Protokoll der Sitzung vom 14.11.2014

„Hierzu ist festzustellen, dass eine reine Nachmittagsbetreuung zur Sicherstellung der Berufstätigkeit von Angehörigen keine Leistung der Eingliederungshilfe ist.“

- Darauf werde ich zurückkommen.

Im Angebot war noch die Verlagerung der Arbeitszeit. Ich habe mich gefragt wohin, wahrscheinlich nach Hause.

In der Zwischenzeit gab es drei Betreuungskonferenzen. Im Ergebnis der dritten ist die Mutter aufgefordert worden, einen Integrationshelfer zu beantragen. Betreuungskonferenz Nr. 4 vertagte sich auf Betreuungskonferenz Nr. 5. Dabei wurde der Vorschlag unterbreitet, einen Antrag auf ein persönliches Budget zu stellen mit der Konsequenz - Sie können es erraten -: Das Persönliche Budget ist abgelehnt worden mit der Begründung, dass das vorrangig zu berücksichtigende Einkommen die Freigrenze übersteige.

Im Übrigen ist auch der Integrationshelfer abgelehnt worden. Das Ende vom Lied war, die Mutter hat irgendwann resigniert und geht seitdem halbtags arbeiten.

Beispiel Nr. 2. Max V. ist ein Junge mit Down-Syndrom. Auch er war bis zum 14. Lebensjahr in einer integrativen Kita. Auch seine Mutter sucht, seitdem er 13 Jahre alt ist, nach einer Betreuung für die Zeit nach der Kita. Auch in diesem Fall sagt die Schule: Nach 15 Uhr geht nichts. Das Problem ist, die Mutter ist berufstätig, arbeitet in zwei Schichten und zeitweise bis 17 Uhr. Auch in diesem Fall beginnen die Bemühungen, wie gesagt, fast ein Jahr

zuvor, und auch in diesem Fall ist es eine erfolglose Odyssee.

Welche Lösungen waren im Angebot? - Ich verweise auf meine Argumentation von vorhin, dass immer schnell gesagt wird, so viele Angebote seien unterbreitet worden, die Eltern hätten sich aber stur gezeigt und keines der Angebote angenommen.

Frau V. hat sich selbst bemüht, eine Fördergruppe in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen zu organisieren. Die ist aber nur finanzierbar oder rentabel, wenn sechs Jugendliche dabei sind. Zwei weitere Jugendliche hat Frau V. aus eigenem Bemühen heraus gefunden. Das reicht nicht. Damit war diese Option Geschichte.

Ein weiteres Angebot war ein Persönliches Budget von 311 €. Finden Sie einmal in der Altmark für 311 € pro Monat eine Betreuungskraft. Das kann man auch kurz überschlagen: zweieinhalb bis drei Stunden pro Tag, zwölfeinhalb bis 15 Stunden in der Woche. Damit kommen Sie auf knapp mehr als 6 € pro Stunde. Das können Sie allein rechnerisch vergessen.

Eines der nächsten Angebote war, Max bei seinen 70-jährigen Großeltern abzusetzen. Die sind bestimmt sehr hilfsbereit, wie es Großeltern in aller Regel sind. Es ist doch aber nur eine Frage der Zeit, dass diese 70-jährigen Großeltern selbst Hilfe brauchen.

Bis vor Kurzem ist Max von einer Krankenschwester in der Wohnung betreut worden, übrigens in einer kleinen Wohnung, in der noch ein 16-jähriger, also fast erwachsener Junge lebt, der momentan für die Prüfung lernen muss. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie sich die familiäre Situation dort zuspitzt.

Frau V. hat geklagt. Das Sozialgericht Magdeburg hat entschieden, dass die Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII nicht für die Betreuung nach der Schule und während der Ferienzeit zuständig ist.

Ja, das ist noch keine letztinstanzliche Entscheidung. Das weiß ich auch. Es ist aber eine Entscheidung, die in ihrer Konsequenz über den Einzelfall hinausgeht; denn die Betreuung in der Schule nach 15 Uhr dürfte weitgehend die Ausnahme sein. Wenn die Eingliederungshilfe nach § 54 SGB XII nicht mehr infrage kommt, dann wird natürlich die Palette der Möglichkeiten, die wir uns verpflichtet haben anzubieten, erheblich kleiner.

Ich weiß natürlich, dass es eine Frage der Zeit ist, bis die Sozialagentur bei einem solch hohen Kostenpunkt im Landeshaushalt auf den Dreh kommt und genau mit dieser Argumentation diese Ansprüche ablehnen wird. Man braucht keine Fantasie, um sich das vorzustellen.

Meine Damen und Herren! Dieser Fall hat landesweit Aufsehen erregt, zu Recht, aber - das will ich an dieser Stelle auch einmal sagen - auf Kosten von Frau V.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Sich in dieser Weise in die Öffentlichkeit begeben zu müssen, ist, wenn man nicht gerade Politiker es, wahrlich kein vergnügungssteuerpflichtiger Vorgang. Dafür muss die Not schon ordentlich groß sein. Ich weiß von vielen Familien, dass sie irgendwann einfach klein beigegeben und aufgegeben haben.

Für Max und eigentlich für beide Kinder gibt es immer noch keine Einzelfalllösung. Im Moment wird der Junge in der Familie hin und her gekarrt. Die Mutter ist verzweifelt, weil das die familiäre Situation natürlich extrem belastet.

Sehr geehrte Damen und Herren! Diese Strategie der Einzelfalllösung ist gescheitert und

(Beifall bei der LINKEN)

- ich spitze es noch einmal zu - sie sollte auch scheitern.

An das Gefeilsche und Falschspiel von damals kann ich mich noch sehr gut erinnern. In diesem Punkt bin ich sehr nachtragend - das gebe ich zu. Es ging und geht im Grunde um nichts anderes als um die extrem schlechte Personalsituation auch an den Förderschulen für Schülerinnen mit sogenannter geistiger Behinderung. Das wird auf dem Rücken der betroffenen Eltern ausgesessen. Das nehme ich Ihnen übel. An dieser Stelle, meine Damen und Herren Abgeordneten, müssen wir endlich eine Lösung finden.

Wir brauchen eine grundlegende Lösung. Die Eltern müssen aus der Situation befreit werden, Bittsteller vor diesem riesengroßen Koloss von Behörde zu sein. Das ist ja auch in Ordnung, aber dort ist doch eine solche Macht unterwegs, dort sind so viele Ressourcen unterwegs, dass es doch logisch ist, dass eine alleinerziehende Mutter, wenn sie allein daherkommt, wenige Möglichkeiten hat, dem zu widersprechen. Dabei hilft auch eine Betreuungskonferenz nicht, auch eine fünfte, sechste und siebente nicht.

Die Familien müssen aus Situation der Bittsteller und Einzelkämpfer heraus. Wir brauchen eine klare und verlässliche Lösung.

Wenn der Bedarf so übersichtlich ist, wie in den vergangenen Jahren immer argumentiert wurde, wie seitens beider Ministerien immer argumentiert wurde, dann wird das Abendland auch mit dem Personalentwicklungskonzept nicht untergehen.

Wir bitten, nach Bedarf mit entsprechender Zuweisung von Personal ein Angebot zur Verfügung zu stellen, und zwar dort, wo Schülerinnen und Schü

ler ohnehin sind, nämlich an der Förderschule. Meine inständige Bitte geht an die Koalitionsfraktionen: Lassen Sie uns noch einmal überlegen, wie wir diesen Familien helfen können.

Uns liegt jetzt Ihr Änderungsantrag vor. Ich bin nicht gegen eine Berichterstattung. Wir haben aber schon eine Million Mal eine Berichterstattung entgegengenommen. Das Problem liegt in der Natur der Sache: Welche Frage will ich stellen, um eine Lösung für das Problem von Frau V. und für das Problem der Mutter des 14-jährigen Mädchens zu finden? Der Kultusminister wird mir nichts erzählen und er kann es auch nicht - das will ich ihm zugutehalten.

Wenn ich abwäge, gehe ich halbtags arbeiten oder gehe ich volltags und bezahle für den FED, dann werde ich mich irgendwann natürlich für die Teilzeit entscheiden. Das ist eine Frage der Finanzen.

Wir wissen doch gar nicht, welche Frage wir stellen können.

Liebe Frau Kollegin!

Entschuldigung.

Herr Kollege Wanzek würde Ihre Redezeit gern durch eine Frage verlängern.

Okay. Bitte schön. - Ach so, das darf ich ja gar nicht.

(Herr Borgwardt, CDU: Wir reden aber über einen Alternativantrag und nicht über einen Änderungsantrag! Nur damit das klar ist!)

- Meinetwegen.

Jetzt ist Herr Kollege Wanzek an der Reihe.

Liebe Frau Kollegin Bull, Sie haben zwei negative Beispiele aufgezählt, wo es nicht geklappt hat. Meine erste Frage wäre: Wie viele positive Beispiele kennen Sie? Daraus folgt meine zweite Frage: Wie ist Ihre Einschätzung? Hat sich die Lage seit der Einführung der Betreuungskonferenzen gegenüber dem vorhergehenden Verfahren verbessert oder eher verschlechtert?

Ich habe fast zu Beginn meiner Rede gesagt, dass wir natürlich Fortschritte gemacht haben. Das ist

doch gar keine Frage. Insgesamt sind den Protagonistinnen damals - wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie es gehört -

(Oh! bei der CDU - Herr Leimbach, CDU: Das war ganz von oben herab! - Unruhe bei der CDU)

- nun kriegen Sie sich wieder ein! - akzeptable Vorschläge gemacht worden. Es hilft doch nichts, auch wenn es geschafft wurde, so vielen Eltern zu helfen, wenn es trotzdem so viel Resignation gibt. Was soll ich denn Frau V. sagen? Soll ich ihr sagen: Geben Sie Ruhe! Der Mehrzahl ist geholfen worden. - Sie muss sich doch um ihre persönliche Situation kümmern.

Ich habe es vorhin extra gesagt: Das Problem liegt in der Natur der Sache. Bei Einzelfalllösungen haben Sie ein Ungleichgewicht zwischen den Verwaltungen und den betroffenen Eltern. Für uns Abgeordnete ist es enorm schwierig, zu helfen und dahinter zu kommen. Bei Einzelfalllösungen gibt es eine riesengroße Palette von unterschiedlichen Regelungen und Machbarkeiten zu berücksichtigen.

Wenn es funktioniert hätte, wäre es in Ordnung gewesen. Aber es funktioniert nicht überall. Deswegen dieser Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Dorgerloh eröffnet jetzt die Fünfminutendebatte als Vertreter der Landesregierung. Bitte, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Patrick Wanzek ausgesprochen dankbar für seine Frage, weil sie nämlich deutlich gemacht hat, dass wir in den vergangenen Jahren eine ganz klare Verbesserung erreicht haben.

Ich will daran erinnern, dass Kollege Bischoff und ich eine Vereinbarung unterzeichnet haben, in der wir klargemacht haben, dass wir in diesen Fällen kooperieren und dass die Träger der Sozialhilfe gemeinsam mit den Schulen dieses Problem angehen. Ich will auch sagen: Frau Bull, Ihre Unterstellung von eben muss ich an dieser Stelle zurückweisen.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe eine Liste mitgebracht, in der mit Stand vom 12. November alle Förderschulen für geistig Behinderte und Sinnesgeschädigte und die durchschnittliche schultägliche Betreuungszeit an Förderschulen aufgeführt sind. Mit Ausnahme der beiden Landesbildungszentren in Halberstadt liegt sie bei keiner Schule unter acht Stunden. Viele Schulen bieten neun Stunden an, der überwiegende