Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Wenn etwas im Bildungssystem schiefläuft, dann müssen wir die Schwerpunkte des Bildungssystems korrigieren. Das ist selbstverständlich. In den letzten Jahren ist der Schwerpunkt auf die MINTFächer gelegt worden. Möglicherweise gab es Jahre, in denen das nicht so war. Aber diese Pauschalkritik kann ich wirklich nicht mehr hören. Denn die Zitate, die es dazu gibt, stammen zum Teil schon aus der Zeit von Julius Cäsar, als auch schon darüber geklagt wurde, dass die Jugend nicht mehr zu gebrauchen sei.

Ich kenne ganz viele junge Leute, die wirklich gut aufgestellt sind.

(Minister Herr Möllring: Cicero!)

- Ich bin Maschinenbauingenieurin, da habe ich andere Klassiker, die ich zitieren könnte.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das wäre einmal interessant!)

Aber ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich das wirklich als eines der entscheidenden Themen ansehe. Warum ist es so, dass das Thema Facharbeiterausbildung nach hinten gerutscht ist? - Schauen wir uns doch einmal die letzten 25 Jahre an. Was stand im Fokus, wenn es um das Thema Facharbeiter, um das Thema Beruf, um das Thema Geldverdienen ging? - Sachsen-Anhalt stand als Niedriglohnland im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung.

(Zuruf von der CDU)

- Ja, das ist einer der Punkte. Es wäre gut, wenn Sie einmal darüber nachdenken würden. Natürlich wollen junge Leute, wenn sie in eine Ausbildung gehen, eine sichere Zukunft haben und Geld verdienen. Das ist auch richtig so. Das wollte auch jeder von uns mit seiner Ausbildung am Ende erreichen.

Es war eben so, dass in den letzten Jahren der Fokus insbesondere im Bereich der Berufe nicht immer darauf gelegt worden ist, zu sagen: Mensch, das ist ja toll, damit könnt ihr nachher richtig gut Geld verdienen; das entwickelt sich, die Tarife werden steigen und da habt ihr etwas

Gutes. Vielmehr ist ganz viel darüber geredet worden - da ist auch so geworben worden -:

(Herr Rosmeisl, CDU: Von wem denn? - Das stimmt!)

Wir bieten den Unternehmen, die hierher kommen, billige Arbeitskräfte.

Wir alle wissen, dass das so nicht geht und dass das zum Teil falsch war. Vielleicht sehen das manche, die das damals gesagt haben, heute auch anders. Darüber muss man sich nicht streiten. Aber in jedem Fall ist das aus meiner Sicht einer der Punkte, die dazu führten, dass es weniger Interesse gab. - Das war Erstens.

Zweitens hatten wir in den letzten 20 Jahren ein quantitatives Überangebot an jungen Leuten. Jeder, der einen Ausbildungsplatz ausgeschrieben hat, konnte sich seine Auszubildenden aussuchen. Es gab jahrzehntelang die Devise: Ich nehme nur Abiturienten. Selbst im Friseurhandwerk, das nicht im klassischen Sinne für Abiturientinnen vorgesehen ist, war das so.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Das heißt, man kommt auch von einem sehr hohen Niveau. Natürlich gab es in diesem Land auch viele auch Unternehmen - das trifft nicht auf das Handwerk zu, das muss ich dazu sagen; die Handwerksunternehmen haben immer ihre Verantwortung wahrgenommen, die sind auch anders organisiert -, die darauf verzichtet haben auszubilden und die sich die jungen Leute - wie man so schön sagte - vom Markt abgefischt haben. All das sind keine gesunden Entwicklungen gewesen.

Diese vielen Puzzlestücke führen zu der Situation, die wir heute haben. Hinzu kommt eine große Unkenntnis über die heutigen Berufe im Bereich der Facharbeiterinnen und Facharbeiter.

(Zustimmung bei der SPD)

Es gibt eine große Unkenntnis darüber: Was mache ich da überhaupt?

(Herr Leinbach, CDU: Gute Nacht!)

Wie qualifiziert sind denn die Berufe? Was muss ich denn da lernen?

(Herr Leimbach, CDU: Ja!)

Möglicherweise arbeite ich dann, wenn ich an einer Maschine stehe, auch an einem Computer, was vor 15 oder 20 Jahren in einem Facharbeiterberuf vielleicht noch nicht so war. Das heißt, auch da funktioniert das Zusammenspiel im Hinblick auf Aufklärung, Erklärung und Werben für die Berufe zwischen den Unternehmen und den Schulen erst in den letzten Jahren besser. An dieser Stelle gab es doch ein großes Loch. Auch das ist einer der Punkte, die nicht vergessen werden dürfen.

Wir brauchen beides - wir brauchen Facharbeiterinnen und Facharbeiter und wir brauchen Akademikerinnen und Akademiker.

(Beifall bei der LINKEN)

Die schulische Information ist bei uns bis Klasse 10 gesetzlich verankert, aber danach hört sie auf. Wir haben schon gemeinsam auf vielen Podien gesessen. Vielleicht schaffen wir es, noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung des

Schulgesetzes an dieser Stelle zu erreichen, ohne dass wieder eine Grundsatzdebatte aufgemacht wird.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Frau Grimm-Benne, SPD)

Dann hätte man vielleicht einen Punkt, den man hier gemeinsam durchtragen könnte und der auch wichtig wäre.

Zur beruflichen Vorqualifizierung gehört auch die Beantwortung der Frage: Was bedeutet es denn, ein Studium aufzunehmen? Damit geht es doch weiter. Die wenigsten wissen doch, wenn Sie ein Studium aufnehmen, was sich dahinter verbirgt und womit sie, wenn sie studiert haben, ihr Geld verdienen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Die jungen Menschen studieren doch nicht nur aus Spaß. Gut, sie tun es zum Teil auch, weil es Spaß macht; das habe ich auch getan. Aber am Ende müssen Sie einen Job bekommen. Das heißt, auch diese berufliche Vororientierung, was man mit welcher akademischen Ausbildung machen kann, ist in den letzten Jahren viel zu kurz gekommen. Auch das ist ein Punkt, der in diese Debatte hineingehört.

Frau Professor Dalbert, ich komme zur modularen Ausbildung. Ich habe gerade zu einer parlamentarischen Geschäftsführerin gesagt: Ich rede seit 24 Jahren von der modularen Ausbildung. Bitte lasst uns wieder über das System der Teilfacharbeiterinnen und Teilfacharbeiter reden, wenn es so viele junge Menschen gibt, die mit dem Abschluss der 10. Klasse nicht das Niveau schaffen, das man in einer beruflichen Facharbeiterinnen- und Facharbeiterausbildung haben will. Lasst uns das doch wieder modular aufbauen. Dann kann man eben danach die Facharbeiterin oder den Facharbeiter machen. All das sind Punkte, die elementar wichtig sind.

Weil es weniger junge Menschen gibt und weil diese jetzt auswählen, weil eben nicht mehr die anderen auswählen, wo die jungen Menschen genommen werden,

(Beifall bei der LINKEN)

darum ist die Diskussion jetzt so heiß.

Das heißt, wir werden uns auch neue Ideen überlegen müssen, wie wir nicht nur vororientieren, sondern wie wir die jungen Menschen hier im Land halten - für berufliche oder akademische Ausbildung -, damit sie später an der Gestaltung des Landes weiter mitarbeiten können.

Es gibt also ganz viele Themen. Ich sehe, dass diesbezüglich offensichtlich große Übereinstimmung besteht. Wir haben ja noch eineinhalb Jahre Zeit. Vielleicht schaffen wir während dieser Zeit noch etwas gemeinsam.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank. - Es gibt keine weiteren Diskussionswünsche. Damit ist die Debatte abgeschlossen. Mein Lerngewinn war heute der Zusammenhang zwischen Cäsar und Maschinenbauingenieuren. Das werde ich weiter vertiefen.

(Heiterkeit)

Der Lerngewinn unserer Gäste auf der Tribüne zu meiner Rechten, nämlich der Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Brettin, war: So schlecht sind sie nicht.

(Beifall im ganzen Hause)

Auf der Tribüne zu meiner Linken - auch das passt im weiteren Sinne zum Thema - darf ich ganz herzlich Herrn Professor Grauer vom Leibniz-Institut begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

- Okay, hier hat einer das „n“ wie ein „u“ geschrieben. Der Herr Professor heißt Graner. Dann soll er so auch heißen bleiben.

Ich begrüße ebenfalls die Leitung des Grünen Labors, in dem Schülern spannend Biologie vermittelt wird.

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt stimmen wir ab; das ist meist nicht ganz so spannend. Es gab gewissermaßen einen doppelten Überweisungsantrag. Über diesen stimmen wir logischerweise zuerst ab. Wer dafür ist, dass der Antrag in der Drs. 6/3660 grundsätzlich in die genannten Ausschüsse überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist der Überweisungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag selbst ab. Wer stimmt dem Antrag zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE

LINKE. Damit ist der Antrag angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 6 ist abgearbeitet.