Protokoll der Sitzung vom 08.05.2020

Tagesordnungspunkt 3

a) Aktuelle Debatte

Der sozialen Spaltung durch die Coronakrise aktiv begegnen!

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6032

b) Beratung

Grundeinkommen für Soloselbstständige und Kleinunternehmer*innen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6019

c) Beratung

Versorgung mit Mittagessen für Kinder während der Pandemie sicherstellen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6020

d) Beratung

Studierende und Hochschulen in Coronazeiten nicht vergessen - Keine Konsolidierungsbeiträge, keine Langzeitgebühren,

Sozialfonds für Studierende auflegen

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6021

Die Redezeit je Fraktion beträgt 15 Minuten. Die Landesregierung hat ebenfalls eine Redezeit von 15 Minuten. Eine gesonderte Einbringung der Anträge ist nicht vorgesehen. Es wurde folgende Reihenfolge der Fraktionen vereinbart: DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU.

Zunächst hat die Antragstellerin, die Fraktion DIE LINKE, das Wort. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Abg. Herr Lippmann. Wenn ich das richtig sehe, teilt er sich die Redezeit mit Herrn Lange. Ist das so? - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Weg zurück zur Normalität aus der Zeit der Coronamaßnahmen erweist sich als lang und konfliktreich, wie uns die erste Debatte sehr anschaulich vor Augen geführt hat. Inzwischen wenden sich besonders betroffene Branchen und viele Menschen mit einer Flut von offenen Briefen und Hilferufen an uns Politiker.

Auch in dieser Krise gibt es, wie immer, nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner. Das zeigen Beispiele wie Amazon. Das zeigt aber vor allem auch das Kursfeuerwerk der letzten Wochen an den Finanzmärkten. Der Dax hat den Kurseinbruch vom Beginn der Pandemie bereits zur Hälfte wieder ausgeglichen und hat aktuell schon wieder das Niveau des Jahresbeginns 2019 erreicht, als von Corona keine Rede war.

An der Börse ist offenbar weiterhin mehr als genug Kapital unterwegs. Viele der Großen brauchen die Hilfe des Staates nicht, auch wenn sie wieder einmal am lautesten danach rufen. Es darf in dieser Situation keinen weiteren Transfer von Steuergeldern in die Dividenden von Aktionären geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zustimmung)

Wir sehen die Aufgabe der Politik darin, dem sozialen Auseinanderdriften der Gesellschaft aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit von den Coronamaßnahmen aktiv entgegenzuwirken. Wir wollen ohne Wenn und Aber diejenigen unterstützen, die unter den Auswirkungen der Schutzmaßnahmen tatsächlich leiden und Schaden nehmen. Unsere drei Anträge zeigen dabei das breite gesellschaftliche Spektrum derjenigen, deren persönliche Betroffenheit zu wenig im Fokus des Regierungshandelns steht.

Hier droht unserer Gesellschaft durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie eine Verstärkung der sozialen Spaltung; denn im Gegensatz zu den Rettungsschirmen für die Wirtschaft ist die Unterstützung für bestimmte Bevölkerungsgruppen unzureichend und lückenhaft. So werden Soloselbstständige und Kleinunternehmer bisher trotz massiver Belastungen durch die Coronamaßnahmen kaum unterstützt.

Vor allem Unternehmer und Beschäftigte in der Gastronomie sowie in der Hotel- und Reisebranche sind in ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit massiv eingeschränkt. In vielen weiteren Berufsgruppen,

ob bei Dozentinnen oder Dozenten, Betreibern von Freizeiteinrichtungen und vielen anderen, ist die Situation vergleichbar.

Auch eine große Zahl von Kreativen sowie von Künstlerinnen und Künstlern ist betroffen. Die ihnen bisher gewährte einmalige Unterstützung von 400 €, die auch noch an eine Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse gebunden wird, ist ein wirklich kümmerliches Angebot im Vergleich zu den Regelungen in anderen Ländern.

(Beifall)

Für einen angemessenen Ausgleich der finanziellen Ausfälle ist diese einmalige Summe viel zu niedrig. Außerdem fallen viele Künstlerinnen und Künstler komplett durch das Netz, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht Mitglied in der Künstlersozialkasse sind. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine wirkliche Hilfe.

(Beifall)

Wir fordern für alle Soloselbstständigen und Kleinunternehmer ein Grundeinkommen von 1 000 € monatlich.

(Beifall)

Wir wissen, dass der Wirtschaftsminister diesbezüglich bereits 1 200 € gefordert hat;

(Zuruf)

allerdings nicht aus der Landeskasse, sondern vom Bund. Doch dort verhallt diese Forderung ungehört. Für die Betroffenen, lieber Herr Willingmann, sind am Ende 1 000 € vom Land, die tatsächlich fließen, mehr als 1 200 € auf dem Wunschzettel für den Bund, die nicht kommen werden. Wir müssen handeln und nicht nur versprechen.

(Beifall)

Dieses Grundeinkommen soll unabhängig von den verschiedenen Tätigkeitsfeldern ab jetzt, ab Mai 2020, für jeden Monat gezahlt werden, in dem diese Menschen aufgrund der Verlängerung von Maßnahmen des Landes in ihrer Geschäftstätigkeit derart eingeschränkt werden, dass sie daraus ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können. Es soll ohne Vermögenserhebung und ohne Anrechnung auf andere Einkommensarten gezahlt werden. Diese Hilfe zum Lebensunterhalt muss schnell, unbürokratisch und vollständig bei den Menschen ankommen.

(Beifall)

Auch für Studierende, die ihr Studium und ihren Lebensunterhalt durch Nebenjobs finanzieren müssen, haben die Coronamaßnahmen gravierende soziale Folgen. Ihnen fehlt jetzt diese ökonomische Basis, weil die meisten Nebenjobs, wie viele andere Dinge, weggefallen sind. Dadurch

kann der erfolgreiche Abschluss des Studiums für diese Studierenden gefährdet sein.

Das unwürdige Gezerre um die Hilfen für Studierende muss beendet werden. Statt die Studierenden in die Verschuldung zu treiben, wie es Frau Karliczek vorschlägt, fordern wir einen zusätzlichen Sozialfonds des Landes.

(Zustimmung)

Dieser soll durch die Studentenwerke verwaltet werden und daraus sollen für hilfebedürftige Studierende monatlich eine Unterstützung in Höhe von 450 € und ein Zuschuss zur Krankenkasse gezahlt werden.

(Beifall)

Darüber hinaus ist es für uns selbstverständlich, dass in der derzeitigen Situation durch die Hochschulen keine Langzeitstudiengebühren mehr erhoben werden, zumal wir diese gestern ohnehin ab dem kommenden Wintersemester gänzlich abgeschafft haben.

(Beifall)

Letztlich beantragen wir heute, Familien direkt zu unterstützen, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket einen Anspruch auf die Finanzierung einer Mittagsversorgung in Kindertageseinrichtungen und Schulen haben. Während der Schließung der Einrichtungen geraten viele anspruchsberechtigte Familien aufgrund des Wegfalls dieser Leistung zusätzlich in finanzielle Schwierigkeiten.

Es ist eine absurde Idee, das Essen an die betroffenen Familien ausliefern zu lassen, wie es das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorschlägt. Der logistische Aufwand ist viel zu hoch. Außerdem entstehen erhebliche Zusatzkosten für die Auslieferung, die bezeichnenderweise der Bund auch nicht tragen würde. Wie immer steckt dahinter das Misstrauen, das Geld würde sonst nicht bei den Kindern ankommen, obwohl schon mehrfach aufgezeigt wurde, dass diese Vorurteile nicht zutreffen.

(Beifall)

Die vorhandenen Mittel sollen deshalb direkt an die Familien ausgezahlt und selbstverständlich nicht auf andere Leistungen angerechnet werden.

Um die Folgen der Krisenmaßnahmen heute und auch künftig zu bewältigen und die soziale Spaltung der Gesellschaft nicht weiter zu vertiefen, sind diese und weitere Hilfsprogramme erforderlich. An den Fragen, was das alles kosten darf, für wen die Mittel eingesetzt werden und wer es am Ende bezahlen wird, liebe Kolleginnen und Kollegen, entscheidet sich letztlich, welche Haltung man zu Solidarität, zu sozialem Ausgleich und zu gesellschaftlicher Stabilität einnimmt.

(Beifall)

Um den aufgrund der Krise entstandenen enormen zusätzlichen Finanzbedarf decken zu können, dürfen die Steuern auf keinen Fall gesenkt werden; jedenfalls nicht, ohne dafür an anderer Stelle einen Ausgleich zu schaffen. Wenn wir auf den größten Wirtschaftseinbruch seit dem Zweiten Weltkrieg zusteuern sollten, dann muss Kapital an den Finanzmärkten mobilisiert werden, um es für den realen Bedarf der Menschen und für den Erhalt von Arbeitsplätzen und unternehmerischen Strukturen einzusetzen. Eine Sonderabgabe auf große Vermögen bleibt das Gebot der Stunde, und nicht die Anhäufung weiterer öffentlicher Schulden, liebe Kolleginnen und Kollegen.