Diese Vertragswerke haben nichts anderes zum Inhalt als eine politische Selbstbeschränkung gegenüber denjenigen, die als global agierende Unternehmen natürlich Gewinn- und Expansionsinteressen haben. Das ist der Kern. Diese Interessenslage ist spiegelgleich jenseits und diesseits des Atlantiks. Es gibt die gleichen Verlierer, nämlich soziale, ökologische und gemeinwohlorientierte Standards, in den USA und in Europa, und es gibt die gleichen Gewinner, nämlich die global agierenden Unternehmen jenseits und diesseits des Atlantiks, die mit diesen Vertragswerken ihre Interessen durchsetzen wollen und die, ja, tatsächlich geschützt werden wollen.
Wovor sollen diese Unternehmen mit diesen Verträgen geschützt werden? - Im Wesentlichen geht es um die sogenannten Investorenschutzabkommen. Das heißt, ein Investor soll geschützt werden. Wovor soll denn nun ein Investor mit diesen Verträgen geschützt werden? - Erstens. Er soll vor Regierungen und Parlamenten geschützt werden, die soziale Standards nicht nur erhalten, sondern auch ausdehnen wollen.
Dieses Vertragswerk soll dazu dienen, dass zum Beispiel Arbeitsschutzregularien, Arbeitnehmerrechte, wie wir sie in Teilen der Europäischen
Union, aber eben auch in Teilen der USA haben, nicht weiter ausgebaut oder nicht gesichert werden dürfen; denn - das ist die Logik -: Wenn Arbeitnehmerinteressen umgesetzt werden, dann könnte das zur Gewinnminimierung eines Unternehmens führen, eines Investors, der sich hier angesiedelt hat. Davor soll dieser Investor geschützt werden.
Die Politik begeht mit diesen Verträgen den gefährlichen Weg, diese Form der Selbstbeschneidung der eigenen Gestaltungsmöglichkeiten zu realisieren. Wer für Arbeitnehmerinnenrechte ist, wer für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft ist, der muss ein solches Ansinnen ablehnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD, von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Darüber hinaus geht es - zweitens - um die Frage der ökologischen Standards, um die Frage der Sicherung ökologischer Standards im Bereich von Investoren und im Bereich des internationalen Handels.
In diesem Bereich sieht es genauso aus. Wir haben eine ähnliche Situation: Bei jeder Verschärfung ökologischer Standards, bei jeder Verbesserung in diesem Bereich kann natürlich ein Unternehmen damit argumentieren, dass diese Verbesserung ökologischer Standards den eigenen Unternehmensgewinn minimiert. Ich werde Ihnen nachher ein milliardenschweres Beispiel dafür geben.
Damit haben wir die Situation erreicht, dass Politik, wenn sie ein solches Abkommen unterschreibt, in der Perspektive keine Handlungsfähigkeit mehr hat, um auf neue ökologische Herausforderungen und auch auf neue Mehrheiten in der Gesellschaft zu reagieren.
Wir haben gerade bei uns ein kleines Beispiel in der politischen Wirklichkeit, nämlich das Verklagen der Bundesregierung durch einige Stromkonzerne beim Ausstieg aus der Atomenergie. Ein solcher politischer Schritt würde nach diesem Vertragswerk de facto unmöglich werden, weil sich jeder Politiker, der sich dafür entscheidet, ruck zuck einem milliardenschweren Risiko ausgesetzt sieht. Ein Unternehmen könnte vor einem privaten Schiedsgericht klagen, um sich dagegen zu wehren.
- Die Unternehmen haben nur schlechtere Konditionen, als sie sie damit hätten, Kollege Borgwardt. Ich sage gleich noch etwas zu den privaten Schiedsverfahren.
Es gibt ein drittes Problem: das Problem des sogenannten Rekommunalisierungsverbotes. Wir haben die Situation, dass in diesen Investorenschutzabkommen, in diesen Marktschutzabkommen im Grunde genommen auch Folgendes garantiert werden soll: Wenn sich die Öffentlichkeit, die Politik dazu entschließt, ein bestimmtes Gut - die Gesundheitsversorgung, die Wasserversorgung, meinetwegen auch die Versorgung mit Breitbandinternet - als öffentliche Daseinsvorsorge anzusehen, wenn sie sagt: das ist jetzt öffentliche Daseinsvorsorge, diese Dinge wollen wir öffentlich organisieren und wir wollen sie nicht den Marktregularien überlassen, dann soll ein Stoppzeichen gesetzt werden, weil dadurch eventuelle perspektivische Investitionen von Unternehmen verhindert werden könnten.
Privatanbieter könnten sagen - im Bereich der Kultur ist diese Gefahr übrigens schon jetzt vorhanden; dabei spielt ein drittes Vertragswerk hinein, das wir für heute nicht aufgeschrieben haben, nämlich TiSA -: Wenn ihr bestimmte Dinge im Interesse eurer Bevölkerung öffentlich subventioniert, zum Beispiel Kulturtheater, dann können wir als rein private Organisation demnächst dagegen klagen, wenn wir auf dem privaten Markt ähnliche Dinge anbieten, wegen Wettbewerbsverzerrung.
Das sind Dinge, die mit diesen Vertragswerken durchgesetzt werden würden. Das sind Dinge, die irreversibel sind. Wer einen solchen Weg nicht will, wer Politik als Gestaltungsmacht und -möglichkeit begreift, der darf einen solchen Weg nicht beschreiten, der muss gegen diese Verträge sein.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD, von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Natürlich kennen wir die Argumentation: Wenn wir den Markt auf diese Art und Weise vereinheitlichen, wenn die Investoren diese Rechtssicherheit haben, dann wird es ein Aufwärts geben, bei den Investitionen, bei den Gewinnen, bei den Arbeitsplätzen; wir werden uns in einem Paradies wiederfinden.
Das sind neoliberale Glaubenssätze, die wir seit 20 Jahren hören. Wir haben sie übrigens auch bei der Einführung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA zwischen Mexiko, den USA und Kanada gehört. Alle diese Prognosen sind nicht eingetreten.
Heute haben wir die Situation, dass US-amerikanische Ölkonzerne eine Dependance in Kanada gründen und von dort aus den kalifornischen Bundesstaat auf milliardenschwere Gewinnausfälle verklagen können, weil Kalifornien das Fracking verboten hat. Dies hat NAFTA möglich gemacht.
schütteln -, dass Landesregierungen, Bundesregierungen oder auch die Europäische Kommission überhaupt nicht mehr in der Lage wären, solche Dinge zu realisieren. Wir haben die schlechten Beispiele vor Augen. Lassen Sie uns diese nicht wiederholen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der AfD, von Dorothea Frederking, GRÜNE, und von Sebastian Striegel, GRÜNE)
Es gibt einen nächsten Grund. Wenn es diese Freihandelszone geben sollte - die Europäische Union der 28 und die USA, verbunden auch noch über NAFTA und CETA -, dann haben wir die Situation, dass sich ein Großteil des Weltmarkts in einem eigenen Freihandelsbereich befindet, der ökonomisch außerordentlich stark ist.
Wer eine so große Freihandelszone errichtet, der errichtet sie als Abschottung gegenüber jedem, der nicht dabei ist. Derjenige grenzt sich gegenüber Russland ab, er grenzt sich gegenüber den Schwellenländern Afrikas und Asiens ab und er verschärft noch einmal die ungerechte Verteilung in der Welt, die schon jetzt im Welthandel besteht.
Durch ein solches Freihandelsabkommen haben wir es praktisch mit einer Freihandelszone zu tun, die übermächtig ist gegenüber den anderen, gegenüber den sich mühsam entwickelnden Entwicklungsländern auf dieser Welt, und die zusätzlich radikal zur Verschärfung der Ungerechtigkeit auf dieser Welt beiträgt. Letztlich werden wir auch dies als Fluchtursache wiederfinden. Auch deswegen ist es wichtig, diese Dinge abzulehnen.
Kurz zu den privaten Schiedsgerichten. Nicht nur, dass hier Demokratien ein Vertragswerk im Geheimen verhandeln und damit gegen Grundsätze demokratischer Willensbildung verstoßen. Nein, die verhandelnden Seiten sind offensichtlich so skeptisch gegenüber ihrer eigenen Judikative, dass sie einen Nebenverhandlungspart, nämlich die privaten Schiedsgerichte, in dieses Verfahren einbringen wollen. Sie vertrauen offensichtlich nicht einmal ihrer eigenen Judikative und wollen private Schiedsgerichtsverfahren in diesem Kontext anbieten.
Wer soll das machen? - Natürlich private Anwälte, die dann, ohne öffentlich tagen zu müssen, auch noch solche Dinge verhandeln und entsprechende Bußgelder bescheiden.
Dazu sage ich ganz deutlich: keine Transparenz, kein Vertrauen in die eigene Judikative, keine Perspektive, auszusteigen. Diese Vertragswerke sind substanziell demokratiefeindlich, liebe Kollegen.
Warum aber passiert das alles trotzdem? - Ein kleines Beispiel; das haben wir alle mitbekommen. Es gibt eine interessante Übernahmeschlacht, und zwar die interessante Übernahmeschlacht des Bayer-Konzerns gegen den USamerikanischen Monsanto-Konzern. Der Börsenwert von Monsanto beträgt 42 Milliarden €. Bayer hat bereits 62 Milliarden € geboten, um Monsanto zu übernehmen.
Warum? - Ganz einfach: Monsanto ist berühmt und berüchtigt für zwei Begriffe, und zwar für gentechnisch verändertes Saatgut, das patentiert ist, und für Glyphosat. Das sind die beiden ganz großen Begriffe, die sich mit Monsanto verbinden lassen.
Jetzt will Bayer für 62 Milliarden € Monsanto kaufen. Übrigens: Sowohl bei Monsanto als auch bei Bayer sind die größten Aktienpaketinhaber dieselben. Also diejenigen, die jetzt durch dieses Übernahmeangebot bei Bayer Aktienwerte verlieren, gewinnen sie bei Monsanto in gleicher Art und Weise. Das muss man einfach wissen, damit man nicht auf die nationalistische Schiene geht nach dem Motto: Die Amerikaner gewinnen und die Deutschen verlieren. Es sind im Wesentlichen die gleichen Aktienbesitzer bei Bayer und Monsanto.
Wir haben folgende Situation. Jetzt sind die Leute ein bisschen nervös geworden, und zwar ob dieser großen Risiken und ob dieser riesigen Summen. Dazu sagt die Schutzgemeinschaft Deutscher Kapitalanlegen - nun wahrlich kein linker Klub -:
Wenn sie das jetzt machen, muss Bayer dringend hoffen, dass TTIP zustande kommt; denn wenn TTIP nicht zustande kommt - ich zitiere -, dann könnte Bayer drohen, dass man eine US-Tochter habe, die keinen Zugang mehr zum europäischen Markt hätte, und umgekehrt. Wenn TTIP nicht durchgesetzt wird, wird diese Übernahme ein Flop. Wenn TTIP durchgesetzt wird, ist es eine Gelddruckmaschine für Bayer und Monsanto. Das sind die wirklichen Interessen, die hinter diesem Vertragswerk stehen.
Wer Demokrat ist, wer die Dinge wirklich politisch organisieren will und wer die Zukunft der Gesellschaft in der Hand haben will und sich nicht diesen Interessen ausliefern will, der muss gegen diese Verträge stimmen. Deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Dann bedanke ich mich für Ihre Rede. Herr Gürth hat noch eine Frage. Würden Sie eine Frage zulassen?
Aber von Herrn Gürth immer. Er hat mir nämlich verraten, dass er fünf Jahre lang darauf gewartet hat, das jetzt endlich wieder tun zu können.