Wir alle sehen, dass wir nach der relativen Entspannung im Sommer seit einigen Wochen einen dramatischen Anstieg der Fallzahlen in Europa zu verzeichnen haben. Und nun explodieren auch die Fallzahlen in Deutschland.
Die deutsche Politik hat in dieser Lage zwei Optionen. Erstens. Wir lassen die Infektionswelle laufen. Zweitens. Wir nehmen Einfluss auf die Infektionswelle. Meine Fraktion tritt der Entscheidung des Bundes und der Länder und damit auch der Entscheidung der Landesregierung in der Substanz bei und trägt mit, dass Einfluss auf die Infektionswelle zu nehmen ist.
Ja, es muss gehandelt werden. Herr Ministerpräsident, hierbei stehen wir zusammen. Alles andere wäre der Tragweite der Situation nicht angemessen. Denn - das muss auch deutlich gesagt werden - die Einschnitte sind hart, sehr hart und für Einzelne brutal.
Doch wenn man sich dafür entscheidet, die Infektionswelle unbedingt abflachen zu wollen, dann ist es aktuell das weltweit einzige bekannte und wirksame Konzept, alle Kontakte, die potenziell zu einer Infektion führen können, so weit wie möglich auch tatsächlich einzuschränken.
Die Kontakte auf Zeit auf ein Viertel zu reduzieren und bestimmte Bereiche davon bewusst auszunehmen, zwingt dazu, zahlreiche andere Bereiche der Gesellschaft auf Zeit herunterzufahren. Diese Entscheidung ist hart. Aber das muss Politik manchmal tun.
Wir als LINKE hätten jedoch Wert darauf gelegt und legen auch weiterhin Wert darauf, auf der Grundlage der durch mich soeben ganz ausdrücklich erklärten Gemeinsamkeiten an dieser politischen Entscheidung und ihren Details beteiligt zu werden. Das wollen Sie nicht. Man kann es so machen, wenn es zulässig ist - politisch klug ist es nicht.
Einerseits sprechen Sie, Herr Ministerpräsident, in Ihrer Fernsehansprache im MDR von der schwersten Krise der jüngeren Zeit. Andererseits glauben Sie, diese Krise ausschließlich mit exekutiver Willensbildung meistern zu können.
Was wir jetzt jedoch dringend brauchen, um die Akzeptanz für die erforderlichen Maßnahmen zu erhöhen, ist ein transparenter gesellschaftlicher Prozess v o r einer Entscheidungsfindung. Es gibt andere Beispiele, die stärker sind als Sie.
Menschen. Nach meiner Überzeugung war Ihre Regierungserklärung in Inhalt und Form der Lage weder angemessen noch war sie geeignet, tatsächlich Halt und Orientierung zu geben. Die Transparenz auf dem Weg zu Ihren Entscheidungen fehlte gänzlich.
Sie knüpften heute nahtlos an Ihren ebenso nicht überzeugenden Auftritt in der Regierungsbefragung am 16. Oktober 2020 an; Herr Gallert wies darauf hin. Auch Ihre Fernsehansprache am 1. November 2020 im MDR hat mich vor allem hinsichtlich Ihrer Vortragsweise nicht positiv beeindruckt. Sie haben dort eine Rede emotionslos vorgelesen. Man kann das als ruhige Besonnenheit, als Gleichmut wahrnehmen. Das passt bei Ihnen beides nicht.
Ich bin mir eben unsicher, ob diese Leidenschaftslosigkeit die Menschen tatsächlich erreicht. Wir sehen, dass die Akzeptanz der Maßnahmen sinkt. Sämtliche Erklärungen für zum Teil sehr merkwürdigen Entscheidungen sind Sie schuldig geblieben.
Selbstverständlich haben die Menschen Fragen. Selbstverständlich haben sie auch ein Recht auf Antworten. Es ist klar, dass die Einschränkungen für Kultur und Kunst nicht ganz nachvollziehbar sind, wenn Shopping Malls offenbleiben. Da läuft etwas schief. Deshalb sagen wir als LINKE ganz klar: Ohne Kunst und Kultur wird es grau und trist,
Viele Menschen verfallen in diesen Novembertagen in Angst, Angst vor der Zukunft. Viele Kleinunternehmen stehen vor dem Aus. Soloselbstständige müssen um ihre Existenz bangen. Wir geraten in eine erhebliche soziale Schieflage.
Corona verändert uns, unsere Gesellschaft, und ich muss ihnen sagen, dass ich nicht finde, dass Sie damit angemessen umgehen, Herr Ministerpräsident. Sie verbreiten keine Sicherheit, keine Klarheit, sondern ändern Ihre Meinung, drehen sie nach dem Wind.
Natürlich ist es erforderlich, flexibel zu agieren. Aber Flexibilität bedeutet nicht Beliebigkeit. Und Sie strahlen Beliebigkeit aus.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte meine Kritikpunkte an Ihrer Regierungserklärung und an Ihrer Krisenpolitik in vier Punkten zusammenfassen.
Erstens lassen Sie aus meiner Sicht völlig im Unklaren, was die Leitplanken Ihrer Coronakrisenpolitik sind. Haben Sie sich noch bis kurz vor der Schalte mit der Kanzlerin am 28. Oktober 2020 dadurch hervorzutun versucht, mit regionalen, auf Lockerungen und Unverbindlichkeit bedachten Sonderwegen beim Wahlvolk zu punkten,
so stimmten Sie in der Schalte einem Beschluss zu, der sehr weit von Ihren letzten Einlassungen entfernt ist, um dann noch einmal eine Drehung zu machen und zu behaupten,
dass die mit der Kanzlerin beschlossenen Maßnahmen für Sachsen-Anhalt nicht verhältnismäßig seien. Mit solchen Aussagen kann man Ihnen nur viel Glück auf dem Weg in die Gerichte wünschen. Wie eine solche Springprozession bei den Menschen draußen im Land Orientierung und Vertrauen wachsen lassen kann, ist mir ein Rätsel.
Zweitens. Sie agieren augenscheinlich ohne oder unter sehr eingeschränkter Beteiligung all jener staatlichen und gesellschaftlichen Bereiche, die von Ihrer Lageeinschätzung und von den getroffenen Maßnahmen der Landesregierung zum Teil vital betroffen sind. Wo ist beispielsweise die regelhafte Beteiligung vor Videoschalten mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten oder vor dem Beschließen einer Eindämmungsverordnung? Wo ist der öffentliche Diskurs mit den von Ihren Entscheidungen Betroffenen? Wo ist die offen kommunizierte Begründung der einzelnen Maßnahmen und der Maßstäbe Ihrer Beurteilung? - Fehlanzeige.
Drittens agieren Sie augenscheinlich ohne oder mit sehr eingeschränkter wissenschaftlicher Beratung. Wenn Sie das tun sollten, ohne es öffentlich zu kommunizieren, wie das andere Ministerpräsidenten sehr deutlich tun,
Viertens - das ist ein Kritikpunkt, der auch die Basis unseres heutigen Antrages geworden ist - agieren Sie ohne das Parlament. Das haben wir als LINKE schon mehrfach angemahnt. Ich sage ganz deutlich: Es geht nicht allein um uns, es geht vielmehr um eine transparente Debattenkultur im Landtag von Sachsen-Anhalt,
- Ja, aber Sie machen es doch nicht freiwillig. Sie machen es, weil Sie dazu gedrängt, gezwungen worden sind.
- Sie haben es doch vorhin in seiner Regierungserklärung gehört: Er nimmt Bezug darauf, dass er hier schon viermal darüber diskutiert hat, dass er uns schon viermal seine Informationen hat zuteilwerden lassen. Warum hat er das getan?
Weil wir dieses Thema in der letzten Regierungsbefragung auf die Tagesordnung geholt haben, weil er eine Aktuelle Debatte, die von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt worden ist, missbraucht hat, um über dieses Thema zu sprechen.
Aber er hatte bisher nicht den Hintern in der Hose, sich hier hinzustellen und von sich aus, ohne den Druck des Parlaments, tatsächlich eine solche Erklärung abzugeben; geschweige denn, dass er sich heute zu der Aussage hinreißen ließe, dass Hinweise aus der Opposition für seine Entscheidungen keine Rolle spielen. Das ist, finde ich, ein merkwürdiges Demokratieverständnis, Herr Kollege.
Sie haben in den Medien immer wieder betont, dass Sie das Parlament einbeziehen. Tatsache ist, dass Sie lediglich die Koalitionsfraktionen beteiligen.
Sie sind sogar so weit gegangen, das in der Präambel der Eindämmungsverordnungen schriftlich zu fixieren. Das halte ich ausdrücklich für eine Frechheit.