemeinsam führen. Diese Arbeitsgruppe hat schon intensiv gearbeitet. Sie hat eine Vielzahl von Expertinnen und Experten angehört. Es gibt mittlerweile den Entwurf eines Maßnahmenkataloges, in dem mehr als 50 gesetzliche, aber auch untergesetzliche Maßnahmen genannt werden, die zu mehr Entgeltgleichheit führen können.

Wir werden diesen Katalog im nächsten Jahr im Rahmen der Gleichstellungsministerkonferenz diskutieren. Ich gehe davon aus, dass wir diese Dinge auch gemeinsam mit dem Bundesministerium umsetzen werden.

Im November 2011 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, ein Landesprogramm für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt zu erarbeiten. Dieses Programm habe ich am Dienstag dem Kabinett vorgelegt.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ist es um die Gleichstellung in Sachsen-Anhalt bestellt? - Zur Erarbeitung unserer gleichstellungspolitischen Programme und Maßnahmen haben wir zunächst einen Faktencheck durchgeführt. Im Ergebnis kann ich feststellen - darauf bin ich auch stolz -, dass Sachsen-Anhalt in vielen Bereichen gut aufgestellt ist.

Mädchen haben im Vergleich zu Jungen häufig die besseren Schul- und Studienabschlüsse. So lag der Anteil von Jungen bei den Hauptschulabschlüssen im Jahr 2010 leider noch bei 59,2 %. Die Realschulabschlüsse an allgemeinbildenden Schulen werden zu gleichen Anteilen von Mädchen und Jungen erreicht, die allgemeine Hochschulreife dagegen mit 56,6 % häufiger von Mädchen.

(Zustimmung bei der SPD)

So überrascht es auch nicht, dass Studienabschlüsse in Sachsen-Anhalt mit 55 % häufiger von Frauen erreicht werden. Besonders hoch ist der Anteil bei den Lehramtsstudiengängen mit 65,3 %. Aber diesbezüglich gibt es auch eine positive Entwicklung, auf die ich ausdrücklich hinweisen möchte. Der Anteil von Männern in den Lehramtsstudiengängen ist in den Jahren 2005 bis 2011 um mehr als 10 % gestiegen.

(Herr Kurze, CDU: Toll!)

Ich glaube, das ist eine schöne Entwicklung. Damit liegen wir nun mit 34,7 % Männern über dem entsprechenden Bundesdurchschnitt.

Wir können für Sachsen-Anhalt im gleichen Zeitraum auch eine überdurchschnittliche Steigerungsrate bei den Promotionen von Frauen feststellen.

Sie lag im Jahr 2011 bei 43,4 % und hat damit den Bundesdurchschnitt erreicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sachsen-Anhalt ist das Bundesland mit der besten Kinderbetreuung. Dies ist nicht nur für die Gleichstellung, sondern vor allem auch für die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes ein enormer Standortvorteil.

Während im Bundesdurchschnitt nur 25,4 % der unter Dreijährigen eine Einrichtung der Kindertagesbetreuung besuchen, sind es in Sachsen-Anhalt 56,1 %. Das ist eben nicht nur ein Faktor für die bestmögliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern es ermöglicht auch vielfältige Möglichkeiten für eine gute frühkindliche Bildung. Genau diese Möglichkeiten haben wir im letzten Jahr mit der Einführung des Ganztagsanspruchs für alle Kinder weiter verbessert.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch im Bereich der Wirtschaft kann SachsenAnhalt mit Blick auf die Beteiligung von Frauen einiges vorweisen. Wir haben mit 77,2 % eine überdurchschnittliche Erwerbsquote, allerdings steigt der Anteil der in Teilzeit beschäftigten Frauen stetig. Er lag im Jahr 2012 bei 42,8 %. Viele dieser Frauen wollen nicht in Teilzeit arbeiten; vielmehr würden sie liebend gern eine Vollzeitbeschäftigung in Anspruch nehmen, wenn sie ihnen zur Verfügung stehen würde.

59 %, also beinahe 60 %, aller geringfügigen Beschäftigungen und aller Minijobs werden von Frauen wahrgenommen. Es gilt daher, dass wir in diesem Bereich ein noch stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Potenziale von Frauen im Erwerbsleben fördern; denn nur so schaffen wir tatsächliche Chancengleichheit und bekommen die Fachkräfte, die die Wirtschaft auch in Sachsen-Anhalt heute schon braucht.

Ich habe vorhin das Thema Entgeltgleichheit angesprochen. Auch an dieser Stelle hat SachsenAnhalt einen besseren Wert als der Bundesdurchschnitt. Wir wissen, dass der sogenannte Gender Pay Gap im Bundesdurchschnitt derzeit 22,0 % beträgt. Mit 6 % liegt Sachsen-Anhalt weit darunter. 6 % heißt aber auch, dass Frauen eben auch in Sachsen-Anhalt weniger verdienen als Männer, dass ihre Potenziale im Hinblick auf den Wert ihrer Arbeit nicht so geschätzt werden wie die ihrer männlichen Kollegen.

Frauen übernehmen nach wie vor Haushalts- und Familienarbeit. Sie haben damit eine Doppelbelastung, nämlich durch bezahlte Erwerbstätigkeit und unbezahlte Sorgetätigkeit. Das bedeutet: weniger frei einteilbare Zeit. Dies wiederum schränkt ihre Möglichkeiten der gesellschaftlichen Partizipation massiv ein.

Ich muss Ihnen an dieser Stelle nicht erläutern, wie viele Frauen in Sachsen-Anhalt im Bereich der Kommunalpolitik tätig sind. Es gibt viel zu wenige Landrätinnen, Oberbürgermeisterinnen, Bürgermeisterinnen und auch weibliche Abgeordnete in den Gemeinde- und Stadträten.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Besondere zeitliche und auch finanzielle Herausforderungen stellen sich dabei für alleinerziehende Eltern, von denen wiederum die Mehrheit Frauen sind. Auffällig ist in diesem Zusammenhang die hohe Abhängigkeit dieser Personengruppe von sozialen Transferleistungen.

Eine der größten Herausforderungen, vor denen Sachsen-Anhalt steht, ist die demografische Entwicklung. Noch immer wandern besonders junge, qualifizierte Frauen ab. Die Umsetzung der Gleichstellung ist also nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch ein ganz wichtiger Faktor für die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes in sozialer, aber eben auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleichstellungspolitische Ansätze dürfen dabei nicht nur punktuell zum Tragen kommen. Die Durchsetzung von Geschlechtergerechtigkeit muss als tatsächliche Querschnittsaufgabe in allen Politikfeldern verstanden werden. Mit anderen Worten: Wir alle müssen uns gemeinsam dafür einsetzen, um nachhaltig etwas zu bewegen.

Genau das, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir in den letzten vier Jahren getan und können bereits über Erfolge in der Frauen- und Gleichstellungspolitik berichten.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir konnten dabei auch auf eine sehr gute Gleichstellungsarbeit seit Beginn der 90er-Jahre aufbauen. Ich darf einmal zurückblicken und feststellen, dass Sachsen-Anhalt damals bundesweit eine führende Rolle hatte. Wir haben im Jahr 1993 ein Frauenfördergesetz verabschiedet, das wirklich wesentlich dazu beigetragen hat, die berufliche Situation und Entwicklung von Frauen zu verbessern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern.

Wir haben in diesem Jahr anlässlich des Frauentages auf 20 Jahre Frauenfördergesetz zurückgeblickt und festgestellt, dass es nach wie vor ein gutes Gesetz ist. Wir hatten damit eine gute Grundlage, um diese Dinge weiterzuentwickeln.

Es gab dann in den Jahren 1999 und 2000 Programme zur Einbeziehung der Chancengleichheit in alle Politikbereiche. Wenn man sich aber die Zahlen noch einmal vor Augen führt, die ich Ihnen eben genannt habe, dann sieht man eben auch, dass wir in der Gleichstellungspolitik einen langen Atem brauchen.

Meine Kollegin auf Bundesebene Frau Schwesig hat neulich gesagt, Politik sei das Bohren von dicken Brettern. Sie meinte aber, dass man mit Blick auf die Gleichstellungspolitik auf Beton treffe.

In der gegenwärtigen Legislaturperiode ist das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit deshalb ganz bewusst ein politischer Schwerpunkt. Wir wollen konkrete Schritte zur Gleichstellung von Frauen und Männern in die Wege leiten und haben uns auch gleich mit Beginn der neuen Legislaturperiode ins Zeug gelegt. Die Landesregierung hat schon im Juni 2012 ein Konzept mit dem Titel „Karrierewege von Frauen als Teil eines erfolgreichen Gendermanagements in der Landesverwaltung fördern“ verabschiedet.

Ziel ist die Etablierung eines Gender-Managements, das die Karriereentwicklung von Frauen ganz bewusst nicht nur in den Blick nimmt, sondern eben auch mit der Personal- und Organisationsplanung verschränkt.

Wesentliches Instrument ist hierbei ein jährliches Monitoring, das für jedes Ressort sichtbar macht, wie viele der freien und wieder zu besetzenden Stellen mit Frauen besetzt worden sind.

Ich weiß natürlich, dass der Anspruch, 40 % Frauen auf allen Führungsebenen, sehr ambitioniert ist. Auf einzelnen Führungsebenen ist dieses Ziel bereits erreicht worden. Aber wir haben nach wie vor Nachholbedarf, beispielsweise bei der Zahl von Abteilungsleiterinnen in den Ministerien oder Behördenleiterinnen. Doch ich bin mir sicher, dass wir mit den konkreten Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, in den nächsten Jahren einen deutlichen Schritt weiterkommen.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Bull, DIE LINKE: Ganz bestimmt!)

Ich kann feststellen, dass wir bereits eine Reihe von ressortspezifischen Maßnahmen umgesetzt haben. Die Staatskanzlei hat ein Monitoringprogramm etabliert, das jetzt vor wenigen Wochen bereits zum zweiten Mal gestartet ist und wirklich erfolgreich läuft.

Das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft hat eine Befragung mit dem Titel „Barrieren für die Karriereplanung“ durchgeführt. Das Innenministerium - Herr Stahlknecht - hat sich für ein Projekt mit dem Titel „Karriere 50 plus“ in seinem Haus stark gemacht. Das Justizministerium hat eine geschlechtersensible Beschäftigtenbefragung durchgeführt, die in einen sehr dynamischen Prozess der Einbeziehung der Mitarbeiter einfließt.

Gemeinsam haben die Ressorts der Landesregierung gleichstellungspolitische Landesziele erarbeitet. Sie reichen von der Stärkung der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen über die Durchsetzung von gleichem Lohn für gleichwertige Arbeit, die Sicherung der Gleichstellung in Entschei

dungsgremien, den Schutz der Würde und Unversehrtheit bis zur Ausrichtung aller Verwaltungsverfahren auf Geschlechtergerechtigkeit.

Die Konsequenz war dann, im Jahr 2013 das Gender-Mainstreaming-Konzept der Landesregierung fortzuschreiben. Hierin sind konkrete Maßnahmen enthalten, die die Implementierung von Gender Mainstreaming in die Verwaltungsroutine unterstützen.

Beispielhaft möchte ich nennen: die Verankerung von Gendermanagement als Teil der Personal- und Organisationsentwicklung, die Etablierung der Gleichstellung als Querschnittsziel in sämtlichen Bereichen, vor allem auch im Bereich der EU-Förderung. Diesbezüglich bin ich dem Finanzminister sehr dankbar, dass wir mit Beginn der neuen Förderperiode die Chance hatten, in allen Entscheidungsgremien für das Querschnittsziel Gleichstellung die entsprechenden Ziele und Anforderungen zu formulieren, sodass wir hierbei wirklich einen wesentlichen Schritt weitergekommen sind.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, Genderqualität auch in der verwaltungsinternen und -externen Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zu verbessern. Und wir wollen eine geschlechterdifferenzierte Datenbasis aufbauen. Dazu verspreche ich, dass ich Ihnen das konkrete Ergebnis bis zum Jahresende vorstellen kann.