Protokoll der Sitzung vom 27.02.2015

Mit insgesamt 240 Milliarden € hat bisher kein anderes Land des Euroraumes eine derart massive Unterstützung erhalten wie Griechenland. Innerhalb kürzester Zeit bewies die Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit und verabschiedete mehrere Hilfspakete.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn der Landeshaushalt Sachsen-Anhalts an diesem Rettungsversuch nicht direkt beteiligt ist, so sind wir doch betroffen - indirekt durch den finanzpolitischen Haftungsverbund des Bundes mit den Ländern, direkt durch die Interessen unserer exportorientierten Wirtschaft und schließlich wir alle als Steuerzahler.

Viele im Land bewegt die Griechenland-Debatte - sicherlich gerade heute mindestens genauso wie die Frage der Elternbeiträge in Kita-Bereich. Viele sind besorgt - zu Recht.

Nach einer Berechnung des Ifo-Instituts kostet das Ausscheiden Griechenlands aus dem Eurosystem allein den deutschen Steuerzahler 76 Milliarden €. Viele ahnen, ein Verbleib im Euroraum wird ähnlich teuer, aber ohne die negativen Konsequenzen eines Staatsbankrotts im Euroraum.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt hat im Bundesrat seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung Rechnung getragen und bisher keinen Widerspruch gegen die Rettungsversuche und Rettungsgesetze eingelegt. Ich denke, das wird auch angesichts der jetzigen Abstimmung im Deutschen Bundestag und danach im Bundesrat wieder der Fall sein - eine Entscheidung mit großer Tragweite, wie wir spätestens heute wissen.

Zeitgleich zu unserer heutigen Debatte findet die Abstimmung im Deutschen Bundestag statt, die Bereitstellungsfrist für Darlehen um vier Monate bis zum 30. Juli 2015 zu verlängern. Diese Fristverlängerung kennt klare Voraussetzungen. Es geht nicht um ein neues Hilfspaket. Die Darlehen gelten nur im Rahmen der bestehenden Hauptfinanzhilfevereinbarungen. Griechenland muss eine Reformliste vorlegen, zu der sich die Eurogruppe verhalten kann. Die Auszahlung von Mitteln er

folgt erst nach dem Abschluss der Programmüberprüfung. Es gibt keine Abstriche bei allen finanziellen Verpflichtungen, die der griechische Staat gegenüber seinen Gläubigern zu erfüllen hat. Haushaltsüberschüsse sind zu sichern; keine umgesetzten Maßnahmen dürfen zurückgedreht werden, wenn dies die Haushaltsziele bzw. die Finanzstabilität gefährdet.

Auf Deutsch: Damit hat die griechische Regierung Zeit erhalten, ihren Wählern zu erklären, was sie konkret tun will und wie das zu dem passt, was sie im Wahlkampf ausgeführt hat.

Fristverlängerung ist noch kein Ausweg. Griechenland bleibt dem Programm verpflichtet. Modifikationen müssten konkret gefasst werden und abgeprüft sein. Vorher fließt kein Geld.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Beibehaltung dieser Stabilitätskultur, die Wahrung des Grundsatzes „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ ist richtig;

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ach?)

denn die Ursache der Krise - das ist auch ein wenig in Richtung der LINKEN gerichtet -

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das hat ja nur drei Minuten gedauert! - Heiterkeit bei der LIN- KEN)

ist nicht Spekulantentum, sondern die übermäßige Verschuldung Griechenlands.

(Beifall bei der CDU)

Man muss kein Oberlehrer sein und man ist kein Oberlehrer, wenn man darauf hinweist, dass die Situation in Griechenland heute eine andere wäre, wenn man im Verhältnis zur eigenen Wirtschaftskraft weniger Kredite aufgenommen hätte.

(Beifall bei der CDU)

Das Problem ist auch nicht, dass jemand den Griechen etwas Böses will - die böse Troika -, sondern das Problem ist, dass niemand mehr diesem Land Griechenland Geld geben will, es sei denn, andere garantieren dafür. Deswegen geht es heute um die grundsätzliche Debatte: Wie hältst du es mit dem Schuldenstaat?

(Zustimmung bei der CDU)

Zu dem Thema Stabilitätsgemeinschaft oder Schuldenstaat ist von der Partei DIE LINKE tatsächlich Bemerkenswertes zu hören. In einer Pressemitteilung hat man den Wahlsieg der Schwesterpartei Syriza als ein Hoffnungszeichen für einen Kurswechsel in Europa verklärt.

(Beifall bei der LINKEN)

- Ja, sehr gut. Weiter so!

(Unruhe)

Das Ende des neoliberalen Zeitalters und die Alternative zum sozialen und wirtschaftlichen Kahlschlag wurden beschworen.

(Zuruf von Frau Brakebusch, CDU - Unruhe)

Dass abseits der politischen Mitte die radikale Linke mit der rechtspopulistischen Anel-Partei nun Spielräume für den Machtwechsel auslotet, wurde als „wirkliche Demokratie“ bezeichnet.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was für eine Doppelmoral, wenn man die AfD als rechtspopulistisches Schmuddelkind in der deutschen Parteienlandschaft isolieren will und gleichzeitig solche Regierungsbündnisse der Schwesterpartei als ein „Signal der Hoffnung“ feiert.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe gesucht, was der Herr Kollege Gallert dazu gesagt hat. Es liegt ein wenig zurück, aber Reformverpflichtungen sind auch bei ihm „Zumutung und Knebelei“ - der Beifall hat es auch wieder gezeigt -; SPD und GRÜNE seien in die Falle der Sozialstaatsabbaupolitik getappt und hätten sich aus dem linken Parteienspektrum Europas verabschiedet. Unterschiede sieht Kollege Gallert bei CDU, SPD und GRÜNEN nur noch in der B-Note.

Am deutlichsten macht es wie immer die sich heute der Stimme enthaltende Sahra Wagenknecht, die in einem Gastkommentar einer Zeitung die Troika als Mafia bezeichnet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Konflikt um die Zukunft Europas - das sage ich als Politiker des Landes Sachsen-Anhalt - prallen finanzpolitische Welten aufeinander. Die deutsche LINKE hat die griechische Regierung tatsächlich dabei unterstützen wollen, Verträge einseitig aufzukündigen. Diese Forderung war nicht nur, aber auch deshalb schon unsolidarisch, weil sie teilweise sogar von ärmeren EU-Staaten mitbezahlt worden wäre.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Im Dezember 2014 hatte die DIE LINKE noch gegen eine Programmverlängerung gestimmt - übrigens von 2010 bis 2012, immer wenn es Abstimmungen gab, hat sie gegen die Austeritätspolitik der Kanzlerin gestimmt. Eine ganz schlimme Zumutung! Heute wird man im Bundestag, wenn es um die Regierung, um die Schwesterpartei in Griechenland geht, wohl mehrheitlich zustimmen. Das ist das, was ich zuletzt gehört habe. Damit führt sie ihre Angriffe - denn es geht ja um die Verlängerung dieses vermeintlich neoliberalen Programmes - durch ihre Zustimmung ad absurdum.

(Beifall bei der CDU)

Lieber Kollege Herr Höhn, ich habe es in einer Zeitungsüberschrift gelesen und wir hören dieses

Credo Ihrer Politik immer wieder auch für Sachsen-Anhalt: Die schwarze Null ist kein Dogma; so zitiere ich Sie jetzt.

(Herr Höhn, DIE LINKE: Genau!)

- Ja. - Unsere Philosophie ist eine andere. Das gilt es heute deutlich zu machen.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wir wollen auf Dauer nicht mehr ausgeben, als wir einnehmen. Wir wissen, verschuldete Staaten sind immer eine schlechte Nachricht, vor allem für die kleinen Leute, für die Kleinsparer.

Wir haben in Sachsen-Anhalt keine neuen Schulden aufgenommen, alte Kredite abgetragen. Wir haben uns in Sachsen-Anhalt manches Wünschenswerte verkniffen. Dafür haben Sie, meine Damen und Herren von der LINKEN, uns häufig heftig kritisiert. Eine solide Haushaltspolitik ist aber der Garant nicht nur für eine stabile Währung, sondern letztlich auch für die Handlungsspielräume, die wir im Kampf gegen Armut brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Es geht hier nicht nur um Griechenland, sondern es geht um den Euro und um die Europäische Union. Mit dem Geld aus anderen Taschen lässt sich leicht zahlen. Ist das Geld alle, ändert sich oft das Weltbild.

Wir sind der festen Überzeugung, dass eine stabilisierte Eurozone im Interesse Sachsen-Anhalts liegt. Eine Abkehr vom Reformkurs wäre es nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zum Abschluss. Unsere Gemeinschaft braucht klare und durchsetzbare Regeln für eine gute Haushaltsführung. Solidarität braucht Solidität. - So könnte man das Motto unserer heutigen Debatte nennen.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen, dass man nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben kann. Wer jahrelang auf Pump und über seine Verhältnisse lebt - das ist die bittere Wahrheit -, verantwortet letztlich auch die sozialen Probleme, die daraus erwachsen, mit.

(Beifall bei der CDU)

Griechenland braucht die Möglichkeit, so zu wirtschaften, dass es irgendwann auch einmal ohne fremde Hilfe auskommt. Die Wirtschaft wächst dort; die Arbeitslosigkeit sinkt wieder. Daran kann man anknüpfen. Es wäre traurig für die Griechen, wenn sich die gewählte Regierung dort unverantwortlich verhält.

Hilfe zur Selbsthilfe ist das Credo und war im Übrigen auch das Credo für die Solidarität, die unser Bundesland Sachsen-Anhalt erhalten durfte. Alles andere ist dem Steuerzahler nicht zumutbar und