Protokoll der Sitzung vom 07.05.2020

in eigener Sache entscheiden. Über jede Erhöhung der Diäten sollte deshalb öffentlich im Plenum diskutiert und beschlossen werden. Das sagte das Bundesverfassungsgericht. Das galt natürlich auch für die Landesparlamente, also auch für uns, Herr Borgwardt.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Genau dieser Verpflichtung - es ist eine Verpflichtung! -, die den Politikern vom Bundesverfassungsgericht auferlegt wurde, entziehen Sie sich,

(Zuruf)

wenn Sie solche Gesetze beschließen, wie sie aktuell gelten

(Zuruf)

und mit denen automatische Mechanismen eingebaut werden. Es ist eine Verpflichtung gewesen, der wir uns als Politiker entziehen. Wir sagen als AfD: Das muss beendet werden. Wir wollen Transparenz.

(Beifall - Zuruf)

Wir fordern die Rückkehr zu einem transparenten Verfahren mit einer öffentlichen Diskussion. Zur Gewährleistung - das haben wir formuliert - der Angemessenheit der Abgeordnetenentschädigung ist daher die vorherige Regelung wieder einzuführen, die vorsieht, dass über Diätenanpassungen auf der Grundlage von Empfehlungen einer unabhängigen Kommission debattiert und entschieden werden soll, und zwar jedes Jahr im Landtag selbst, damit auch die Bürger nachvollziehen können, wie wir alle das sehen.

Der aktuelle Mechanismus, um den es uns geht, sorgt dafür, dass Anpassungen jeweils zum 1. Juli jedes Jahres automatisch erfolgen - ganz ohne lästige Debatte, Herr Borgwardt. Genau das wollen wir eben nicht. Die bestehende Regelung im Abgeordnetengesetz sieht für die Bürger mit Recht so aus, als würden sich Politiker schamlos an der Staatskasse bedienen. Denn es gibt keine Debatte darüber. Es liegt an uns Abgeordneten selbst, diesem berechtigten Eindruck entgegenzuwirken.

Um das zu erreichen, gibt es nur eine einzige Möglichkeit, und zwar eine Änderung des Abgeordnetengesetzes und die Streichung der automatischen Anpassung der Diäten sowie der steuerfreien Aufwandskostenpauschale - oder wie sie sich nennt -, die derzeit übrigens bei 1 878,55 € liegt und auch jeweils am 1. Juli eines Jahres automatisch erhöht wird. Genau diese Gesetzesänderung bringt die AfD-Fraktion heute hier ein, weil wir eben nicht nur reden, sondern auch handeln.

Jeder Abgeordnete, der dieser Neuregelung sich verweigert - es haben sich ja schon die Ersten

hier aufgeregt -, zeigt damit glasklar, wofür er steht, nämlich für Intransparenz und aus meiner Sicht auch für Schamlosigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall)

Das sind harte Worte. Sie mögen vielleicht zu Recht darauf hinweisen, dass die Koppelung an die Entwicklung der Nominallöhne dazu führen kann, dass Diäten auch einmal sinken. Komisch ist nur, dass wir das bisher nie erlebt haben. Nun kommt entscheidend hinzu - vielleicht sollten Sie genau zuhören -, dass spätestens in dieser Phase, in der wir uns jetzt befinden, jedem klar sein muss, dass die aktuelle Regelung überhaupt nicht tragbar ist. Sie ist auch nicht vermittelbar. Warum ist das so, Herr Meister? - Das kann ich Ihnen sagen.

In Zeiten wie jetzt, in denen wir alle mitbekommen, dass wir uns in einem wirtschaftlichen Abschwung, in einer anbrechende Wirtschaftskrise befinden, die dafür sorgt, dass viele Menschen in der sogenannten Coronakrise mit Kurzarbeitergeld auskommen müssen, Hunderttausende in die Arbeitslosigkeit geschickt werden, viele Rentner mit Minirenten auskommen müssen, sollen zeitgleich die Diäten zum 1. Juli um 3,5 % steigen. Das ist genau das, was man keinem vermitteln kann. Mitten in der Krise steigen die Diäten. Das ist nicht vermittelbar und das muss beendet werden, Herr Meister. Darum geht es in dem Gesetzentwurf, den wir heute hier einbringen.

Erstmals - das habe ich gerade schon gesagt - würden ab 1. Juli die Diäten über 7 100 € brutto steigen. Das, meine Damen und Herren, ist nicht zu vermitteln. Aus diesem Grund müssen wir auch einmal handeln.

(Lachen)

- Darüber können Sie ruhig lachen. - Ich finde es nicht zum Lachen. Eigentlich müsste dieser Umstand, den ich gerade beschrieben habe, jedem von Ihnen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Aber offensichtlich ist das nicht so. Sie finden das alles noch zum Lachen.

In meinen Augen ist die aktuelle Regelung - ich habe ja gerade beschrieben, was passiert - schlicht unanständig; auch gegenüber unseren Bürgern. Sie hat mit Sparsamkeit und Solidarität nichts zu tun, werte Kollegen Sozialdemokraten. Sie pochen immer auf Solidarität in unserer Gesellschaft - ja, dann üben Sie die Solidarität einmal. Denn nach der Steigerung um 4,3 % im letzten Jahr kommt jetzt noch einmal eine Steigerung drauf. Aus meiner Sicht ist das völlig maßlos und überzogen. Aus diesem Grund sollten wir dem als Landtag jetzt einen Riegel vorschieben, meine Damen und Herren.

(Zustimmung)

Weil das so ist, sollten sich aus meiner Sicht - aber das muss jeder für sich entscheiden - alle Fraktionen unserer Forderung anschließen und die Entwicklung einfach stoppen. Das ist ganz einfach. Tun Sie das nicht, meine Damen und Herren, dann - seien Sie sich dessen bewusst - sorgen Sie auch dafür, dass die Politikverdrossenheit steigt und sich noch mehr Bürger von der Politik abwenden. Denn das, was ich gerade beschrieben habe, kann niemand verstehen und nachvollziehen.

Deshalb lautet mein Appell: Setzen Sie als Politik als Ganzes, parteiübergreifend, ein Signal als Zeichen nach draußen an die Bürger und stimmen Sie diesem Stopp der automatischen Erhöhung zu. Oder Sie bleiben in Ihrem Elfenbeinturm sitzen und kassieren weiterhin automatische Diätenerhöhungen. Diese beiden Optionen haben Sie. Das muss jeder für sich entscheiden.

Dann kommen wir - das ist vorhin schon in einem Zwischenruf gesagt worden - zu dieser Wohltäterkampagne, die Sie medienwirksam inszeniert haben, um einer Gesetzesänderung - das will ich deutlich betonen - zu entkommen. Ganz vornweg haben sich Frau Lüddemann von den GRÜNEN und Herr Borgwardt von der CDU als Fraktionsvorsitzende in den Medien geäußert.

Der freiwillige Verzicht, meine Damen und Herren Fraktionsvorsitzenden, auf eine Erhöhung für sechs, zehn oder zwölf Monate, also für bis zu einem Jahr, löst das Problem nicht - das müsste eigentlich jedem einleuchten -; denn das Geld wird dem Landeshaushalt trotzdem entzogen. Das wissen Sie natürlich auch. Was passiert danach? - Diese Frage muss man an dieser Stelle stellen. Danach kassieren Sie die Diäten einfach weiter. Auch das wissen Sie ganz genau. Das können wir nur ändern, indem wir das Gesetz entsprechend ändern.

Sie wissen natürlich auch ganz genau, dass sich dieser freiwillige Verzicht, während im Hintergrund die Steigerung weiterläuft, natürlich auf die Rentenansprüche auswirkt und dass die automatisch gestiegene Diät auch für mehr Übergangsgeld für Abgeordnete, die ausscheiden, sorgt. Ja, das haben Sie sich sehr raffiniert überlegt, könnte man meinen.

Wie ich das empfinde, das kann ich Ihnen sagen: Nach außen hin markieren Sie den edlen Spender,

(Zuruf)

der im Hintergrund weiter kassiert.

(Heiterkeit)

Das ist aus meiner Sicht ein Den-Bürger-an-derNase-Herumführen. Etwas anderes ist das nicht. Ihre Zusage - das war in der Kampagne in der Zeitung überall zu lesen, jeweils auf der ersten Seite der „Volksstimme“ und der „Mitteldeutschen Zeitung“ -, das Geld zu spenden, und die damit verbundene Ausrede, dass man dann keine Gesetzesänderung braucht, ist damit durchsichtig und durchschaubar. Ich denke, einige Bürger werden das sogar als hinterhältig bezeichnen; denn wie gesagt, im Hintergrund laufen die Erhöhungen ja weiter.

Denn was heißt das, was Sie vorschlagen? - Sie greifen in die Staatskasse und gehen mit dem Geld aus der Diätenerhöhung auf Wahlkampftour. Das heißt, der Wähler bezahlt Ihren Wahlkampf.

(Zurufe)

- Ja, natürlich. Etwas anderes bleibt doch am Ende nicht übrig, wenn Sie mit der Mehrheit alle anderen überstimmen.

(Zurufe)

- Passen Sie mal auf. Sie, Herr Borgwardt, haben sich vor der Landtagstür als der große Gönner aufgespielt, der den Rettungsdiensten Schutzmasken bringt. Dass Sie damit unfreiwillig darauf verwiesen haben, dass die Rettungskräfte offensichtlich unzureichend ausgestattet sind

(Beifall)

und die Regierung nicht für eine angemessene Ausstattung sorgt, lassen wir an dieser Stelle einmal weg. Fakt ist doch, dass dem Landeshaushalt dadurch kein einziger Cent erspart bleibt. Das ist doch der Punkt.

(Beifall - Zurufe)

Ich habe auf die späteren höheren Ansprüche hingewiesen. Auch das ist keine Ersparnis für den Landeshaushalt.

Fakt ist auch - weil Sie sich gerade so schön aufgeregt haben -, dass ab dem 1. April 2020 neue Regelungen für Spitzenpolitiker in Kraft traten. Auch das war Ihr Gesetz, Frau Dr. Pähle. Darunter war Ihre Unterschrift. Es gibt unter anderem die doppelte Diät für Spitzenfunktionäre wie Sie, also die Fraktionsvorsitzenden,

(Zurufe)

einschließlich der Rentenansprüche. Mitten in der Krise trat das in Kraft, was Sie hier eingebracht haben, übrigens getarnt als Parlamentsreform.

(Zurufe)

Dreister geht es wirklich nicht, Frau Dr. Pähle.

(Beifall)

Herr Borgwardt und Frau Lüddemann, Sie als Verkünder des großen Verzichts und der freiwilligen Spendenaktion, haben sich zum 1. April 2020 - ich habe es gerade gesagt - mit der Änderung des Abgeordnetengesetzes die Diät verdoppelt. Das schlägt natürlich in den Landeshaushalt ein. Ein paar Tage später stellen Sie sich in den Medien hin und spielen sich als Politiker auf, die verzichten wollen. Das ist aus meiner Sicht pure Heuchelei.

Am 1. Juli 2020 gibt es dann den nächsten Schluck aus der Pulle des Steuerzahlers. Ihre Erhöhung beträgt dann nicht 240 € wie für die normalen Abgeordneten, sondern 480 € im Monat. Alles geht zulasten der Steuerzahler. Dazu haben Sie sich dann auch noch - das kann man auch einmal sagen - zusätzlich 10 Cent pro Kilometer Fahrgeld gegönnt. Jeder Abgeordnete hat eine Bahncard 100 und kann kostenlos durch das Land fahren. Wenn Sie mit der Bahn zum Landtag kommen, dann bekommen sie zukünftig bei einer Entfernung von 100 km noch 10 € drauf. Wenn Sie zurückfahren, dann bekommen Sie noch einmal eine Entschädigung für 100 km.

(Zurufe: So ein Bullshit! - Mit dem Fahr- rad! - Weitere Zurufe)

- Ja, mit dem Fahrrad. Wo entsteht Ihnen denn ein Aufwand, wenn Sie mit dem Fahrrad kommen?

(Zurufe)