Protokoll der Sitzung vom 04.06.2015

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die Fünfminutendebatte ein. Als erster Debattenredner spricht der Kollege Herr Lange für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bologna-Prozess gilt als die größte Hochschulreform, die wir im letzten Jahrhundert angestoßen haben. Dieser Prozess hat unterschiedliche Wirkungen auf die Hochschulen. Wirkten die Stufung der Abschlüsse und die Modularisierung an den Fachhochschulen oder an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften, wie sie jetzt genannt werden, durchaus positiv, hat die Reform an den Universitäten zu großen Verwerfungen geführt.

Um Erfolge zu messen, muss man die Ziele betrachten, die mit der Reform verfolgt wurden. Frau Pähle hat schon einiges zu den Zielen gesagt. Gewollt war ein leicht verständliches zweistufiges System mit vergleichbaren Abschlüssen, ein europäisches Leistungspunktesystem, ECTS genannt, die Förderung der Mobilität und - auch das spielte eine Rolle bei den Zielen - studentische Beteiligung auf allen Ebenen.

Was ist heute Realität? - Wir haben die zweistufigen Studiengänge weitgehend eingeführt. Aber was ist mit der Vergleichbarkeit? - Das hört schon

auf bei der Vergleichbarkeit der Bachelor- und Masterabschlüsse, die an Hochschulen für angewandte Wissenschaften bzw. an Universitäten erworben werden. Geschweige denn, dass man im internationalen Rahmen eine entsprechende Vergleichbarkeit hergestellt hätte. Hierbei ist dringend eine Harmonisierung notwendig. Ich glaube, dass der europäische Qualifikationsrahmen irgendwann einmal Gleichwertiges tatsächlich vergleichbar machen wird. Das ist ein Weg, den man noch gehen muss.

Mobilität war das große Versprechen der Reform. Jeder kann überall studieren. Ein Wechsel zwischen Bundesländern ist kein Problem mehr. Irgendwelche Studienwechsel innerhalb von Europa sollten möglich gemacht werden. Das ECTS sollte als Leistungsnachweissystem die Gleichwertigkeit der Studienleistungen darstellen und damit die Vergleichbarkeit erleichtern. Positiv gesagt, liegen hierin noch große Reserven. Oder klar ausgedrückt: Hier hat die Reform völlig versagt.

Ein enger Studientakt, die fehlende Berücksichtigung der sozialen Situation der Studierenden bei den engen Studienbedingungen, die gerade beim Bachelor eine Rolle spielen, lassen kaum noch Zeit für einen Auslandsaufenthalt. Zum Teil können sich die Studierenden das gar nicht leisten.

Studienleistungen, die im Ausland erbracht wurden, werden trotz ECTS oft nicht vollständig oder gar nicht anerkannt. Die meisten Anerkennungen, die es gibt, beruhen auf Vereinbarungen, die zwischen den Hochschulen abgeschlossen werden; ein System, das mit ECTS eigentlich hätte überwunden werden sollen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

An dieser Stelle kann man nur sagen, hier muss sich dringend etwas ändern, hier ist wirklich noch Luft im System, hier muss sich etwas zum Positiven ändern. Ich würde sogar sagen, dass wir mit bestimmten Systemen, die wir zusätzlich einführen, zum Beispiel mit dem Hochschulpakt, bei dem die Abbrecherquoten auch eine Rolle spielen, unter Umständen sogar dafür sorgen, dass etwas geschaffen wird, was der Mobilität abträglich ist.

Denn wenn man den Studienplatz während des Studiums wechselt, gilt man an der Hochschule als Studienabbrecher. Das fällt der Hochschule unter Umständen durch den Hochschulpakt auf die Füße. Man muss also sehen, dass nicht durch zusätzliche Systeme, die eingeführt werden, Fehlanreize an den Hochschulen geschaffen werden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Der Hauptkritikpunkt bleibt der hohe Verschulungsgrad der Bachelor- und Masterstudiengänge, besonders an den Universitäten. Hierzu kann man sagen, dass der straffe Prüfungsrhythmus und die erheblichen Prä

senzzeiten dafür sorgen, dass ein entsprechender Druck ausgeübt wird.

Wenn man sich vorstellt, dass vorher normale Leistungsnachweise erbracht werden mussten und heute Prüfungen abgelegt werden müssen, die mit vielen Regeln belegt sind, dann sorgt dies natürlich dafür, dass es mit Blick auf die Studierbarkeit zu großen Problemen kommt. An dieser Stelle sind die Hochschulen aufgefordert, die Reform der Reform weiter umzusetzen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir brauchen eine Abkehr von dem System der konsekutiven Studiengänge. Wir müssen dafür sorgen, dass der Wechsel des Studienplatzes von einem siebensemestrigen Bachelorstudiengang zu einem viersemestrigen Masterstudiengang möglich gemacht wird. Zudem brauchen wir eine Entzerrung des Studienprogramms, damit an dieser Stelle tatsächlich etwas an der Qualität verändert werden kann.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Damit sich die Qualität verbessert, brauchen wir endlich ein System, das die Betreuungsrelationen tatsächlich verändert. Es dürfen im Bereich der Hochschulen keine Kürzungen vorgenommen werden. Vielmehr müssen sie das nötige Geld erhalten, damit die notwendigen Betreuungsrelationen geschaffen werden können.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dies sind Dinge, mit denen wir uns zukünftig beschäftigen wollen.

Gut, der Antrag schadet nicht. Man hätte diese Fragen auch in einer Anfrage formulieren können. Wir erhalten vielleicht ein paar interessante Informationen. Sie haben sich wahrscheinlich gedacht, dass man nach 16 Jahren ruhig mal nachfragen kann. Wir wollten damals eine Berichterstattung zu den Hochschulen.

(Vizepräsidentin Frau Dr. Paschke signali- siert, dass die Redezeit beendet ist)

- Ich bin sofort fertig, noch ein letzter Satz. - Das wäre das Richtige gewesen. Es darf nicht wieder 16 Jahre dauern, bis wir an dieser Stelle die nächste Evaluation vornehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Kollege Lange. - Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Harms.

Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wer von Ihnen 1999 zugegen gewesen ist, als man sich

entschieden hat, auf diesem Weg zu gehen. Ich muss gestehen, dass sich meine Aufmerksamkeit im Jahr 1999 auf andere Dinge gerichtet hat. Ich wurde wie viele andere Eltern von schulpflichtigen Kindern in der späteren Entwicklung mit diesem Prozess konfrontiert. Ich habe diese Entwicklung aus dieser Position wahrgenommen. Dies ist bei anderen möglicherweise anders. Sie waren möglicherweise damals an dieser Entscheidung beteiligt oder haben zu diesem Zeitpunkt selbst studiert. Der Abschluss meines Studiums liegt mehr als 30 Jahre zurück.

Zu meiner Zeit als Student hätten wir uns einige Dinge, die dieser Bologna-Prozess möglich macht, sehr gewünscht, unter anderem die Möglichkeit, Teile des Studiums in anderen Ländern umzusetzen und dieses flexibel und mobil zu tun und gewisse Dinge zu kombinieren.

Wenn man heute versucht, die Ziele von damals zu messen, dann sollte man über Kriterien reden, nach denen man dies sinnvoll tun kann. Diese Kriterien sollten natürlich mit den Zielen zu tun haben. Die Ziele sind von Frau Dr. Pähle bereits beschrieben worden.

Eines dieser Ziele möchte ich noch einmal hervorheben. Man hat sich damals darauf verständigt, dass ein Studium eben nicht nur der allgemeinen Persönlichkeitsentwicklung dient, sondern insbesondere auch der Vorbereitung auf einen Beruf.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das macht es jetzt nicht mehr?)

Es war ein Diskussionsprozess, dieses Ziel, was insbesondere uns sehr am Herzen lag, festzulegen, während es anderenorts in Europa viel flexibler gesehen wurde.

Nun stellen wir heute fest, dass unsere Studenten, wenn sie einen erfolgreichen Studienabschluss als Bachelor oder Master erreichen, nach wie vor sehr gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sowohl auf dem europäischen als auch auf dem weltweiten Arbeitsmarkt, haben.

Wir stellen zudem fest, dass zu den 29 Ländern, die dies damals in dieser Erklärung im Jahr 1999 vereinbart haben, weit mehr Länder, auch über die Grenzen Europas hinaus, hinzugekommen sind.

Viele Visionen sind im Rahmen der Entwicklung umgesetzt worden. Es gab viele Schwierigkeiten, die zu bewältigen waren. Deshalb verdienen insbesondere die jungen Studenten, die Professoren und all diejenigen, die an diesem kontinuierlichen Prozess mitgewirkt haben, unsere Anerkennung dafür, dass sie diesen Prozess bewältigt haben.

Nun sind gerade wir in unserer Region Meister im Leben von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Wir wissen, dass uns dies ein Stück weit

stark gemacht hat. Darauf können wir ein wenig stolz sein.

Ich sehe diesen Berichten mit einer gewissen Spannung entgegen. Ich würde mir wünschen, dass wir uns zukünftig häufiger darüber unterhalten, wie wir die berufliche Bildung, auch außerhalb der akademischen Berufsbildung, in Europa kompatibler machen können.

Wir haben uns zu Beginn des Tages über die Zuwanderung und Fachkräfte unterhalten. Wir merken, dass die normalen Berufsausbildungssysteme schon innerhalb Europas zu wenig kompatibel sind. Wenn in einigen Ländern Europas über die Abschaffung des Meisterbriefes schwadroniert wird, dann schwadroniere ich sehr gern über die europaweite Einführung des Meisterbriefes und möglichst auch darüber hinaus.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn wir uns diesem Vergleich stellen, dann können wir feststellen, dass die Jugendarbeitslosigkeit bei uns besonders gering ist. Dies ist ein Erfolg. Ich danke Ihnen dafür, Herr Lange, dass der gemeinsame Antrag der Koalitionsfraktionen eine so breite Unterstützung erhält.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Kollege Harms. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Frau Professor Dr. Dalbert. Zuvor können wir Damen und Herren aus der Region Teutschenthal bei uns begrüßen. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bologna-Prozess ist ein großer Etikettenschwindel.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Es wurde uns gesagt, dass ein einheitlicher europäischer Hochschulraum geschaffen werden solle, der die Mobilität fördere und die Vergleichbarkeit der Studiengänge ermögliche. Dies war die Geschichte, die man uns im Jahr 1999 erzählt hat.