Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

Ich bitte darüber nachzudenken, das Angebot der Kantine zu nutzen, wenn es noch Gespräche zu

führen gibt. Der Geräuschpegel ist immer höher geworden. Ich bitte eine akustische Situation herzustellen, die ein aufmerksames Verfolgen dessen, was hier gesagt wird, ermöglicht.

Gebietsfremde Arten, Tiere und Pflanzen nutzen oft diese Überschneidungen, diese Lücken zwischen den Politikbereichen, so könnte man es sagen. Man darf das Thema nicht leichtfertig auf den Naturschutz reduzieren.

Im Bereich des Naturschutzes gelten invasive Arten weltweit als die nach der Habitatzerstörung größte Gefährdung für die biologische Vielfalt. Biologische Invasionen verursachen weltweit Kosten in Milliardenhöhe. Die Ausbreitung von Pflanzen und Tieren außerhalb ihres natürlichen Herkunftsgebietes ist ein brisantes Naturschutzthema. Es geht aber deutlich darüber hinaus. Ich möchte versuchen, Ihnen dies deutlich zu machen.

Neobiota an sich sind Tiere oder Pflanzen, die von der Natur aus nicht hier in Deutschland vorkommen, sondern zumeist durch den Einfluss des Menschen hier heimisch geworden sind. Ein schönes Beispiel, ein niedliches Beispiel mit seinen Auswirkungen kennen wir alle: der Waschbär. Aber es geht natürlich auch anders, zum Beispiel durch die Verschleppung von Pflanzensamen mit Handelsgütern oder von Larven mit Ballastwasser in Schiffen oder über Container. Der Asiatische Laubholzbockkäfer ist ein beredtes Beispiel, der noch immer den Baumbestand in Magdeburg bedroht.

In Europa gibt es ungefähr 12 000 gebietsfremde Arten; dabei wird davon ausgegangen, dass lediglich 10 bis 15 % als invasiv eingestuft werden. Die Globalisierung und der damit verbundene Handel, Verkehr und Tourismus sowie Klimaänderungen werden dieses Phänomen verstärken. Die meisten Neobiota sind also nicht invasiv und auch nicht potenziell invasiv. Sie sind auch nicht das Thema und das Problem. Die invasiven Arten sind es, die zu argen Problemen führen und das Ökosystem schädigen, die eine Gefährdung von Wirtschaftsgütern oder der Gesundheit des Menschen darstellen.

Der Riesenbärenklau, der vor einigen Jahrzehnten als Bienenweide probehalber hier eingeführt wurde, ist ein weiteres Beispiel, das mit großen Problemen auch in Teilen Sachsen-Anhalts behaftet ist. Er führt bei Hautkontakt zu Verbrennungen. Die Behandlungskosten in Deutschland werden auf über 1 Million € pro Jahr geschätzt und die Bekämpfungskosten sollen insgesamt das Zehnfache dessen übersteigen.

Auch Arten, für die das Land Sachsen-Anhalt eine besondere Verantwortung trägt, weil sie im Kern

gebiet vorkommen und stark gefährdet sind, können von Neobiota bedroht werden.

Dabei dürfen wir den Trend nicht nur beobachten, sondern wir müssen gemeinsam überlegen,

welche Maßnahmen wir einführen müssen.

Die Europäische Union hat sich des Themas bereits mit einer eigenen Verordnung angenommen. Wir werden diese in den nächsten Jahren schrittweise umsetzen müssen. Dabei geht es vor allem um Prävention. Wir wollen uns über den Stand der Umsetzung dieser Richtlinie berichten lassen, wir wollen aber auch eigene Akzente setzen. Wir wollen das Thema umfassend behandeln und nicht nur auf die im Naturschutzrecht genannten Arten beschränken.

Ein Landeskonzept soll nach Gefahrenpotenzialen und Schutzgütern unterscheiden. Wie schon beschrieben, schädigen invasive gebietsfremde Arten nicht nur die Biodiversität, sondern auch die Wirtschaft und die Gesundheit. Dabei geht es insbesondere auch um das Schutzgut Mensch. So verursachen zum Beispiel Ambrosia-Arten Allergien und Asthma. Allein die Kosten der klinischen Behandlung der durch die Beifuß-Ambrosie verursachten Allergien wird laut Umweltbundesamt deutschlandweit auf jährlich bis zu 50 Millionen € geschätzt.

Negative wirtschaftliche Auswirkungen gebietsfremder Arten gibt es natürlich auch in der Landwirtschaft, im Wald oder in der Wasserwirtschaft, wo das Vorkommen konkurrenzstarker Unkräuter oder Schädlinge entsprechende Schäden verursacht, die einen siebenstelligen Betrag erreichen sollen.

Neben der Ist-Analyse sind in einem solchen Konzept auch Wege aufzuzeigen, wie die zunehmende Verbreitung effizient eingedämmt werden kann. Es sollen vorbeugende Maßnahmen aufgelistet werden, genauso wie die konkrete Klärung von Zuständigkeiten in dieses Konzept einfließen soll. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass verschiedene Politikbereiche betroffen sind. Gleichzeitig sollen Fördermöglichkeiten bei Prävention und Eindämmung dargestellt werden.

Künftig muss schutzgut- und gefährdungszentriert noch stärker Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsarbeit sowie eine gezielte Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden unter konsequenter fachlicher Führung der zuständigen Behörden erfolgen, um den invasiven Arten entgegenzuwirken.

Den Bund wollen wir in seinen Forschungsaktivitäten zum Management und zur Weiterentwicklung der Listen der invasiven Arten unterstützen.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Es wird eine große Herausforderung für die Zukunft sein, gebietsfremde invasive Arten einzu

dämmen. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Dr. Aeikens.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stimme dem Einbringer darin zu: Die Ausbringung nicht heimischer Tiere und Pflanzen ist kein neues Thema, sondern eine Problematik, die in vielerlei Hinsicht in den vergangenen Jahren eine größere Bedeutung erlangt hat und der wir mehr Aufmerksamkeit schenken müssen.

Im Grunde beherbergt unsere Kulturlandschaft eine ganze Reihe von Arten, die in Mitteleuropa nicht heimisch sind. Einige dieser Arten wurden bewusst vom Menschen ausgebracht. Hierfür steht zum Beispiel die kanadische Goldrute, die einstmals als Zierpflanze eingebracht wurde und heute viele Brachen und Freiflächen besiedelt. Die meisten Arten sind jedoch auf anderen Wegen in unsere Landschaften gelangt. Oftmals ausgehend von den Importhäfen und Umladeplätzen drängen sie in unsere Landschaften.

Viele Arten fallen kaum auf und haben sich in unsere heimische Natur eingefügt. Es gibt darunter aber auch einige, die durch den Klimawandel, aber auch durch Landschaftsveränderungen zunehmend invasiv werden. Meist noch unauffällig, sind zum Beispiel in vielen Gewässern fremdländische Groß- und Kleinkrebse oder Muschelarten verbreitet, die erhebliche Konkurrenzpotenziale für einheimische Arten bergen.

Invasive gebietsfremde Arten wachsen und vermehren sich schnell oder ungehindert, weil im Gegensatz zu ihrer natürlichen Heimat natürliche Regulationsmechanismen oft nicht greifen. Insbesondere bei Pflanzenarten besteht die Gefahr, dass sie sich in kurzen Zeiträumen ausbreiten.

In gleicher Weise gilt das auch für viele fremdländische Tierarten, die Habitate einheimischer Arten besetzen oder zunehmend einheimische Arten bedrohen. Die bekanntesten Vertreter sind der Waschbär und der Marderhund; aber auch Nutria, Nerz und Nilgans fallen darunter. Ein Zurückdrängen der Neobiota ist oft nur mit großem finanziellen und personellen Aufwand möglich.

Inzwischen hat dieses Thema die EU erreicht. Am 1. Januar 2015 trat die Verordnung zu invasiven gebietsfremden Arten in Kraft. Zentraler Bestandteil ist eine Liste von Arten, die sich in einer frühen Phase der Ausbreitung befinden und sich besonders negativ auswirken. Gelistete Arten - das ist

ein Fortschritt - dürfen nicht mehr erworben, verkauft, verwendet, freigesetzt oder in die EU eingeführt werden. Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten zudem, Aktionspläne zur Bekämpfung bzw. für das Management dieser Arten aufzustellen und regelmäßig über die Ausbreitung und die Eindämmungsmaßnahmen zu berichten.

Die EU-Kommission hat im Frühjahr einen ersten Listenentwurf vorgelegt, der sich zurzeit noch im Abstimmungsprozess befindet. Im Zuge dessen wird das Bundesnaturschutzgesetz angepasst werden müssen. In Umsetzung der EU-Verordnung müssen bundesweite Vorschriften entwickelt und mit den bestehenden Vorschriften effektiv verknüpft werden.

Erste Entwürfe hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit inzwischen vorgelegt. Darüber wird zurzeit diskutiert. Es ist noch nicht entschieden worden, wann der Entwurf des Gesetzes den Ländern zur Anhörung zugeleitet wird. Die Landesregierung wird diese Initiativen begleiten und entsprechende Schritte ergreifen, um Gefährdungen von Ökosystemen, Biotopen und Arten entgegenzuwirken.

Der vorliegende Antrag greift all diese Erfordernisse auf. Ich finde es sehr begrüßenswert, dass die Regierungsfraktionen diesen wertvollen Antrag gestellt haben.

Auf einen Aspekt möchte ich noch hinweisen: Neben den für die heimische Biodiversität und den Naturhaushalt gefährlichen invasiven Arten gibt es auch solche, die im Zuge des Klimawandels durch hohe Vermehrungsraten oder ungezügeltes

Wachstum auffallen und gesundheitliche und allgemeine Gefährdungen verursachen. Ich denke dabei an den Riesenbärenklau oder die Beifuß-Ambrosie. Solche Arten sind von der EU-Verordnung nicht erfasst. Gleichwohl ergibt sich ein ähnlich großer Handlungsbedarf zu deren Zurückdrängung.

(Zustimmung von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Folgerichtig umfasst der vorliegende Antrag auch diese Arten.

Hinsichtlich der sehr komplexen Situation ist eine umfassende Konzeption und ein ressortübergreifendes Handeln die notwendige Konsequenz. Die Umsetzung der EU-Verordnung ist notwendig und wird uns alle fordern. Die Landesregierung wird über ihre weitere Arbeit zu dieser Thematik im Landtag gern berichten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Minister Aeikens. - Wir treten in die Aussprache ein. Als Erster spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Lüderitz.

Zuvor können wir auf der Besuchertribüne Gäste von der Jungen Union Sachsen-Anhalts im Haus begrüßen. Willkommen im Landtag!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, dieser Antrag kommt spät, aber er kommt hoffentlich nicht zu spät; das möchte ich voranstellen. Er macht auf ein leider vielfach unbeachtetes Problem aufmerksam, das so, wie es eben dargestellt wurde, für unser Land durchaus erheblich werden kann.

Fakt bleibt, dass die EU-Verordnung aus dem Jahr 2014 - auch das hat der Minister bereits gesagt-, die seit dem 1. Januar 2015 gilt, einen relativ engen Rahmen vorgibt. Das kann man vielleicht kritisieren, dies sollte man an dieser Stelle aber tunlichst unterlassen; denn sie ist in erster Linie präventiv angelegt und bietet den Mitgliedstaaten ein hohes Maß an Gestaltungsspielraum. Zudem trägt sie dazu bei, später teure Folgeschäden zu vermeiden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch dazu wurde bereits einiges gesagt.

Damit kommen wir bereits zu der speziellen Situation im Land Sachsen-Anhalt. Dazu habe ich vom Minister wiederum leider nichts Konkretes gehört. Er hat zwar darauf hingewiesen, dass wir einen sehr engen Zeitrahmen haben, um den Aktionsplan und das Überwachungssystem zu erstellen, anspruchsvoll ist dies aber vor allem, weil unsere finanziellen und personellen Möglichkeiten arg begrenzt sind.

Nun ist es so, dass wir, zumindest was die Neophyten, also die invasiven Pflanzen, betrifft, eine sehr gute Vorarbeit geleistet haben. Wir haben eine Truppe, die nennt sich Korina - Koordinierungsstelle invasive Neophyten in Schutzgebieten Sachsen-Anhalts - beim Ufo in Halle, die zumindest bis zum 31. Dezember 2015 mit einer Stelle besetzt ist, die aber nichts weiter machen kann, als die invasiven Pflanzen zu erfassen. Bis zum 30. September 2015 waren dort vier Kolleginnen und Kollegen beschäftigt, um auch die Dinge umzusetzen, die unter Buchstabe c des Koalitionsantrages richtigerweise dargestellt sind.

Um den anderen Teil, also die Neozoen, kümmert sich das LAU, das allerdings mehr recht als schlecht, weil die personelle Decke dort mehr als dünn ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Minister, ich hätte eine klare Ansage erwartet, wie es weitergeht. Die Hinhaltetaktik bei Korina ist für mich nach zweimaliger Verständigung im Umweltausschuss unverständlich. Korina könnte die

Landesaufgaben bei Neophyten mit vier Stellen de facto ausfüllen. Dazu brauchte es eine weitere ELER-Genehmigung, die noch immer aussteht. Jetzt gibt es eine erste Ansage, dass sie im ersten Halbjahr 2016 erfolgen könne, obwohl selbst in der EU-Verordnung eine EU-Förderung ausdrücklich ermöglicht wird.