Protokoll der Sitzung vom 01.06.2016

Auch die Bundesregierung steht im engen Dialog mit den genannten Akteuren. In den vergangenen Monaten hat das BMWi Dialogveranstaltungen zu TTIP und anderen Abkommen durchgeführt. Die Stellungnahmen und Positionspapiere aller Akteure fließen in die Meinungsbildung und Positionierung der Bundesregierung ein. Hierzu stehe ich auch mit meinen Kollegen auf Länderebene in Kontakt; denn die dort involvierten Ressorts führen diesen Austausch ebenso intensiv.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei allen notwendigen Diskussionen über die Risiken eines solchen Abkommens darf man aber eines nicht vergessen, nämlich die Chancen für die einheimische Wirtschaft. Durch die transatlantischen Abkommen TTIP und CETA sollen Freihandelszonen entstehen, und das mit dem Ziel, neue Arbeitsplätze zu schaffen und Wachstum zu generieren, auch in Sachsen-Anhalt.

Dafür sollen Vorschriften und Regeln in der Wirtschaft Europas und den USA langfristig so gestaltet werden, dass sie besser zusammenpassen. Im Mittelpunkt stehen dabei der Abbau von Zöllen und anderen Barrieren sowie die Harmonisierung und gegenseitige Anerkennung schutzwürdiger Standards.

Dies alles eröffnet große Chancen, vor allem für den exportorientierten deutschen Mittelstand. Heute sind die USA für Sachsen-Anhalt der größte Exportmarkt außerhalb Europas. Die Ausfuhren - die Zahlen möchte ich Ihnen noch präsentieren - sind seit 2013 fast verdoppelt worden - von 557 Millionen € auf über 1 Milliarde € im Jahr 2015 -, sodass die USA im Ranking unserer Exportländer aktuell schon auf Platz 3 liegen.

Angesichts dieser wachsenden Außenhandelsbeziehungen stehen die Chancen gut, dass unsere Unternehmen vom geplanten Abbau dieser Handelshemmnisse besonders profitieren. Die große Bedeutung der Freihandelsabkommen steht dabei für mich außer Frage.

(Zustimmung bei der CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Europa und die USA erwirtschaften gemeinsam fast die Hälfte der weltweiten Wirtschaftsleistungen. Fast ein Drittel des Welthandels wird über den Atlantik abgewickelt. Für die EU und ihre Mitgliedstaaten sowie für die USA bietet sich durch das Freihandelsabkommen eine historische Möglichkeit, die nicht leichtfertig vertan werden darf.

Eine engere wirtschaftliche Partnerschaft kann den Wohlstand steigern und die nachhaltige Entwicklung - auch in Sachsen-Anhalt - anstoßen. Ich bin deshalb der Überzeugung, dass die Verhandlungen erfolgreich sein werden und auch sein

müssen. Dafür ist es wichtig, sachlich an die Verhandlungen heranzugehen. Nicht Ängste sollten im Vordergrund stehen, sondern vielmehr die Chancen, die wir nutzen wollen.

Eines sollte man mit Blick auf die Berichterstattung nicht vergessen: Wie in jeder guten Beziehung bzw. wie auf jedem guten Basar gilt auch bei TTIP: Die Forderungen des Gegenübers sind keine endgültigen Verhandlungsergebnisse. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Minister Felgner, ich danke Ihnen. - Wir kommen zum nächsten Redebeitrag. Herr Gürth spricht für die CDU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eingangs auf die Worte des Einbringers des Antrags, des verehrten Kollegen Gallert, eingehen. Herr Gallert eröffnete die Debatte und die Begründung zu seinem Antrag mit einer Behauptung, die falsch ist. Sie haben sich hier hingestellt und empört gerufen, erstmalig werde ein Vertragswerk zwischen Staaten und staatlichen Institutionen nicht öffentlich debattiert. Man könne dem am Ende nur zustimmen, wenn es fertig vorliegt. - Das ist falsch. Allein in diesem Landtag debattieren wir zum dritten Mal über dieses Thema.

Zudem: Wenn Sie dieses Prinzip ablehnen, dann dürften Sie auch keinem Rundfunkstaatsvertrag zustimmen. Dabei verhandeln die Staatskanzleien untereinander; am Ende wird der Vertrag ratifiziert. Das heißt: Wenn gewählte Parlamentarier dem zustimmen, tritt er in Kraft, und wenn nicht, dann nicht. Das Prinzip ist das Gleiche.

(Zuruf von Hendrik Lange, DIE LINKE)

Dazu gehört auch die Phase der Verhandlungen, bei denen wir gar nicht am Verhandlungstisch sitzen und bei denen uns Herr Robra und der Ministerpräsident nicht die Verhandlungspapiere mit einzelnen Ständen zuschieben, damit wir einmal hineinlesen können. Nein, sie verhandeln dort sachgründig. Aber wir als Parlamentarier versuchen, uns einzubringen - durch Entschließungen, durch Debatten und andere Möglichkeiten -, wie das auch hierbei der Fall ist.

Also: Wer das Verfahren kritisiert, der dürfte prinzipiell keinem Rundfunkstaatsvertrag zustimmen, weil es genau das gleiche Verfahren ist. Das ist genau das gleiche Prinzip.

(Zuruf von der LINKEN: Das ist nicht das gleiche Verfahren!)

Sie schließen Ihre Rede ebenfalls mit einer bemerkenswerten Aussage. Herr Kollege Gallert, Sie sagten am Schluss zum Thema kommunale Daseinsvorsorge wörtlich: Wir wissen nicht, was am Ende herauskommt. Deswegen sind wir dagegen.

Was ist das denn für eine Art, Politik zu machen? Wenn Sie immer so argumentierten, dürften Sie an keiner Verhandlung und Beratung zu irgendeinem Gesetzentwurf teilnehmen, weil Sie nämlich auch nicht wissen, was am Ende der Beratungen in den Ausschüssen herauskommt. Also sind Sie erst einmal dagegen. Wenn Sie das zum Prinzip von Politik erklären, ist das eine bedenkenswerte Herangehensweise.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich möchte, dass wir TTIP, CETA im Besonderen und Handelsabkommen im Allgemeinen als Chance nutzen, um zur Versachlichung der Debatte beizutragen.

Das Erste, was dazu zu sagen wäre, ist: Es besteht überhaupt kein Grund, zu skandalisieren und sich aufzuregen. Weder Investitionsschutzabkommen noch Handelsabkommen sind neu, auch nicht die Art und Weise, wie sie verhandelt werden. Schon in den 60er-Jahren begann es mit Investitionsschutzabkommen. Allein die Mitgliedstaaten der EU haben inzwischen 1 400 Investitionsschutzabkommen mit Dritten geschlossen. Diese gelten alle und sind alle in Kraft, seit den 60er-Jahren, immer wieder neue.

Handelsabkommen, Freihandelsabkommen sind auch nicht neu. Unter dem Dach der WTO gibt es mehr als 600 solcher Handelsabkommen. Davon sind 350 in Kraft getreten; auch das ist nicht neu.

Die Älteren unter uns - Herr Gallert vielleicht nicht - können sich daran erinnern: Vorläufer von WTO war GATT; da gab es die berühmten GATTVerhandlungen.

(Hendrik Lange, DIE LINKE: Ja! Und die waren schlimm!)

- Ach, woher wollen Sie wissen, ob die schlimm waren? - Am Ende der GATT-Verhandlungen - die letzte Runde war 1994 -, waren eben nicht nur reine Handelshemmnisse, also tarifäre und nichttarifäre, Bestandteile solcher Verträge, sondern auch weitergehende Regelungen: Dumping, Subventionen, Gesundheitsschutzstandards, geistige Eigentumsrechte und anderes mehr. Auch das ist nicht neu; ich rede von 1994. Und so ging es weiter.

Selbst unsere Europäische Union basiert eigentlich auf Handelsabkommen. Im Jahr 1957 waren es die Römischen Verträge, die zur EWG führten,

und im Jahr 1968 gab es die Zollunion, sozusagen als Gründungsfundament der Europäischen Union von heute.

Schauen wir nur einmal, was außerhalb der EU weltweit inzwischen existiert, auf welcher Basis Wettbewerb herrscht, auf welcher Basis unsere Arbeitsplätze sich im Wettbewerb behaupten müssen: NAFTA, die Freihandelszone zwischen Kanada, USA und Mexiko. Auf der Grundlage dieses Abkommens ist eines der größten nordamerikanischen Umweltschutzabkommen - NAAEC - zustande gekommen. ASEAN, eine Freihandelszone über zehn Länder. Mercosur - Südamerika. Oder - auch nicht zu unterschätzen -: Greater Arab Free Trade Area, das GAFTA, von 1997. Das sind 20 Staaten Nordafrikas und der arabischen Halbinsel, die auf der Basis des europäischen Binnenmarkts versuchen, eine gemeinsame Wirtschaftszone zu gründen.

Unter diesem Umfeld müssen sich all unsere Arbeitsplätze in Deutschland und der Europäischen Union künftig behaupten. Also sollten wir es nicht verteufeln, sondern wir sollten lieber die Verhandlungspositionen der EU und unsere deutschen Interessen stärken. Das machen wir nicht, indem wir die Verhandlungen torpedieren. Das machen wir auch nicht, indem wir „Skandal!“ schreien. Das machen wir auch nicht durch weitere Verunsicherungen. Damit haben wir niemandem genutzt, sondern höchstens Schaden angerichtet.

Ich bin dafür, dass wir die Chancen nutzen, dass wir versuchen, Einfluss zu nehmen. Die öffentlichen Debatten tragen vor, was den Bürgern in Europa wichtig ist; das ist auch richtig so. Dann sollten wir am Ende schauen, was dabei herauskommt.

Wenn wir Fakten haben, wenn wir wirklich wissen, was auf dem Tisch liegt, dann müssen das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente der Europäischen Union diesem Vertragswerk zustimmen. Stimmen sie nicht zu, tritt es nicht in Kraft,

Herr Gürth, kommen Sie bitte zum Ende.

ja - so wie 140 andere Handelsabkommen unter dem Dach der WTO auch.

Die CDU-Fraktion plädiert für eine Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. Ich freue mich auf die Diskussionen in diesem Ausschuss und bitte um Zustimmung zu der Überweisung des Antrags.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Gürth, erlauben Sie eine Nachfrage?

Bitte schön.

Vielen Dank. - Herr Gürth, ich habe mich aufgrund Ihres Satzes gemeldet, in dem Sie gefordert haben, dass man auch die Chancen von TTIP und CETA erkennen sollte.

Ich frage Sie deshalb: Stimmen Sie mit mir überein, dass man Chancen eines solchen Vertrages auch nur erkennen kann, wenn sie sichtbar sind,

(Zustimmung bei der LINKEN und bei der AfD)

das heißt, wenn man die Vertragsinhalte auch öffentlich und transparent diskutiert?

Kollege Gebhardt, natürlich stimme ich mit Ihnen überein. Ich kann Ihnen ganz klar sagen, so geht das auch den allermeisten Mitgliedern und Freunden der CDU in Sachsen-Anhalt. Der Stand heute bedeutet, es kann niemand ein sicheres Urteil fällen, ob Chancen oder Risiken überwiegen.

Bei allen großen Vertragswerken ist immer Vorsicht geboten, immer - Vorsicht vor den Heilsversprechen derer, die sich etwas unbedingt wünschen, Vorsicht vor dem Kleinreden der Stärke des Verhandlungspartners. Aber es ist auch Vorsicht vor falscher Skandalisierung und Angstmacherei geboten.

Am Ende geht es uns vermutlich genauso wie Ihnen: Wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, dann kann man sich ein Urteil bilden. Was wir jetzt haben, sind Behauptungen derer, die das Abkommen auf den Weg bringen, unterstützt von Gutachten angesehener Institute, ebenso postulierte Risiken, auch unterstützt von Gutachten von Instituten, die diese Position unterstützen.

Am Ende muss man schauen, wie das ausbalanciert ist, und dann liegt ein Vertragswerk da. Ich persönlich sehe mich erst dann in der Lage, mir objektiv ein Urteil zu bilden, ob die Risiken überwiegen oder ob die Vorteile überwiegen. Wenn - -

(Birke Bull, DIE LINKE: So läuft aber der Entscheidungsprozess! Das ist ja das Pro- blem!)

- Das ist dasselbe wie beim Rundfunkstaatsvertrag, aber hundert pro, das ist genau dasselbe.

Man muss denen, die verhandeln, zumindest zutrauen, dass sie nicht alle Verbrecher sind, komplett verblödet und bösartig.