Protokoll der Sitzung vom 10.09.2020

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns diesen Irrsinn beenden. Steigen Sie mit uns in unsere Forderung ein, die EEG-Umlage abzuschaffen. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Ich sehe keine Wortmeldungen. Damit steigen wir in das Abstimmungsverfahren ein. Ich habe vernommen, dass eine Überweisung erfolgen soll. Vielleicht können Sie mir behilflich sein. Ich habe vernommen, dass der Ausschuss für Umwelt und Energie federführend und der Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung mitberatend beteiligt werden sollen. Ist das so korrekt? - Dann lasse ich darüber abstimmen.

Wer dem genannten Wunsch auf Überweisung zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen, die AfD-Fraktion und ein fraktionsloses Mitglied. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall.

Damit wurde der Antrag zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Umwelt und Energie und zur Mitberatung in den Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung überwiesen. Der Tagesordnungspunkt 29 ist erledigt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 30

Beratung

Mehr Schwimmunterricht in Kita und Grundschule anbieten - frühkindliche Bildung ernst nehmen!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/6541

Alternativantrag Fraktionen CDU, SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 7/6577

Einbringer wird der Abg. Herr Schmidt sein. - Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute Morgen während der Debatte zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge sind die Emotionen doch etwas hochgekocht. Bei diesem Thema wird es etwas harmonischer werden. Jeder hier im Hohen Haus wird daran interessiert sein, den Anteil der Nichtschwimmer in Sachsen-Anhalt zu reduzieren. Laut Auskunft des Deutschen Schulportals sind 60 % aller Schüler am Ende der 4. Klasse noch Nichtschwimmer.

Woran das liegt? - Lassen Sie mich das in einem kurzen Abriss meiner eigenen Kindheitserinnerungen darstellen. Bereits mit drei Jahren wurde ich zum Kinderschwimmen angemeldet. Damals kamen einem die Welt und vor allem das 50 m mal 20 m große Schwimmbecken riesig vor. Der erste Sprung ins Wasser bedurfte noch eines Korsetts und eines beherzten Schubsers durch den Schwimmlehrer. Schnell schwand von Schwimmstunde zu Schwimmstunde die Angst vor dem Untergehen und die ersten wahrnehmbaren Züge des Brustschwimmens wurden erkennbar.

Als es einige Jahre später soweit war und das Schulschwimmen begann, war die einzige Furcht beim Sprung vom Startblock die Furcht vor der niedrigen Wassertemperatur. Einmal in der

Woche ging es zum Schulschwimmen. Die meisten Mitschüler konnten bereits schwimmen und trotzdem war es immer wieder ein schönes Erlebnis. Probleme hatten nur jene, denen es nicht ermöglicht worden war, bereits zuvor das Schwimmen zu erlernen. Eine Stunde in der Woche mag für Kinder in der Wahrnehmung eine lange Zeit sein. Doch es ist viel zu wenig, um etwas für das Leben so Wichtiges zu erlernen. So erging es auch jenen Mitschülern. Am Ende des Jahres konnten sie sich im Wasser bewegen und gingen nicht wie ein Stein unter. Mit echtem Schwimmen hatte das jedoch wenig zu tun.

Überhaupt kursiert der Irrtum, dass das sogenannte Seepferdchen eine Bestätigung für die Fähigkeit sei, sicher schwimmen zu können. Das ist nicht so. Frühschwimmer, also jene, die das Seepferdchen erlangen, müssen laut der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft in der Lage sein, nach einem Sprung vom Beckenrand 25 m in einer Schwimmart in Bauch- oder Rückenlage als Grobform zu bewältigen. Weiter gehört dazu das Heraufholen eines Gegenstandes mit den Händen aus schultertiefem Wasser. Schultertief

bezieht sich dabei natürlich auf den Prüfling. Außerdem sind Kenntnisse der Baderegeln erforderlich.

Erst das deutsche Schwimmabzeichen Bronze attestiert tatsächlich die Fähigkeit, sicher

schwimmen zu können. Hierfür sind die Anforderungen aber deutlich umfangreicher. Dazu gehört einmal ca. 2 m Tieftauchen von der Wasseroberfläche mit Heraufholen eines Gegenstandes, zum Beispiel eines kleinen Tauchringes. Außerdem sind ein Paketsprung vom Startblock oder vom Einmeterbrett erforderlich sowie ein Sprung kopfwärts vom Beckenrand mit anschließendem 15minütigen Schwimmen. In dieser Zeit sind mindestens 200 m zurückzulegen, davon 150 m in Bauch- oder Rückenlage in einer erkennbaren Schwimmart und 50 m in der anderen Körperlage, wobei das Wechseln der Körperposition im Wasser ohne Festhalten und ohne Bodenkontakt stattfinden muss.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, Sie haben den großen Unterschied gehört. Bereits das Seepferdchen ist innerhalb von einem Grundschuljahr schwer zu erreichen. Bronze ist hingegen in den wenigen Schwimmstunden ohne Vorkenntnisse fast unmöglich zu erreichen.

Vertreter des Landeschwimmverbandes SachsenAnhalt fordern zu Recht eine Erhöhung auf 100 Unterrichtsstunden im Schwimmen. Damit unsere Kinder mit dem Seepferdchen wenigstens Grundfähigkeiten erlangen, um sich über Wasser halten zu können, ist eine Anpassung der Zahl der Unterrichtsstunden unabdingbar.

Das MDR-Format „Exakt - Die Story“ titelte in einem Beitrag vom Juli 2020 in Bezug auf die hohe Zahl an Nichtschwimmern in Sachsen-Anhalt „Land der Nichtschwimmer - Unterschätztes Risiko“. 504 Badetote in Deutschland im Jahr 2018 lautet die Antwort auf die Frage, wie gefährlich mangelnde Schwimmfähigkeiten sein können.

In unserem ländlich geprägten Sachsen-Anhalt ist die Zunahme der Zahl an Nichtschwimmern ein Teufelskreis. Denn wer nicht schwimmen kann, geht auch in keine Badeanstalt. Nur noch 175 Bäder befinden sich in unserem Bundesland. Das sind weniger als in Thüringen oder in Sachsen. Dadurch werden nicht nur die Wege für unsere Grundschüler zum Schwimmunterricht länger, sondern es sinkt auch die Bereitschaft der Eltern, ihre Kinder außerhalb der Schule zum Schwimmunterricht anzumelden. Mehr Schwimmunterricht bedeutet auch mehr Schwimmer und somit mehr mögliche Kundschaft, um unsere Bäderkultur zu erhalten.

Damit wir in Sachsen-Anhalt in eine Zukunft blicken können, in der uns nicht so oft tragische Badeunfälle begleiten, müssen wir bereits vor dem

Eintritt in die Grundschule ansetzen. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, erstens dafür Sorge zu tragen, dass Schwimmunterricht im Umfang von einer Stunde pro Woche nicht nur wie bislang während eines, sondern während mindestens drei Grundschuljahren stattfindet.

Zweitens soll die Landesregierung dafür Sorge tragen, dass im Sinne echter frühkindlicher Bildung jedem Kita-Kind ab einem Alter von vier Jahren die Möglichkeit geboten wird, kostenfrei einen Schwimmkurs zu besuchen. Das Kennenlernen des Elementes Wasser und der Erwerb des Seepferdchens sollen dabei angedacht sein.

Drittens soll die Landesregierung mit bedarfsgerechten Zuschüssen für zusätzliche Personalkosten und Kursgebühren dafür Sorge tragen, dass aufgrund der unter den Punkten 1 und 2 genannten Maßnahmen weder den Eltern noch den Schul- und Kita-Trägern finanzielle Mehrbelastungen entstehen.

Seien Sie dabei und unterstützen Sie uns bei unserem Ansinnen, den Kindern unseres Bundeslandes das Schwimmen beizubringen und sie künftig sicher in das nasse Blau springen zu lassen. - Vielen Dank.

(Beifall)

Vielen Dank, Herr Schmidt. Ich sehe keine Wortmeldungen. - Dann hat jetzt für die Landesregierung Minister Herr Tullner das Wort. Sie haben das Wort, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fähigkeit, sicher zu schwimmen, ist für unsere Kinder von großer Bedeutung. Das Ministerium für Bildung sowie das befreundete Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration stehen in einem engen Austausch, um einen ressortübergreifenden und kontinuierlichen Lernfortschritt zu gewährleisten.

(Zuruf von Kristin Heiß, DIE LINKE)

- Frau Heiß, ich habe Ihre vermutlich nicht freundliche Bemerkung nicht gehört.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Schade!)

Sie müssten sie gegebenenfalls wiederholen.

(Kristin Heiß, DIE LINKE: Gern!)

Als Basis für das spätere Schwimmenlernen steht bereits in den Kindertageseinrichtungen die Wassergewöhnung an erster Stelle. Herr Schmidt hat eindrucksvoll beschrieben, wie das bei ihm gelaufen ist. Ich bin sehr beeindruckt, wie gut Sie sich noch daran erinnern können. Aber das nur nebenbei bemerkt.

Die Wassergewöhnung legt den Grundstein für das spätere Verhältnis der Kinder zum Baden und Schwimmen; denn je mehr Freude Kinder im Umgang mit Wasser erfahren und je weniger Angst sie damit verbinden, desto schneller erlernen sie später das Schwimmen. Direkter Schwimmunterricht ist nicht grundsätzlicher Gegenstand von Schwimmbadbesuchen. Dennoch bieten einzelne Kita-Träger in diesem Zusammenhang neben der Wassergewöhnung auch Schwimmkurse an. Diese Kurse erfolgen in enger Abstimmung mit den Eltern.

Eine Verpflichtung der zahlreichen Träger,

Schwimmkurse anzubieten, die auf den Erwerb des sogenannten Seepferdchens abzielen, ist nicht möglich. Damit würde das Land in die individuellen pädagogischen Konzeptionen der Einrichtungen eingreifen.

Sofern mit dem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, beabsichtigt sein sollte, den Erwerb des Seepferdchen-Abzeichens für Kinder im Kita-Alter stark zu forcieren, ist dies eine Vorstellung, die zumindest nicht von der Expertise des einschlägigen Landesschwimmverbandes geprägt ist. Von diesem, dem besagten Landesschwimmverband, gibt es gemäß der Initiative „Auf dem Weg zum sicheren Schwimmer“ Konzepte, die vielmehr vorsehen, dass in der vorletzten Kita-Altersgruppe, also mit fünf Jahren, erst einmal mit der Wassergewöhnung und -bewältigung begonnen und in der letzten Altersgruppe dann mit dem Trainieren der Wassersicherheit fortgesetzt werden sollte. Damit wird ein qualitativer Ansatz verfolgt, mit dem Kinder viel besser mit dem Element Wasser vertraut gemacht werden sollen, als es über das bloße Seepferdchen-Zeugnis erreicht werden kann.

An dieser Stelle knüpft folgerichtig die Grundschule an. Gemäß der Empfehlung der Kultusministerkonferenz für den Schwimmunterricht an Schulen vom 4. Mai 2017 ist das sichere Schwimmen - hierauf liegt die Betonung - grundlegendes Ziel des Schwimmunterrichts der Grundschule.

Die Leitidee, allen Schülerinnen und Schülern in der Grundschule das Können, sicher zu schwimmen, als Teil der körperlichen Grundbildung zu vermitteln, baut auf der gemeinsamen Definition des Sicher-Schwimmen-Könnens der Kultusministerkonferenz, des Bundesverbandes zur Förderung der Schwimmausbildung und der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft auf.

In diesem Bereich sind wir in Sachsen-Anhalt gut aufgestellt. Jedoch verfolgen wir nicht das Konzept, an Grundschulen drei Jahre lang Schwimmen zu unterrichten. Diese Option ist eine Maximalforderung. Sie würde das Schwimmen in Konkurrenz zu zahlreichen anderen Bewegungsfeldern sowie zu den anderen Unterrichtsfächern

bringen. Unser Konzept geht aktuell von der langfristigen Entwicklung der Schwimmfähigkeit auch im weiterführenden Schulbereich aus.

Die erstmals zum Schuljahr 2018/2019 erhobene Schwimmstatistik erlaubt seit Kurzem einen präziseren Einblick in die Schwimmfähigkeit unserer Schülerinnen und Schüler. Dass in der Schule nur gut drei Viertel aller Schülerinnen und Schüler die Basisstufe Schwimmen erreichen, kann uns natürlich nicht zufriedenstellen, wiewohl wir wissen, dass wir damit deutschlandweit noch ziemlich weit vorn liegen. Aber trotzdem kann uns dies nicht zufriedenstellen.

Daher bedarf es weiterhin Anstrengungen der Kommunen und des Landes, die Bäderinfrastruktur - auch darauf ist bereits hingewiesen worden - aufrecht- und instand zu halten. Ferner gilt es, den Schwimmunterricht in unseren Schulen personell abzusichern. Auch diese Aufgabe kommt uns bekannt vor.

Jedoch ist auch festzuhalten, dass es ohne eine breitere, von der gesamten Gesellschaft getragene Initiative keine 100-prozentige Erfolgsquote bei der Schwimmfähigkeit unserer Kinder geben kann. Insbesondere die Motivation und das Engagement der Eltern sind dabei ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Darüber, wie bestimmte Ansätze sowohl in der frühkindlichen Bildung als auch in der Grundschule noch besser miteinander verzahnt werden können und ob es aus der Sicht der Fachverbände Sinn macht, mit dem Schwimmunterricht in der Schule früher zu beginnen, kann und sollte man diskutieren. Daher begrüße ich den vorliegenden Alternativantrag der Koalitionsfraktionen sehr und freue mich auf interessante Beratungen im Ausschuss. - Vielen Dank.