Protokoll der Sitzung vom 14.10.2015

Die Kette scheint logisch zu sein. Erst privatisiert der Staat wichtige Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, dann drängt man die Beschäftigten mit der Kostendiskussion aus bestehenden Tarifverträgen und schließlich will man diesen Beschäftigten auch noch das Recht zur Gegenwehr drastisch einschränken.

Gerade vor dem Hintergrund, dass in den letzten Jahren wichtige Bereiche der Daseinsvorsorge vom Staat privatisiert wurden, ist es nicht hinnehmbar, dass nun die Beschäftigten in diesen Bereichen in dem Recht auf Arbeitskampfmaßnahmen zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen eingeschränkt werden sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hierbei wiederholt sich die Diskussion um Arbeitnehmerrechte, die wir im vorigen Jahr an gleicher Stelle geführt haben.

Zur Erinnerung: Seit Anfang des Jahres läuft die aktive Umstrukturierung der Post AG. Am Sitz jeder Niederlassung wurde eine sogenannte Delivery GmbH gegründet, in die Arbeitskräfte ausgelagert worden sind mit dem Ziel, zulasten der Beschäftigten die Unternehmensgewinne zu optimieren. Geködert wurde diese Verlagerung mit der Übernahme in unbefristete Verträge, allerdings perspektivisch mit 25 bis 30 % weniger Einkommen im Vergleich zu den Angestellten der Post AG.

Der Streik ist in jeder Gewerkschaft das letzte Mittel zur Durchsetzung von Tarifinteressen. Jahrelang haben sich die Gewerkschaften auf die Politik des Gürtel-enger-Schnallens eingelassen. Auch dadurch hinkt die Bezahlung in vielen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie in Kitas, in Kran

kenhäusern, bei den Feuerwehren, der Polizei usw., der Lohnentwicklung hinterher.

Eine Beschlussfassung zum genannten Antrag im Bundesrat würde nur dazu führen, dass die Gewerkschaften und ihre Tarifauseinandersetzungsfähigkeit weiter geschwächt werden sollen. Die tarifführenden Gewerkschaften würden nicht mehr selbständig, sondern nur mit freundlicher Genehmigung der Arbeitsgeberseite über den Umfang der Arbeitskampfmaßnahmen entscheiden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das hat nichts mehr mit Demokratie oder selbständigen Entscheidungen der Arbeitnehmer zu tun. Dazu zitiere ich gern eine mir recht gut bekannte Gewerkschafterin: „Hände weg vom Streikrecht!“.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir fordern daher die Landesregierung auf, die Entschließung im Bundesrat abzulehnen. Dies wäre ein wichtiges politisches Signal im Hinblick auf die Zukunft des Streikrechtes und der Tarifautonomie sowie auf die Mitbestimmung und letztlich die Umsetzung der Wirtschaftsdemokratie in Unternehmen, besonders in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel, für die Einbringung des Antrages. - Es wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Für den zuständigen Minister Herrn Bischoff spricht jetzt Frau Ministerin Kolb in Vertretung. Bitte schön, Frau Ministerin.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es passiert öfter im Bundesrat, dass die Bayern Anträge einbringen, bei denen man das Gefühl hat, dass sie versuchen, auf schwierige Frage relativ einfache Antworten zu finden. So auch auf die Frage: Wie kann man die von Streiks ausgehenden Belastungen begrenzen?

Offensichtlich sind die Streiks und insbesondere die damit verbundenen Ausfälle für die Wirtschaft der bayerischen Staatsregierung ein Dorn im Auge. Man kam bezüglich der Frage, was man tun könne, um die Folgen etwas abzumindern, auf die Idee, diese Bereiche kurzerhand zur Daseinsvorsorge zu erklären und zu argumentieren, dass durch solche Streiks die Versorgung der Bevölkerung gefährdet sei.

Damit das nicht geschieht, sollen obligatorische Schlichtungsverfahren eingeführt und Vereinbarungen zur Mindestversorgung getroffen werden. Ferner soll eine Ankündigungsfrist für Streiks von vier Tagen eingeführt werden. Dadurch würde - was

allerdings von der bayerischen Staatsregierung nicht erwähnt wurde - auch die Position der Gewerkschaften in der Tarifauseinandersetzung empfindlich geschwächt.

Deshalb darf ich hier im Namen des Sozialministers sagen, dass er das nicht befürwortet und er sich im Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik des Bundesrates bereits gegen diese Entschließung ausgesprochen hat. Das war auch nicht sonderlich schwer zu begründen - diesbezüglich bin ich als Justizministerin voll auf der Seite des Sozialministers -; denn das ist aus meiner Sicht verfassungsrechtlich sehr bedenklich, weil der Begriff der Daseinsvorsorge keineswegs legal definiert werden kann.

Gemeinhin fällt darunter die grundlegende Versorgung der Bevölkerung mit wesentlichen Gütern, Dienstleistungen durch den Staat oder von der öffentlichen Hand geförderte Organisationen. Mitunter wird hierbei auch von Existenzsicherung oder von zivilisatorischer Grundversorgung gesprochen. Als Felder der öffentlichen Daseinsvorsorge werden Aufgaben der Abfallbeseitigung, der Wasser- und der Energieversorgung sowie des öffentlichen Personennahverkehrs genannt.

Schwieriger wird es, Teile des Schienenverkehrs in den Begriff der Daseinsvorsorge einzubeziehen, insbesondere dann, wenn es um den für die Wirtschaft maßgeblichen Güterfernverkehr oder gar um den Luftverkehr geht. Diesbezüglich wird es sehr schwierig einzuschätzen sein, ob das tatsächlich Daseinsvorsorge sein soll. Insoweit sind die Dinge nicht immer bis ins letzte Detail durchdacht.

Diese Klarstellung ist schon deshalb von Bedeutung, weil sie zeigt, dass die eigentlich mit dem Antrag verfolgte Intention nicht umsetzbar ist. Das heißt, das, was als Begründung für diese Veränderung angeführt wird, wird durch die vorgeschlagene Veränderung nicht erreicht.

Letzten Endes würde das - wovon ich nicht ausgehe -, sofern der Antrag Bayerns eine Mehrheit im Bundesrat bekommen und zunächst dem Bundestag übermittelt würde, weil der Bundesrat nicht unmittelbar Recht schafft, eine eklatante Beschränkung des Streikrechtes bedeuten. Das fällt insbesondere deshalb ins Gewicht, weil es sich hierbei um ein verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut, die Koalitionsfreiheit, handelt. Da es sich um ein derart hohes Rechtsgut handelt, sind Beschränkungen nur im Ausnahmefall möglich.

Inwieweit mit dem im Juli dieses Jahres verabschiedeten Gesetz über die Tarifeinheit bereits Verbesserungen erreicht werden - weil mit diesem Tarifeinheitsgesetz in Zukunft der für einen Betrieb schon vor Jahren geltende Grundsatz „Ein Betrieb - ein Tarifvertrag“ wieder umgesetzt werden soll - und inwieweit dieses eventuell dazu führt, dass wir

in Zukunft weniger Streiks haben werden, bleibt abzuwarten.

Jedenfalls war dieses Gesetzesvorhaben auch dadurch geprägt, dass eine Befriedung des Streikgeschehens erreicht werden sollte. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Für die CDU spricht jetzt - -

(Herr Scharf, CDU, steht am Mikrofon)

- Entschuldigung, Herr Scharf hat eine Frage an Sie. Bitte, Herr Scharf.

Frau Ministerin, nach unserer Geschäftsordnung haben Sie für die Landesregierung zu sprechen. Mich interessiert eigentlich nur zweitrangig Ihre persönliche Meinung oder die Meinung des Ministers Bischoff. Welche Meinung hat denn die Landesregierung zu diesem Thema?

Es ist so, dass in den Ausschüssen des Bundesrates die Fachminister die Entscheidung treffen.

Im Landtag. Sie sprechen nicht im Bundesrat.

(Frau Hampel, SPD: Das verstehe ich jetzt aber nicht!)

Der Antrag zielt darauf ab, dass die Landesregierung im Bundesrat in einer bestimmten Art und Weise entscheiden soll. Diese Entscheidung steht noch nicht an, weil im Plenum darüber noch nicht abgestimmt worden ist.

Ich habe gerade versucht zu erläutern - das ist gängige Praxis; das sieht die Geschäftsordnung der Landesregierung so vor -, dass die Fachminister im Ausschuss rein fachlich votieren können. Insoweit habe ich hier nicht meine persönliche Meinung vorgetragen, sondern das Abstimmungsverhalten des Sozial- bzw. Arbeitsministers im zuständigen Ausschuss im Hinblick auf den bayerischen Antrag aufgezeigt.

(Zustimmung bei der SPD)

Dann darf ich also feststellen: Die Landesregierung selbst hat zu diesem Thema noch keine Meinung.

Wir entscheiden das, wenn es im Plenum des Bundesrates auf der Tagesordnung steht. Dann gibt es dazu eine Kabinettsentscheidung über das Stimmverhalten.

Vielen Dank für die Frage, vielen Dank für die Antwort. - Jetzt hat Kollege Rotter das Wort. Er spricht für die CDU-Fraktion. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag möchte die Fraktion DIE LINKE die Landesregierung auffordern, den Antrag des Freistaates Bayern zur Neuregelung des Streikrechts in Bereichen der Daseinsvorsorge im Bundesrat abzulehnen. Sie drängt dabei auf eine zügige Beratung und Entscheidung des Antrages in den Ausschüssen und im Plenum.

Sie befürchtet, dass eine Beschlussfassung zum bayerischen Antrag nur dazu führen würde, dass die Gewerkschaften und ihre Tarifauseinandersetzungsfähigkeit weiter geschwächt würden.

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Das stimmt ja auch!)

Streiks, die quasi nur mit Genehmigung der Arbeitgeberseite möglich wären, würden das verfassungsrechtlich geschützte Streikrecht untergraben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag sollte bekanntlich bereits in der letzten Sitzungsperiode des Hohen Hauses beraten werden. Damals war er auch noch aktuell und in der Stoßrichtung nachvollziehbar. Heute ist er das nicht mehr - zumindest aktuell.

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Also!)

Denn wie wir von Ministerin Kolb erfahren durften, hat sich Minister Bischoff bereits in der durchgeführten Beratung über den Antrag im Bundesratsausschuss dafür ausgesprochen, gegen die Entschließung zu votieren.

(Herr Grünert, DIE LINKE: Im Ausschuss!)

- Im Ausschuss. - Ich bin der Meinung, es war auch ganz gut so, dass er das so gemacht hat.

Entsprechende Beratungen haben meines Wissens auch in weiteren Ausschüssen stattgefunden. Alle diese Beratungen haben deutlich gemacht, dass im Bundesrat nicht ansatzweise der Hauch einer Chance für eine Mehrheit für diesen Antrag besteht.

Angesichts dieser Sachlage beabsichtigt dem Vernehmen nach der Freistaat Bayern nicht, diesen

Antrag erneut aufzurufen, sodass diese bayerische Initiative aus meiner persönlichen Sicht erfreulicherweise gescheitert ist. Daher bedarf es des vorliegenden Antrages der Fraktion DIE LINKE nicht. Aus der Sicht meiner Fraktion sollte daher der Antrag abgelehnt werden.