Protokoll der Sitzung vom 23.04.2015

Existenzgründungen und Wachstumsfinanzierung für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) absichern

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3991

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/4002

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4003

Einbringer des Antrages ist der Abgeordnete Herr Mormann. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Existenzgründung scheint ein Thema zu sein, das immerhin ein Viertel unserer Kolleginnen und Kollegen interessiert. Das ist schon einmal erfreulich; es hätte schlimmer kommen können.

Meine Damen und Herren! Unser Land ist von einer kleinen und mittelständischen Wirtschaft geprägt. Dass diese Struktur zwei Seiten hat, wissen mittlerweile alle im Haus.

Auf der einen Seite sind gerade diese Unternehmen der Arbeitgeber Nummer eins. Ausbildung wird, angefangen bei der Wirtschaftsmacht von nebenan, dem Handwerk, bis zu den mittelständischen Industriebetrieben, groß geschrieben. Dass Innovationen nur großen Unternehmen vorbehalten sind, widerlegen die vielen Beispiele in unserem Land sehr eindrücklich.

Diese Struktur bringt aber auch Nachteile mit sich. So ist die FuE-Quote unserer Unternehmen nach wie vor zu gering. Exportquoten müssen angesichts neuer weltweiter Märkte gesteigert werden.

Meine Damen und Herren! Wir wollen das Zusammenspiel aus Forschungsdrang und Unternehmergeist intensivieren. Kleine und mittlere Unternehmen in unserem Land können sich eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen meist kaum leisten. Die Hochschulen im Land sind wiederum vielfach auf Drittmittel angewiesen.

Das Zusammenspiel zwischen Forschungsdrang und Unternehmergeist muss deswegen weiter gefördert werden, und zwar ganz im Sinne der Verbundforschungsförderung. Möglichkeiten von Netzwerken, Clustern, Kompetenzzentren und Wissenstransfer können einen Beitrag dazu leisten. Die Zusammenführung von Forschern und Unternehmern ist ohne Frage richtig und wichtig. Verschiedentlich haben wir darauf im Landtag bereits verwiesen. Damit allein ist es jedoch nicht getan.

Die Zusammenführung kann Verbundforschungsnetzwerke entstehen lassen und führt zu guten Ideen für Produkte und Dienstleistungen. Aber zwischen einer guten Idee auf dem Papier und einem marktfähigen Produkt liegt ein langer Weg.

Meine Damen und Herren! In der frühen Phase lässt sich die Entstehung eines marktfähigen Produktes nur schwer vorhersagen. Die finanziellen Mittel werden zu Beginn ausschließlich für Forschung und Entwicklung benötigt.

Ob sich eine gute Idee später auch am Markt behaupten kann, bleibt jedoch eher ungewiss; denn zwischen der guten Idee und der wirtschaftlichen Umsetzung stehen vor allem die finanziellen Hürden. Sie beginnen mit einer kostenintensiven Produktentwicklung. Daran schließen sich, insbesondere in der Pharma- und der Biotechnologie, oftmals sehr teure und vor allen Dingen langwierige Tests an, zum Beispiel in Form von klinischen Studien. Nach einer Testphase, etwa von Prototypen, folgen der Aufbau von Produktionskapazitäten sowie eine erfolgreiche Markteinführung und Marketingaktivitäten.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Der kommerzielle Erfolg wird mit jedem Euro und mit jeder Arbeitsstunde besser abschätzbar, aber es wird auch immer teurer. Diese unterschiedlichen Phasen von Startups gilt es mutiger als bisher auszufinanzieren.

Das bei weitem größte Hemmnis für Existenzgründungen und Wachstumsfinanzierungen ist der Mangel an Finanzierungsmöglichkeiten. Forschung und Entwicklung, Fertigungsaufbau und Marketingaktivitäten sind dabei zu finanzieren, und das alles, ohne dass die Unternehmen in der frühen Entwicklungsphase auf bedeutende eigene Erlöse zurückgreifen können. Folgerichtig führt die geringe Selbstfinanzierungskraft regelmäßig dazu, dass insbesondere junge Technologieunternehmen auf die Zuführung von Kapital angewiesen sind.

Grundsätzlich erschwert sich die Situation für Startups zusätzlich dadurch, dass die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen sowie deren Einführung am Markt mit erheblichen Risiken verbunden sind. Sie werden verursacht durch Schwächen im kaufmännischen Wissen, nicht weit genug reichender Marktkenntnisse junger Unternehmer und die mangelnde Akzeptanz

der Kunden für neue, meistens eher noch unbekannte Produkte.

Wenn der Prozess der Markteinführung aber positiv begleitet wird, entsteht im besten Falle ein junges Unternehmen mit einem entwickelten Produkt, das marktreif ist und Umsätze aus dem Verkauf erzielt. Die Liste innovativer Ideen aus SachsenAnhalt ist lang. Denken Sie nur an die Nachrichten von der Cebit im letzten Monat. Wir brauchen noch mehr solcher Investitionen und vor allem solcher Innovationen. Dazu brauchen wir vor allem mehr Mut beim Beteiligungs- und Risikokapital.

An erste kommerzielle Erfolge von Existenzgründungen schließen sich Unternehmenswachstum, Wachstum des Marktes und damit der Export von Produkten sowie der Zuwachs von wissensbasierten Arbeitsplätzen usw. an. Das sind alles Aspekte, von denen unser Bundesland und seine Wirtschaft profitieren können.

Meine Damen und Herren! Der Bundesdurchschnitt der Exportquote - wir haben hierüber im Plenarsaal schon oft gesprochen - liegt bei 41,5 %. In Sachsen-Anhalt hat sich diese Quote wie folgt entwickelt: Im Jahr 1993 betrug die Exportquote des Landes 13,7 %, im Jahr 2000 lag sie bei 15,7 %, 2008 steigerte sie sich auf 28,3 % und betrug im Jahr 2013 27 %. Auch wenn wir in den vergangenen 25 Jahren immer besser geworden sind, gibt es dennoch genug Luft nach oben.

Insbesondere beim Beteiligungs- und Risikokapital für die Markteinführung von Innovationen müssen wir mutiger werden. Existenzgründer und kleine und mittlere Unternehmen in Sachsen-Anhalt werden umso erfolgreicher sein, je besser wir eine Kapitalausstattung für sie sicherstellen können. Wir wollen nicht, dass gute Ideen in unserem Land wegen Finanzierungslücken in dunklen For

schungsstübchen verstauben.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Prinzipiell gilt: Marktfähige Innovationen dürfen nicht an der Umsetzung scheitern. Dafür sind entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und bewährte Instrumente der Gründungsunterstützung mit der KfW auf der Bundesebene und der IB auf der Landesebene zu entwickeln. Dieser Weg der Bundesregierung ist im Interesse der Existenzgründer in unserem Land. Diesen Weg gilt es zu unterstützen.

Aber wir gehen noch einen Schritt weiter: Kooperationsmodelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft müssen ebenfalls weiter unterstützt werden. Mit einer so entstandenen guten Idee auf dem Papier darf die Unterstützung keineswegs enden. Geeignete Finanzierungsinstrumente für die Förderung der Markteinführung innovativer Ideen müssen deswegen ressortübergreifend weiterentwickelt und dann revolvierend eingesetzt werden.

Kurzum: Wo wir können, wollen wir Existenzgründern und bestehenden Unternehmen in unserem Land auf die Beine helfen bzw. sich fortentwickeln lassen, und zwar nicht nur in der ersten Phase der Ideenfindung, sondern auch in einer zweiten, dritten und vierten Phase der Unternehmensgründung.

Gründer sind Impulsgeber für Innovationen, Beschäftigung und Wirtschaftswachstum. Gründer sichern Zukunft; sie sind Garant für weitere Erfolge der Wirtschaftspolitik in Sachsen-Anhalt.

Deswegen werbe ich für unseren Antrag und um Ihre Unterstützung. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr für die Einbringung. - Bevor Minister Möllring für die Landesregierung spricht, können wir Schülerinnen und Schüler der Krankenpflegeschule des Ameos-Klinikums Aschersleben begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Minister Möllring, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sicherung, die Erneuerung und die Entwicklung der Wirtschaftstruktur in unserem Lande bilden nach wie vor die Schwerpunkte unserer Wirtschaftspolitik. Insbesondere Gründerinnen und Gründer sowie kleine und mittlere Unternehmen haben wegen der geringen Eigenkapitalausstattung häufig Probleme beim Zugang zu Fremdkapital sowie zu flexiblen und bedarfsgerechten Finanzierungsinstrumenten.

Ziel des Landes Sachsen-Anhalt ist es daher, eine kontinuierliche Entwicklung von Unternehmen zu gewährleisten. Hierfür sollen die notwendigen, durch den Markt nicht ausreichend zur Verfügung gestellten Kapitalmittel bereitgestellt werden.

Im Land gibt es unterschiedliche Instrumente für die Unterstützung des Mittelstandes durch verschiedene Finanzierungsprodukte. Es gibt den Darlehensfonds für kleine und mittlere Unternehmen, den Risikokapitalfonds III für Beteiligungen an technologieorientierten Unternehmen. Zu erwähnen sind ferner die Bürgschaftsbank SachsenAnhalt und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt.

Neben dem Erhalt und der Weiterentwicklung dieser Instrumente müssen auch die Rahmenbedingungen, insbesondere für Wagniskapital, verbessert werden. In diesem Zusammenhang darf ich

auf den Beschluss der Wirtschaftsministerkonferenz im Juni 2014 verweisen. Damit haben die Wirtschaftsminister die Bundesregierung nachdrücklich aufgefordert, in Ausführung des Koalitionsvertrages die rechtlichen und steuerrechtlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapital international wettbewerbsfähig zu gestalten und Deutschland als Fonds- und Investitionsstandort für Wagniskapital attraktiver zu machen.

Ein Teil dieses Beschlusses der Wirtschaftsministerkonferenz findet sich auch in dem gemeinsamen Antrag, der eben eingebracht worden ist, wieder.

Dazu gehört auch, dass die KfW bewährte Unterstützungsinstrumente erhält und an die Nutzung neuer Finanzierungsformen anpasst. Im Rahmen der Wirtschaftsministerkonferenz hat sich Sachsen-Anhalt dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung ein Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Wagniskapital und Gründer vorlegt. Wir werden in dieser Forderung auch nicht nachlassen. Das Thema steht sowohl bei der nächsten Amtschefkonferenz als auch bei der nächsten Wirtschaftsministerkonferenz wieder auf der Tagesordnung.

Dieses Gesetz soll unter anderen die in dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD aufgeführten Eckpunkte berücksichtigen. Es soll insbesondere die steuerlichen Anreize für Start-ups schaffen, um deren Investitionen und Innovationen zu fördern.

Meine Damen und Herren! In entwickelten Volkswirtschaften wird wirtschaftliches Wachstum zukünftig mehr als bisher durch einen Ausbau von Wertschöpfung infolge von Bildung, Wissenschaft und industrieller Forschung bestimmt. Mithilfe der EU-Strukturfonds werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Innovationsprozesse intensiviert und weiter ausgebaut werden können. Dafür steht ein umfangreiches Instrumentarium an Projekt-, Transfer- und Netzwerkförderungen zur Verfügung. Mit diesem Instrumentarium wird in umfangreicher Weise die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft bzw. zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sichergestellt.

Ausgründungen von Hochschulabsolventen oder Wissenschaftlern direkt aus Hochschulen oder aus außeruniversitären Forschungseinrichtungen gelten aus innovations- und strukturpolitischer Sicht als Hoffnungsträger. Von diesen akademischen Spin-offs erwartet man schnelles Wachstum, positive Beiträge zum Strukturwandel, starke Impulse beim Technologietransfer und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Ich korrigiere Sie ungern, Herr Abgeordneter, aber man konnte nicht nur auf der Cebit, sondern auch in der letzten Woche auf der Hannover-Messe sehen, dass insbesondere unsere jungen Leute nicht

nur kluge Ideen haben, sondern diese auch umsetzen.

(Herr Mormann, SPD: Das sieht man über- all!)

Damit ist eine besonders effektive Form des Technologietransfers angesprochen worden. Aber gerade in diesem Bereich ist auch ein effektives Instrumentarium zur Gründungs- und Wachstumsfinanzierung unabdingbar.

Hierfür wird es künftig einen neuen Förderbaustein geben, das Programm Ego-Gründungstransfer. Dadurch wollen wir Studierende, Absolventen und Wissenschaftler noch gezielter bei einer technologie- und wissensbasierten Unternehmensgründung unterstützen. Darüber hinaus setzen wir bei der Gründungsförderung auf die bewährten Förderinstrumente. Insgesamt stehen für die Gründungsförderung bis zum Jahr 2020 EU- bzw. Landesmittel in Höhe von knapp 82 Millionen € zur Verfügung.

Ich darf noch einen Blick auf die IT-Branche werfen. In Sachsen-Anhalt herrscht ein reges Gründungsgeschehen im Bereich der IT-Unternehmen. Wir fördern Inkubatoren, in denen zum Beispiel Informatikstudenten auf eine Gründung im IT-Bereich vorbereitet werden. Wir fördern aber auch Formate, die die Vermeidung von Finanzierungsschwierigkeiten als Gründungshemmnis im Auge haben. Gerade durch die Entwicklung der Kontakte zu Kapitalgebern und durch geeignete Aktionen, mit denen Gründer und Kapitalgeber zusammengebracht werden sollen, sollen Nachhaltigkeit und Wachstum bei innovativen Gründungen erreicht werden. - Ich darf mich für die Aufmerksamkeit, soweit sie da war, bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Als erster Debattenredner spricht der Kollege Meister für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.