Protokoll der Sitzung vom 16.10.2020

Ich sehe keine Wortmeldungen. Somit sind wir am Ende der Aussprache angelangt. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst. Damit ist der Tagesordnungspunkt 2 erledigt und gehen zum nächsten Tagesordnungspunkt über. Doch zuvor werden wir im Präsidium einen Wechsel vornehmen.

Werte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 27

Erste Beratung

Wirtschafts- und Sozialpartner stärken - Kompetenzzentrum erhalten

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/6672

Der Antrag wird eingebracht von der Abg. Frau Heiß. Frau Heiß, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht erinnern Sie sich noch daran: Meine Fraktion hat kürzlich einen Antrag zu dem Gemeinsamen Begleitausschuss der EU-Fonds gestellt. Wir haben damals bemängelt, dass die Verteilung der EU-Mittel in Höhe von 4 Milliarden € ganz ohne Beteiligung des Parlaments vonstattengeht und dass das Königsrecht des Parlaments, das Haushaltsrecht, bei den EU-Mitteln lediglich zu einem Zustimmungsrecht verkümmert. Wer bei den EU-Mitteln tatsächlich mitreden kann, das ist der Gemeinsame Begleitausschuss zur Umsetzung der EU-Fonds.

Dieser setzt sich unter anderem zusammen aus der Landes- und Bundesverwaltung, aus Wirtschafts- und Sozialpartnern und der EU-Kommission.

In dem Begleitausschuss wird festgelegt, wo die Landesschwerpunkte in der nächsten Förderperiode liegen und wie die operationellen Programme im Land umgesetzt werden. Das erfordert viel Kompetenz, viel Wissen und viel Zeit. Wer schon einmal eine sozioökonomische Analyse gelesen hat, der weiß, wie komplex und umfangreich allein dieses Papier ist, wie viele Hundert Seiten gelesen und verstanden werden müssen. Allein die Namen der Papiere schrecken ab: Ex-post-Bewertung, Ex-ante-Bewertung, SWOT-Analyse.

Diese Papiere laden eher nicht dazu ein, sich damit gemütlich auf die Couch zu setzen.

Kurz gesagt: Den Wirtschafts- und Sozialpartnern im Begleitausschuss wird einiges zugemutet. Auf ihnen lastet eine große Verantwortung. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, wurde vor 13 Jahren das WiSo-Kompetenzzentrum gegründet. Als Träger fungiert seitdem der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Es wirkt als unterstützende Struktur, als eine Art Geschäftsstelle, die für die Partner Unterlagen sichtet, Informationen bündelt, Recherchen anstellt und zur Verfügung steht, wenn Fragen oder

Unsicherheiten auftreten. Durch diese neutrale Unterstützungsstruktur war ein von den EU-Verwaltungsbehörden unabhängiger Informationsaustausch und eine Meinungsbildung der einzelnen Interessenvertreter gegeben, so wie es das Partnerschaftsprinzip der EU vorsieht.

Mit dem Auslaufen der entsprechenden Vereinbarungen hat der DGB jedoch entschieden, das Kompetenzzentrum unter seiner Federführung nicht weiterzuführen. Die Gründe dafür sind vielfältig. So sei der Verwaltungsaufwand recht hoch und die Zusammenarbeit mit den EU-Verwaltungsbehörden im Laufe der Jahre nicht unbedingt besser geworden.

Damit das Kompetenzzentrum erhalten bleiben kann, hat sich die Universität Magdeburg, die selbst Mitglied des Begleitausschusses ist, bereit erklärt, das Zentrum weiterzuführen. Die Universität stellt Räume und Struktur zur Verfügung und kann das Zentrum ab dem 1. November 2020 nahtlos übernehmen. Aber ganz ohne finanzielle Mitwirkung wird es nicht klappen. Daher einige Worte zur bisherigen Finanzierung des Kompetenzzentrums.

Bisher wurden die Mittel aus der Technischen Hilfe der EU-Fonds bereitgestellt. Die Personalstelle, auf der momentan eine Person im Zentrum arbeitet, kostet ungefähr 73 000 € jährlich. Um das einmal ins Verhältnis zu setzen: In der aktuellen EU-Förderperiode hat das Land rund 110 Millionen € an technischer Hilfe erhalten. Damit werden unter anderem 25 Personalstellen in den EUVerwaltungsbehörden für EFRE und ESF finanziert. Der Personaleinsatz der Verwaltung hat sich in den vergangenen Jahren übrigens von zwölf auf die genannten 25 Stellen mehr als verdoppelt. Hinzu kommen die EU-Koordinatoren in den Ministerien.

Wir haben also weit über 30 Stellen zur Umsetzung der EU-Fonds aufseiten der Verwaltung und genau eine Stelle aufseiten der WiSo-Partner. Gab es anfangs noch Projektmittel für eigene Ideen der WiSo-Partner, ist man nun bei lediglich einer Personalstelle für die WiSo-Partner im Begleitausschuss angekommen. Wir sehen hierin ein klares Missverhältnis.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Während sich der Verwaltungsaufwand im Finanzministerium zu erhöhen scheint, erwartet man von den Wirtschafts- und Sozialpartnern, dass sie ihre Arbeit im Begleitausschuss, die sie nur neben ihrer eigentlichen Arbeit machen können, ganz ohne eigene Geschäftsstelle erledigen. Aber wie soll das denn bitte funktionieren?

Gerade jetzt befinden wir uns in der Planungsphase für die neue Förderperiode. Gerade jetzt müssen wichtige und strategische Entscheidun

gen getroffen werden. Die Partner müssen eine Möglichkeit haben sich abzustimmen, sich austauschen und eine Linie festzulegen. - Gerade jetzt streicht man die Mittel.

Bei der Recherche zu diesem Thema ergab sich folgendes Bild: Zum einen haben wir die „n+3“Regelung, das heißt, wir können die Gelder der aktuellen Förderperiode noch bis zum Jahr 2023 ausschöpfen. Warum also jetzt der Cut?

Außerdem ist die Universität Magdeburg bereit, eine Übergangszeit bis zum 1. Januar 2021 auf eigene Kosten zu gewährleisten. Im Beirat wurde die Universität sogar einstimmig als neuer Träger des Kompetenzzentrums festgelegt. Warum gibt es also jetzt kein Geld mehr?

Fest steht außerdem: Das Partnerschaftsprinzip der EU wird auch in der kommenden Förderperiode fortgesetzt. Die EU gibt eindeutig vor, dass zur Unterstützung von Koordinierungs- und Vernetzungsstrukturen Mittel der Technischen Hilfe eingesetzt werden können. Finanzielle Mittel können auch entsprechend dem Bedarf der WiSo-Partner zur Verfügung gestellt werden; der Bedarf wurde mehrfach deutlich geäußert. Die WiSo-Partner haben Bedarf an Unterstützungsstrukturen in Form des Kompetenzzentrums. Doch das Finanzministerium scheint das in letzter Zeit zu ignorieren.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Land Sachsen-Anhalt in den kommenden Jahren deutlich weniger Mittel als in den vergangenen Förderperioden erhalten wird. Wie viel es konkret sein wird, ist noch nicht ganz klar. Für den ELER wird es lediglich einen Begleitausschuss auf der Bundesebene geben. Interessanterweise sollen aber die Verwaltungsstrukturen im Land genau so erhalten bleiben, wie sie momentan sind; so sagte man es uns in der gemeinsamen Sitzung des Umwelt-, des Landwirtschafts- und des Finanzausschusses am 9. September 2020. Bei der Verwaltung bleibt also alles beim Alten, aber die Wirtschafts- und Sozialpartner sollen sich einschränken. Spannend!

Erwähnt werden soll hier auch, dass aufgrund der Coronapandemie verschiedene Hilfspakete geschnürt wurden, die dem Land Sachsen-Anhalt unerwartet deutlich mehr EU-Gelder bringen. Außerdem wird es einen neuen Fonds für den nachhaltigen Umbruch der Wirtschaft in Europa geben, den „Just Transition Fund“, der aufgrund der Braunkohlethematik auch für das Land Sachsen-Anhalt infrage kommt.

Es ist also schon jetzt klar, dass wir ab dem Jahr 2021 zwar weniger Mittel bekommen als in der aktuellen Förderperiode, aber doch deutlich mehr, als wir noch vor einigen Monaten dachten. Es ist

also aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, warum die genannte Förderung eingestellt werden soll.

Die WiSo-Partner leisten einen wichtigen Teil zur Umsetzung des Partnerschaftsprinzips der Europäischen Union. Es muss den WiSo-Partnern weiterhin möglich sein, sich wie in den vergangenen Jahren auch ohne Ohren und Augen des Finanzministeriums abzustimmen und zu informieren.

Der Vorschlag des Finanzministeriums lautet übrigens, eine Steuerungsgruppe im Finanzministerium einzurichten. In dieser sollen maximal vier der 29 WiSo-Partner mitarbeiten dürfen. Die Gruppe soll sich bei Bedarf bis zu einmal monatlich im Finanzministerium treffen. Weitere administrative und organisatorische Aufgaben sollen zukünftig bei den EU-Verwaltungsbehörden im Finanzministerium angesiedelt werden. Dort sollen zwei Personalstellen zur Verfügung stehen, um den WiSo-Partnern einen direkten Austausch zu ermöglichen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen - auch von der AfD -, ich fasse kurz zusammen: Das Personal in den EU-Verwaltungsbehörden hat sich mehr als verdoppelt, die Gelder für das Kompetenzzentrum der WiSo-Partner wurden reduziert. Ab dem 1. November 2020 soll das Kompetenzzentrum, das mit einer Personalstelle arbeitet, seine Arbeit komplett einstellen. Im Finanzministerium sollen dann zwei Personen die WiSo-Partner mal eben nebenher betreuen. Die WiSo-Partner wollen eine unabhängige und neutrale Struktur - die Verwaltung will die WiSo-Partner unter ihre Fittiche nehmen.

Jetzt sind Sie am Zug. Es geht hierbei um demokratische Prozesse, es geht um Mitbestimmung und um Transparenz. Das Parlament ist zwar nach wie vor kein Teil des Begleitausschusses und kann dort nicht mitreden, aber wir haben im Plenum die Möglichkeit, die dort vertretenen Wirtschafts- und Sozialpartner zu unterstützen.

Im Übrigen sieht die für das Land Sachsen-Anhalt zuständige Generaldirektion in Brüssel, mit der ich am Montag telefonierte, keinen Grund, die bisherigen Strukturen im Bereich der WiSo-Partner zu verändern. - Herzlichen Dank.

(Beifall)

Frau Heiß, ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Ihnen für die Einbringung des Antrages. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Webel. Danach ist eine Debatte mit einer Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In Vertretung des noch immer erkrankten Finanzministers Michael Richter werde ich hierzu vortragen.

Nach einer letztmaligen Verlängerung von zwei Monaten läuft das aus Mitteln der Technischen Hilfe der EU-Fonds EFRE, ESF und ELER finanzierte Projekt „WiSo-Partner-Kompetenzzentrum“ zum 31. Oktober 2020 aus. Die Gründe für das Auslaufen des Projektes liegen unter anderem in der Überzeugung, dass eine effektive und für beide Seiten sinnvolle Einbindung der WiSoPartner in einer anderen Struktur besser zu organisieren ist.

Das Ende des Projektes bedeutet jedoch keinesfalls das Ende einer engen Kooperation und der Einbindung der WiSo-Partner in die Umsetzung und Begleitung der europäischen Struktur- und Investitionsfonds im Land. Im Einklang mit dem Partnerschaftskodex sowie den einschlägigen EUVerordnungen inklusive der Entwürfe für die neue Förderperiode erfolgt auch zukünftig eine enge Einbeziehung und Unterstützung aller für die ESIF-Förderung relevanten Partner. Nicht zuletzt wird so auch dem Kabinettsbeschluss vom 18. Februar 2020 Rechnung getragen.

Es ändert sich lediglich die Struktur, über die eine Beteiligung organisiert wird. Der Partnerschaftskodex enthält keine Verpflichtung zur Finanzierung eines entsprechenden Projektes aus Mitteln der Technischen Hilfe. Es obliegt den verantwortlichen EU-Verwaltungsbehörden, diese Struktur zu organisieren und bereitzustellen.

Darüber hinaus kann zum jetzigen Zeitpunkt noch keine abschließende Aussage darüber getroffen werden, in welchem Umfang überhaupt Mittel der Technischen Hilfe zur Verfügung stehen werden und unter welchen Bedingungen diese zum Einsatz kommen können.

Die EU-Verwaltungsbehörden haben den WiSoPartnern im Land einen umfangreichen Vorschlag unterbreitet, wie die künftige Zusammenarbeit aussehen kann. Zentraler Bestandteil dieses Konzeptes ist eine WiSo-Steuerungsgruppe, welche einen noch engeren Austausch zwischen WiSoPartnern und Verwaltung ermöglicht. Bisher bestehende Gremien, die auch seitens der WiSoPartner als wichtig betrachtet werden, werden fortgeführt.

Darüber hinaus stellen die EU-Verwaltungsbehörden den WiSo-Partnern künftig direkt Personalanteile für Anfragen und die Aufbereitung von Informationen zur Verfügung. Durch diese Struktur wird ein Kommunikationsscharnier etabliert, das es den WiSo-Partnern und den EU-Verwal

tungsbehörden ermöglicht, noch enger in den gegenseitigen Austausch zu treten. Im Weiteren gilt es, diese Struktur im Dialog zwischen den WiSo-Partnern und den EU-Verwaltungsbehörden zu untersetzen, anzupassen und zum Leben zu erwecken. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Herr Minister, Frau Heiß hat sich mit einer Frage zu Wort gemeldet.

Darf ich noch eine Bemerkung machen?

Ja, bitte.

Die Präsidentin hat gestern gesagt, dass Sie es dem Staatssekretär gestattet, auf Fragen zu antworten. Das Finanzressort ist nicht mein Fachressort. Ich bitte darum, dass der Staatssekretär die Frage von Frau Heiß beantworten kann.

(Gabriele Brakebusch, CDU: Nein, nein! Du musst ihn dann fragen! Er hat kein Rede- recht!)

- Ach so, ich muss ihn fragen. Gut.

Frau Heiß, dann haben Sie jetzt das Wort. - Herr Webel, Sie können auch darauf verweisen, dass das schriftlich zugearbeitet wird.

Genau.