Protokoll der Sitzung vom 19.11.2020

liert. Insbesondere sollen die Landkreise künftig Zukäufe untersagen können, wenn eben die Käufer eine marktbeherrschende Stellung auf dem regionalen Bodenmarkt erreichen; das heißt, wenn sie mehr als 50 % der landwirtschaftlichen Fläche in einer Gemarkung im Eigentum oder in der Pracht haben.

Wesentlich ist auch die Stärkung der Landgesellschaft. Die Landgesellschaft kann jetzt auch ihr Vorkaufsrecht ausüben, wenn zunächst eben kein aufstockungswürdiger Landwirt vorhanden ist. Genau das war oft ein Grund dafür, dass die Landgesellschaft von ihrem Vorkaufsrecht eben nicht Gebrauch machen konnte.

Zudem soll die Landgesellschaft einen Bodenfonds von rund 20 000 ha aufbauen. Diese Flächen können dann später beispielsweise an Junglandwirte oder Junglandwirtinnen übergeben werden, die ihren eigenen Hof aufbauen wollen, die bisher in der Mühle zwischen Finanzinvestoren und etablierten Agrarbetrieben häufig zu kurz gekommen sind.

Also, es soll mehr Transparenz auf dem Bodenmarkt erreicht werden durch die Anzeigepflicht bei Pachtung. Verstöße dagegen sollen zukünftig geahndet werden mit Bußgeldern in Höhe von bis zu 100 000 €. Transparenz auf dem Bodenmarkt soll auch dadurch geschaffen, dass Share Deals genehmigungspflichtig sind, wie ich ausgeführt habe. Wenn man Share Deals, die nicht genehmigt sind, vollzieht, dann ist das bußgeldbewährt in Höhe von bis zu 1 Million €.

Ich denke, das ist ein ausgewogener und ein sehr guter Gesetzesvorschlag. Denn - das ist klar - Grund und Boden gehören in die Hand ortsansässiger Landwirte und Landwirtinnen. Landwirte vor Ort sind unerlässlich für die Entwicklung unserer ländlichen Räume, denn sie übernehmen Verantwortung vor Ort und sie lassen eben auch die Wertschöpfung vor Ort.

Mit dem Agrarstrukturgesetz erreichen wir Transparenz im Bodenrecht und können Marktkonzentrationen verhindern. Investoren, die nicht aus der Landwirtschaft kommen, werden künftig nicht mehr unbegrenzt Ackerflächen erwerben können. In diesem Sinne unterstütze ich den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen ausdrücklich. - Herzlichen Dank dafür.

(Zustimmung)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Ministerin für die Stellungnahme der Landesregierung. - In der Debatte ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die AfD spricht der Abg. Herr Loth. Herr Loth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun ist es endlich da - das Agrarstrukturgesetz. Es ist seit Jahren in aller Munde, 2019 auch im Plenum noch einmal gefordert. Jetzt liegt es vor; die Koalition hat abgeliefert.

Die spannende Frage, die sich natürlich entwickelt, lautet: Welche Agrarstruktur wollen wir eigentlich in Sachsen-Anhalt? - Das hatten die Akteure im ländlichen Raum eigentlich vorher mit ihrem Leitbild Landwirtschaft festgelegt. Wir erinnern uns: Das Leitbild Landwirtschaft war eigentlich die Grundlage für ein Agrarstrukturgesetz. Es war vorgeschrieben, dass wir uns erst darüber unterhalten und mit diesem Leitbild Landwirtschaft dann in das Agrarstrukturgesetz gehen. Dieses Leitbild Landwirtschaft ist leider nicht ohne Diskussion fertiggestellt worden und viele haben sich daraus verabschiedet. Wir erinnern uns an die letzten Reden, ich dazu gehalten habe.

Die „Top Agrar“ hatte am 25. April 2018 getitelt, dass das Leitbild zwar fertig sei, ohne die Akteure im ländlichen Raum, die das verlassen hätten.

Wenn wir uns die kurzen Pressemitteilungen der Verbände angeschaut haben, die auf den vorliegenden Entwurf reagiert haben, stellen wir fest, dass es hierzu großen Diskussionsbedarf gibt.

Wir haben natürlich zwei Verbände, die aufeinanderprallen, zum einen den großen Bauernverband, der meint, die Genossenschaften sind hier etwas im Nachteil. Zum anderen meint der Bauernbund, die kleinen Unternehmen seien etwas in Nachteil. In der Mitte zwischen beiden befindet sich das Ministerium, das gern Ökolandwirte am besten überall im Land für immer haben möchte, dabei aber sehr darauf bedacht ist, die Energiesicherheit mit Monokulturen und Energiepflanzen zu sichern.

Insofern sind noch einige Absätze offen, die wir klären müssen und über die wir sprechen müssen. Ich bin sehr gespannt auf die Beratungen zu dem Thema im Landwirtschaftsausschuss. Wir werden uns schon am Mittwoch darüber unterhalten, wie wir damit umgehen werden.

Ich möchte anregen, dass wir auf jeden Fall die Betroffenen im Land zu einem Fachgespräch einladen, damit sie sich äußern und einbringen können und vielleicht auch Änderungen anbringen können. Wir haben bereits einige Änderungen vorgesehen in unserem Änderungsantrag, der ebenfalls überwiesen wird, über den wie dann auch reden können.

Ich bin jedenfalls sehr arbeitswütig in Bezug darauf, dass wir dieses Gesetz noch weiter verbessern und dass wir einen Ausgleich zwischen allen

Akteuren im ländlichen Raum schaffen. Ich bin wirklich froh, dass wir endlich zu Potte kommen mit dem Agrarstrukturgesetz; denn wir sehen es selber: Die Strukturen im Land sind fragil, die Investoren drängen in das Land hinein und wir müssen wirklich etwas machen.

In diesem Sinnen bedanke ich mich für die Arbeit, die hier geleistet wurde, und verspreche, dass wir uns, wie immer, im Ausschuss ordentlich einbringen werden. Vergessen Sie aber bitte die Akteure vor Ort nicht. - Danke schön.

(Beifall)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Loth für den Redebeitrag. - Für die CDU spricht der Abg. Herr Daldrup. Herr Daldrup, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Agrarstruktur ist in diesem Haus immer heiß diskutiert worden, und zwar seit mindestens 15 Jahren, solange ich hier im Parlament bin, unter ganz verschiedenen Aspekten.

Wir haben zunächst einmal - wenn ich es richtig Erinnerung habe - stets die BVVG im Mittelpunkt gehabt. Jetzt haben wir nach vielen Jahren der Diskussion und nach gescheiterten Versuchen, ein Agrarstrukturgesetz in den Landtag einzubringen, dies Gott sei Dank getan. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei den Mitarbeitern der Fachabteilung im Ministerium bedanken, die uns in sehr kompetenter Weise begleitet haben. Ich glaube, es war auch richtig, dass wir das in Form der Arbeitsgruppe ins Parlament gezogen haben. Wir wissen alle, wie schwierig dieses Gesetz ist, da es eben sehr viele Rechtsbereiche tangiert.

Es tangiert den Eigentumsbereich. Es tangiert den Wettbewerbsbereich. Es tangiert das Bodenrecht und viele andere Rechte, die dabei eine Rolle spielen.

Wir haben schnell feststellen müssen, dass uns rechtlich enge Grenzen gesetzt sind. Wir hätten sie gerne ein bisschen weiter gefasst, aber das ist nun einmal nicht so. Deswegen ist dieses Gesetz ein Spagat zwischen neoliberalen Marktleuten, Kollektivisten und Traditionalisten, wenn man es einmal so betrachten möchte.

Deswegen ist es auch klar, dass das kontrovers diskutiert wird. Wir haben etwas vorgelegt, das, so glaube ich, schlüssig ist, das in seinen Parametern aber durchaus veränderbar ist. Wenn es gute Argumente dafür gibt, warum wir die marktbeherrschende Stellung anders als mit 50 % for

mulieren sollten, dann werden wir darüber diskutieren. Wenn es gute Argumente dafür gibt, eine Grenze von 250 ha oder von 5 ha festzulegen, dann müssen wir darüber diskutieren und dann werden wir einer Änderung auch offen gegenüberstehen.

Aber bestimmten Dingen, die bereits diskutiert wurden und die in Pressemitteilungen auch schon veröffentlicht wurden, muss ich auch eine Absage erteilen, wie zum Beispiel der Aussage, man brauche das alles gar nicht und man könne das mit Verordnungen regeln. - Nein, wir können das nicht mit Verordnungen regeln, weil der Gegenstand der Share Deals in diesem Land keine gesetzliche Grundlage hat, auf die sich eine Verordnung beziehen könnte. Deswegen können wir an dieser Stelle keine Verordnung erlassen. Wir brauchen eine gesetzliche Regelung an dieser Stelle, um das dann auch vernünftig umzusetzen.

Wenn wir sagen, wir wollen die Landgesellschaft stärken, dann finden wir das richtig, weil wir glauben, dass wir hierdurch natürlich die Flexibilität erhöhen können. Aber ich sage auch: Dieser Fonds ist nicht dazu gedacht, die landwirtschaftliche Nutzfläche in ökologische Vorrangfläche umzuwandeln oder für Kompensationsmaßnahmen zu nutzen. Deswegen steht in diesem Gesetz, dass die landwirtschaftliche Nutzung gesichert sein muss. Das ist ein wichtiger Punkt auch in der Außendarstellung.

Noch etwas ist wichtig: Wir als CDU-Fraktion wollen - das war uns sehr wichtig - die breite Streuung des Eigentums. Deswegen haben wir auch die Möglichkeit, den Käuferkreis zu erweitern, ausgedehnt. Deswegen ist vorgesehen, den Mitgliedern von Agrargenossenschaften eine Gleichstellung mit dem Landwirt zu ermöglichen.

Wir haben die Kaufmöglichkeiten für die vielen Nebenerwerbslandwirte verbessert, die bislang auch Schwierigkeiten hatten, hierbei mitzumischen.

Zu den marktbeherrschenden Stellungen und den entsprechenden Grenzen sage ich Folgendes sehr deutlich: Ich habe vor ein paar Tagen mit jemandem diskutiert, der gesagt hat, die Fläche werde doch bewirtschaftet und derjenige, der die Gemarkung bewirtschafte, fördere die Schulen und mache dieses und jenes, und wenn er das nicht mehr könne, dann mache es eben jemand anders. Dazu habe ich gesagt, dass ich genau das nicht möchte. Ich möchte nicht, dass in meiner Gemarkung die Bewirtschaftung alle zehn oder 15 Jahre wechselt. Denn dann weiß ich nicht, ob der Nächste das auch noch macht. Ich möchte - das habe ich im Landtag schon einmal gesagt - eigentlich, dass jeder Hektar einen Kopf hat, den ich kenne, den ich heranziehen kann und mit dem ich diskutieren kann.

(Zustimmung)

Ich möchte keinen Vorstand in Hamburg haben, den ich anschreiben muss und bei dem es erst einen Vorstandsbeschluss geben muss, damit die Hecke gemäht werden kann. Das ist das Problem, das wir haben, und wir versuchen, das mit dem Gesetz zu regulieren.

Das ist ein Spagat zwischen Marktwirtschaft, Wettbewerb und dergleichen mehr. Wir versuchen, den Wettbewerb aufrechtzuerhalten und diejenigen zu schützen, die selbst nicht dazu in der Lage sind, die sich im Markt nicht so auskennen, sie davor zu schützen, übervorteilt zu werden. Auch das ist in der Vergangenheit der Fall gewesen - daran gibt es nichts zu deuteln -,

(Zuruf)

dass nicht ausreichend über den Markt informierte Menschen übervorteilt worden sind.

Ich wundere mich ein bisschen über die Äußerungen mancher Verbände, die über Jahre hinweg auch über die Partei mit Beschlüssen versucht haben, dieses Gesetz durchzubringen, und es jetzt auf einmal kritisieren und sagen: Dies passt uns nicht und jenes passt uns nicht.

Herr Daldrup, kommen Sie zum Schluss.

Aber es ist das Wesen der Demokratie, dass man Kompromisse machen muss. Wir werden an dieser Stelle, glaube ich, einen ersten Schritt machen, der wirklich dazu führt, dass wir in Sachsen-Anhalt eine vielfältige Agrarlandschaft und eine vielfältige Agrarstruktur bekommen. - Vielen Dank.

(Beifall)

Fragen sehe ich dazu keine. Dann danke ich Herrn Daldrup für seinen Redebeitrag. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abg. Frau Eisenreich. Frau Eisenreich, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Boden ist das wichtigste Produktionsmittel in der Landwirtschaft zur Erzeugung unserer Lebensmittel. Und er ist endlich, darauf hat Frau Kollegin Frederking hingewiesen. Deshalb ist er wertvoll und gehört aus unserer Sicht in die Hände derjenigen, die ihn bewirtschaften. Das setzt jedoch voraus, dass Landwirtinnen und Landwirte sich den Boden auch leisten können. Genau deshalb sehen wir

mit großer Sorge die Entwicklungen der letzten zehn bis 15 Jahre, in denen sich die Pacht- und Kaufpreise enorm erhöht haben.

Es sind hier schon verschiedene Zahlen angeführt worden. Ich nehme einzelne heraus: Von 2010 bis 2015 stiegen die Preise um ca. 80 %. Im Jahr 2017 lagen die durchschnittlichen Hektarpreise sogar bei 22 500 €. Durchschnitt bedeutet aber auch immer, dass bei Verkäufen auch wesentlich höhere Preise aufgerufen wurden und bis heute werden. Derartige Preise - das wissen wir - sind aber nicht zu erwirtschaften. Preistreiber ist natürlich ein gesteigertes Interesse am Boden als Anlageobjekt, insbesondere von zahlungskräftigen, nicht ortsansässigen und nicht landwirtschaftlichen Investoren aufgrund der Niedrigzinspolitik, aber eben auch eine völlig verfehlte, auf Höchstpreise setzende Vermarktung durch die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH.

Dies gilt in zunehmendem Maße auch für die Anteilskäufe an landwirtschaftlichen Unternehmen, die das Grundstücksverkehrsrecht umgehen. Damit geraten ortsansässige Landwirtinnen und Landwirte absolut ins Hintertreffen, und das Eigentum an Boden konzentriert sich weiter, statt zu einer breiten Streuung zu gelangen, wie wir das eigentlich wollen. In der Folge werden der Boden und auch die ländliche Struktur komplett bedroht.

Die Probleme sind hinlänglich bekannt. Nicht zuletzt hat auch meine Fraktion daher im März 2019 für eine Bodenpreisbremse plädiert. In der damaligen Debatte kam immer wieder das Signal, dass Regelungsbedarf bestehe.

Mit der Zielstellung von stabilen land- und forstwirtschaftlichen Strukturen, transparenten Eigentumsverhältnissen und einer ausgewogenen Verteilung von Eigentum sind Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, auch in diese Legislaturperiode gestartet. Dazu soll - ich zitiere aus dem Koalitionsvertrag -

„aufbauend auf dem Leitbild […] eine Gesetzesinitiative zur Reformierung des Bodenmarktes erfolgen, welche insbesondere dem Ziel der Preisdämpfung auf dem Pacht- und Bodenmarkt dienen soll. Dabei sollen Regelungen für Geschäftsanteilsverkäufe getroffen werden.“

Nun liegt ein Gesetzentwurf vor, der diesen Zielstellungen gerecht werden soll. Richtig ist der Ansatz, hierbei auch die Forstwirtschaft einzubeziehen. Nun erinnern wir uns aber zunächst an das gemäß dem Koalitionsvertrag vorauszusetzende Leitbild für die Landwirtschaft, das zwar erarbeitet, aber letztendlich von 15 Organisationen abgelehnt wurde und damit kein Konsenspapier ist. Das begründet möglicherweise das

wenig ambitionierte agrarstrukturelle und bodenmarktpolitische Leitbild des Landes in dem ersten Teil der Begründung. Frau Frederking hat darauf verwiesen.

Dabei sollte aber eben dieses Leitbild aus der Sicht der Fraktion DIE LINKE klare Leitlinien für den Erwerb und die Nutzung von Agrarflächen zur gesetzlichen Umsetzung enthalten. Das spiegelt sich dann auch in § 1 Abs. 1 des Gesetzentwurfs wider, in dem als agrarstrukturelles Ziel die Gewährleistung leistungsfähiger Unternehmen der Landwirtschaft formuliert wird.