- Jetzt ist es aber genug. - Herr Dr. Tillschneider, der Redner der AfD-Fraktion ist auch gleich an der Reihe und Sie fordern dann auch, dass er hier reden darf. Jetzt ist wirklich Schluss. Lassen Sie den Redner hier vorn erst einmal die Worte kundtun und dann können Sie darauf reagieren. - Bitte, Herr Erben.
Okay. - Sie mögen die Coronaeindämmungsmaßnahmen für falsch halten, doch Sie haben nicht das Recht, und zwar hat keiner von Ihnen das Recht, diese zu ignorieren.
und das aus zwei Gründen, die ich Ihnen gern nennen möchte. Erstens: weil die organisierte rechtsextreme Szene längst fester Bestandteil dieser Bewegung ist. Sie treibt unter dem Etikett der Anti-Corona-Proteste ihre staatsfeindlichen Ziele voran. Für Neonazis, Reichsbürger, rechtsmotivierte Hooligans, die NPD und wesentliche Teile der AfD sind die professionell organisierten „Querdenker“ ein ideales Vehikel für ihre Inhalte, um zunächst die Regierung zu stürzen, das von ihnen gehasste und verhasste System Merkel und danach am Besten die ganze von ihnen verachtete parlamentarische Demokratie.
Dass sie zahlenmäßig keine Mehrheit unter den Anhängern der „Querdenker“-Bewegung stellen, ist dafür weniger interessant. Entscheidend ist ihre Wirkungsmacht, die innerhalb der sich radikalisierenden Protestbewegung seit den Großdemonstrationen im August 2020 in Berlin und jüngst in Leipzig immer weiter zunimmt.
Dafür ist das Organisationsteam der „Querdenker“ um den Stuttgarter Unternehmer Ballweg verantwortlich. Seine Initiative ist das Bündnis mit der rechtsextremen Szene eingegangen, von der man sich von Anfang an bewusst nicht abgegrenzt hat.
Zweitens haben sich viele „Querdenker“ aus dem bürgerlichen Lager längst radikalisiert. Einige der Führungsfiguren sind mit ihrer Agenda vom Umsturz längst auf der Handlungsebene angelangt, die nun einmal den Rechtsextremismus ausmacht. Politiker, Wissenschaftler und Journalisten werden zu Feinden erklärt. Demokratie wird verachtet als ein Zustand, den es zu überwinden gilt. Gewalt wird geduldet. Die „Querdenker“ treiben ihre Anhänger längst zu Widerstandshandlungen und Eskalationen, was nicht nur bei den Ausschreitungen in Leipzig zu beobachten war.
Unsere demokratische Grundordnung und unsere Grundrechte haben auch während der Pandemie Bestand. Dies müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern verdeutlichen, damit Bewegungen wie „Querdenken 711“ von vornherein die Luft aus den Segeln genommen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer aus Wut darüber, dass seine wirtschaftliche Existenz bedroht ist, auf die Straße geht, ist ganz sicher kein Fall für den Verfassungsschutz. Auch Impfgegner zu sein oder Corona zu leugnen ist eine Meinung, die man haben kann, so irrational sie auch sein mag. Deshalb habe ich mich auch selbst wiederholt Diskussionen, beispielsweise mit einer
Naumburger Initiative, gestellt und habe die Kritik auch ausgehalten, die mir bei diesem Diskurs entgegenschlug. Sinnlos wird die Diskussion aber, wenn „Querdenken“ der Regierung unterstellt, sie habe das Virus nur erfunden, um die Bevölkerung zu unterdrücken.
(Zuruf: Wer sagt denn das nur? Wer sagt denn das? - Zuruf: Sie behaupten das! - Zu- ruf: Dann erzählen Sie mir noch etwas!)
Das muss den Verfassungsschutz alarmieren; denn Verschwörungserzählungen entwickeln sich schnell zur Brücke zum klassischen Rechtsextremismus. Man kann es auch als Einstiegsdroge bezeichnen.
Die vergangenen Monate haben gezeigt: Die „Querdenken“-Proteste ziehen unser Staatswesen in Zweifel und sie sind eindeutig extremistisch.
Das Handeln des Verfassungsschutzes ist das eine. Das Handeln der Versammlungsbehörden und der Polizei ist das andere. Ich gehöre nicht zu
denjenigen, die vorschnell Polizeieinsätze aus der Ferne beurteilen. Doch was wir in der vorletzten Woche in Leipzig gesehen haben, das war Staatsversagen.
Ich achte die Gewaltenteilung und damit auch die Unabhängigkeit der Justiz. Doch was die Richter des OVG in Bautzen entschieden haben, war die entscheidende Weichenstellung für das Unheil, das seinen Lauf nahm. Wie sollten sich 16 000 Versammlungsteilnehmer auf dem Augustusplatz mit 1,5 m Mindestabstand verteilen?
Die Versammlungsbehörde schaute stundenlang zu, wie die Veranstalter keinen Finger krumm machten, um die Auflagen einzuhalten.
Schließlich ließ die Einsatzleitung der Polizei zu, dass rechte Schläger für die „Querdenker“ den Weg auf den Ring freimachten.
Wenn das alles kein Staatsversagen ist, dann weiß ich auch nicht, wann man diesen Begriff überhaupt noch verwenden dürfte.
Ich bin mir sicher, so etwas wie in Leipzig wäre in Bayern nicht passiert. Ich wünsche mir ein so konsequentes Vorgehen auch in Sachsen-Anhalt. Ich hoffe, dass es gelingt, dem Treiben, das wir seit vielen Wochen auf dem Marktplatz von Halle vorgeführt bekommen, entsprechend zu begegnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das führt mich zu einem möglichen Verbot der Reichsflaggen. Vor allem in Berlin, aber jüngst auch in Leipzig wurden von Demonstranten Reichsflaggen geschwenkt.
Das war kein Zufall; denn die Fahne ist ein Symbol. Wer Flaggen zeigt, will Farbe bekennen. Die Reichsflagge ist ein beliebtes Erkennungsmerkmal
und ein tief in der Tradition der deutschen Rechtsextremen steckendes Kampfmittel, das man herausholt, wenn man gegen die Republik oder gegen die Demokratie eintritt.
Wir haben mittlerweile 100 Jahre missbräuchliche Nutzung der Reichsflagge als Kampfmittel gegen Demokratie und Republik. Deswegen bin ich nachdrücklich für ein Verbot.
Das Beste wäre es, wenn dies durch ein Bundesgesetz erfolgte. Die Innenministerkonferenz im Dezember 2020 bietet die Gelegenheit, das voranzutreiben.
Ein interessanter Nebeneffekt des Verbotes wäre es, dass die nicht extremistischen „Querdenken“Demonstranten erkennen, mit wem sie eigentlich unterwegs sind, nämlich mit Reichsbürgern und Neonazis.