Protokoll der Sitzung vom 10.09.2020

Ich bitte um die Überweisung des Gesetzentwurfes zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport sowie zur Mitberatung in den Finanzausschuss. Außerdem bitte ich um eine zügige und konstruktive Beratung. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Es gibt eine Wortmeldung für eine Frage und eine für eine Kurzintervention. - Frau Eisenreich, Sie haben es vorgemacht; aber Sie sind noch nicht an der Reihe. Wir kommen zuerst zu der Fragestellung. Herr Büttner hat sich gemeldet.

(Kerstin Eisenreich, DIE LINKE: Frau Ab- geordnete, können - -)

- Frau Eisenreich, Sie sind noch nicht an der Reihe. Einen kleinen Moment!

(Kerstin Eisenreich, DIE LINKE: Okay!)

Herr Büttner hat sich zuerst für eine Frage gemeldet. Bitte.

Danke schön, Frau Präsidentin. - Ich habe folgende Frage, um das für das weitere politische Handeln in diesem Parlament zu verstehen. Frau Schindler, in der Debatte am 9. März 2018 haben Sie einen sehr kurzen Redebeitrag gehalten, und zwar haben Sie sich dem Minister Holger Stahlknecht angeschlossen, der ausführte: Wir sehen keine Notwendigkeit dafür, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen. Sie sagten dann: Den Ausführungen des Ministers ist nichts hinzuzufügen. Das bedeutet, dass Sie zu diesem Zeitpunkt auch keine Notwendigkeit dafür gesehen haben, die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen.

Jetzt, etwas mehr als zwei Jahre später, haben Sie eine Rolle rückwärts hingelegt und erzählen im Prinzip genau das Gegenteil. Mich interessiert jetzt: Wie, bitte schön, kommen Sie zu einem solchen Sinneswandel? Das ist wirklich schwierig. Wir haben in meiner Fraktion darüber diskutiert: Wie kommt man zu einem solchen Sinneswandel, dass man von einem Extrem in das genaue Gegenteil umschlägt? Das interessiert mich. Ich möchte das verstehen, damit wir wissen, wie wir

Sie in Zukunft als politische Kraft in diesem Parlament überhaupt erreichen und einschätzen können.

(Heiterkeit und Zustimmung)

Frau Schindler, Sie haben die Möglichkeit zu erwidern.

Herr Büttner, es ist wie in der Schule: Wiederholung hilft vielleicht. Diese Frage haben Sie mir schon beim letzten Mal gestellt und ich habe sie auch beim letzten Mal bereits beantwortet. Vielleicht können Sie sich nicht daran erinnern. Ich habe Sie genau so beantwortet: Es ist ein Privileg auch bei uns in der Politik, dass wir diskutieren können, dass wir mit Bürgern diskutieren können und Meinungen ändern können. Das habe ich auch eingeräumt. Das habe ich damals eingeräumt und das räume ich auch heute ein. Das macht Politik deshalb nicht schlechter.

(Beifall - Zurufe)

Vielen Dank, Frau Schindler. - Jetzt kommen wir zu der Kurzintervention der Abg. Frau Eisenreich. Sie haben das Wort, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Nur noch eine kleine Klarstellung: Mein Hinweis auf die Kannregelung war lediglich ein Hinweis. Es war keine Forderung dahin gehend, dass Sie bis zum SanktNimmerleins-Tag alles erstatten sollen. Das wollte ich nur richtigstellen.

Frau Schindler, Sie können kurz darauf erwidern. Bitte.

Ich meinte nicht Ihre Forderung, sondern eine Forderung von Herrn Gallert, der in einer Nachfrage an Herrn Erben oder an Herrn Meister bzw. im Disput mit diesem ausgeführt hat, dass dann eine Trennung vollzogen werden könnte in dem Sinne, dass das nur in den Fällen erstattet würde, in denen das noch nicht erhoben worden ist. Darauf habe ich geantwortet, dass dann natürlich nicht unterschieden werden kann zwischen

denen, von denen es bereits erhoben worden ist, und denen, von denen es noch nicht erhoben worden ist. Vielmehr müsste man dann klar definieren, dass wir rückwirkend zum 1. Januar 2017 - das wäre die jetzt noch mögliche Fälligkeit - quasi die Straßenausbaubeiträge abschaffen.

Vielen Dank, Frau Abg. Schindler. Ich sehe keine weiteren Fragen.

Somit ist die Aussprache abgeschlossen und wir steigen zunächst in das Abstimmungsverfahren zu der unter a) aufgerufenen Volksinitiative ein. Sehr geehrte Damen und Herren, gemäß § 39b Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtages in der genannten Fassung gilt die Volksinitiative mit dem Abschluss der ersten Beratung als an den Ausschuss für Petitionen überwiesen; es sei denn, Sie würden an dieser Stelle einen anderen Ausschuss vorschlagen.

(Unruhe)

- Über den unter b) aufgerufenen Gesetzentwurf wird gesondert abgestimmt; jetzt geht es um die Volksinitiative.

Wenn ein anderer Ausschuss vorgeschlagen wird, wäre eine Abstimmung erforderlich. - Das sehe ich aber nicht. Damit ist die Volksinitiative automatisch in den Petitionsausschuss überwiesen worden.

Wir kommen zu dem Abstimmungsverfahren zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen in der Drs. 7/6552. Ich habe den Wunsch nach einer Überweisung vernommen, und zwar soll der Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Inneres und Sport sowie zur Mitberatung in den Finanzausschuss überwiesen werden. Ist das so korrekt?

(Zuruf: Ja!)

- Ja, das ist so. - Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer diesem Vorschlag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE sowie ein fraktionsloses Mitglied des Landtages. Wer enthält sich der Stimme?

(Unruhe)

- Sie haben sich jetzt nicht ordentlich gemeldet.

(Zuruf: Alle Fraktionen haben zugestimmt!)

- Alle haben dem zugestimmt. Dann korrigiere ich das Ergebnis: Alle im Hause anwesenden Abgeordneten haben dieser Überweisung zugestimmt. Damit ist die erste Beratung zu der Volksinitiative und dem Gesetzentwurf abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt 6 ist beendet. Vielen Dank insbesondere an die Vertrauensperson der Volksinitiative Frau Birkner.

(Zustimmung)

Wir kommen nunmehr zu dem

Tagesordnungspunkt 18

Erste Beratung

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kirchensteuergesetzes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 7/6380

Einbringer wird in Vertretung des Ministers Herrn Richter der Minister Herr Webel sein. - Sie haben das Wort, bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Da die Kirchensteuer im Wesentlichen als sogenannte Annexsteuer zur Einkommensteuer erhoben wird, müssen die Kirchensteuergesetze der Länder hin und wieder an die Rechtsentwicklung im Steuerrecht angepasst werden. Die letzte Änderung des Kirchensteuergesetzes liegt fast zwölf Jahre zurück, und es hat seitdem verschiedene steuerrechtliche Änderungen gegeben, für die im Kirchensteuergesetz des Landes Regelungen getroffen werden müssen.

Die steuerrechtlichen Änderungen resultieren vor allem aus der in Umsetzung eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts erfolgten steuerlichen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnerschaften und Ehegatten, aus der Einführung eines verpflichtenden automatisierten Abrufverfahrens zur Feststellung der Kirchensteuerpflicht für die Erhebung von Kirchensteuer auf Kapitalertragsteuer und aus der Einführung einer gesetzlichen Regelung, nach der die Festsetzung von Verspätungszuschlägen bei Steuererklärungen, die nach dem 31. Dezember 2018 einzureichen sind, obligatorisch ist.

Der Ihnen heute zur Beratung vorliegende Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kirchensteuergesetzes trägt diesem Änderungsbedarf Rechnung und beinhaltet zusätzlich einige Anpassungen, die von den steuererhebenden Kirchen des Landes im Rahmen des Beteiligungsverfahrens vorgeschlagen wurden. Hierbei ist insbesondere die Aufnahme von Regelungen zur Erhebung von Kirchensteuer bei der Pauschalisierung der Lohn- und Einkommensteuer zu nennen, die bisher auf der Grundlage von gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder erfolgte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bitte darum, diesen Gesetzentwurf zügig zu beraten und zu beschließen. Da Herr Gallert mir einmal gesagt hat, dass ich hier als Minister keinen Ausschuss vorschlagen darf, würde ich einen Abgeordneten bitten, doch den

Finanzausschuss als Ausschuss für die Beratung vorzuschlagen. - Danke schön.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Webel. Ich denke, die Abgeordneten haben dies vernommen. - Wir steigen in die Dreiminutendebatte der Fraktionen ein. Der erste Debattenredner ist der Abg. Herr Dr. Tillschneider. - Herr Dr. Tillschneider, jetzt dürfen Sie sprechen. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf besteht aus einer Reihe kleinerer Anpassungen des Kirchensteuergesetzes Sachsen-Anhalt infolge bundesrechtlicher Gesetzesänderungen. Es geht um ein automatisiertes Verfahren für den Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge, um die Vereinheitlichung der Kirchsteuergesetze der Länder, um die steuerliche Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern nach der Einführung der Ehe für alle, eine mit der Zeit obsolet werdende Differenzierung.

Wie dem auch sei, der vorliegende Gesetzentwurf schreibt das System des staatlichen Einzugs der Kirchensteuer fort, ein System, das sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es eine nicht mehr zu rechtfertigende Verquickung von Staat und Kirche tradiert. Dieses überständige Ineinander von Staat und Kirche in Deutschland, das von seinen Profiteuren als eine charakteristische Besonderheit der deutschen Verhältnisse gefeiert wird, als ein sinniges Gebilde, das sich auf höchst bedeutungsvolle Weise im Laufe der Geschichte herausgebildet hat, ist in Wahrheit einfach nur Murks, der letzte verunglückte Ausläufer eines während der gesamten deutschen Geschichte unglücklichen Verhältnisses von Staat und Kirche.

Der staatliche Kirchensteuereinzug ist nichts anderes als ein mit aufgeklärter Staatlichkeit unvereinbarer Verstoß gegen das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche. Dass Religionsgemeinschaften überhaupt als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt werden, ist mit dem Charakter von Glaubens-, also Gesinnungs- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht vereinbar. Dass auch nichtkirchliche Religionsgemeinschaften wie die islamischen Gruppierungen diesen Status mittlerweile begehren und erhalten, macht es nicht besser, sondern ist nur ein weiteres Argument gegen diesen Status. Es wäre besser, die Kirchen blieben als rein privatrechtliche Vereine organisiert, denen es freisteht, von ihren Mitgliedern Mitgliedsbeiträge zu nehmen.

Das bestehende System lebt von der Erwartung der Kirchen, bei einem Einzug der Kirchensteuer

zusammen mit der Einkommensteuer durch die Finanzämter würden noch einige Listenchristen, die kaum noch ein Verhältnis zur Kirche haben, sich aber gerade noch so mitschleppen lassen, in der Kirche verbleiben, und sei es nur, weil sie als abhängig Beschäftigte nicht zur Steuererklärung verpflichtet und zu träge sind, eine abzugeben, Personen, die, wenn sie gesondert Mitgliedsbeiträge entrichten müssten, wohl schon lange aus der Kirche ausgetreten wären.

Werte Kollegen, die Kirchensteuer parasitiert an der Einkommensteuer. Die Kirche lebt von der Trägheit dieses Systems. Dem muss ein Ende bereitet werden.