Zunächst wichtige Erkenntnisse zum Thema Gesundheit. Betrachtet man die Anzahl der Krankenhausaufenthalte, die Notwendigkeit stationärer Rehabilitationsmaßnahmen bis hin zu den Sterbefällen, dann stellt man eindeutig fest: Die Substanzen Alkohol und Nikotin stellen nach wie vor unser größtes Drogenproblem dar. Es ist fraglos erfreulich, dass das Rauchen bei der jungen Generation nachlässt. Umso kurioser, dass junge Frauen ausgerechnet hierbei nachholen und sich ihr Anteil beim Nikotinkonsum erhöht.
Auch andere Aspekte sind erstaunlich konstant. Die einzige Drogenform, bei der Frauen im negativen Sinne vorn liegen, sind die Psychopharmaka.
Wir sehen, dass trotz steigender Bedarfe den Betroffenen recht schnell eine Beratung angeboten werden kann. Auf eine Entgiftung müssen sie dann allerdings schon im Schnitt dreieinhalb Wochen warten und auf eine Rehabilitation sogar zehn Wochen. Das ist für Suchtkranke eine lange Zeit.
Der jüngste Psychiatriebericht hatte zudem das Problem der unzureichenden Anzahl von Therapieplätzen für Suchtkranke mit Kindern eindringlich aufgeführt. Hierbei besteht dringender Handlungsbedarf.
Es ist schade, dass die Landesregierung generelle Zahlen zum Konsum der einzelnen Drogenformen nicht einmal schätzen wollte. Mit dem ReitoxBericht der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht von 2014 sowie den Veröffentlichungen der Drogenbeauftragten der Bundesregierung liegt erhebliches Datenmaterial auf Bundesebene vor.
Besonders erkenntnisreich ist zudem der im Jahr 2014 erstmalig erschienene alternative Sucht- und Drogenbericht. Er wird herausgegeben von der Deutschen Aids-Hilfe sowie der Bundesverbände von akzept e. V. und JES - Junkies, Ehemalige und Substituierte.
Hierin schreiben Expertinnen und Experten, die die Drogenproblematik seit Jahrzehnten aus der Praxis kennen, insbesondere aus der Drogenhilfe und der Medizin.
Damit komme ich zum Thema Cannabis als Medikament. Das Ergebnis für Sachsen-Anhalt ist ernüchternd. Erst acht Genehmigungen wurden hier zum Erwerb von Cannabis im Rahmen einer medizinisch betreuten Selbsttherapie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beantragt. Lediglich eine wurde bisher erteilt. Da die Person verstorben ist, ist diese indes nicht mehr gültig.
Zwei Anträge wurden zurückgezogen, zwei weitere abgelehnt und drei Anträge waren zumindest zum Zeitpunkt der Erstellung der vorliegenden Antwort noch in Bearbeitung.
Schauen wir uns hierzu vergleichend die Zahlen der Bundesebene und die Erkenntnisse der Medizin an. Dazu gern ein paar Daten und Fakten. Für eine Cannabisindikation kommen insbesondere folgende Diagnosen infrage: Krebs, Multiple Sklerose, Spastiken, Aids, Glaukom, bestimmte psychische Erkrankungen, ADHS, Rheuma sowie andere Schmerz- und Entzündungskrankheiten. Im Kern kann man von Palliativmedizin sprechen.
Ärztinnen und Ärzte sind wegen der Beantragung sehr zögerlich. Sie müssen seitenweise Begründungen schreiben. Alles in allem: viel Bürokratie, wenig Honorar. Die Kriterien indes sind hart. Die
Vorsichtige Schätzungen gehen von mindestens 1 % der Bevölkerung aus, die von Cannabis als Medikament profitieren könnten. Das sind für Deutschland also etwa 800 000 bzw. für SachsenAnhalt 22 000 Menschen.
Etwa 300 Ausnahmegenehmigungen wurden bundesweit bisher erteilt. Warum nur eine einzige in Sachsen-Anhalt? - Etwa 5 000 Personen bekommen bundesweit cannabishaltige Arzneimittel verschrieben, wie Dronabinol oder Sativex. Lediglich bei Multipler Sklerose und bei Spastiken werden die Kosten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen.
Ein Schmerzpatient dagegen muss die Kosten selbst tragen. Eine Dronabinol-Behandlung kostet etwa 250 bis 400 € Monat. Nicht zu vergessen: Wir sprechen hierbei von Palliativmedizin. Das heißt, die Menschen sind häufig bereits über einen sehr langen Zeitraum arbeitsunfähig.
Apotheken-Cannabis wird generell nicht von den Krankenkassen übernommen. Dabei ist dies besonders teuer. Es kostet pro Gramm 15 bis 25 €. In Kanada kostet Cannabis vom gleichen Hersteller umgerechnet etwa 5 € pro Gramm.
Kranke Menschen sind gezwungen, den Klageweg zu beschreiten, um an ein hilfreiches Medikament zu gelangen. Geradezu makaber ist es dann, wenn sie deshalb von Polizei und Staatsanwaltschaft ins Visier genommen werden.
Auf unsere Frage zu den Forderungen des Netzwerkes „Cannabis als Medizin“ antwortete die Landesregierung - ich zitiere -:
„Die geltenden Vorschriften werden als ausreichend betrachtet, Zugang zu CannabisProdukten in Apotheken zu erhalten.“
Werte Kolleginnen und Kollegen! Hierbei wird das Ausmaß der ideologischen Schranke im Umgang mit Cannabis deutlich. Fraglos wird sich das irgendwann zugunsten der medizinischen Fakten wandeln. Aber die zeitliche Verzögerung, die durch das ideologische-Scheuklappentragen in der Politik verantwortet wird, kommt einer unterlassenen Hilfeleistung gleich.
Nun zu den politisches Konzepten in der Drogenpolitik. Auch hierbei waren wir von den Antworten der Landesregierung enttäuscht.
Wir haben die Landesregierung unter anderem nach ihrem Begriff und ihrer Bewertung hinsichtlich eines akzeptierenden Ansatzes und der Niedrigschwelligkeit in der Drogenhilfe gefragt. Wir hatten jeweils um eine ausführliche Stellungnahme ge
Ich konnte hierin nachlesen, dass die Landesregierung Abstinenz als Ziel beibehalten möchte. Damit weiß ich aber noch lange nicht, auf welchem Weg sie dieses Ziel erreichen will und welche Rolle die modernen Ansätze in der Drogenpolitik dabei spielen.
Ähnlich sah die Antwort auf unsere Frage aus, welche Haltung die Landesregierung gegenüber den Konzepten der Substitution und der kontrollierten Abgabe bestimmter Drogen einnimmt. Hierauf antwortet die Landesregierung mit dem Verweis auf die Rechtslage, die nach ihrer Auffassung eingehalten werden sollte.
Zu fragen bleibt, ob die Landesregierung kein strategisches Konzept in ihrer Drogenpolitik hat oder ob sie dieses nicht benennen möchte.
Eine ähnliche Frage drängt sich mit Blick auf die Antworten zum Thema Schule auf. Das ist eine völlig mangelhafte Problemübersicht, die nicht sonderlich stringent mit dem Argument des Datenschutzes begründet wird.
Dies soll die Menschen befähigen, einen möglichst souveränen Umgang mit Drogen zu entwickeln. Legalität ist dabei kein Ausweis der Unbedenklichkeit. Neben Alkohol und Nikotin trifft dies insbesondere auch auf Psychopharmaka zu.
Wenn das große Ziel der Landesregierung die Abstinenz ist, müssen wir den Fakt des differenten Drogenkonsums dennoch zur Kenntnis nehmen. Unser Ziel ist die Entwicklung von Drogenkompetenz. Sie soll dazu beitragen, Menschen vom erstmaligen Konsum besonders gefährlicher Drogen abzuhalten.
Außerdem gilt es für die Menschen, die bereits in eine problematische Sucht abgerutscht sind, ausreichend niedrigschwellige Hilfsangebote anzubieten. Wir müssen zumindest versuchen zu verhindern, dass schwerstsuchtkranke Menschen wie vorprogrammiert im Maßregel- oder auch Justizvollzug landen. Sucht an sich ist eine Krankheit und keine vorsätzliche Straftat.
Wir sagen auch: Das ideologische Tabu um Cannabis muss fallen und die Prohibition aufgehoben werden.
Wenn Sie schon keiner allgemeinen Legalisierung zustimmen wollen, meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, dann lassen Sie wenigstens nicht die vielen Menschen im Regen stehen, für die Cannabis als Medikament ein großer Segen wäre.
Cannabis ist die meistgenutzte illegale Droge mit den geringsten gesundheitlichen Auswirkungen. Selbst die Landesregierung gesteht ein, dass Cannabis deutlich weniger suchtgefährdend ist als Alkohol und Nikotin. Cannabis verursacht zugleich den höchsten Aufwand für die polizeiliche Drogenarbeit und verursacht damit hohe Kosten.
Meine Fraktionskollegin Gudrun Tiedge wird später noch genauer darauf eingehen. Ich nehme jetzt einmal nur so viel vorweg: Wenn man nur einen Bruchteil der Kosten für die Cannabis-Strafverfolgung direkt in die Drogenprävention und in die Drogenhilfe umleiten würde, dann könnten sich die entsprechenden Angebote vervielfachen und die hinderlichen Wartezeiten für die Entgiftung, Rehabilitation und Nachsorge wegfallen.
Auch die Betreuung der Kinder und anderer Koabhängiger könnte umfangreiche Berücksichtigung finden. Der Bedarf ist tatsächlich vorhanden.
Als Gesundheitspolitikerin würde ich mich zudem darüber freuen, wenn eine neu erhobene Steuer auf ein legalisiertes Cannabis zweckgebunden in die Gesundheitspolitik fließen könnte. Das wäre doch einmal etwas.
Vielen Dank, Frau Zoschke. Die zweite Rednerin für die Fragestellerin, die Fraktion DIE LINKE, ist Frau Tiedge. - Wie bitte?