Protokoll der Sitzung vom 03.07.2015

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der LIN- KEN)

Ich will das einmal deutlich sagen, auch zur Kollegin Quade: Wer keine Informanten will, der will auch keinen präventiven Verfassungsschutz!

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der LIN- KEN - Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Genau das ist die Wahrheit! Und genau das sagen Sie sehr konsequent, Herr Striegel.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE - Unruhe bei der LINKEN)

Denn Sie sagen, Sie wollen den Verfassungsschutz in der jetzigen Form abschaffen. Damit bleiben Sie sich treu. Man darf das getrost als Drohung verstehen. Ich bin auch Kollegen Rüdiger Erben dankbar, dass klar wird, dass es für diese Auffassung in diesem Hohen Haus keine Mehrheit gibt. Dafür bin ich dankbar.

(Starker Beifall bei der CDU)

Dass Schaden von der Bevölkerung im Fall des NSU nicht abgewendet werden konnte, war keine Frage fehlender Informationen. Vielmehr mangelte es am Austausch von Informationen zwischen den Behörden und deren Auswertung.

Die neue Zentralstelle beim Bundesamt für Verfassungsschutz quasi als Sammelstelle für Erkenntnisse aus den Ländern ist darauf eine Reaktion. Ich erinnere auch an das damalige Achtpunkteprogramm von Herrn Minister Stahlknecht im September 2012 und an die heutige Bundestagsdebatte zur Gesetzesänderung. Auf das Verfassungsschutzrecht ist schon hingewiesen worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Staat hat die Pflicht, seine Quellen zu schützen. Er darf Informanten nicht schutzlos lassen.

(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Stahlknecht)

Seit August 2012 wurden die Kontakte von Thomas Richter zu Herrn Mundlos öffentlich diskutiert. Das kann man der Presseauswertung eindeutig entnehmen. Dass ein Vertreter der Neonazi-Szene aus Sachsen-Anhalt Kontakte zu Herrn Mundlos hatte, kann man der Pressemitteilung der LINKEN im Monat darauf ebenfalls entnehmen.

Am gleichen Tag - es war, glaube ich, der 14. September - gab es die Anfrage des Mitteldeutschen Rundfunks, ob es sich bei dem V-Mann Corelli um Thomas Richter handele. Man könnte das eine Defacto-Enttarnung durch Spekulation nennen.

Der Innenminister hat heute hier und in den Landtagsgremien ausgeführt, dass er im Bewusstsein dieser drohenden öffentlichen Enttarnung am 17. September den damaligen Bundesinnenminister Herrn Friedrich und den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz Herrn Maaßen über die MDR-Anfrage informiert hat und dass die Anfrage des MDR auch per Mail am 17. September durch die Verfassungsschutzabteilung an das Bundesamt weitergeleitet worden ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit abzuwenden, sah es der Minister als seine Amtspflicht an, in einem streng vertraulichen Hintergrundgespräch mit journalistischen Spitzenvertretern an den verantwortungsvollen Umgang mit Fakten und Schlussfolgerungen zu appellieren. Spekulationen in der Öffentlichkeit über eine Tätigkeit von Thomas Richter im Verfassungsschutz hätten Racheakte der rechten Szene auslösen können und sollten vermieden werden.

Ich begrüße - die Einschätzung ,die ein Landtagsgremium in einer Sitzung vorgenommen hat -, dass der Innenminister heute selbstkritisch einschätzt, er hätte über die damaligen Vorgänge die Parlamentarische Kontrollkommission zeitnah informieren müssen.

Für die politische Einschätzung des Falles ist es aber doch ganz maßgeblich, ob der Innenminister in dieser Frage rechtmäßig gehandelt hat. Darauf gibt es in meiner Fraktion nach dem bisherigen Kenntnisstand nur eine Antwort: Ja. Wir haben keine Sorge, dass dies nicht der Fall war. Insofern ist die Sache auch für unsere Fraktion klar. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Kollege Schröder, es gibt eine Nachfrage vom Kollegen Striegel und von Herrn Gallert dann im Anschluss. - Bitte sehr, Kollege Striegel.

Herr Schröder, ich glaube, der Staat hat nicht zuvörderst die Aufgabe, seine Quellen zu schützen, sondern der Staat hat zuvörderst die Aufgabe, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN - Zurufe von der CDU)

Die Frage ist, ob man sich dabei Instrumenten wie V-Leuten bedienen sollte und ob sie nicht mehr

Schaden als Nutzen bringen. Ich glaube, das ist eine politisch zu beantwortende Frage.

Ich bin dankbar, dass Sie noch einmal die grüne Position referiert haben und hier klar gestellt haben. Ja, ich bestätige es auch noch einmal: Wir wollen den Verfassungsschutz mittelfristig abschaffen und ihn, bevor wir das tun, besser kontrollieren.

Sie haben gesagt, Sie wollen das V-Mann-System weiter behalten. Sie halten es für richtig. Dann frage ich Sie - darauf möchte ich gern eine ehrliche Antwort von Ihnen haben -: Wie wollen Sie es verhindern, dass das, was sozusagen immanentes Wesen des V-Mann-Systems ist, nämlich dass Menschen für Informationen bezahlt werden, dass das nicht dazu führt, dass diese Geldmittel in den Szeneaufbau, in die Szenestruktur fließen? Wie sichern Sie das?

(Frau von Angern, DIE LINKE: Das ist ein- fach nicht verhinderbar!)

Wissen Sie, das ist so eine Frage, mit der man sich in der Tat beschäftigt, wie man das V-LeuteSystem aufbaut, wie man zur Auswahl der V-Leute kommt und wie man damit umgeht. Das ist ja gerade die Diskussion, die läuft. Die Schlussfolgerung, die Sie daraus ziehen, sich auf diese Quellen nicht mehr zu stützen, sie abzuschaffen, ist das, was einer politischen Würdigung bedarf. Da sind Sie konsequent, aber wir haben eine dezidiert andere Meinung.

Es ist schon erstaunlich, welchen Widerspruch Sie zwischen dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land und dem Schutz von Quellen konstruieren. Meine Botschaft war doch gerade: Ohne diese Quellen, die wir in konspirativ tätigen Organisationen haben, gibt es keinen präventiven Schutz. Das ist doch die Botschaft!

(Unruhe bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Sie gefährden die Bürgersicherheit, wenn Sie auf diese Quellen verzichten.

(Unruhe bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Wie wir sie ausgestalten, das ist eine Fachfrage. Dazu gibt es sicherlich Entwicklungen. Dazu ist ja etwas gesagt worden.

(Herr Striegel, GRÜNE: Beantworten Sie doch meine Frage! - Unruhe bei der LIN- KEN)

Aber Sie können nicht sagen, präventiver Verfassungsschutz - -

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

- Nein. Ganz klar, präventiver Verfassungsschutz geht nur, wenn Sie in konspirativ arbeitenden Organisationen Quellen haben.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Und dann ohne Geld!)

- Wie Sie das ausgestalten, das ist eine ganz andere Frage.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Sind das zu- künftig ehrenamtliche Quellen?)

Wenn Sie diese Quellen haben und diese als Staat nicht schützen, dann haben Sie diese Quellen bald nicht mehr und dann haben Sie auch den Bürgerschutz nicht mehr. Und den wollen wir doch wohl alle.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau von Angern, DIE LINKE)

Danke sehr, Kollege Schröder. - Herr Kollege Gallert spricht als Fraktionsvorsitzender.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil es neben dem eigentlichen Antrag um eine Auseinandersetzung geht, die völlig zu Recht das Zentrum der Debatte darstellt, nämlich die Frage, ob das V-LeuteSystem in der Art und Weise, wie es funktioniert hat und wie es fortan auch funktionieren soll, verteidigt bzw. infrage gestellt wird. Das ist der Kern des Problems. Darüber haben wir diskutiert.

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Wir haben für unsere Position, dass das V-Leute-System innerhalb eines Rechtsstaates nicht existieren kann, weil das V-Leute-System rechtsstaatliche Prinzipien aushebelt, nach wie vor gute Gründe und Argumente.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Weshalb ich aber nach vorn gegangen bin - die Diskussion hatten wir -, ist die Frage, mit welchen Mitteln diese Debatte hier geführt worden ist, mit welchen Mitteln diese politische Auseinandersetzung von Ihnen, Herr Stahlknecht, geführt worden ist.

Ich sage ganz deutlich, ich habe jetzt ein bisschen Verständnis für die Reaktion von Katrin Budde nach der ersten Debatte. Dort gab es richtigerweise jemanden, bei dem man die Verantwortung personifiziert hat, den Finanzminister. In dieser Debatte gibt es niemanden, der für die Probleme, die hier diskutiert worden sind, wirklich die Verantwortung übernommen hat.

Sie, Herr Stahlknecht, haben Hintergrundgespräche mit Journalisten geführt, um zu vermeiden,

dass ein Name in die Öffentlichkeit kommt, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem es längst eine neue Identität für diesen Betreffenden gegeben hat. Der Inhalt dieser Gespräche ist übrigens protokolliert worden, und zwar dankenswerterweise von einem Journalisten, den Sie dazu eingeladen haben.

Dieser Journalist der „Volksstimme“ hat nach dem Gespräch einen Artikel geschrieben mit dem Titel „V-Mann fliegt nach Indiskretion der LINKEN auf“. Darin hieß es:

„In Geheimdienst- und Regierungskreisen herrschten indes blankes Entsetzen und heftiger Zorn über die Indiskretion von Petra Pau. Damit dürfte das Leben des bis zuletzt im aktiven Einsatz befindlichen V-Manns in großer Gefahr sein.“