Protokoll der Sitzung vom 14.11.2014

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt die Landesregierung die Auffassung der

Kommunalaufsicht, dass die neu gewählte Vertretung gemäß § 51 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes nicht über die Entscheidung vom 7. Juli 2014 hinaus Wahlprüfungsorgan für die Briefwahlen ist, obwohl diese durch Stadtratsbeschluss für ungültig erklärt wurde?

2. Unter welchen Voraussetzungen kann die

oberste Kommunalaufsichtsbehörde in Entscheidungen einer unteren Kommunalauf

sichtsbehörde eingreifen?

Vielen Dank für die Frage. - Es antwortet für die Landesregierung der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beantworte die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Paschke, Fraktion DIE LINKE, wie folgt. Ich möchte vorausschicken, dass die Wahlprüfung eine reine Wahlergebnisprüfung ist und sich stets nur auf die konkret zugrundeliegende Wahlhandlung bezieht. Zudem können, da die Wahlprüfung auf dem Anfechtungsprinzip beruht, nur solche Unregelmäßigkeiten geprüft werden, die Gegenstand des Wahleinspruchsverfahrens sind. Nur in diesem Rahmen hat die Vertretung als Wahlprüfungsorgan den Tatbestand, auf den sich der Wahleinspruch stützt, von Amts wegen zu erforschen und alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen.

Dies berücksichtigend sind die Wahl vom 25. Mai 2014 und die Wiederholungswahl der Briefwahl vom 9. November 2014 hinsichtlich der wahlrechtlichen Bewertung strikt zu trennen. Es handelt sich um zwei unabhängige Wahlhandlungen mit zwei verschiedenen Wahlprüfungsverfahren.

Zu Ihrer ersten Frage, zur Wahl vom 25. Mai 2014. Der Stadtrat der Stadt Stendal hat bereits mit Beschluss vom 7. Juli 2014 die Wahleinsprüche für begründet erachtet und schwerwiegende ergebnisrelevante Fehler bei der Vorbereitung bzw. Durchführung der Wahl vom 25. Mai 2014, bezogen auf die Briefwahl, festgestellt.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2014 hat der Stadtrat die Wahl vom 25. Mai 2014, bezogen auf die Briefwahl, für ungültig erklärt und insoweit die Wiederholung der Briefwahl - und eben nur diese - angeordnet. Mit dieser Entscheidung hat der Stadtrat alle rechtserheblichen Tatsachen berücksichtigt und eine abschließende Wahlprüfungsentscheidung

getroffen. Damit endet die Zuständigkeit des Stadtrates als Wahlprüfungsorgan für die Untersuchung der Wahl am 25. Mai 2014.

Ein weitergehender Informations- und Aufklärungsanspruch besteht zu dieser Wahl nicht, weil die eine für rechtmäßig und die andere für fehlerhaft erkannt wurde, und ist mit Blick auf die Wiederholung der Briefwahl, die auch stattgefunden hat, nicht erforderlich. Daher hat die Kommunalaufsichtsbehörde zu Recht die vom Stadtrat am 21. Juli 2014 und wiederholt am 6. Oktober 2014 beschlossene Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung der Unregelmäßigkeiten der Wahl am 25. Mai 2014 beanstandet.

Gänzlich unabhängig davon erfolgen aufgrund der Strafanzeige des Wahlleiters staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, um die strafrechtliche Relevanz der Vorwürfe und Unregelmäßigkeiten bei der Wahl am 25. Mai 2014 zu prüfen.

Ich komme jetzt zur Wiederholungswahl am 9. November 2014. Nunmehr erfolgte am 9. November 2014 eine neue Wahl in Form der Wiederholung der Briefwahl. - Also noch einmal: Briefwahl ungültig - beanstandet - neu.

Jetzt steht noch die Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses durch den Wahlausschuss aus. Sofern Wahleinsprüche gegen dieses festgestellte Wahlergebnis eingelegt werden, hat der Stadtrat als Wahlprüfungsorgan erneut - damit zwar in einer anderen Wahl, aber wiederholt - über die in diesen Wahleinsprüchen geltend gemachten Vorwürfe zur Wiederholung der Briefwahl vom 9. November 2014 zu entscheiden.

Vor seine Entscheidung über die Gültigkeit oder Ungültigkeit dieser Wahl kann der Stadtrat als Wahlprüfungsorgan den Wahlleiter ersuchen, aufklärend tätig zu werden. Dieser neuwahlgesetzliche Prüfungsauftrag schließt die Befugnisse des Stadtrates ein, in alle diese Wahl vom 9. November 2014 betreffenden amtlichen Unterlagen Einblick zu nehmen. Jedes Stadtratsmitglied muss diejenigen Informationen erhalten, die es zu einer sachgerechten Entscheidung bezüglich der Gültigkeit der Wahl benötigt. Der Stadtrat hat hierbei

nicht die Kompetenzen einer Strafverfolgungsbehörde. Er prüft im Rahmen seiner Wahlprüfungsentscheidung ausschließlich die wahlrechtlichen Fehler, die im Rahmen von Wahleinsprüchen substantiiert vorgetragen worden sind.

Zu Ihrer zweiten Frage. Die Kommunalaufsicht hat sicherzustellen, dass die Verwaltung der Kommunen im Einklang mit den Gesetzen erfolgt - § 143 Abs. 2 der Kommunalverfassung des Landes Sachsen-Anhalt. Das bedeutet, dass nur im Falle einer Rechtsverletzung im Rahmen des § 40 des Verwaltungsverfahrensgesetzes - Auszuübendes Ermessen - in Entscheidungen der Kommunen eingegriffen werden kann.

Die Ausübung der Kommunalaufsicht ist für die Landkreise eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises. Das Verhältnis zwischen den verschiedenen Stufen der Kommunalaufsicht ist so ausgestaltet, dass die jeweils übergeordnete gegenüber der untergeordneten Behörde Weisungen erteilen kann, um eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Handhabung der Kommunalaufsicht sicherzustellen. - Herzlichen Dank.

Es gibt eine Rückfrage, Herr Minister.

Frau Dr. Paschke, bitte.

Herr Minister, Ihre erste Erklärung, dass der Stadtrat, auch wenn er die Briefwahl vom 25. Mai 2014 für ungültig erklärt hat, nicht mehr zuständig ist, erschließt sich mir nicht. Sie müssen es mir jetzt auch nicht im Detail erklären. Ich möchte nur mein Unverständnis diesbezüglich zum Ausdruck bringen.

Ein zweiter Punkt. Ich bin gehalten, Sie etwas zu berichtigen. Es ist nicht beantragt worden, einen Untersuchungsausschuss einzurichten, der Zeugen anhört oder Ähnliches, sondern es wurde - weil der Stadtrat die Wahl für ungültig erklärt hat - beantragt, dass man als Stadtrat noch einmal tätig wird. Das wollte ich vorausschicken. Ich habe noch zwei konkrete Nachfragen.

Meine erste Frage: Hat das Ministerium schon einmal über das nachgedacht, was Minister Webel jetzt in der Öffentlichkeit mehrmals erklärt hat: dass man über die Formalitäten innerhalb der Briefwahl nachdenken müsste? Das würde bedeuten, dass man noch einmal in das Wahlgesetz eingreifen müsste.

Meine zweite Frage ist vielleicht etwas der Unkenntnis geschuldet. Es wird jetzt offeriert, dass es eventuell Neuwahlen gibt. Wer entscheidet letztendlich darüber, ob es Neuwahlen gibt?

Zu Ihrer ersten Frage. Es gibt keine vertiefenden Überlegungen dahingehend, möglicherweise die Briefwahl abzuschaffen - falls das überhaupt möglich ist. Wir haben - das gebe ich offen zu - in einem kleinen Kreis, in einem kollegialen Gespräch diskutiert, ob das noch zeitgemäß ist. Aber das ist eine ganz andere Frage.

Ich möchte auch andere Überlegungen offenlegen. Wir hatten einmal sogenannte Wahl-O-Maten, mit denen man elektronisch wählen konnte, die ich persönlich übrigens sehr gut fand, unabhängig davon, dass ein Gericht das gekippt hat. Das ist jetzt zehn, 15 Jahre her. Wir haben überlegt, ob man sich dieser Technik wieder bedienen sollte. Aber das sind lose Gedanken, die ich fairerweise offenlegen will. Es gibt jedoch keine Vertiefung dahingehend, dass wir überlegt hätten, das durch den Filter einer Gesetzesänderung laufen zu lassen.

Zu Ihrer zweiten Frage. Die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Wahl und die damit verbundene Wiederholung einer Wahl liegt in der Zuständigkeit der Stadt und des Stadtwahlleiters, die dann feststellen müssen, ob eine Wahl wiederholt werden muss. Ähnlich tun wir das auch hier; es gibt im Landtag einen Wahlprüfungsausschuss, der sich immer nach Landtagswahlen innerhalb des Rechtsausschusses zusammensetzt und sich damit befasst, ob die vorgetragenen Vorwürfe erheblich sind; danach entscheidet er, ob die Wahl wiederholt werden muss. Die Zuständigkeit liegt sozusagen im Organigramm der Stadt begründet.

Vielen Dank.

Die Frage 4 zu Veränderungen des Anmelde- und Aufnahmeverfahrens zur schulvorbereitenden Förderung stellt die Kollegin Frau Hohmann von der Fraktion DIE LINKE. Herr Minister Dorgerloh wird antworten. Bitte schön, Frau Hohmann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 8 des Schulgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt können an Förderschulen für Blinde und Sehgeschädigte sowie an Förderschulen für Gehörlose und Hörgeschädigte mit Genehmigung der obersten Schulbehörde schulvorbereitende Förder- und Betreuungsangebote unterbreitet werden. Mit Beginn des Schuljahres 2014/2015 wurden Veränderungen des Anmelde- und Aufnahmeverfahrens zur schulvorbereitenden Förde

rung vorgenommen. Betroffene Kinder müssen zum Zeitpunkt der Aufnahme in die entsprechenden Einrichtungen fünf Jahre alt sein.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Gründe führten zu den Veränderungen

des Anmelde- und Aufnahmeverfahrens zur schulvorbereitenden Förderung an den betreffenden Förderschulen?

2. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung

alternativ zur Frühförderung der unter fünfjährigen Hörgeschädigten?

Vielen Dank, Frau Hohmann. - Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Hohmann! Seitens der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt.

Zur Frage 1. Bereits seit 2002, also vor ca. zwölf Jahren, wurde per Erlass geregelt, dass sich schulvorbereitende Angebote an den Förderschulen für Sinnesgeschädigte vorrangig auf das Jahr vor dem Schuleintritt orientieren. Es gibt diesbezüglich kein verändertes Anmelde- und Aufnahmeverfahren.

Zur Frage 2. Frühförderung sinnesgeschädigter Kinder ist ein klassischer Aufgabenbereich der Sozialgesetzgebung. § 30 SGB IX gewährt den Anspruch auf Frühförderung. Das Land setzt diese gesetzliche Vorgabe um. Eine Alternative zur Rechtstreue der Landesregierung ist nicht gegeben. Von daher sind auch keine Alternativen zur Frühförderung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder seitens der Landesregierung geplant. Das Angebot nach SGB IX gilt vom ersten Lebenstag eines Kindes bis zur Einschulung.

Allerdings muss man auch sagen - das füge ich hinzu -, dass die Landesförderschulen traditionell seit vielen Jahren schulvorbereitende Angebote vorgehalten haben, die betroffene Kinder täglich an der Förderschule wahrnehmen. Aufgrund der Anzahl der pädagogischen Mitarbeiter und ihrer Möglichkeiten richten sich diese Angebote seit Jahren vor allem an fünfjährige Kinder, deren Schuleintritt in naher Zukunft bevorsteht.

Es ist nunmehr angezeigt, die schulvorbereitenden Angebote zunehmend auch ambulant vorzuhalten und die schultäglichen Angebote auf einen besonderen Kreis betroffener Kinder zu konzentrieren.

Das ist nicht nur angezeigt, weil es sinnvoll ist, das vor Ort anzubieten, sondern vor allen Dingen auch deshalb, weil das Ministerium für Arbeit und Soziales in der Zwischenzeit in seiner Verantwortung ein Netz der Frühförderstellen geschaffen hat, die lan

desweit zur Verfügung stehen, und sich für deren Beschäftigte um eine Qualifizierung zur Förderung sinnesgeschädigter Kinder bemüht hat.

Auch das MS hat ein Interesse daran, dass das Leistungsangebot nach dem SGB effektiv zum Tragen kommt. Die Förderschulen sind gern bereit, die Qualifizierungsangebote zu unterstützen, um das Angebot der Frühförderung zu vervollkommnen.

Vielen Dank, Herr Minister. Frau Hohmann hat eine Nachfrage. - Bitte schön.

Herr Minister, das verstehe ich nicht ganz. Das Schreiben an die Landesbildungszentren besagte, dass die Aufnahme nur noch für Fünfjährige gilt. Vorher haben die Landesbildungszentren auch Dreijährige aufgenommen; diese sollen nun aber vorrangig in Kitas vorbereitet werden. Welche Maßnahmen hat das Kultusministerium bzw. das Sozialministerium ergriffen, damit das lückenlos klappt? Denn die Kitas verfügen natürlich nicht über die Möglichkeiten, die in den Landesbildungszentren bestehen, angefangen vom spezialisierten Personal bis hin zur Technik.

(Unruhe)