Protokoll der Sitzung vom 09.09.2011

Vielen Dank, Herr Herbst. - Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Dr. Brachmann. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zu Beginn meiner Rede auch an Frau von Angern wenden und möchte ihr danken, und zwar zum einen für die Fleißarbeit, die sie mit diesem Antrag geleistet hat. Der Antrag beschreibt im Grunde genommen alle Aufgaben und Probleme, die wir in den nächsten Jahren zu lösen haben.

Zum anderen geschieht es nicht allzu häufig, dass eine Oppositionsfraktion in einem Antrag begrüßt das, was die Regierungskoalition und die Landesregierung auf den Weg gebracht haben. - Das ist darin nachzulesen.

In der Tat ist vieles, was in dem Antrag formuliert ist, auch meine Überzeugung und die der SPDFraktion. Dennoch, Frau von Angern, werden wir einer Direktabstimmung - es ist bislang noch nicht beantragt worden, was mit diesem Antrag geschehen soll - nicht zustimmen, sondern die Ausschussüberweisung beantragen, weil es an der einen oder anderen Stelle noch Klärungsbedarf gibt.

Ich möchte noch etwas Grundsätzliches sagen. Frau Ministerin hat von einer neuen Vollzugsphilosophie gesprochen. Ich denke, das, was sich in den letzten Monaten insbesondere nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Sicherungsverwahrung rechtspolitisch vollzieht, ist ein Paradigmenwechsel.

Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht, dass bereits im normalen Vollzug hinreichend Behandlungs- und Therapieangebote vorgehalten werden müssen, sodass sich die Frage, den Häftling anschließend in einer Sicherungsverwahrung unterzubringen, möglichst erst gar nicht stellt.

Der bisherige Justizvollzug war sicherlich nicht reiner Verwahrvollzug, er war aber auch nicht hinreichend Resozialisierungsvollzug. Die hohen Rückfallquoten, die wir bislang immer wieder feststellen müssen, belegen dies.

Dass es auch anders geht, zeigen andere Länder. Wir hatten im Rahmen einer Delegationsreise des Ausschusses für Recht und Verfassung vor einigen Jahren die Gelegenheit, uns anzusehen, wie das in der Schweiz gemacht wird. Dort wurde ein anderer Weg gegangen. Mit mehr Therapie und mehr Behandlungen ist dort ein größerer Erfolg zu verzeichnen.

Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden auch wir größere Anstrengungen unternehmen müssen, die Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Le

ben ohne Straftaten zu führen. Dass dies auch mehr dafür ausgebildetes Personal erfordert, sollte uns klar sein. Therapeutische Angebote erfordern auch Sozialtherapeuten, die diese unterbreiten.

Auch wenn es in den Vorreden bereits zum Ausdruck kam, möchte ich noch einmal die drei Aufgaben, die miteinander verwoben sind, nennen:

Natürlich müssen wir erstens, da sich die Häftlingszahlen verändern und sich andere Bedingungen ergeben, die Justizvollzugsstruktur erneut auf den Prüfstand stellen. Wir haben erst vor zwei Jahren im Landtag ein Gesetz zur Neugliederung der Justizvollzugsstrukturen beschlossen. Das reicht aber nicht aus. Wir müssen auch an dieser Stelle Weiterentwicklungen vornehmen.

Es ist ausgeführt worden, dass eine Projektgruppe daran arbeitet. Ich gehe davon aus, dass wir uns mit Frau Ministerin zeitnah, wenn die Ergebnisse am Jahresende vorliegen, im Rechtsausschuss über diese Problematik verständigen werden.

Wir als Gesetzgeber werden zweitens ein Strafvollzugsgesetz, das den Behandlungsvollzug entsprechend ausgestaltet, auf den Weg bringen müssen.

In dem Antrag, Frau von Angern, ist die Rede davon, dass die Landesregierung bis zum Jahresende Eckpunkte vorlegen möge. Wir haben aber jetzt, wie wiederholt gesagt wurde, den Musterentwurf, der im Grunde genommen anstelle der Eckpunkte das ausführlich beschreibt, auf was wir gemeinsam gewartet haben.

Die Arbeit der Arbeitsgruppe ist beendet. Es liegt nun in unserer politischen Verantwortung, was wir aus diesem Musterentwurf machen. Bevor ein Gesetzentwurf eingebracht wird, wäre eine Verständigung im Ausschuss darüber hilfreich, ob das, was vorliegt, den politischen Erwartungen Rechnung trägt.

Ich will eine dritte Aufgabe nennen, die quasi beides mit erfasst. Wenn wir nicht wollen, dass dieses Gesetz, das wir auf den Weg bringen wollen, eine leere Hülle bleibt, dann müssen wir die sachlichen und personellen Voraussetzungen schaffen, damit wir die neue Qualität und die neue Vollzugsphilosophie ausgestalten können.

Es ist einiges über die defizitäre personelle Situation gesagt worden. Wir haben in den bisherigen Haushaltsverhandlungen bei den Neueinstellungen im Bereich des Justizvollzugs ein kleines Plus erreichen können. Wir werden in diesem Jahr 23 Neueinstellungen vornehmen können. Das ist mehr als ursprünglich angedacht.

Es wird in den nächsten Jahren jeweils 15 Neueinstellungen geben. Ob dies aber ausreicht, diese neue Vollzugsphilosophie mit Leben zu erfüllen, wird man noch hinterfragen müssen.

Eine weitere Baustelle, die im Antrag nicht genannt wird, ist, die Sicherungsverwahrung - dafür haben

wir nur noch knapp zwei Jahre Zeit - sowohl gesetzgeberisch als auch im praktischen Vollzug auf den Weg zu bringen. Auch das stellt uns vor große Herausforderungen. Es gibt eine Menge zu tun. Packen wir es an! - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Dr. Brachmann. - Frau von Angern nutzt die Chance zu erwidern. Bitte schön.

Danke, Herr Präsident. - Zu Beginn gleich die Antwort auf die Frage, warum die Sicherungsverwahrung in unserem Antrag keine Rolle gespielt hat. Wir nehmen das, was ausgeurteilt wurde, ernst: Abstand zum Vollzug. Inhaltlich hätte dieses Thema nicht hineingepasst.

Wir beantragen Direktabstimmung über den Antrag.

Ich möchte kurz auf das eingehen, worum Frau Ministerin Kolb gebeten hat, und zwar dass wir ihr Zeit lassen sollten. In dem Antrag ist an keiner Stelle irgendein Druck aufgemacht worden. Die Zeitketten, die wir aufgenommen haben, haben Sie sich selbst auferlegt. Ich nenne das Konzept zur Struktur. Hierzu haben Sie im Juli per Pressemitteilung der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass Sie bis Ende des Jahres ein Konzept vorlegen wollen.

Der Gesetzentwurf - Herr Dr. Brachmann sagte es bereits, wir haben ihn als Mitglieder des Rechtsausschusses schon bekommen - der Ländergruppe liegt vor. Ich denke, die quartalsweise Berichterstattung im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung ist ein wichtiger Punkt, um das Parlament einzubeziehen.

Herr Borgwardt, Sie haben das so schön formuliert: Frau Ministerin plant größere Investitionen an einem Standort. - Ich möchte zumindest an einer Stelle einhaken. Die Frau Ministerin kann planen, aber entscheiden, wo investiert wird und welche Standorte erhalten bleiben oder geschlossen werden, müssen wir. Das ist unsere Verantwortung und unsere Rolle als erste Gewalt. Dieser müssen wir gerecht werden. Die Sprache ist manchmal sehr verräterisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie haben mich natürlich herausgefordert. Der Warnschussarrest spielt heute keine Rolle, aber ich debattiere immer gern mit Ihnen über dieses Thema.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Es hat sich an der Haltung der Fraktion DIE LINKE nichts geändert, dass wir den Warnschussarrest ablehnen. Wenn Sie sich einmal anschauen, was in der Arrestanstalt in Halle passiert, dann werden

Sie feststellen, dass das in keiner Weise zufriedenstellend ist, dass dort teilweise noch nicht einmal Arbeitsauflagen erfüllt werden können, dass die Arrestanten wirklich nur untergebracht werden.

Es wird immer gesagt, dass der Arrest eine abschreckende Wirkung hätte. Für mich persönlich hat schon die Vorstellung, eine Stunde in einem Lift festzustecken, eine abschreckende Wirkung. Die Realität ist aber: Der Arrest hat keine abschreckende Wirkung mehr. Das müssen wir einfach wahrnehmen. Es sind nicht nur Einzelfälle, bei denen man sagen könnte: „Dazu weiß ich was“, sondern das belegen Studien immer und immer wieder.

(Herr Borgwardt, CDU: Deswegen wollen wir es doch prüfen, Frau Kollegin!)

Nein, es ist schon - - Gut, Sie können es prüfen. Das wird aber an der Haltung der Fraktion DIE LINKE nichts ändern.

Ich möchte noch eine Gedankenkette aufnehmen, weil dazu keine Nachfrage kam. Welche Kosten werden mit unserem Antrag entstehen? - Die Vorsitzende des Finanzausschusses, Frau Dr. Klein, hat diese Fragen ordnungsgemäß in meiner Fraktion gestellt.

Ich kann Ihnen sagen, dass es Geld kosten wird. Die Ministerin sagte selbst: Ein guter Behandlungsvollzug führt zu weniger Straftaten, kostet zwar kurzfristig mehr Geld, langfristig spart er aber viel Geld ein. Ich denke, das ist das Mindeste, was am Ende auch den Finanzminister überzeugen sollte.

Nun habe ich eine Menge Lob gehört, was mich natürlich freut. Ich kann Ihnen versichern, dass ich Sie beim Wort nehmen werde. Ich sehe das als Angebot der Zusammenarbeit in dieser Thematik und ich denke, wir werden das im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung auch tun. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau von Angern. - Wir kommen nach dieser Debatte zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/339.

Es ist mehrfach der Antrag auf Ausschussüberweisung gestellt worden. Darüber lasse ich jetzt abstimmen. Wer dafür ist, dass dieser Antrag in den Fachausschuss überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE der Antrag in den Rechtsausschuss überwiesen worden.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 19:

Beratung

Armuts- und Reichtumsberichterstattung

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/346

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/373

Einbringerin ist Frau Grimm-Benne. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Mit dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD soll die Landesregierung gebeten werden, bis zur Mitte der Wahlperiode einen Armuts- und Reichtumsbericht vorzulegen, der sich mit dem Thema Armut in ihren Erscheinungen und Auswirkungen befasst.

An dieser Stelle sei gesagt: Wir werden dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen in der Hoffnung, dass er sich nur auf die statistischen Erhebungen bezieht. Wir möchten in unserem Armuts- und Reichtumsbericht nicht noch einmal die Auswirkungen des Reichtums beleuchten. Es kann sicherlich interessant sein, sich die Zahlen anzuschauen, wie viele Reiche bzw. Millionäre wir in Sachsen-Anhalt haben. Aber ob jemand noch reicher wird und ob wir das begrenzen können, hatten wir schon in der letzten Wahlperiode ausdiskutiert. Der Vollständigkeit halber - wenn es so gemeint sein sollte - möchte ich sagen, dass wir damit keine Probleme haben, über diesen Antrag mit abzustimmen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)