Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist ausreichend deutlich geworden, warum wir uns zum Thema Jugendarrest verständigen müssen. Die Ministerin und die Vorrednerinnen und Vorredner haben das Notwendige gesagt. Die spannende Frage ist, was wir tun können, damit zukünftig weniger Jugendliche im Jugendarrest landen.
Ich möchte noch einmal um etwas mehr Ruhe bitten. Es ist für den Redner sicherlich nicht angenehm, wenn im Saal eine höhere Lautstärke herrscht als am Rednerpult. - Danke schön.
Vielen herzlichen Dank, Herr Präsident. - Zum Ende des Jahres 2016 verbüßten in SachsenAnhalt insgesamt 291 Jugendliche und Heranwachsende Jugendarrest. Davon waren gut ein Drittel, nämlich 114, Schulpflichtverstöße in Freizeit- und Kurzzeitarresten.
Nach Artikel 6 Abs. 3 des Grundgesetzes dürfen Kinder nur dann von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Der Vollzug des Jugendarrests
trennt die Jugendlichen und Heranwachsenden von ihren Eltern. Ich denke, das ist unzweifelhaft. Die Sinnhaftigkeit des Arrests muss deshalb allgemein und in jedem Einzelfall immer wieder neu hinterfragt werden.
Das Jugendgerichtsgesetz - auch das ist heute schon gesagt worden - eröffnet ja durchaus Möglichkeiten, Alternativen zu entwickeln. Sie entbinden uns aber nicht von der Verpflichtung, eine rechtliche Grundlage zu schaffen.
Wir haben natürlich auch die Verpflichtung, diese rechtliche Grundlage möglichst sinnvoll, auch pädagogisch sinnvoll auszugestalten. Ich halte wenig von dem, was Kollege Höse hier heute gesagt hat nach dem Motto, man müsse nur mal besonders Härte zeigen. Darum kann es im Umgang mit Jugendlichen nicht gehen.
Unsere politische Aufgabe heißt vielmehr, keiner und keine darf verloren gehen. Das muss unser Anspruch sein. Es sollten deshalb alle ins Boot geholt werden, die helfen können, junge Menschen wieder auf den richtigen Kurs zu bringen.
Dazu gehören selbstverständlich auch die Eltern. Im Jugendarrestvollzug spielen sie bisher überhaupt keine Rolle. Die Eltern sollten durch Informationen in die Überlegungen des Vollzugs zu Förder- und Unterstützungsmaßnahmen einzubinden sein. Gerade bei jugendlichen Arrestantinnen und Arrestanten ist dies unter Beachtung des Erziehungsrechts aus Artikel 6 des Grundgesetzes zwingend geboten, auch weil die Betroffenen nach dem Arrest in ihr häusliches Umfeld zurückkehren. Ein Erreichen des Vollzugsziels ohne Einbeziehen der Eltern ist deshalb kaum denkbar.
Ich denke aber auch, wir müssen die Eltern als solche in die Pflicht nehmen. Ohne das wird es am Ende nicht funktionieren.
Unser oberstes Ziel muss es allerdings sein, die Zahl der jugendlichen Arrestantinnen und Arrestanten durch präventive Maßnahmen dauerhaft zu senken. Dazu gehört vor allem die Gruppe der Schulverweigerer. Auch hierzu ist in den bisherigen Redebeiträgen deutlich geworden, wir meinen, Menschen, die die Schule verweigern, gehören nicht in den Jugendarrest. Wir müssen Mittel und Möglichkeiten finden, wie sie an Schulbildung teilnehmen können.
Die Gründe für Schulverweigerung treten sehr komplex in Erscheinung. Vielfältige Einflussfaktoren auf sozialer, familiärer, schulischer und individueller Ebene spielen eine Rolle. All das ist nichts Neues und die Diskussion hier im Hause ist es auch nicht.
Ich bin davon überzeugt, dass wir durch verbesserte Kooperation zwischen den Schulen, den Schulbehörden, der Jugendhilfe, den Ordnungs
ämtern, den Jugendgerichten und der Jugendgerichtshilfe die Anzahl der jungen Menschen verringern können, die insbesondere aus diesem Grund letztlich im Jugendarrest landen.
Ein gut ausgestaltetes Jugendarrest-Vollzugsgesetz muss Anstöße zur Bewältigung von Konflikten geben und Perspektiven für ein straffreies Leben schaffen. Nein, dies hat auch nichts mit Kuschelpädagogik zu tun. Dies muss inhaltlich der rote Faden eines Jugendarrestvollzugsgesetzes sein.
Wir Bündnisgrünen setzen uns dafür ein, dass die betroffenen Jugendlichen zu einem straffreien Leben in sozialer Verantwortung befähigt werden. Der Jugendarrest kann jedenfalls für Schulverweigerer kein Bestandteil davon sein. - Herzlichen Dank.
Ich sehe keine Anfragen. Dann danke ich Herrn Striegel für die Ausführungen. - Für die CDUFraktion spricht jetzt der Abg. Herr Diederichs. Herr Diederichs, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein dankbares Thema. Der Jugendarrest ist das nach dem deutschen Jugendgerichtsgesetz strengste zulässige Zuchtmittel und stellt eine kurzzeitige Freiheitsentziehung im Rahmen des Jugendstrafrechts dar.
Gemäß § 13 des Jugendgerichtsgesetzes wird Jugendarrest angeordnet, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zu Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.
Wie wir bereits gehört haben, ist die Gesetzgebungskompetenz für den Justizvollzug und damit auch für den Jugendarrest im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 auf die Länder übergegangen. Im Zuge dessen plant die Landesregierung, von der Gesetzgebungskompetenz noch in diesem Jahr Gebrauch zu machen und einen Gesetzentwurf für ein Jugendarrestvollzugsgesetz in den Landtag einzubringen.
Ziel soll es sein, den Jugendarrest zeitgemäß, human und konsequent so fortzuentwickeln, dass er auf die Förderung der Jugendlichen ausgerichtet ist und sie von erneutem Fehlverhalten abhält.
Ob es richtig ist, eine Schulpflichtverletzung als Ordnungswidrigkeit zu ahnden oder nicht, war in der Vergangenheit bereits Gegenstand von Diskussionen und beschäftigt nicht nur den Landtag von Sachsen-Anhalt.
Mit einem Runderlass hat das damalige Kultusministerium reagiert und den bis dahin geltenden Verfahrensablauf umgestellt. Man verfolgt nunmehr einen präventiven Ansatz.
Das bedeutet, dass die Schule gehalten ist, der Schulverweigerung in erster Linie mit pädagogischen und erzieherischen Mitteln zu begegnen. Bleiben diese ohne Wirkung, stellt die Durchsetzung der Schulpflicht im Ordnungswidrigkeitsverfahren die Ultima Ratio dar, wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass es sich bei der Vollstreckung von Jugendarrest im Zuge des Ordnungswidrigkeitsverfahrens um einen Beuge- bzw. Ersatzarrest für das verhängte, aber nicht beglichene Bußgeld bzw. für die nicht geleisteten gemeinnützigen Arbeitsstunden handelt. Der Jugendarrest ist damit nur die mittelbare Folge der Schulpflichtverletzung.
Was ich besonders gut finde in dem Antrag der Fraktion der LINKEN, ist der eine Satz - ich zitiere -:
„Das Recht auf Förderung der individuellen und sozialen Entwicklung des Jugendlichen muss zum entscheidenden Maßstab für den Vollzug des Jugendarrestes werden.“
Dem kann ich voll und ganz zustimmen. Fast jeder von uns hat Kinder. Oft sind es schon Jugendliche. Wir alle wissen, wenn sie nicht beschäftigt werden, dann machen sie meistens Dummheiten. Zurzeit ist es im Jugendarrest leider so, die Bediensteten vor Ort sichern die notwendige Versorgung ab - das ist richtig -, aber für eine weitere Beschäftigung oder sogar pädagogische Betreuung im Jugendarrest haben wir zurzeit echt kein Personal. Schon haben wir das Problem. Das ist teilweise schlimmer, als einen Sack Flöhe zu hüten. Deshalb finde ich den Vorschlag seitens der LINKEN hervorragend.
Wir müssen aber bedenken, dass wir hier von einem Jugendarrest von vier Wochen reden. Wir können die Leute nicht in vier Wochen umerziehen. Wir können ihnen maximal - ich sage einmal - eine Verhaltensänderung durch Einsicht ans Herz legen.
Mit Blick auf den zu erwartenden Gesetzentwurf für ein Jugendarrestvollzugsgesetz bitte ich, den Antrag an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung zu überweisen. - Vielen Dank.
Es gibt keine weiteren Nachfragen. Dann fahren wir in der Debatte fort. - Frau von Angern, möchten Sie?
- Nein. Sie verzichtet. - Dann kommen wir zum Abstimmungsverfahren zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs. 7/1852. Ich habe wahrgenommen, dass eine Überweisung an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung erfolgen soll. Ist das richtig? - Dann stimmen wir sogleich darüber ab. Wer für die Überweisung dieses Antrags ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Koalition und die Fraktion DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? - Das ist die AfD-Fraktion. Wer enthält sich der Stimme?