Protokoll der Sitzung vom 15.10.2020

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf namens und im Auftrag der Koalitionsfraktionen den Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes SachsenAnhalt einbringen. In einem sehr schmalen Gesetzentwurf nehmen wir zwei Änderungen vor.

Erstens zeichnen wir nach, was durch Fristablauf mittlerweile passiert ist, nämlich das Auslaufen des Modellversuchs Body-Cam. Die Regelungen sind im Gesetz zwar noch enthalten, aber aufgrund der Verfristung inzwischen nicht mehr anwendbar.

Zweitens versehen wir die Anwendung des § 36c SOG - volkstümlich „elektronische Fußfessel zum Zwecke der Gefahrenabwehr“ genannt - mit einer neuen Frist. Wir verlängern die Erprobungsfrist um zwei Jahre. Das hat zwei Gründe.

So hat es in dem bisherigen Geltungszeitraum nur einen einzigen Anwendungsfall gegeben. „Gegeben“ ist gar nicht korrekt, es gibt ihn. Er dürfte Ihnen aus der Medienberichterstattung ausreichend bekannt sein. Deswegen ist es natürlich schwierig, allein aufgrund eines Falls zu beurteilen, ob das ein geeignetes Instrument ist.

Ich will an der Stelle aber auch einpflegen, dass es das Gericht bei der Verlängerungsentscheidung sehr wohl als sehr geeignetes Instrument angesehen hat neben der polizeilichen Überwachung des Gefährders.

Wie gesagt, das Ganze ist Gegenstand dieses Gesetzentwurfs, der Ihnen vorliegt. Ich möchte an dieser Stelle die Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Sport beantragen. - Vielen Dank.

Auch hierzu gibt es keine Fragen. Ich danke Herrn Erben für die Einbringung des Gesetzentwurfs. - Es ist keine Debatte vorgesehen. Ein Redebedarf der Fraktion DIE LINKE war auch hierzu angemeldet. Der ist aber offensichtlich nicht mehr notwendig.

Wir kommen somit gleich zum Abstimmungsverfahren zum Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 7/6684. Wer für die Überweisung dieses Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Inneres und Sport stimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalition, die Fraktion DIE LINKE, die AfD-Fraktion und ein fraktionsloser Abgeordneter. Gegenstimmen? - Das sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Das sehe ich auch nicht. Damit ist dieser Gesetzentwurf in den genannten Ausschuss überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 16 ist somit erledigt.

Herr Gallert ist jetzt nicht da. Ich mache mit dem nächsten Tagesordnungspunkt weiter.

(Zuruf)

- Ich kann auch weitermachen. - Gut, dann führen wir einen Wechsel durch.

Meine Damen und Herren!

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 17

Erste Beratung

Behördenversagen beenden - Staßfurter Staubablagerungen wirksam bekämpfen!

Antrag Fraktion AfD - Drs. 7/6680

Alternativantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6720

Einbringer ist der Abg. Herr Büttner. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich hatte überlegt, ob ich diesen Redebeitrag in freier Rede halte oder mir eine Rede schreibe. Ich habe mich für das Zweite entschieden, weil ich versuchen will, Emotionen aus meiner Rede herauszuhalten.

Seit dem Jahr 2015 ist den zuständigen Behörden des Landes bekannt, dass in Staßfurt unhaltbare Zustände vorherrschen, dass die Menschen vor Ort hilflos einer Situation ausgeliefert sind, gegen die sie scheinbar nichts ausrichten können, eine Situation, die finanziellen Schaden für jeden Betroffenen verursacht hat, aktuell verursacht und in Zukunft wieder verursachen kann.

Es geht um eine Situation, die vielleicht auch zu gesundheitlichen Schäden führt, die in diesem Fall einen unschätzbaren Schaden darstellen würden. Seit dieser Zeit, seit 2015, sind die Menschen im Unklaren darüber, ob sie jemals die Chance auf ein Ende dieser unhaltbaren Zustände haben werden, meine Damen und Herren.

Die Rede ist von den Emissionen in Staßfurt, im Volksmund und in der Presse auch als „Staub von Staßfurt“ oder „mysteriöser Staub“ bekannt, die sich tief in Oberflächen einfressen, den Lack von Fahrzeugen zerstören, Gummi zerstören, Plasteoberflächen angreifen und selbst vor Glas keinen Halt machen.

Ich selbst wohne im Einzugsgebiet dieser Emissionen und habe Schäden in Höhe von mehre

ren Tausend Euro zu beklagen. Von daher kann ich mich sehr gut in diese Situation hineinversetzen.

Nun kann man sagen, das ist Pech. Aber da ich Optimist bin, sehe ich darin auch ein wenig Glück. Denn mit mir haben die betroffenen Bürger endlich ein Sprachrohr im Landtag von SachsenAnhalt. Als Betroffener bin ich seit dem Jahr 2015 im Thema. Auf meinem Hof stand im Jahr 2015 zum Beispiel eine der Sammelstellen, die nicht zum Erfolg führten.

Mittlerweile sind wir im Herbst des Jahres 2020 und die Situation ist die gleiche wie schon im Jahr 2015. Die Menschen wissen immer noch nicht, wie es weitergeht, wer die Schäden an ihren Fahrzeugen und an ihrem Hab und Gut verursacht hat. Die Menschen wissen nicht, wann es wieder besser oder schlimmer wird.

Das Schlimme daran ist, dass die Landesregierung scheinbar nicht in der Lage ist zu ermitteln, wer der Verursacher dieser schädlichen Emissionen ist. Das, meine Damen und Herren, ist ein Armutszeugnis ungeheuerlichen Ausmaßes.

(Beifall)

Die Ermittlungen verlaufen seit dem Jahr 2015 im Sand und es heißt immer wieder: Es ist kein Verursacher feststellbar, die Emissionswerte sind im Normalbereich.

Ich habe sehr großen Zweifel an den Messmethoden, die hier Anwendung finden. Denn im gesamten Stadtgebiet stehen Autos geparkt, die sich wie Sandpapier anfassen und bei näherer Betrachtung aussehen, wie mit Mattlack lackiert. Weiße Autos sind mit roten Punkten übersät, schwarze Autos mit weißen Punkten. Auf den Scheiben haben sie nicht abwaschbare Flecken. Die Scheibenwischer haben immer nur eine sehr kurze Lebensdauer, bis sie anfangen zu schmieren. Die Chromteile sind mit vielen kleinen Rostsprenkeln übersät.

An den betroffenen Häusern sind die Fenster angegriffen, weil sich die Substanz in die Plastikrahmen, Sohlbänke, Gartenmöbel, Plastiküberdachungen, Briefkästen, Mülltonnen, Lampen einfrisst. Auf allen waagerechten Oberflächen, auf denen die Emissionen eine Chance haben, liegen zu bleiben und zu arbeiten, wird massiver Schaden verursacht.

Wie sollen denn dann die Emissionsgrenzwerte eingehalten werden? - Entweder wird hier falsch gemessen oder die Grenzwerte sollten einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Wie will man den Menschen vor Ort erklären, dass alles im grünen Bereich ist, obwohl jeder Schäden von Tausenden Euro hinnehmen muss. Vielleicht kann

Frau Prof. Dalbert von der Landesregierung Licht ins Dunkel bringen.

Der Staatssekretär für Umwelt hat in der letzten Umweltausschusssitzung klargemacht, dass seine Aussagen zu der Gesundheitsunbedenklichkeit und der Zusammensetzung der Emissionen einzig auf Beprobungen und Analysen aus dem Jahr 2015 beruhen und im Jahr 2020 noch gar keinen neuen Proben vor Ort genommen wurden und analysiert worden sind. Ich empfand es als eine Frechheit, dass er diesen Fakt erst auf genauere Nachfrage eines Abgeordneten einräumte.

Es ist also gar nicht bekannt, ob es sich bei den jetzt im Jahr 2020 auftretenden Emissionen um gesundheitsunbedenkliche Emissionen handelt und ob die Zusammensetzung die gleiche wie im Jahr 2015 ist. Allein dieser Sachverhalt macht deutlich, wie hier vorgegangen wird.

Ein wirklicher Aufklärungswille ist leider nicht erkennbar, getreu dem Motto: Wir machen etwas, damit wir zeigen können, dass wir etwas gemacht haben, aber wirklich aufklären wollen wir nicht. Die Menschen fragen sich tagtäglich, was noch passieren muss, damit das endlich aufhört und endlich jemand feststellt, wer diese unerträgliche Situation verursacht, damit sie abgestellt werden kann.

Darum kann man in der Sache nur von einem totalen Behördenversagen sprechen. Das betrifft nicht nur das Landesverwaltungsamt, welches nach so langer Zeit immer noch im Dunkeln tappt, es betrifft auch andere Ressorts.

Vor ein paar Wochen war ein Bürger bei mir mit seinem 14 Tage alten neuen weißen Auto, der bei einer im Gewerbegebiet ansässigen Firma ein neues Beschäftigungsverhältnis begonnen hat. Er hatte fast Tränen in den Augen, als er mir mitteilte und berichtete, dass er nun auch schon an seinem neuen Auto diese Schäden festgestellt habe, obwohl er erst seit wenigen Tagen im Bereich Atzendorfer Straße und damit im Einzugsbereich der besagten Emissionen parke. Als er fragte, was er machen könne, sagte ich ihm, er solle eine Anzeige bei der Polizei gegen Unbekannt wegen Sachbeschädigung aufgeben, damit die Angelegenheit aktenkundig werde und eventuell die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleite und so einen Verursacher ermittle; denn alle anderen Behörden scheinen ja unfähig zu sein.

Auf dem örtlichen Polizeirevier in Staßfurt dann die Ernüchterung: Er wurde trotz mehrfacher Bitte, die Anzeige gegen unbekannt wegen Sachbeschädigung aufzugeben, abgewiesen mit dem Hinweis darauf, er solle sich einen Anwalt nehmen und zivilrechtlich gegen den Verursacher vorgehen.

(Zuruf: Skandal!)

Dass sich das schwierig gestaltet, wenn noch kein Verursacher ermittelt worden ist, das brauche ich Ihnen nicht zu erklären. Die Polizistin wollte nicht einmal ihren Namen nennen. Das alles hörte ich am Telefon mit. Ein Versuch von mir, die Situation vor Ort, auf dem Revier, zu klären, blieb erfolglos. Auch mir teilte die Polizistin trotz mehrfacher Nachfrage ihren Namen nicht mit, obwohl ich mich ordentlich vorstellte - das muss man an der Stelle sagen. Ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel und spiegelt ein breites Versagen der Landesregierung und ihrer untergeordneten Behörden wider, und das ressortübergreifend.

Ich habe zu diesem Sachverhalt auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde formuliert und an das Innenministerium geschickt. Ich hoffe auf baldige Klärung.

Mit unserem Antrag wollen wir endlich eine Aufklärung der unerträglichen Zustände vor Ort erreichen; denn damit würde das in die Tat umgesetzt, was die Bürger seit dem Jahr 2015 fordern: Proben von geschädigten Oberflächen zu nehmen, um sie zu analysieren, und Proben von infrage kommenden Betrieben zu nehmen, um sie zu analysieren, und dann beide Proben miteinander abzugleichen, um so den Verursacher zu ermitteln. Das ist der einzige Weg, wie endlich Licht ins Dunkel gebracht werden kann.

Es gibt unzählige betroffene zerstörte Oberflächen. Ich selbst würde mein eigenes Auto zur Verfügung stellen, wenn es gewünscht ist; damit hätte ich kein Problem. Im Übrigen biete ich allen an, die wirklich Interesse an diesem Thema haben, gern an mich heranzutreten. Mein Auto steht in der Tiefgarage. Dann können Sie sich selbst ein Bild davon machen, wie so etwas aussieht.

So wie es im Umweltausschuss dargestellt worden ist, es sei ein bisschen auf der Motorhaube, so ist es nicht. Das Auto ist damit völlig übersät. Es ist unbrauchbar, es muss neu lackiert werden. Die Chromteile sind hin. Es ist hin. Ja? - So geht es den Menschen vor Ort. Sie merken es erst, wenn sie ihr Auto verkaufen wollen.

Wie gesagt, betroffene zerstörte Oberflächen gibt es genug, die man beproben könnte.

Zum Alternativantrag der Fraktion DIE LINKE ist zu sagen, dass ich jede Initiative begrüße, um die Zustände in Staßfurt abzustellen. Das muss ich an dieser Stelle ganz klar sagen. Ich glaube aber leider, dass Ihr Antrag nicht zum Erfolg führen würde, weil er das Problem einfach nicht trifft. Darin fordern Sie nur das, was das Landesverwaltungsamt nach seiner Aussage schon die ganzen Jahre lang tut.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Nein, hat es eben nicht!)

- Doch. Das sagen sie aber. - Wenn es Ihnen wirklich um die betroffenen Bürger gehen würde, dann hätten Sie keinen Alternativantrag gestellt, sondern einen Ergänzungsantrag. Dann hätte man diese Anträge zusammenführen und im schlimmsten Fall an den Ausschuss überweisen können, was ich auch schon schwierig finde, weil jeder Tag, der vergeht, ein Tag mehr ist, an dem die Bürger belastet werden und nicht wissen, welche Schäden dieses Mal auftauchen.

Wir haben in unserem Antrag nicht umsonst konkrete Handlungsanweisungen formuliert, nämlich für die Handlungen, die dort nicht stattgefunden haben. Die Menschen vor Ort haben gemerkt, dass auf die Behörden kein Verlass ist und dass man ihnen keinen Spielraum für Interpretationen geben darf. Deshalb ist Ihr Antrag zu weit gefasst. Das ist wirklich nicht böse gemeint. Ich denke aber, an dieser Stelle machen es sich die Behörden zu einfach. Es ist zu allgemein. Das, was eigentlich wirklich gemacht werden muss, sprich die Beprobung von geschädigten Oberflächen, die Beprobung in den Betrieben und ein Abgleich, also die Proben wie einen Fingerabdruck aufeinanderzulegen, das würde wieder nicht geschehen. Es ist bis heute nicht geschehen.