Protokoll der Sitzung vom 12.06.2020

(Beifall)

Die Vorgänge um die Giftschlammgrube Brüchau stehen da übrigens nicht allein. Auch die Vorgänge um die Bergbauanlage Teutschenthal sind hierfür bezeichnend. Der dortige Betreiber hätte zum Beispiel bereits Ende 2007 entsprechend den festgelegten immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen des Landesamtes für Geologie und Bergwesen eine Halle für bestimmte immissionsschutzrechtlich relevante Stoffe errichten müssen. Doch diese entstand nie und die stinkenden, in Teilen gefährlichen Stoffe wurden lange Zeit in einem Freilager, also offen, abgelagert.

Das LAGB ist über viele Jahre nicht gegen den Weiterbetrieb des Freilagers eingeschritten, obwohl offensichtlich war, dass die Lagerhalle entsprechend den vorgegebenen rechtlichen Auflagen durch die Betreiberfirma nicht gebaut wurde.

(Beifall)

Auch in Brüchau wurde bis 2012 immer weiter eingelagert; eigentlich muss man sagen: immer weiter eingekippt.

Immer wieder gab es Untersuchungen und Gutachten zur Giftmüllgrube, natürlich mit Genehmigung und unter Aufsicht des LAGB, aber auch in Verantwortung vorangegangener Landesregierungen, Wirtschafts- und Umweltministerien. Nie ist man wirklich tiefgreifend den Hinweisen von Bürgerinnen und Bürgern, ehemaligen Beschäftigten und den anliegenden Kommunen nachgegangen.

Mir stellen sich dabei übrigens viele Fragen, aber hauptsächlich eine: Warum wurde bei den vorangegangenen Untersuchungen gerade die Prüfung der Dichtheit der Grube, wie es jetzt endlich einmal getan wurde, nie in Betracht gezogen, geschweige denn so durchgeführt?

Scheinbar gibt es dabei schon seit vielen Jahren Abläufe, zum Beispiel innerhalb des LAGB, die definitiv noch tiefgreifender zu hinterfragen sind. Haben wir da irgendwie einen Staat im Staate? Machen die, was sie wollen, was angenehm ist oder was in die Doktrin passt? Werden die durch niemanden kontrolliert? Warum haben vorangegangene Wirtschafts- und Umweltministerien

diese Dinge ignoriert oder nicht zur Kenntnis genommen und nicht entsprechend zum Wohle bzw. der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger gehandelt?

Ein weiteres Beispiel zur Arbeitsweise des LAGB und vorangegangener Landesregierungen und ihrer verantwortlichen Institutionen sind die Vorgänge um illegal abgelagerten Müll in Tongruben im Jerichower Land.

Einige Landtagsabgeordnete unter Ihnen werden sich sicher noch daran erinnern: Im Jahre 2008 gab es dazu einen Untersuchungsausschuss, um eine mögliche Verantwortung von Ministerien und anderen Behörden für diesen Skandal aufzuklären. Auch der damalige Arbeits- und Wirtschaftsminister Reiner Haseloff musste dort aussagen und hat das alles irgendwie gar nicht so richtig mitbekommen oder gewusst.

Das zuständige Landesamt für Bergbau und Geologie hat nunmehr bereits bis Ende 2019 fast 25 Millionen € ausgegeben, um die von den Tongruben ausgehenden Umweltgefahren zu bannen. - Steuergelder übrigens, meine Damen und Herren.

Auch hier die Frage: Wer hat da tief und fest geschlafen oder zumindest beide Augen sehr lange und intensiv zugedrückt?

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen eben kurz dargelegt, dass alles im Umwelt- und Abfallbereich in Sachsen-Anhalt nicht funktioniert. Mit dem Endbericht zur Giftschlammgrube Brüchau steht aus unserer Sicht auch fest, dass die behördliche Überwachung über Jahrzehnte in Teilen

versagt bzw. zumindest ein deutliches Kompetenzproblem hat

(Beifall)

und dass gerade das Wirtschafts- sowie das Umweltministerium als Fach- und Rechtsaufsichtsbehörde nicht in der Lage waren, diesen Umstand zu erkennen und abzustellen.

Der Grundsatz, die Überwachung von umweltgefährdenden Stoffen oder auch von Abfallströmen den Betreibern zu überlassen, ist ganz offensichtlich nicht in der Lage, Gefahren für Mensch und Umwelt zu verhüten.

Was sich ändern muss, ist die Arbeit des LAGB. Dieses muss erkennen, dass es nicht ausreicht, die von den Betreibern gelieferten Papiere allenfalls auf Plausibilität zu prüfen und dann abzuheften. Hier muss wieder mehr selbst untersucht werden, selbst gehandelt und, ja, auch Verantwortung übernommen werden.

Im Endbericht legt man sich leider noch nicht auf eine Komplettentsorgung der Giftmüllgrube fest, sondern es werden mehrere Varianten in Betracht gezogen. Dabei drängt sich einem schon wieder ganz stark der Eindruck auf, dass mal wieder das gemacht wird, was mit Blick auf den „Bergbau“ bzw. bei der Behandlung von Umweltschäden in der Vergangenheit hier im Lande eigentlich immer gemacht wurde, nämlich auf Zeit zu fahren. Insbesondere zu verzögern oder auf Zeit zu fahren sind aber nun absolut keine Lösungen mehr und waren es auch nie.

Leider passiert dies aber immer noch; denn wenn Sie unserem Antrag im Juni 2019 gefolgt wären, dann hätten Sie bereits ein Handlungs- und Entsorgungskonzept inklusive nachvollziehbarer Zeitpläne für die vollständige Entsorgung und eine umfassende, verantwortbare und sicherheitsorientierte Gefahrenbeurteilung erarbeitet und vorgestellt. Genau das, was wir letztes Jahr gefordert haben, wird jetzt im Endbericht aufgeworfen.

Auch die Klärung möglicher Entsorgungswege hätte schon abgeschlossen sein können und man hätte sich bereits mit entsprechenden Spezialfirmen austauschen können sowie Erfahrungen im Zusammenhang mit der Entsorgung solcher Gifte sammeln können. Leider ist auch insoweit nichts passiert.

Wir hoffen, dass sich jetzt aufgrund der Ergebnisse des Endberichtes die Geschwindigkeit drastisch erhöht und die Bürgerinnen und Bürger in und um Brüchau noch zu Lebzeiten erleben werden, dass die Giftmüllgrube endgültig und vollständig entsorgt wird.

(Lebhafter Beifall)

Was ist aber letztendlich übrig geblieben? Neben dem Umweltschaden gibt es auch einen riesigen gesellschaftlichen Schaden. Die Bürgerinnen und Bürger haben das Vertrauen in Regierungsinstitutionen verloren. Sie glauben schon lange keinen Aussagen von Politikern, Ministern und auch Betreiberfirmen mehr - und das leider nach vielen Skandalen und Vorkommnissen in Sachsen-Anhalt sogar mit Recht und nachvollziehbar.

Jetzt, meine Damen und Herren, haben Sie die Möglichkeit, einen ersten großen Schritt zu gehen und hier festzulegen bzw. darüber abzustimmen, dass die Giftmüllgrube in Brüchau komplett fachgerecht sicher entsorgt und der gesamte Bereich renaturiert wird.

Vielleicht erleben wir Altmärker es tatsächlich noch, dass sich die Umgebung der Giftschlammgrube zu einem wunderschönen, natürlichen altmärkischen Kleinod entwickelt und sich so in das Gesamtgefüge der touristischen Erschließungen der schönen Altmark einfügt. Unsere nachfolgenden Generationen werden es uns sicher danken. - Und ich danke Ihnen.

(Starker Beifall)

Vielen Dank für die Einbringung. - Ich habe zwei Wortmeldungen, und zwar zuerst Abg. Herr Schumann und danach Abg. Herr Lieschke. - Bitte, Herr Schumann, Sie haben das Wort.

Herr Abgeordneter, wir sind uns sicherlich darin einig, dass endlich etwas passieren muss. Auch wir bedauern es, dass so lange nichts Konkretes passiert ist. Dass jetzt endlich Druck entsteht und etwas passiert, ist sehr in Ordnung.

Aber wenn Sie hier Kritik an unserem Ex-Wirtschaftsminister und jetzigen Ministerpräsidenten üben, dann muss ich Ihnen sagen: Auch Ihre Partei hat acht Jahre lang Regierungsverantwortung getragen.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Nein, das stimmt nicht! - Weitere Zurufe)

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Herr Schumann, dazu gibt es ein Gerichtsurteil! Das sollten Sie lesen!)

- Ja, genau. Aber die Verantwortung war trotzdem dabei.

(Zuruf)

Herr Höppner, Sie haben jetzt das Wort.

Es wurde ja schon in den Raum geworfen: Ich wüsste nicht, dass die LINKE hier in Sachsen-Anhalt irgendwann einmal ein Ministerium geführt oder in direkter Verantwortung gestanden hätte.

Wir weisen schon seit Jahrzehnten auf das hin, was dort läuft, und sind an diesen Sachen dran. Das ist ein großes Problem.

(Unruhe - Zuruf: Nicht immer! - Weitere Zu- rufe)

Hätten wir Verantwortung gehabt, hätten wir früher reagieren können. Leider reichte es nicht zur Mehrheit. Vielleicht ändert sich dies im nächsten Jahr, sodass wir die Dinge beschleunigen können.

(Beifall - Zuruf von Daniel Roi, AfD - Weite- re Zurufe)

Herr Abg. Lieschke hat jetzt die Möglichkeit, seine Frage zu stellen. - Sie haben das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter.

Ich möchte hier die Legendenbildung beenden, wie es vielleicht Herr Borgwardt sagen würde. Sie haben den Antrag aus dem Jahr 2019 erwähnt, mit dem Sie die Auskofferung beantragt haben. Ihnen ist schon klar, dass Sie den Text von uns abgeschrieben und ein paar Wörtchen geändert haben, um unserem Antrag nicht folgen zu können?

(Widerspruch)

Dies nur, damit Sie aufhören mit dieser Legende, hier zu sagen: Wir waren die Ersten. Das stimmt so einfach nicht.

(Zurufe)

Danke schön.

(Beifall)

Sie können darauf erwidern, müssen es aber nicht. Aber ich denke, das wollen sie.