Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

Die Fraktion DIE LINKE stellte am 12. Dezember 2017 einen Änderungsantrag an den Ausschuss für Petitionen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur an den federführenden Ausschuss für Petitionen und schlug Änderungen bzw. Ergänzungen zu Nr. 1, Nr. 5 sowie Nr. 9 vor.

Unter Zugrundelegung der vorläufigen Beschlussempfehlung und des Änderungsantrages diskutierte der Ausschuss für Petitionen in der 25. Sitzung am 14. Dezember 2017 die zu erarbeitende Beschlussempfehlung an den Landtag und erörterte einzelne Details.

Zu Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur wurde seitens der Fraktion DIE LINKE vorgeschlagen, einen neuen Satz einzufügen, der konkretisieren solle, worauf sich die 103 % Unterrichtsversorgung unter Nr. 1 der Beschlussempfehlung beziehen. Als Bezugsgröße sei das Schuljahr 2016/2017 zu nehmen. Der Antrag wurde bei 2 : 7 : 2 Stimmen abgelehnt.

Mit Nr. 5 der vorläufigen Beschlussempfehlung trage der Ausschuss für Bildung und Kultur dem Anliegen der Volksinitiative nicht Rechnung, da

nur von der „Expertenkommission zur Ermittlung des längerfristigen Lehrkräftebedarfs“ die Rede sei. Diese sage jedoch nichts zu pädagogischen Mitarbeitern aus. Der Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu Nr. 5 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur konkretisiere dagegen, wer zu der Expertengruppe, die den Bedarf an sonderpädagogischer Förderung der Schüler bestimme, gehören solle. Dabei sollte der Bedarf sowohl für sonderpädagogische Förderung als auch für Sprachförderung in Deutsch berücksichtigt werden.

Die Koalitionsfraktionen vertraten dagegen die Auffassung, dass eine Änderung nicht erforderlich sei, weil ihre Formulierung die Förderschulen berücksichtige. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE wurde bei 2 : 7 : 2 Stimmen abgelehnt.

Zu Nr. 9 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur hat die Fraktion DIE LINKE beantragt, in Satz 1 die erforderlichen Ausbildungskapazitäten um eine konkrete Zahl der Studienanfänger pro Jahr im allgemeinbildenden und im berufsbildenden Bereich zu ergänzen. Bei der Aussprache zum Beschluss des Landtages in der Drs. 7/328 - Expertengruppe zur Bestimmung des längerfristigen Lehrkräftebedarfs - sei festgestellt worden, dass beim Lehrkräftebedarf die berufsbildenden Schulen und die freien Schulen nicht einbezogen worden seien. Dieser zusätzliche Bedarf würde mit der beantragten Änderung berücksichtigt.

Des Weiteren beantragte die Fraktion DIE LINKE, unter Nr. 9 einen neuen Satz 2 einzufügen. Dieser beinhaltet das Festhalten an der staatlichen Ausbildung mit dem ersten Staatsexamen als Abschluss und die Einrichtung eines gemeinsamen Lehramtes für die Sekundarstufen I und II. Begründet wurde dies mit unterdimensionierten Kapazitäten und der Notwendigkeit einer effizienteren Lehrerausbildung.

Die Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE zu Nr. 9 der vorläufigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung und Kultur wurden bei 2 : 7 : 2 Stimmen abgelehnt.

Im Ergebnis erarbeitete der Ausschuss für Petitionen die in der Drs. 7/2248 vorliegende Beschlussempfehlung. Er hat sich hinsichtlich der Nrn. 1 sowie 3 bis 10 mehrheitlich der Beschlussempfehlung des mitberatenden Ausschusses für Bildung und Kultur angeschlossen.

Hinsichtlich der Nr. 2 der Beschlussempfehlung kam der Ausschuss mehrheitlich überein, sich der Beschlussempfehlung des mitberatenden Ausschusses für Finanzen anzuschließen. Die vorgeschlagene Änderung des mitberatenden Ausschusses für Finanzen zu Nr. 10 wurde einstimmig abgelehnt.

Damit folgte der Ausschuss für Petitionen im Wesentlichen den seitens der Ausschüsse für Bildung und Kultur, für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sowie für Finanzen abgegebenen Empfehlungen zur Erarbeitung einer Beschlussempfehlung.

Die dem Landtag vorliegende Beschlussempfehlung wurde im Ausschuss für Petitionen mit 7 : 2 : 2 Stimmen in der in der Drs. 7/2248 vorliegenden Fassung gebilligt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Abg. Buchheim. - Wir steigen nunmehr in die Debatte ein. Zunächst hat die Vertrauensperson der Volksinitiative Herr Thomas Jaeger das Wort. Wie bereits angekündigt, haben Sie eine Redezeit von zehn Minuten.

(Herr Thomas Jaeger, Vertrauensperson der Volksinitiative, legt einen Apfel auf das Rednerpult)

- Ich hoffe, dass der Apfel nicht bedeutet, dass sie ihn heute hier verzehren wollen.

Thomas Jaeger (Vertrauensperson der Volks- initiative):

Okay. Bitte, Sie haben das Wort, Herr Jaeger.

Thomas Jaeger (Vertrauensperson der Volks- initiative):

Sehr geehrte Abgeordnete! Vielen Dank den Unterstützern der Aktion „Bildung in Not“. Ich nehme es Ihnen ab, dass frühkindliche Bildung, Schuleingangsphase, jahrgangsübergreifender Unterricht, Oberstufenverordnung, schülerbezogene Lehrerzuweisungen, Vollzeitäquivalente oder Inklusion Begriffe sind, die nicht jeder im Saal vollumfänglich kennt bzw. beschreiben kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber was sich manchem hier im Saal nicht abnehme, ist, dass Sie nicht sehen, wie ernst die Lage an unseren Schulen da draußen ist;

(Beifall bei der LINKEN)

denn dann müssten Sie viel aktiver gegen diesen Lehrermangel angehen. Statistisch verlieren wir jeden Tag zwei Lehrerinnen und Lehrer aus unserem System. Heute ist der 25. Ich möchte Ihnen das einmal kurz zeigen:

(Thomas Jaeger, Vertrauensperson der Volksinitiative, hält eine Plakette hoch, auf der eine schwarze 50 in einem roten Kreis steht)

Statistisch sind leider schon 50 Lehrerinnen und Lehrer ausgeschieden.

Nicht zuletzt deswegen stehe ich nunmehr zum dritten Mal vor Ihnen als Nichtberufspolitiker und Ehrenamtlicher. Das durch frühere falsche politische Entscheidungen gesteuerte Bildungsschiff ist schon lange am Kap der Guten Hoffnung vorbeigesegelt. Bildungsminister Tullner kann das Ruder allein nicht herumreißen. Er braucht Sie, die Landtagsabgeordneten, dazu. Nur Ihr gemeinsames Gegensteuern mit ihm und seiner neuen Staatssekretärin würde das Bildungsschiff wieder auf den richtigen Kurs bringen.

Lassen Sie bitte Ihre Parteiausweise und parteilichen Zwänge einfach mal zu Hause und treffen Sie als Väter, als Mütter, als Geschwister, als Großeltern, als Tanten oder als Onkel unserer Kinder oder einfach als Menschen, die in der Zukunft dieses Landes eine prosperierende Wirtschaft sehen wollen, heute die richtige Entscheidungen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von André Poggenburg, AfD)

In unserem Land herrscht an den Schulen Ausnahmezustand, und es gibt nicht genug Anstrengungen von Ihnen, dem entgegenzuwirken.

An den fast 800 Schulen im Land sind der Unterricht und die Bildung in den Hintergrund gerückt. So hat sich die Zahl der Stammlehrkräfte entgegen früheren Erfolgsmeldungen nur minimal um 31 erhöht. Dagegen steht auf der einen Seite jedoch eine Steigerung der Schülerzahl um 1 800 Schülerinnen und Schüler und auf der anderen Seite das Anwachsen der Zahl von Lehrkräften, die allein wegen Langzeiterkrankung und Elternzeit fehlen, gegenüber.

Im Ergebnis ist der tatsächlich pro Woche erteilte Unterricht von etwa 302 000 Stunden, ca. 11 780 Lehrerinnen und Lehrer vor der Klasse, auf nur noch etwa 295 000 Unterrichtsstunden, ca. 11 500 Lehrerinnen und Lehrer vor der Klasse, gesunken - ein historischer Tiefstand bei der Unterrichtserteilung im Land.

Seit dem Schuljahr 2013/2014 wurde das Unterrichtsangebot durch den fortgesetzten Personalabbau inzwischen sogar um fast 10 %, bezogen auf die zehnjährige Schulzeit, also um ein ganzes Schuljahr, gekürzt. Die Dispute über die hohe Zahl von Schülerinnen und Schülern ohne Schulabschluss und die Klagen der Wirtschaft über die fehlende Ausbildungsfähigkeit bei unseren Aus

zubildenden haben einen einzigen Grundtenor: die fehlende Bildungsqualität aus unzureichender Bildungsquantität.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Vertrauensperson Thekla Mayerhofer hat Ihnen beim letzten Mal den Tagesablauf als Lehrerin geschildert. Ihre schockierten und mitfühlenden Gesichter habe ich heute noch im Kopf. Ich zitiere Frau Mayerhofer:

„Wenn es zur Regel wird, dass die dank der bedarfsmindernden Maßnahmen übervollen Grundschulklassen aufgeteilt sind, also mitunter 45 Kinder und mehr zur gleichen Zeit von einer Lehrkraft unterrichtet werden, dass die Stunden zur individuellen Förderung einzelner Schülerinnen und Schüler und die für den gemeinsamen Unterricht vorgesehenen permanent als Vertretungsreserve verbraucht werden, dass die Zahl der verhaltensauffälligen und besonderen Kinder steigt und es unmöglich ist, den Kindern seiner Klasse gerecht zu werden und sie schon im Anfangsunterricht bestmöglich zu fördern, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Arbeitszufriedenheit sinkt, dass die Zahl der Langzeiterkrankten weiter explodiert, dass die Zahl der vorzeitigen Kündigungen steigt, aber auch, wenn der Bildungserfolg der einzelnen Schülerinnen und Schüler zurückgeht.

Unter größten Anstrengungen so viele Lehrkräfte einzustellen, dass die in den Ruhestand abgehenden Kollegen gerade mal ersetzt werden können, war nicht das Ziel der Volksinitiative, die so viele Tausend Menschen unterstützt haben. Ihr Ziel war und ist es tatsächlich, etwas an der katastrophalen Situation, die sich täglich an den Schulen im Land bietet, zu ändern,“

(Beifall bei der LINKEN)

„langfristig wirksam zu werden, effektiv Verbesserungen zu schaffen und sich wirklich um die Zukunft des Landes zu bemühen.“

Ich erspare Ihnen die lange Liste der Schulen, die uns um Hilfe bitten, weil seit Monaten die notwendigen Lehrerinnen und Lehrer oder pädagogischen Mitarbeiter fehlen. In der Armee wäre die erhöhte Alarmbereitschaft schon lange ausgerufen worden.

(Ministerin Anne-Marie Keding: Nee!)

Es fehlen über hundert Schulleiter im Land. Die Schulleiter sitzen wie in einer Kommandozentrale und koordinieren die noch vorhandenen Lehrerressourcen und werden zu Meistern des Improvisierens.

Gemeinsamer Unterricht wird hier leider in ganz anderer Form gelebt. Inhaltliches und auf sich aufbauender Unterricht ist gar nicht möglich. Tests, Klassenarbeiten und Vorträge werden sehr oft nach dem Zufallsprinzip generiert, da auch der eigentlich noch vorhandene Lehrer urplötzlich zum Unterricht in die oberen Klassenstufen, die vor den Prüfungen stehen, versetzt wird.

Freistunden und Vertretungen nehmen in für Sie sicherlich unvorstellbarer Häufigkeit und Dimension zu. Sehr oft fehlt an den Grundschulen jeder dritte Lehrer vor der Klasse, und das Landesschulamt schafft es trotz aller Bemühungen einfach nicht, genüg Ersatzlehrkräfte dorthin zu entsenden.

Wir brauchen nur an die Grundschule Lützen zu gehen oder aktuell an die Grundschule Gröbers: Es sind acht Lehrerinnen und Lehrer angestellt, zwei Lehrerinnen und Lehrer sind anwesend. Zwei! Die andere Liste will ich gar nicht weiter nennen.

Genau aus diesen Gründen müssen wir unsere Bewertung, ob unserer Forderung nachgegangen wird, allein von der Entwicklung des Lehrkräftebestandes für den Unterricht in Bezug auf die Entwicklung der Schülerzahlen abhängig machen. Wir dürfen die schlimmen Verhältnisse in den Schulen nicht noch ein weiteres Schuljahr hinnehmen. Wir werden genau auf die Vorbereitung des neuen Schuljahres schauen, was sich diesbezüglich konkret ändert. Wir erwarten weiterhin die Rücknahme der Bedarfskürzungen in den Grundschulen und werden keine weiteren in anderen Schulformen akzeptieren.

Eva Gerth, Sprecherin der Volksinitiative, bringt es auf den Punkt: Warum hat das Land nicht schon längst die Stellen für langzeiterkrankte Kolleginnen und Kollegen bzw. für diejenigen, die sich in Elternzeit befinden, wiederbesetzt?

(Beifall bei der LINKEN)