Protokoll der Sitzung vom 08.07.2020

Das Heilsversprechen der Inklusion nimmt die Eltern in Komplizenschaft, indem es ihnen suggeriert, die Behinderung ihres Kindes sei aufgehoben, wenn es eine normale Schule besucht. Das behinderte Kind ist nicht abgesondert in Sonderschulen, also nicht negativ selektiert, sondern normal wie alle anderen. Förderschulen machen die Behinderung sichtbar, die Regelschulen unsichtbar - so einfach, beinahe zauberhaft, nur durch Zuordnung zu einer Institution.

Ähnlich wie bei der Genderpolitik wirkt im Inklusionsgedanken ein gefährlicher Konstruktivismus. Nehmen wir Parolen wie: Man ist nicht behindert, man wird behindert. Es wird so getan, als müsse man nur die Gesellschaft ändern und schon gebe es keine Behinderten und keine Behinderung mehr.

Natürlich ist die Art und Weise, wie Kulturen mit Behinderungen umgehen, ein wandelbares soziales Konstrukt. Das heißt aber nicht, dass dieses Konstrukt keine Fundierung in der Wirklichkeit hätte. Jedes soziale Konstrukt ist in der Wirklichkeit fundiert.

Damit aber kommen wir der Sache langsam näher. Sie wollen den Behinderten gar nichts Gutes. Worum es Ihnen geht, ist: Sie wollen ge

sellschaftliche Konstrukte aufbrechen. Sie wollen eine andere Gesellschaft. Sie wollen einen anderen Menschen und missbrauchen dafür die Behinderten als Hebel und Rammbock. Ihnen geht es darum, der Gesellschaft die Differenzierung zwischen dem, was normal ist, und dem, was nicht normal ist, zwischen dem, was Maßstäbe erfüllt, und dem, was Maßstäbe nicht erfüllt, zwischen der Leistung und der Minderleistung abzuerziehen, damit Sie in einer derart destabilisierten, dekonstruierten, mutlosen und entkernten Gesellschaft machen können, was Sie wollen.

Besonders gefährlich ist das Geschwätz, man müsse behinderten Kindern einen regulären Schulabschluss ermöglichen. Wenn sie intellektuell nicht in der Lage sind, einen solchen Schulabschluss zu erlangen, kann dieses Ziel doch nur erreicht werden, indem die Anforderungen herabgesetzt werden. Dadurch aber wird unser gesamtes Bildungssystem kaskadenweise abgewertet.

Wenn der Hauptschulabschluss so weit erleichtert wird, dass ihn auch Intelligenzgeminderte erreichen, werden die, die heute einen guten Hauptschulabschluss machen, morgen einen Realschulabschluss machen usw. usf. Die Abwertungsspirale dreht sich durch das ganze Schulsystem bis in die Universität hinein. Der Inklusionsgedanke wirkt als ein weiterer Schrittmacher der Krise unseres Bildungssystems, einer Krise, die darin besteht, dass das Leistungsniveau schon seit Jahrzehnten kontinuierlich absinkt.

Das könnte ich jetzt für die Überleitung zu unserem zweiten Antrag nutzen, mit dem wir der Regierung untersagen wollen, die Unterrichtsstunden in den Kernfächern zu kürzen. Eigentlich hat das andere kaum etwas mit diesem Thema zu tun. Trotzdem wurden beide Anträge vom Ältestenrat in einer Debatte zusammengefasst. Bei manchen Entscheidungen dieses sogenannten Ältestenrats denkt man sich doch, dass er seinem Namen alle Ehre macht, allerdings nicht im Sinne der Altersweisheit, sondern eher im Sinne der Senilität und des Altersstarrsinns.

Wir alle wissen: Es gibt aktuell zu wenig ausgebildete Lehrer. Wir alle wissen auch, sie sind nicht kurzfristig zu beschaffen. Bis aus einem Studienanfänger ein Lehrer wird, dauert es fünf bis sechs Jahre. In einer solchen Situation ist es nicht abwegig, Unterrichtsstunden zu kürzen. Es ist in jedem Fall besser und ehrlicher, als dass die Stunden auf dem Papier stehenbleiben, dann aber ausfallen.

Die LINKEN hatten nun den wirklich ausnehmend genialen Einfall, die Lehrerzahl auf dem Papier zu erhöhen, damit die Unterrichtsstunden auf dem Papier stehen bleiben können, haben diesen genialen Einfall zu Papier gebracht und als Antrag eingereicht. Da wir, die AfD, uns nicht damit zu

friedengeben, irgendetwas auf dem Papier zu regeln, lassen wir dieses Papier der LINKEN das sein, was es ist, und halten uns damit nicht länger auf.

Wenn Lehrer fehlen, kann schon über die Streichung von Unterricht nachgedacht werden, allerdings - da verstehen wir die Regierung beim besten Willen nicht - sollte dann doch bei den weniger wichtigen Fächern gekürzt werden, also nicht bei den Fächern, die man zu Recht als Kernfächer anspricht, sondern bei den Nebenfächern. In einer solchen Situation bei den Kernfächern anzusetzen, das ist in etwa so, als würde eine Familie, die sparen muss, weil der Vater seine Arbeit verloren hat, das Budget für Essen, Kleidung und Hygieneartikel kürzen, während die Mitgliedschaft im Golfklub unangetastet bleibt.

(Beifall)

Wenn wir kürzen müssen, dann doch bitte beim Luxus, und erhalten wir das, was essenziell ist. Deutsch und Mathematik als die Kernfächer der Kernfächer sollten absolut tabu sein. Deutsch und Mathematik vermitteln die Grundkompetenzen für alles andere, für die Lebenspraxis, für Ausbildung, Beruf und Studium. Nach Deutsch und Mathematik folgen die Fremdsprachen und die Naturwissenschaften, die für das Leben in unserer modernen Welt immer noch so bedeutend sind, dass auch hierbei nicht gekürzt werden sollte.

Schließlich kommen Fächer wie Kunst, Musik, Religion, Ethik, Politik und Geschichte, die sicherlich sinnvoll sind, bei denen aber in einer extremen Lehrermangelsituation Kürzungen vertretbar sind.

Das Ministerium hat nun aber angekündigt, beim wichtigsten, also bei der Grundlage und der Wurzel nicht nur der Schulbildung, sondern der Kultur überhaupt, bei Mathematik und Deutsch, zu kürzen und sodann bei den Naturwissenschaften. „Heilige Einfalt“ will man da ausrufen. Sie haben es geschafft, Herr Minister. Nach dieser Ankündigung kann Ihnen niemand mehr verweigern, Aufnahme in die Geschichten der Schildbürger zu finden.

Eine Grundschullehrerin, die ich nicht mit Namen nennen will, hat darüber den Kopf geschüttelt und gemeint, die Landesregierung hätte besser bei den drei großen „T“ - Tuschen, Trällern, Turnen - ansetzen sollen, also Kunst, Sport und Musik. Ohne großen Schaden können auch Sozialkunde-, Ethik- und Religionsstunden gekürzt werden; dienen diese Fächer doch mehr und mehr der Indoktrination der Schüler im Sinne des herrschenden linksliberalen Mainstreams.

(Zustimmung)

Wie dem auch sei: Es gibt eine Fülle an Fächern, die weniger wichtig sind als Deutsch und Mathe

matik. Angesichts des Bedarfs an Naturwissenschaftlern und der geringen Neigung der Studienanfänger zu naturwissenschaftlichen Fächern sollten auch die Naturwissenschaften tabu sein.

Ich appelliere an die Restvernunft im Ministerium. Wenn Sie kürzen müssen, dann kürzen Sie bitte bei den weniger wichtigen Fächern und lassen Sie den Kern unseres Fächerkanons unangetastet. Ich hoffe auf einen klaren Moment. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Ich beantrage jetzt schon die Überweisung sowohl unseres Gesetzentwurfes als auch unseres Antrages in den Ausschuss.

Es gibt dazu keine Wortmeldungen. Herr Tillschneider, ich will als Mitglied des von Ihnen gescholtenen Ältestenrates nur sagen: Wenn Sie Ihrem eigenen Fraktionsvorsitzenden und parlamentarischem Geschäftsführer sozusagen Altersstarrsinn unterstellen, dann können Sie das gern machen. Das würde mich nichts angehen. Wenn Sie das allerdings hier von diesem Pult aus machen und damit alle Ältestenratsmitglieder in die Nähe von psychischen Erkrankungen rücken, dann würde ich das deutlich zurückweisen, Herr Tillschneider. Sie machen sich damit auch in Zukunft keine Freunde, übrigens auch nicht bei mir. - Danke.

(Beifall)

Wir fahren fort. Wir haben als Nächsten als Einbringer für den Antrag der Fraktion DIE LINKE den Abg. Herrn Lippmann. Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von unserem Bildungsminister sind wir inzwischen einiges an Überraschungen und auch an Negativschlagzeilen gewohnt. Aber dass er sich zum Ende seiner Amtszeit nun doch noch einmal die Sekundarschulen und die Gemeinschaftsschulen vorknöpft und sie erneut zur Ader lässt, das schlägt dem Fass wirklich den Boden aus.

(Zustimmung - Zuruf: Absolute Schande!)

Zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit soll die Lehrerzuweisung für diese Schulen um 5 % gekürzt werden. Der Minister versucht, sich damit herauszureden, er habe eben die Lehrkräfte nicht und so wolle er auch keine Potemkinschen Dörfer bauen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Mit der Absenkung der Bedarfszuweisungen gaukelt er der Öffentlichkeit zum wiederholten Mal eine Unterrichtsversorgung vor, die es tatsächlich gar nicht gibt.

Das, Herr Minister, bezeichnet man als ein Potemkinsches Dorf;

(Zustimmung)

denn Sie wollen damit lediglich verhindern, dass kurz vor der nächsten Wahl das erste Mal in der Geschichte des Landes die Unterrichtsversorgung für ganze Schulformen unter die 90%-Grenze sinkt, dass vorn eine Acht steht. Sie wollen wieder mit diesem Taschenspielertrick die Unterrichtsversorgung auf dem Papier aufhübschen.

Die bittere Realität aber ist, dass der Lehrkräfteeinsatz an den Sekundarschulen und den Gemeinschaftsschulen seit dem Schuljahr 2013/2014 um fast 25 % gesunken ist. In diesen sieben Jahren ist die Schülerzahl an diesen Schulformen um mehr als 12 % gestiegen, während gleichzeitig der erteilte Unterricht um fast 12 % gesunken ist.

Minister Tullner verwüstet diese Schulformen

(Zustimmung - Zurufe)

und sagt dann den Lehrkräften, den Eltern sowie den Schülerinnen und Schülern, dass sie sich in dieser Wüstung einrichten sollen. Denn mit der Kürzung der Zuweisung bekennt er nicht nur, dass er nicht in der Lage ist, die erforderlichen Lehrkräfte zu finden, er sagt den Schülerinnen und Schülern sowie ihren Eltern auch, dass sie diese Lehrkräfte gar nicht brauchen und deshalb auch künftig nicht mehr bekommen werden.

Das verbindliche Unterrichtsangebot wird mit dem jetzigen Organisationserlass so drastisch eingeschränkt, wie es bisher undenkbar war. Die Wahlpflichtkurse und damit faktisch auch die zweite Fremdsprache fallen komplett weg. Musik oder Kunst soll ab der 7. Klasse abgewählt werden. In den Kernfächern, in den Naturwissenschaften sowie in den Profilfächern Wirtschaft und Technik soll sich der Unterricht im Umfang von durchschnittlich fünf Stunden in der Woche nur noch nach den Möglichkeiten der einzelnen Schulen richten, ohne einen verlässlichen Anspruch auf konkrete Unterrichtsinhalte.

Das, Herr Minister, was künftig an unseren Sekundarschulen und den Gemeinschaftsschulen noch übrig bleibt, ist keine Allgemeinbildung mehr. Sie sind der Totengräber unseres Schulsystems.

(Zustimmung)

Noch vor fünf Jahren lag Sachsen-Anhalt mit seinem Unterrichtsangebot in den Schulen der Sekundarstufe I mit an der Spitze aller Bundesländer. Seitdem hat Sachsen-Anhalt den größten Einbruch bei der Lehrkräfteversorgung zu verzeichnen und war bereits im letzten Schuljahr ins untere Drittel abgerutscht. Mit den Einschnitten zum kommenden Schuljahr wird Sachsen-Anhalt die rote Laterne aller Bundesländer übernehmen.

Damit wiederholt sich an den Sekundar- und an den Gemeinschaftsschulen die gleiche Entwicklung, die schon zwei Jahre zuvor an den Grundschulen eingeleitet wurde. Hier haben wir inzwischen die rote Laterne übernommen.

CDU und SPD haben in der Vergangenheit ganze Arbeit geleistet. Mit Ausnahme der Gymnasien ist Sachsen-Anhalts Schulsystem in allen anderen Schulformen zur Resterampe verkommen. Seit Ministerpräsident Haseloff die Landesregierung führt, wurde das einstmals gute Schulsystem des Landes unaufhaltsam ruiniert. Er hat sich nie wirklich dafür interessiert, was mit unseren Schulen und der Unterrichtsversorgung passiert. Er hat die vielfältigen Proteste gegen die Personalpolitik seiner Finanz- und Bildungsminister schlicht an sich abprallen lassen.

(Zuruf: Und ist mal wieder nicht da!)

Das nenne ich kollektives Versagen,

(Zustimmung)

ein Versagen des Bildungsministers, des Ministerpräsidenten und der Koalition.

Die Sekundar- und die Gemeinschaftsschulen gelten in Sonntagsreden gern als Rückgrat für den Nachwuchs in der regionalen Wirtschaft und im Handwerk, in der Kinderbetreuung und im Pflegesystem, in Handel und Gastronomie und in vielen anderen Branchen. Doch mit der realen Schulpolitik dieser Landesregierung und der Koalition werden diese Schulen praktisch aufgegeben.

Dem treten wir mit unserem Antrag auf breiter Front entgegen. Der Landtag muss dem Minister in den Arm fallen und ihn veranlassen, nicht nur die aktuellen Kürzungen zurückzunehmen, sondern auch die Kürzungen aus dem Schuljahr 2017/2018. Dann müssen alle Anstrengungen im Ministerium und im Landesschulamt darauf gerichtet werden, endlich wieder mehr Lehrkräfte einzusetzen.

(Zustimmung)

Dabei kann man sich in Sachsen oder auch in Mecklenburg-Vorpommern durchaus einiges abschauen.

(Zuruf: Ja!)