Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

(Heiterkeit)

aber auf der anderen Seite die Bildungspolitik auch in Berlin eine starke Stimme haben wird. Darin bin ich mir bei Ihnen ganz sicher. Deswegen wünsche ich Ihnen für die Zukunft ganz viel Erfolg und im Interesse der Bildung viele gute Debatten, Anträge, Initiativen. Vergessen Sie dabei den Bildungsföderalismus und ganz besonders Sachsen-Anhalt nicht.

(Zustimmung bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

So, jetzt kommt die eigentliche Sache, die Große Anfrage zur Schulsozialarbeit. Sie beinhaltet - jetzt wird es etwas technisch - sieben Fragenkomplexe, die ich jetzt nicht im Einzelnen vorlese, weil Sie, die Sie heute hier sitzen und die an den Bildschirmen lauschen - ich meine damit die Kollegen, die jetzt gerade nicht im Raum sind -, das sicherlich alles intensiv gelesen haben.

Trotz des Umfangs der nachgefragten statistischen Daten und einer Vielzahl einzubeziehender Einrichtungen, Träger und Behörden im Schul- wie im Jugendbereich innerhalb der Hauptferien- und Urlaubszeit - insbesondere sind hierbei die Jugendämter zu erwähnen - wurde für die Beantwortung der Großen Anfrage nur ein unwesentlich längerer Zeitraum von drei Wochen benötigt. Es ist der Stolz der Verwaltung, dass die Anfrage trotz knapper Ressourcen, ich denke, auskömmlich und auch im richtigen zeitlichen Rahmen beantwortet wurde. Dafür gilt allen Beteiligten mein ausdrücklicher und besonders herzlicher Dank.

Einige wesentliche Aspekte zur Beantwortung durch die Landesregierung.

Das aktuell laufende ESF-Programm „Schulerfolg sichern“ ist ein inhaltlich und strukturell erweitertes Nachfolgeprogramm zum ESF-Programm aus der vorhergehenden EU-Förderperiode mit dem Titel „Projekte zur Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs“.

Dieses Programm ist Anfang der 2000er-Jahre noch durch zwei Ressorts initiiert worden, und zwar durch das Ministerium, das heute von Frau Grimm-Benne vertreten wird, die gerade nicht

anwesend ist - dies hieß damals Ministerium für Arbeit, Frauen, Gesundheit und Soziales -, sowie durch das damalige Kultusministerium, dem ich heute zumindest in Teilen vorstehe.

Auch das heutige Programm „Schulerfolg sichern“ kann nur über Ressortgrenzen hinweg unter Einbeziehung der örtlich zuständigen Träger der Jugendhilfe erfolgreich gesteuert werden, um wirksam zu werden. In der aktuellen EU-Förderperiode wurde aufgrund der Ergebnisse und Empfehlungen einer wissenschaftlichen Begleitung aus dem Jahr 2013 das geförderte Aufgabenspektrum hinsichtlich intervenierender und präventiver Aufgaben erweitert. Das laufende ESF-Förderprogramm ist insofern eine geeignete Maßnahme, um den Schulerfolg in Sachsen-Anhalt zu sichern.

Das Programm richtet sich grundsätzlich an alle Schulen in Sachsen-Anhalt, um die präventiven Möglichkeiten von Schulsozialarbeit in den Vordergrund zu stellen, aber auch, um der nach wie vor unbefriedigend hohen Anzahl an Schulabschlussgefährdeten und Jahrgangswiederholern wirksam zu begegnen. Das Programm fördert präventiv wirkende frühzeitige Hilfsangebote ebenso wie Maßnahmen zur effektiven Intervention bei manifestierten Schwierigkeiten.

Im Rahmen des Programms werden zurzeit an rund 370 Schulen aller Schulformen Projekte der Schulsozialarbeit, 14 regionale Netzwerkstellen und die landesweite Koordinierungsstelle zur Unterstützung, Beratung und Begleitung der Projektträger im ESF-Programm „Schulerfolg sichern“ gefördert.

Für die nächste Förderperiode ab 1. August 2018 bis zum 31. Juli 2020 laufen derzeit die Vorbereitungen für die Ausschreibungen, damit sich potenzielle Träger rechtzeitig bewerben können und rechtzeitig Sicherheit für die in den Projekten wirkenden Schulsozialarbeiter erhalten.

Zu den Fragekomplexen 1 bis 6 möchte ich auf das umfangreiche statistische Material verweisen, welches der Beantwortung der Großen Anfrage beigefügt ist. Hinweisen möchte ich außerdem auf die Unterstützung, Begleitung und Beratung der Träger von bedarfsorientierten Projekten zur Schulsozialarbeit, die durch die landesweite Koordinierungsstelle erfolgt, deren Träger die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ist.

Die Koordinierungsstelle ermöglicht den überregionalen Austausch aller Akteure des Programms. Sie sorgt für einen gelingenden Praxis-TheoriePraxis-Transfer und sichert landesweit eine gemeinsame qualitativ hochwertige Programmentwicklung. Mit einem Beratungs-, Qualifizierungs-, Vernetzungs- und Managementangebot für die verschiedenen Akteure im Programm unterstützt die Koordinierungsstelle auch die Entwicklung von Schulen.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nun einige Gedanken zur Zukunft der Schulschulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt. Die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen sind in der heutigen Zeit durch Pluralisierung und Individualisierung der Lebens- und Familienformen geprägt, verbunden mit einer immer stärker werdenden Ausrichtung auf die Kompatibilität mit einer differenzierten Arbeitswelt. Dies stellt Schulen als Orte der öffentlich verantworteten Erziehung und Bildung vor große Herausforderungen.

In Sachsen-Anhalt haben Kinder und Jugendliche gemäß §§ 1 und 33 des Schulgesetzes ein Recht auf eine ihre Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen fördernde Erziehung und Bildung hin zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.

Ergänzend zu diesem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule sind die im SGB VIII festgelegten Ziele und Aufgaben der Jugendhilfen zu sehen. Es ist das erklärte Ziel der Landesregierung, die erfolgreich begonnene Schulsozialarbeit fortzusetzen und die finanziellen Rahmenbedingungen für die aktuell laufende Förderung von Schulsozialarbeit zu gewährleisten.

Angesichts der nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehenden Landesmittel und der künftig veränderten ESF-Förderung wird das Ministerium für Bildung die Situation, die Rahmenbedingungen und die Ausgestaltung von Schulsozialarbeit in den anderen Bundesländern analysieren und daraus Inhalte und Maßnahmen zur Etablierung von Schulsozialarbeit in Sachsen-Anhalt ableiten.

Zum vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE „Schulsozialarbeit als Regelaufgabe etablieren“ möchte ich zunächst festhalten, dass Ziele und Inhalte dieses Antrages sich mit dem bereits im Parlament befindlichen Selbstbefassungsantrag der SPD-Fraktion „Gegen Schulverweigerung“ mit dem Landtagsbeschluss „Schulsozialarbeit als Bestandteil von multiprofessionellen Teams“ und mit dem Landtagsbeschluss zur Entwicklung eines Förderschulkonzeptes überschneiden.

Durch den Beschluss des Landtags in Drs. 7/432 „Aufbau von Multiprofessionalität an unseren Schulen in Sachsen-Anhalt“ besteht bereits der Auftrag, die rechtliche Verortung, die strukturelle Zuordnung und die möglichen Regelungen zur langfristigen Finanzierung der Sozialarbeit an Schulen zu klären und das Konzept dem Landtag bis Mitte 2018 vorzulegen.

Die Landesregierung verfolgt das Ziel aber auch über das Jahr 2020 hinaus, Sozialarbeit an Schulen sicherzustellen. Zur Finanzierung und Verortung der Sozialarbeit an Schulen werden die notwendigen Gespräche bzw. Verfahren rechtzeitig vor Ablauf der aktuellen Förderperiode des Euro

päischen Sozialfonds geführt. Mit der Sozialarbeit an Schulen wird letztlich ein Handlungsfeld der Jugendhilfe am Lernort Schule abgedeckt. Grundsätze und Methoden sind die der sozialen Arbeit.

Die Kontinuität des Angebotes in der aktuellen ESF-Förderperiode wird durch die im Septemberheft des Schulverwaltungsblattes veröffentlichte Ausschreibung für die Schuljahre 2018/2019 und 2019/2020 gesichert. Es besteht Einigkeit mit dem immer noch nicht anwesenden Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration, dass nach § 13 SGB VIII jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen oder zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem

Maße auf Unterstützung angewiesen sind, im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden sollen, die ihre schulische Entwicklung fördern.

Demnach handelt es sich um Sozialisationshilfen für besondere Zielgruppen, entweder für strukturell sozial benachteiligte junge Menschen oder, meine Fraktionsvorsitzenden Pähle und Borgwardt, für solche, die als individuell benachteiligt gelten können, sofern persönliche Merkmale ihre gleichberechtigte Teilhabe in diesem Fall an Bildung gefährden.

Diese Aufgabe liegt in der Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Jugendhilfe, mithin der Landkreise, also in kommunaler Verantwortung.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

- Kollege Borgwardt, Sie können gern eine Frage stellen, wenn Sie wollen. Ich bin dann gern bereit, diese zu beantworten.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Ich überlege mir was!)

Vor diesem Hintergrund muss eine Bewertung der Forderung, allein 400 weitere Schulsozialarbeiterstellen zu finanzieren, im Rahmen der Verantwortung der Jugendhilfe erfolgen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der finanziellen Umsetzbarkeit sowohl durch die Kommunen einerseits als auch durch das Land andererseits.

Um die Kommunen an dieser Stelle zu entlasten, hat das Land mithilfe von ESF-Mitteln, die vom Land kofinanziert werden, zunächst mit dem Programm „Schulerfolg sichern“ den Aufbau entsprechender Strukturen an den Schulen unterstützt. Dies in eine Regelaufgabe zu überführen bedeutet insbesondere, die Kommunen wieder stärker ins Boot zu holen, für die das neue finanzielle Belastungen bedeuten würde.

Die Fragen des Ob und, wenn ja, des Wie und Wann einer finanziellen Beteiligung des Landes sind zu gegebener Zeit im Übrigen vom Haushaltsgesetzgeber zu beantworten. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich sehe keine Nachfragen. Ich danke dem Minister Tullner für die Ausführungen. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die SPD spricht die Abg. Frau Prof. Dr. Kolb-Janssen. Frau Professor, Sie haben das Wort.

Danke. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sogar die Fraktion die LINKE sagt, dass das Thema Schulsozialarbeit und die Umsetzung in Sachsen-Anhalt eine Erfolgsstory ist, und an der aktuellen Situation nichts auszusetzen hat, dann zeigt das, dass wir hier eine Initiative auf den Weg gebracht haben und diese so umgesetzt haben, dass sie tatsächlich erfolgreich war. Das ist im Bildungsbereich nicht immer selbstverständlich. Deshalb herzlichen Dank an all diejenigen, die dazu beigetragen haben, dass dieses Projekt - es ist tatsächlich immer noch ein Projekt - umgesetzt werden konnte.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

370 Schulen, 400 Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, die allein im Schuljahr

2016/2017 mehr als 20 656 Schülerinnen und Schüler erreicht haben, zeigen schon, welche Dimension das Thema Schulsozialarbeit tatsächlich hat.

Dass das heute so eine Erfolgsstory ist, ist aus meiner Sicht nicht selbstverständlich. Ich kann mich noch sehr gut an die anfänglichen Diskussionen erinnern. Es wurde schon am Anfang die Frage gestellt, was die Schulsozialarbeiter eigentlich machen sollen, die nicht an der Schule angebunden sind, sondern von außen kommen, und auf die die Schule keinerlei Möglichkeit der Einflussnahme hat. Brauchen wir das? Heute - das muss man feststellen - kenne ich keine Schule, die nicht sagt, dass sie froh ist, dass sie ihren Schulsozialarbeiter oder ihre Schulsozialarbeiterin hat. Und wir stellen fest, dass viele Aufgaben, die durch die Lehrerinnen und Lehrer heutzutage nicht mehr selbst wahrgenommen werden, auf die Schulsozialarbeiter verlagert werden.

Ich habe es gerade in der Antwort auf meine Kleine Anfrage zum Thema Mediation gelesen: Mediation war früher ein typisches Instrument, mit dem Lehrerinnen und Lehrer versucht haben, eine gute Kommunikation innerhalb der Klassen und innerhalb der Schulen zu erreichen. Ich habe mit Erstaunen gelesen, dass mittlerweile das Thema Schülermediation hauptsächlich bei den Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern gelandet ist. Das zeigt mir, dass es einen Bedarf dafür gibt, und zwar in Bereichen, in denen Lehrerinnen und Lehrer auch aufgrund des gestiegenen Drucks und der höheren Anforderungen nicht mehr allein in der Lage sind, Schule zu gestalten.

Ja, es ist auch Realität, dass viele Kinder heute mehr Unterstützung und Förderung brauchen, sei es beim Erlernen der Sprache, sei es beim ganz normalen Lernen oder auch bei ganz alltäglichen Belangen. Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sind Tag für Tag vor Ort, und ihnen gelingt es eben auch manchmal, frühzeitig Auffälligkeiten und Fehlzeiten zu entdecken und das Gespräch mit den Eltern zu suchen und zu vermitteln.

Insoweit ist mittlerweile die Einschätzung nicht nur seitens der Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch seitens der Eltern so positiv, dass wir im letzten Jahr, als wir über die Sinnhaftigkeit von Fragebögen diskutiert haben - Sie erinnern sich -, festgestellt haben, dass viele Eltern die Fragebögen ausgefüllt haben, weil sie gesagt haben: Wir finden es toll, dass ihr an den Schulen seid. Wir unterstützen eure Arbeit und füllen deshalb auch die Fragebögen aus, auch wenn wir manchmal nicht wissen, was im Ergebnis dabei herauskommt.

(Zustimmung von Angela Gorr, CDU)

Insoweit haben wir eine positiv hohe Rücklaufquote; und wir wussten am Anfang auch nicht, ob das tatsächlich umsetzbar ist.

Herr Minister sagte, es sei das Handlungsfeld Jugendhilfe am Lernort Schule. Dem muss ich ausnahmsweise ein bisschen widersprechen. Ich glaube, dass das, was wir in den letzten Jahren erleben, was Schulsozialarbeit an den Schulen leistet, viel mehr ist als Jugendhilfe. Denn der Vorteil von Schulsozialarbeit ist, dass sie auch außerhalb dieses relativ festgeschriebenen Kataloges, in dessen Rahmen Jugendhilfe aktiv werden kann, gerade im präventiven Bereich niedrigschwellig Gespräche mit den Eltern führen und auf die Eltern einwirken kann.

Wenn beispielsweise festgestellt wird, dass ein Kind nicht die Lernmaterialien mitbringt, die es braucht, und deshalb wenig motiviert ist, mitzumachen, weil es nicht das notwendige Rüstzeug hat, dann kann in einem Gespräch des Schulsozialarbeiters mit den Eltern geklärt werden, dass die Dinge sukzessive angeschafft werden und das Kind wie alle anderen mitmachen kann.

Das ist kein Fall der Jugendhilfe. In diesem Fall würde die Jugendhilfe nie aktiv werden; da es an der nötigen Eingriffsschwelle fehlt. Deshalb ist aus meiner Sicht Schulsozialarbeit etwas, das in die Schulen gehört.

Ich habe mit Freude gehört, dass es Signale für die Verstetigung gibt. Sicherlich müssen wir uns darüber unterhalten, inwieweit wir auch die Kommunen dabei mit in die Pflicht nehmen, was die Finanzierung betrifft. Ich bin auch froh darüber, dass es ein klares Signal für die Schulsozialarbei

terinnen und Schulsozialarbeiter gibt, die jetzt an den Schulen vor Ort tätig sind.