Protokoll der Sitzung vom 20.11.2020

Mit der Umsetzung einiger der Maßnahmen wurde bereits begonnen. Doch unsere wichtigsten Partner bei der Umsetzung des Landesradverkehrsplans sind die Kommunen; denn der größte Teil der Radverkehrsinfrastruktur liegt in ihrer Hand.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal daran erinnern, dass die Zuständigkeiten für die Förderung des Radverkehrs auf der Seite des Landes bei insgesamt drei Ministerien liegen. Das MLV ist zuständig für straßenbegleitende Radwege an Bundes- und Landesstraßen und für die Förderung von kommunalen Alltagsradwegen. Das MULE fördert den Bau von multifunktionalen Wegen im Rahmen des ländlichen Wegebaus. Das MW fördert die überregionalen touristischen Radwege. Aufgrund der thematischen Überschneidungen stehen die Fachreferate in einem engen und regelmäßigen Austausch.

Nach einem Jahr intensiver Arbeit und zahlreichen Veranstaltungen haben wir erfolgreich die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommune“, kurz AGFK, auf den Weg gebracht. Im November 2019 sind wir mit 36 Kommunen gestartet. Inzwischen gehören bereits 52 Kommunen der Arbeitsgemeinschaft an und

weitere Landkreise und Gemeinden haben ihren Beitritt angekündigt.

Vertreter der AGFK haben sich in der Märzsitzung im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr vorgestellt und über ihre Vorhaben berichtet. Bei dieser Sitzung war ebenfalls der ADFC zu Gast, der das Agieren des MLV hierbei ausdrücklich lobte.

(Zustimmung)

Die Arbeitsgemeinschaft ist pandemiebedingt in diesem Jahr unter starken Einschränkungen gestartet. Dennoch wurden erste Projekte beschlossen und werden nun, gefördert vom Land, umgesetzt. Wir haben uns dafür starkgemacht, dass die finanzielle Unterstützung für die Arbeitsgemeinschaft für mindestens fünf weitere Jahre gesichert ist. In erheblichem Umfang unterstützen wir die Kommunen auch bei der Inanspruchnahme von Fördermitteln für den Bau von Radwegen und Fahrradabstellanlagen.

Mit dem Landesradverkehrsplan haben wir uns das Ziel gesetzt, eine neue Förder- und Beratungskultur zu entwickeln und die Förderbedingungen für die Kommunen deutlich zu verbessern. Da wir auch mit dem aktuellen Haushalt keine Landesfördermittel für den kommunalen Radwegebau bereitstellen konnten, haben wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft, um die Inanspruchnahme von EU- und Bundesmitteln zu erleichtern. So haben wir gegenüber der EU und dem Bund durchgesetzt, dass die Fördermittel nicht nur für den Neubau, sondern auch für die Ertüchtigung maroder Radverkehrsinfrastruktur eingesetzt werden dürfen.

(Zuruf: Sehr gut!)

Das schont die Umwelt und spart finanzielle und personelle Kapazitäten. Wir haben darüber hinaus die Förderquote bereits auf 90 % erhöht, neue Fördertatbestände aufgenommen und auch die Nachweisführung erleichtert.

Zahlreiche Beratungsgespräche haben dazu geführt, dass die EU-Mittel der laufenden Förderperiode inzwischen vollständig abgerufen wurden. Wir haben darüber hinaus erreicht, dass auch in der nächsten Förderperiode EU-Mittel für den kommunalen Radwegebau und für Fahrradabstellanlagen sowie für moderne Umsteigepunkte zum ÖPNV und innovative Projekte im öffentlichen wie im privaten Sektor bereitstehen werden.

Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass die Radverkehrskoordination inzwischen für insgesamt acht Förderprogramme des Radverkehrs die fachliche Verantwortung trägt.

Neben der aktuellen und der kommenden EU-Förderperiode werden vom MLV die mit PMO-Mitteln geförderten Projekte begleitet. Darüber hinaus

werden die Bundesfinanzmittel für den Radweg „Deutsche Einheit“, für die Radschnellwege und für das Sonderprogramm „Stadt und Land“, das Anfang nächsten Jahres startet, vom Land fachlich umgesetzt. Die vom Landtag beschlossene Lastenradförderung war und ist ein Erfolgsprogramm.

Wir haben uns außerdem dafür starkgemacht, dass die Umsetzung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur mit Mitteln aus dem Strukturwandelfonds finanziell unterstützt werden kann. Darüber hinaus steht die Radverkehrskoordination als zentrale Beratungsstelle auch für alle weiteren Radverkehrsförderprogramme des Landes und des Bundes zur Verfügung. Wir sind hierbei auf einem guten Weg. Doch sicherlich geht es dem einen oder anderen beim Radwegebau nicht schnell genug.

(Zuruf: Genau!)

Die enge Zusammenarbeit in den Kommunen zeigt uns tagtäglich, wo die Probleme liegen und dass sie tiefer liegen. Die Radverkehrsförderung und der Bau von Radverkehrsinfrastruktur sind keine Pflichtaufgaben der Kommunen. Die finanziellen Mittel für freiwillige Aufgaben sind begrenzt. Dieses Problem wird durch die Auswirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft aktuell noch verstärkt. Auch Eigenanteile von nur 10 % stellen für viele unserer Kommunen ein großes Problem dar.

Weiterhin müssen sowohl die Kommunen als auch das Land Hürden bei der Umsetzung von Radwegen nehmen, die wir kaum beeinflussen können. Das erforderliche Baurecht zu schaffen, ist oft aufwendig und langwierig. Die Entwicklungen im Umwelt- und Verfahrensrecht erschweren die Umsetzung zusätzlich. Fünf bis zehn Jahre Vorlauf sind inzwischen die Regel und nicht die Ausnahme. Ein Beispiel: Den Radweg von Genthin nach Parchen planen wir seit 2012 und haben nach acht Jahren noch immer kein Baurecht.

Der Fachkräftemangel bzw. allgemein der Personalmangel in den Verwaltungen verstärkt das Problem zusätzlich.

(Zuruf)

Kleinere Kommunen haben oft Probleme mit der Umsetzung des komplizierten Vergaberechts und müssen bereits für Ausschreibungen auf externen Sachverstand zurückgreifen. Aufgrund der hohen Nachfrage enden viele Ausschreibungen für kleinere Vorhaben erfolglos oder führen zu Angeboten mit überhöhten Preisen.

Auch die Diskussionen mit Umweltverbänden über die Vernichtung von Flora und Fauna durch den Bau von Radwegen konterkarieren die Bestrebungen, den Radverkehr als umweltfreund

liche Form der Mobilität zu fördern, und behindern die zügige Umsetzung oft über Jahre.

(Zuruf: Ja!)

Viele Bürgerinnen und Bürger fordern von der Verwaltung, mehr und schneller Radwege umzusetzen. Doch bei kaum einem Verfahren ist der Grunderwerb von Privaten problemlos und kurzfristig möglich. Insbesondere der zusätzliche Flächenbedarf für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen stößt nicht immer auf das Verständnis der Betroffenen. Im Ergebnis können in jedem Jahr nur vergleichsweise wenige Maßnahmen durch Land und Kommunen abgeschlossen werden.

Der Landesverwaltung und den Kommunen stehen mehr Mittel für den Bau von Radverkehrsinfrastruktur zur Verfügung als je zuvor. Wir haben die Mittel für den Radwegebau an Landesstraßen mit dem Koalitionsvertrag versechsfacht.

Aktuell befinden sich 39 Radwegvorhaben an Landesstraßen mit einer Gesamtlänge von ca. 85 km sowie 30 Radwegvorhaben an Bundesstraßen mit einer Gesamtlänge von ca. 80 km in den unterschiedlichen Planungsphasen. Wir suchen nach Möglichkeiten, um Planung und Bau zu vereinfachen und zu erleichtern. Doch die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf der EU- und auf der Bundesebene setzen uns hierbei leider enge Grenzen.

Das MLV hat hierzu im Rahmen von Bundesratsbefassungen zur Planungsbeschleunigung bereits mehrfach konkrete Ansätze im Verkehrsausschuss des Bundesrates vorgebracht bzw. entsprechende Initiativen unterstützt. So werden aus unserer Sicht die Einführung einer EU-rechtskonformen materiellen Präklusion wie auch die Gleichstellung der Ersatzzahlungen im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung als hilfreiche Instrumente angesehen, um die Schaffung von bestandskräftigem Baurecht zu beschleunigen. Es ist jedoch Aufgabe der Landespolitik, hierbei einen Konsens zu erzielen. Das haben wir in der Vergangenheit nicht immer erreichen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben im Dezember 2019 unter Einbeziehung der Kommunen und in enger Zusammenarbeit mit den Landkreisen und kreisfreien Städten mit der Planung eines alltagstauglichen und lückenlosen Radverkehrsnetzes begonnen. Die Fraktionen des Landtages wurden im Oktober 2020 über den Start der finalen Beteiligungsphase informiert. Mehr als 130 Stellungnahmen der Kommunen sind bei uns bereits eingegangen. Diese rege Beteiligung zeigt, als wie wichtig das Thema auf allen Ebenen eingeschätzt wird.

Die Netzplanung bildet die Basis für eine neue Baulastträger übergreifende Strategie zur Umset

zung und Erhaltung von alltagstauglichen Radverkehrsverbindungen in Sachsen-Anhalt und zur Schließung von Netzlücken.

Gemeinsam mit den Kommunen planen wir ein übergeordnetes Netzkonzept, das sich auf die wichtigen Alltagsverbindungen konzentriert, indem es Ober-, Mittel- und Grundzentren sowie Gemeinden mit zentralen Funktionen wie weiterführenden Schulen und Verwaltungsstandorten miteinander verbinden wird. Durch die Verknüpfung mit dem Bahn-Bus-Landesnetz können wir dauerhaft den gesicherten Umstieg auf den ÖPNV garantieren.

Im Rahmen der Netzplanung haben wir die Qualitätsstandards entwickelt, die wir für den Bau von Radwegen an Bundes- und Landesstraßen anwenden werden.

Die Anwendung einiger dieser Standards erleichtert die Planung und erhöht die Sicherheit der Radfahrenden. Um einen einheitlichen Qualitätsstandard im gesamten Radverkehrsnetz zu erreichen, empfehlen wir den Kommunen die Anwendung dieser Standards und werden sie im Rahmen von Förderprogrammen verbindlich zur Anwendung vorschreiben.

Wir haben im Jahr 2017 erstmals den Zustand aller straßenbegleitenden Radwege an Landesstraßen erfasst. 74 % der Radwege sind in einem guten bis neuwertigen Zustand. Das sind ca. 500 km Radweg. Radwege mit einer schlechteren Zustandsbewertung werden sukzessive ertüchtigt. Die Befahrungen sollen in regelmäßigen Abständen wiederholt werden, um die Radwege in der Baulast des Landes systematisch an die gesetzlichen Qualitätsstandards anzupassen.

Das Netzkonzept und die Information zum Radwegebestand werden die Grundlage für ein amtliches Landesradverkehrsinformationssystem

sein, das wir gerade aufbauen und anschließend allen Akteuren auf der Landesebene sowie den Kommunen kostenfrei zur Verfügung stellen werden. Diese Datenplattform ist notwendig für die Umsetzung eines landesweiten Wegweisungssystems, eines gemeinsamen Radwegemanagements und eines verlässlichen Mängelmeldesystems.

Wir haben gemeinsam mit allen Akteuren, auch unter Einbindung aller Landtagsfraktionen, in den letzten Jahren neue Strategien auf den Weg gebracht, die den Radverkehr in Sachsen-Anhalt einen deutlichen Schritt nach vorn bringen werden. Gute Ideen sind uns jederzeit willkommen, sofern sie umsetzbar, nachhaltig und finanzierbar sind.

Ich glaube, der Radverkehr eignet sich nicht für den Landtagswahlkampf im nächsten Jahr, weil für den Radverkehr nicht nur das Land zuständig

ist, sondern insbesondere die Kommunen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung)

Ich sehe keine Fragen. Dann ist dieser Debattenbeitrag beendet und wir können in die Debatte der Fraktionen eintreten. Vorher stelle ich eine Redezeitüberschreitung von drei Minuten fest. Die zusätzliche Zeit können die Redner der Fraktionen ausnutzen, sie müssen es aber nicht. Als Erster spricht für die AfD-Fraktion Herr Büttner. - Herr Büttner, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! In etwas mehr als sechs Monaten wird in Sachsen-Anhalt der Landtag neu gewählt. Daher ist es verständlich, die eigene Wählerklientel zu bedienen, wie im Fall der heutigen von den GRÜNEN beantragten Aktuellen Debatte zur Strategie für den Radverkehr in Sachsen-Anhalt.

Allerdings ist nicht verständlich, warum das erst jetzt geschieht. Schließlich sind die GRÜNEN Teil der Regierungskoalition und hätten bereits in den vergangenen viereinhalb Jahren entsprechend Einfluss nehmen können. Im Koalitionsvertrag hat man sich darauf geeinigt, aber umgesetzt hat man es nicht. An dieser Stelle möchte ich einige Stellen aus dem Koalitionsvertrag zitieren.

„Der Radverkehr spielt bei der Ausgestaltung einer nachhaltigen, sicheren, gesundheitsfördernden und umweltfreundlichen

Mobilität eine wesentliche Rolle.“

Und weiter:

„Hierfür ist der 2016 zu verabschiedende Landesradverkehrsplan umzusetzen.“

Dann frage ich mich doch: Wurde dieser im Jahr 2016 tatsächlich verabschiedet? Die Antwort darauf lautet: nein. In den Jahren 2017, 2018, 2019 geschah dies ebenfalls nicht. Dabei habe ich gehofft, dass der neue Landesradverkehrsplan noch vor dem Berliner Hauptstadtflughafen fertiggestellt wird. Mittlerweile sind wir schlauer. Vor Januar 2021 wird es wohl nichts mit diesem Plan. An dieser Stelle werfe ich Ihnen natürlich mangelnde Umsetzung vor.

Als Anlage zu dem Landesradverkehrswegeplan findet sich eine Radwegebedarfsplanung mit Stand vom Dezember 2016. Hierin finden sich mehr als 500 straßenbegleitende Radwege an den Landesstraßen, die umgesetzt werden sollen. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Radverkehr in Sachsen-Anhalt teilte die Landesregierung mit, dass gerade einmal magere 46 Maßnahmen umgesetzt worden sind.

Deshalb Schluss mit Fahrradkoordinatoren, Förderung von Lastenräder, Experten-Workshops und anderem Kokolores.