Protokoll der Sitzung vom 09.09.2011

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich sehe auch bei Ihnen immer, dass Sie sehr internetaffin sind und mit iPads, Laptops, iPhones und Smartphones hantieren. Vielleicht lesen Sie ab und zu einmal die Onlineausgabe der „Zeit“, in der man immer einmal wieder sehr interessante Visualisierungen des Magdeburgers Gregor Aisch sehen kann, der zum Beispiel eine sehr bekannte Parteispendengrafik gemacht hat. Auch dabei ging es um Open Data. Er hat visualisiert, wie sich die Parteispenden in Deutschland verteilen.

Grundlage für all diese aufbereiteten Informationen sind Rohdaten. Öffentliche Daten müssen dafür in maschinenlesbarer Form möglichst über automatisierte Schnittstellen frei zur Verfügung stehen. - Meine Redezeit geht dem Ende entgegen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werbe auch hier - ähnlich wie schon vorhin in der Breitbanddebatte - um Sachlichkeit. Bitte beschäftigen Sie sich mit dem Thema! Lesen Sie sich durch, was diese acht Grundsätze wirklich sind. Dann werden Sie sehen, dass es kein Teufelszeug ist, wenn wir von Open Data reden, sondern dass es ein richtiger Schritt in Richtung Transparenz und Bürgergesellschaft ist und dass es unserem Bundesland gut anstehen würde, wenn wir hier vorn mit dabei sind. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke sehr, Herr Kollege Herbst. - Für die SPDFraktion spricht die Abgeordnete Frau Niestädt.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Herr Kollege Herbst, es wird Sie verwundern: Auch Frauen über 60 Jahre sind in der Lage, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen,

(Zustimmung)

und zwar nicht erst dann, wenn ein Antrag mit der Aufforderung vorliegt: Schaut doch einmal nach! Informiert euch einmal, was das eigentlich ist!

Als der Antrag vorlag, waren meine ersten Gedanken:

Erstens. Man kann gar nicht dagegen sein; denn schließlich geht es um die Öffnung von Vorgängen, von Politik und Verwaltung unseren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zweitens. Open Data als Teil von Open Government - derzeit welt- und deutschlandweit in vieler Munde - hat nun endlich auch den Landtag Sachen-Anhalts erreicht.

Wir, die SPD-Fraktion, erkennen Open Data und Open Government als Instrumente einer wichtigen und modernen Informationspolitik über das Datennetz an. Die Fortentwicklung von E-Government zur Öffnung unterschiedlichster Plattformen für Bürger, Politik, Verwaltung, Wirtschaft usw. nimmt weltweit zu.

Transparenz, die staatliches Handeln nachvollziehbar macht, aber auch die Kooperation staatlicher Stellen mit Bürgern und der Wirtschaft und auch die konkrete Mitwirkung auf der anderen Seite von Wirtschaft und Gesellschaft bei staatlichen Entscheidungsprozessen wird dadurch möglich.

Dieser Trend ist zu unterstützen; das ist gar keine Frage, auch wenn das alles nicht wirklich neu ist. Der offene Umgang mit den Entscheidungen der politischen Gremien aller Ebenen wird mehr und mehr gefordert. Ich finde, das ist richtig gut so.

Die Informationspolitik hat sich durch den Fortschritt im IT-Bereich rasant entwickelt. Es gibt viel mehr Möglichkeiten, an die wir alle vor ein paar Jahren noch nicht gedacht haben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Menschen auch in unserem Land wollen diese Informationen. Eine Studie des Forsa-Instituts aus dem Jahr 2010 - veröffentlicht im Open Data und Open Government Monitor 2010 - hat das deutlich zum Ausdruck gebracht.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Bis dahin ist alles gut. Wir könnten also dem Antrag der Fraktion DIE LINKE aus diesen prima Gründen zustimmen.

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Machen Sie es doch!)

- Ja, aber … Frau Tiedge, bei mir kommt immer ein Aber. - Jetzt komme ich zum eigentlichen Inhalt Ihres Antrages.

Muss man denn gleich mit der Tür ins Haus fallen? - Open Data als Weiterentwicklung von E-Government soll nun gerade bei uns in Sachsen-Anhalt - losgelöst von allen Bestrebungen, die es im Bund und in den anderen Ländern gibt - die Offenlegung der Rohdaten unseres Landeshaushalts ermöglichen.

Hamburg hat da übrigens einen anderen Weg gewählt: Hamburg bietet den Bürgerinnen und Bürgern zunächst maschinenlesbare Rohdaten des

Statistikamtes Nord, zum Beispiel zur Luft- und Wasserqualität, online an. Sie entwickeln ihr Onlineportal, ihr Open-Data-Portal, Stück für Stück.

Abgesehen von der Tatsache, dass sich jeder Mann und jede Frau über das Internet über den Landeshaushalt informieren kann - wir haben gerade darüber diskutiert -, sollen wir diese Daten - am liebsten schon jetzt, Herr Wagner - gleich mit dem Entwurf des Doppelhaushaltsplans 2012/2013 in vier Wochen in freiem und maschinenlesbarem Format vorlegen, selbstverständlich auch die Jahresrechnungen.

Aber ich glaube, da haben Sie sich etwas verrannt, mein lieber Kollege. Herr Herbst, ich möchte Ihnen etwas sagen, weil Sie ausgeführt haben, wir fänden bei uns in Sachsen-Anhalt die Daten nicht so vor, damit man sie für die Bürger lesbar oder besser darstellbar macht.

Ich weiß nicht, ob Sie unseren Strukturkompass kennen. Der Strukturkompass des Landes Sachsen-Anhalt - entwickelt, vorgestellt, ständig weiterentwickelt und immer aktuell auf dem neuesten Stand - stellt alle Daten für jede Region und für jeden Landkreis unter ganz bestimmten Politikfeldern oder sozialen Bereichen genau dar. Er wird regelmäßig monatsweise aktualisiert, mit Bildchen, mit Diagrammen, mit allem, was die Bürger in der Tat interessiert. Darauf gibt es einen großen Zugriff. Ich denke, das ist wichtig.

Man kann nicht immer gleich das Allerbeste haben; man muss auch einmal schauen, was bei uns im Land schon sehr gut gemacht wird.

Ich weiß nicht und kann auch nicht einschätzen, welche Probleme - technisch, personell, aber auch datenschutzrechtlich - damit verbunden sind und vor allen Dingen, welche Kosten das mit sich bringt.

Herr Herbst, Sie haben gerade davon gesprochen, dass die EU ein Open-Data-Portal aufbaut. Sie hat dazu gerade erst eine Ausschreibung in Auftrag gegeben. Sie sucht nämlich einen Dienstleister für das Open-Data-Portal. Der Kostenumfang für diese Ausschreibung beläuft sich auf 800 000 €.

Ganz so teuer würde die Ausschreibung zumindest hier nicht werden. Aber haben wir uns nicht gerade erst auf die Konsolidierung unseres Landeshaushalts verständigt?

(Zuruf von der LINKEN: Sie!)

- Das war der ganze Landtag, verehrte Kollegin.

Am Ende der letzten Wahlperiode haben wir Verpflichtungsermächtigungen für den Aufbau eines leistungsstarken Landesdatennetzes in den Haushalt eingestellt. Fortschritt kostet Geld, manchmal viel Geld. Aber wir brauchen doch auch in unserem Land erst einmal eine solide technische Grundlage.

Können wir nicht einen Schritt nach dem anderen gehen, zuerst die Basis schaffen, um dann unser Internetportal unter Nutzung der Erkenntnisse und vor allem auch in Zusammenarbeit mit Bund, Ländern und Kommunen Stück für Stück zu einem Open-Government-, zu einem Open-Data-Portal auszubauen?

Herr Wagner, Sie haben vorhin den Bürgerhaushalt benannt. Mir sind aus den letzten Monaten drei Beispiele in Erinnerung. Ein positives Beispiel: In Berlin-Lichtenberg funktioniert der Bürgerhaushalt im Haushaltsaufstellungsverfahren. Da ist viel Mitwirkung dabei.

Ein zweites Beispiel betrifft ein Projekt in Wiesbaden. Das ist erst vor Kurzem eingestellt worden, weil die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr vorhanden war.

Am letzten Dienstag, dem 6. September habe ich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ein Beispiel gelesen: Die Stadt Bonn hat im Januar 2011 der Öffentlichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern ihr Projekt vorgestellt. Sie sollten einen Monat lang Zeit haben, Vorschläge für den Stadthaushalt zu machen und auch andere Vorschläge bewerten.

Das Einsparvolumen ist aber nicht erbracht worden. Am Ende waren viele über die großen Datenmengen, die vorhanden waren, frustriert. Das Ganze hat von Januar bis März 300 000 € gekostet.

Es muss nicht immer, wenn es nicht gut durchdacht und organisiert ist, ein gutes Beispiel sein. Manchmal muss man schauen, wie man es richtig macht.

Ich fasse kurz zusammen: Open Data als ein Instrument von E-Government ist eine richtig gute und auch wichtige Sache im Sinne der Datenbereitstellung für jedermann und jedefrau. Open Data stellt eine hohe Transparenz gegenüber den Menschen dar, stärkt zweifellos ihre Bürgerrechte und trägt auch zur Vertrauensbildung bei.

Die Einführung weiterer Nutzungsmöglichkeiten von Open Data wird durch Bund und Länder vorbereitet. Die Open-Government-Plattform zur Vernetzung bestehender Angebote beim Bund, den Ländern und bei unseren Kommunen soll ein zentraler Einstiegspunkt für das Thema Open Government werden.

Aber - dabei bin ich an der Seite meines Kollegen Herrn Barthel - der Antrag stellt lediglich auf die Datenbereitstellung des Haushaltsplanentwurfs 2012/2013 ab. Die Einführung von Open Data nur für den Landeshaushalt kann, Herr Wagner, nicht im Sinne der Erfinder sein und wäre aus meiner Sicht viel zu kurz gesprungen.

Wir können noch nicht einschätzen, wie Open Data technisch umgesetzt werden kann. Auch das stellt ein Problem dar. Wir können auch nicht einschätzen, welcher Personal- und Kostenaufwand

damit verbunden ist. Deshalb, verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern den Aufbau behutsam angehen. Auch hierbei gehen Schnellschüsse für eine zweifellos gute Sache nur nach hinten los.

Ich bin mir darin sicher, dass die Landesregierung Open Government und Open Data fest im Blick hat. Wir lehnen den Antrag ab.

Frau Kollegin Niestädt, Sie sind sehr weit über Ihre Redezeit hinaus. Sie haben zwar Ihr Blatt darüber gelegt, aber dennoch ist die Realität so.

Entschuldigung. - Wir lehnen also den Antrag ab, weil bei einer tollen und wichtigen Sache im Sinne der Bürgerrechte zu kurz gesprungen worden ist und an die Umsetzung nicht gedacht wurde. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Es gibt noch eine Nachfrage. Sie haben noch einmal die Chance zu erwidern. - Herr Kollege Lange.

Frau Niestädt, ich habe eine Nachfrage. Sie haben darauf abgehoben, dass es interessante Portale mit einer schon sehr guten Visualisierung gibt. Darin stimme ich Ihnen völlig zu.