aktionsplan haben wir die Aufgabe, angemessene Vorkehrungen für die Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Leben zu treffen. Dafür steht uns eine Vielzahl gesetzlicher Grundlagen sowohl im Bund als auch im Land zur Verfügung.
Über das Thema Barrierefreiheit ist auch in dieser Legislaturperiode bereits viel diskutiert worden. Oft wird unter diesem Thema ganz schnell auf Rampen oder Fahrstühle für Rollifahrerinnen und Rollifahrer verwiesen. Barrierefreiheit hat jedoch viele Facetten.
Eine davon ist die Barrierefreiheit in Kommunikation und Information. Diesem Thema bzw. einem Teilbereich ist der heute von uns vorgelegte Antrag gewidmet. Konkret geht es uns um die Anpassung der Kostensätze für Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher in unserem Land.
Lassen Sie mich zunächst etwas in die Entwicklung der Gebärdensprache blicken. Die Sprache über Gesten, Mimik oder die Nachbildung von Formen durch beide Hände ist bereits aus der Antike bekannt. Bereits Plato, Augustinus und Leonardo da Vinci berichteten über gebärdende taube Personen.
Die moderne Geschichte der Gebärdensprache beginnt im 18. Jahrhundert mit der Ausbildung tauber Kinder. Seit dem Jahr 1975 wurde die deutsche Gebärdensprache systematisch er
forscht. Im Jahr 1982 ist das Institut für Deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser entstanden.
Erst im Jahr 2002 erfolgte die offizielle Anerkennung als Sprache in unserem Land. Im Zuge der Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache verständigte man sich erstmals über konkrete Regelungen der Bezuschussung bzw. der Übernahme der Kosten auf gesetzlicher Grundlage.
An dieser Stelle gebe ich gern zu, dass ich mit stetig wachsender Begeisterung und auch voller Bewunderung dieser Form der Sprache, der Vermittlung zwischen Hörenden und Nichthörenden, Respekt zolle. Die Geschwindigkeit der Gesten, das Einstellen auf die jeweilige Situation und die agierenden Personen, die mitunter sehr schwierigen Texte und auch die Genauigkeit der Übersetzung sind einfach toll.
Auch unsere Beratungen im Plenum werden seit dieser Legislaturperiode regelmäßig für Nichthörende erlebbar gemacht, simultan übersetzt. Wenn ich an die eine oder andere Debatte hier im Haus erinnere, dann ist dies mit Sicherheit nicht die leichteste Aufgabe. Deshalb lassen Sie mich an dieser Stelle den Gebärdensprachdolmetsche
(Zustimmung bei der LINKEN, bei der CDU, bei der SPD, bei den GRÜNEN und von der Regierungsbank - Angela Gorr, CDU, und Wolfgang Aldag, GRÜNE, zeigen die Ge- bärde für Beifall)
Geregelt sind die angesprochenen Kostensätze über die Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren nach dem Behindertengleichstellungsgesetz. In der Anlage 1 dieser Behindertengleichstellungsverordnung heißt es wie folgt - ich zitiere -:
„Gebärdensprachdolmetscher mit fachlicher Eignung [...] erhalten als Vergütung ein Entgelt in Höhe von 27,50 € je angefangene 30 Minuten Dolmetschzeit. Die Umsatzsteuer wird zuzüglich erstattet.“
Entstandene Fahrt- und Wartezeiten sowie Fahrtkosten werden über eine Pauschale vergütet. Nicht eingerechnet sind die konkreten An- und Abreisezeiten, mögliche Wartezeiten am Einsatzort, eventuell andere anfallende Kosten der Dolmetscherinnen und Dolmetscher, wie zum Beispiel Parkgebühren, die nicht immer sehr günstig sind. Auch nicht eingepreist ist die allgemeine Kostenentwicklung.
Sehen wir im Vergleich dazu in die Justizvergütungs- und entschädigungssatzung, stellen wir fest, dass nach § 9 dieser Satzung für die erbrachte Simultandolmetschleistung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten ein Honorar von 75 € je Stunde gezahlt wird. Die Fahrtkosten werden in tatsächlicher Höhe erstattet; dies ist in § 5 der Satzung geregelt.
Im Ergebnis dieser Betrachtung können wir konstatieren, die Gebärdendolmetscherinnen und Gebärdendolmetscher in Sachsen-Anhalt haben nun vier Jahre lang ca. 25 % weniger Honorar im Vergleich zu ihren Kolleginnen und Kollegen in den anderen Bundesländern erhalten. Dennoch haben sie uneingeschränkt mit einem sehr hohen persönlichen Engagement tauben und schwerhörigen Menschen für Kommunikation und Teilhabe zur Verfügung gestanden.
Vielleicht haben Sie schon einmal persönlich Gebärdensprachdolmetscherinnen in Aktion erlebt, sei es, als Sie sich selbst mit einem gehörlosen oder schwerhörigen Menschen unterhalten wollten, oder in den verschiedenen Teilhabebereichen.
Aufgabe von Gebärdensprachdolmetscherinnen ist es, die Kommunikation zwischen Hörenden und Hörgeschädigten - also gehörlosen, schwer
hörigen, ertaubten oder allerdings sehr selten taubblinden Personen - zu ermöglichen. Dies ist in allen Bereichen des Lebens notwendig, so zum Beispiel im Bereich „Beruf und Arbeit“. Hier sind die Gebärdensprachdolmetscherinnen bei Betriebsversammlungen, Arbeitsbesprechungen, in der Aus- und Weiterbildung, bei Terminen auf dem Arbeitsamt oder im Jobcenter, wenn sie denn bestellt werden, oder eben auch einfach am Arbeitsplatz des Hörgeschädigten gefordert.
Im persönlichen oder Familienleben sprachdolmetschen sie bei Familienfeiern, bei Elternversammlungen, bei Arztbesuchen. Dazu zählen weiterhin so wichtige Einsätze wie schulärztliche Untersuchungen, Termine auf dem Standesamt oder bei anderen Behörden, Elternabende, Termine bei Rechtsanwälten oder Notaren.
Aber auch bei öffentlichen Veranstaltungen, wie zum Beispiel unseren Landtagssitzungen, Beratungen der kommunalen Vertretungen, oder in Ehrenämtern in Vereinen und Verbänden werden diese Dolmetschleistungen erbracht und sind notwendig. Gerade dem Bereich des Ehrenamtes, der politischen und demokratischen Teilhabe von hörbeinträchtigen Menschen müssen wir in Zukunft eine noch größere Aufmerksamkeit widmen.
Ein weiterer Bereich, in dem diese Kommunikationsform benötigt wird, ist der juristische bzw. der Verwaltungsbereich. Bei Behördenterminen, bei Anwälten, vor Gericht oder bei der Polizei kommt ohne das Wirken von Gebärdensprachdolmetscherinnen keine Kommunikation zustande.
Sie sind für das Übertragen des gesprochenen Wortes in eine andere Sprache und wieder zurück zuständig. Sie dolmetschen in den meisten Fällen simultan, unter Umständen mit einer kleinen Zeitverzögerung, parallel zur Sprecherin in eine visuelle Gebärdensprache. Dabei sprechen die Fachfrauen und Fachmänner von lautsprachbegleitenden Gebärden, von lautsprachunterstützenden Gebärden oder auch von dem vielen bekannten Fingeralphabet. - So weit zum notwendigen theoretischen Wissen.
Es kommt im täglichen Geschehen zu vielen Einsatznotwendigkeiten von Gebärdensprachdolmetscherinnen. So war ich unlängst Zeugin eines solchen Einsatzes: Eine Gehörlose kommt zu einem Termin ins Jobcenter; niemand spricht ihre Sprache. Um überhaupt etwas zu erreichen, wird alles aufgeschrieben und werden die Zettel über den Tresen im Jobcenter hin und her geschoben. Zugutehalten möchte ich beiden Seiten, dass es in diesem Moment tatsächlich die einzig mögliche Art und Weise war, miteinander zu kommunizieren. Dann erlebten beide die nächste Schwierigkeit. Unsere mit einzelnen Wörtern ausgedrückte
Lebenswelt entspricht eben nicht eins zu eins der Lebenswelt von Gehörlosen. Auch das macht erneut deutlich: Gebärdensprachdolmetscherinnen sind dringend notwendig.
Neben der aktuellen Anpassung der Kostensätze sollte das Land alle Möglichkeiten ausschöpfen, die die Gesetzgebung bietet. Es wird empfohlen, als Grundlage für die Kostensätze die Justizvergütungs- und entschädigungssatzung heranzuziehen und mit den Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetschern abweichende Rahmenvereinbarungen abzuschließen. Davon sollten wir Gebrauch machen. Vor allen Dingen sollten wir die Dynamisierung der Kostensätze festschreiben.
Die Gebärdendolmetscherinnen sind freiberufliche Gebärdendolmetscherinnen und müssen aus betriebswirtschaftlichen Gründen nach einer Kostendeckung für ihre Dienstleistung suchen. Wir haben in Sachsen-Anhalt offensichtlich eine große Lücke geschaffen, die unter anderem auch dazu führt, dass die gut ausgebildeten Gebärdensprachdolmetscherinnen und Gebärdensprachdolmetscher nach ihrer Ausbildung oder auch nach den ersten Jahren ihres Einsatzes in unserem Land in andere Bundesländer abwandern, weil sie dort für ihre Dienstleistung eine bessere Bezahlung erhalten. Diese Abwanderung können wir verhindern, werte Kolleginnen und Kollegen.
Besonders schwierig ist die Situation außerhalb der Großstädte. In Halle und Magdeburg ist die Zahl der Dolmetscherinnen und Dolmetscher höher als in den ländlichen Regionen. Somit sind die in den ländlichen Regionen lebenden gehörlosen Menschen eindeutig benachteiligt. Sie können nicht die gleichen Teilhabemöglichkeiten nutzen. Damit schließen wir Menschen von der Teilhabe aus.
Die derzeitige Vergütungspraxis gefährdet aber nicht nur die Betroffenen in den ländlichen Regionen, sondern eben auf lange Sicht alle. Die Gebärdensprachdolmetscherinnen können ihre Kosten immer weniger decken und damit auch immer weniger ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten.
Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die in der UN-Konvention festgehaltenen Rechte, sind universelle Menschenrechte. Unsere Aufgabe als Politik ist die Schaffung der angemessenen Vorkehrungen. Stimmen Sie unserem Antrag zu!
Der Alternativantrag der Koalitionsfraktionen ist lediglich ein Prüf- und Berichterstattungsantrag. Dies wird dem Anliegen unseres Antrages keinesfalls gerecht. Deshalb werden wir ihm nicht zustimmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Wortmeldungen für Fragen. Ich danke Frau Zoschke für die Ausführungen. - Wir kommen nunmehr zu der Debatte. Es ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht die Ministerin Frau Grimm-Benne. Frau Ministerin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Behindertenpolitik des Landes Sachsen-Anhalt will die Teilhabe und die Einbeziehung aller Menschen in die Gesellschaft gewährleisten. Voraussetzung dafür ist unter anderem die Schaffung barrierefreier Kommunikation für alle Menschen.
Die Träger der öffentlichen Verwaltung sind nach § 14 Abs. 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes verpflichtet, eine barrierefreie Kommunikation sicherzustellen.
Hör- und sprachbehinderte Menschen haben in einem Verwaltungsverfahren Anspruch auf eine Übersetzung durch Gebärdensprachdolmetscherinnen, wenn dies zur Wahrnehmung ihrer eigenen Rechte erforderlich ist.
Die Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen im Verwaltungsverfahren wird in der Behindertengleichstellungsverordnung des Landes geregelt. Deren Anlage 1 - Sie haben es schon gesagt - konkretisiert die Grundsätze für eine angemessene Vergütung oder Erstattung. Der Verordnungstext ist seinerzeit unter Abgleichung mit anderen Länderregelungen entstanden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Richtig ist, dass sich die Vergütung von Dolmetscherleistungen und die Erstattung von Fahrtkosten nicht nach den tatsächlichen Aufwendungen richten. Gemäß der Kommunikationshilfeverordnung des Bundes sind für die Entschädigung von Gebärdensprachdolmetscherinnen die Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes maßgeblich.
Soweit allerdings mit dem Antrag der Fraktion DIE LINKE eine entsprechende Anpassung an das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz gefordert wird, ist anzumerken, dass darin nur Honorargruppen festgelegt sind und nicht die tatsächlichen Aufwendungen vergütet werden. Die Fahrtkosten - das haben Sie schon gesagt - werden hingegen in tatsächlicher Höhe erstattet.
Deswegen haben wir einen Prüfauftrag erteilt. Denn wir haben einen kursorischen Vergleich mit anderen Bundesländern angestellt und festge
Einige Verordnungen, wie die Unsrige, wenden konkrete Sätze und Pauschalen an, andere verweisen auf das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz. Deswegen meinen wir, dass man zunächst eine tiefgründige Recherche und Auswertung benötigt.
Damit komme ich zu Punkt 3 des Antrages der Fraktion DIE LINKE, wonach die Landesregierung beauftragt werden soll, in der Behindertengleichstellungsverordnung Regelungen zu schaffen, die es hörbehinderten Menschen zur Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit ermöglichen, Gebärdensprachdolmetscherinnen anzufordern. Diese Forderung würde eine eigene Leistung begründen, die bislang nicht durch den Regelungsbereich unserer Verordnung abgedeckt ist.