Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Auftrag des Grundgesetzes ist dann die deutsche Leitkultur. Dies bedeutet, den Muslimen und Juden die Ausübung ihrer Religion zu gewährleisten. Es wäre wichtig, dass dieses Signal heute vom Landtag ausgeht.
Das Problem besteht darin, dass wir es in der öffentlichen Wahrnehmung der Betroffenen, aber auch in der gesellschaftlichen Debatte insgesamt mit Ressentiments zu tun haben, mit Feindschaft, ja, mit Hass.
Vor Kurzem gab es eigenartigerweise offensichtlich zwei unterschiedliche Anfragen der jeweiligen Bundestagsfraktionen von GRÜNEN und LINKEN zu den Zahlen antimuslimischer Straftaten. Interessanterweise gab es auch zwei unterschiedliche Aussagen. Bei den GRÜNEN waren es 1 046, bei den LINKEN war die Antwort der Bundesregierung: 950. Die Differenz ist jetzt nicht so wichtig,
aber wir wissen: Antimuslimische Straftaten in der Bundesrepublik Deutschland bewegen sich inzwischen im vierstelligen Bereich pro Jahr.
Wir wissen auch: Wenn man sich mit Vertretern der muslimischen Gemeinden unterhält, dann gibt es insoweit eine extrem hohe Dunkelziffer, weil viele derjenigen, die Opfer solcher Straftaten werden, Flüchtlinge sind, die zum Teil gar nicht in der Lage wären, von sich aus Anzeige zu erstatten bzw. es häufig auch aus Angst gar nicht tun.
Es ist noch gar nicht lange her, da haben wir den Fall eines Beschusses der islamischen Gemeinde in Halle-Neustadt mit einem Verletzten erlebt; das ist wirklich nur die Spitze des Eisberges. Wir waren da, andere waren auch da.
Viele Mitglieder der muslimischen Gemeinde reden darüber, dass sie angepöbelt werden, dass sie auf der Straße mit feindlichen Aktionen versehen werden. Dort in der Gemeinde hat man uns gesagt, dass es in der letzten Zeit eine Reihe von Bölleranschlägen gegeben hat. Die Menschen haben Angst, zum Freitagsgebet zu kommen. Sie werden an ihrer Religionsausübung gehindert. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht akzeptieren.
Wir wissen - dazu gibt es genug Studien und Umfragen -, dass es eine hohe Zahl von antisemitischen Straftaten gibt. Die Kriminalitätsstatistik weist für uns in Sachsen-Anhalt für das Jahr 2016, in dem sie abgeschlossen worden ist, ich glaube, 76 Anschläge aus. Die Zahlen haben sich in den letzten Jahren im 70er-Bereich kontant gehalten. Im dritten Quartal - ich glaube, das ist in der Kriminalitätsstatistik allerdings kumulativ - steht die Zahl bei 46, übrigens in Sachsen-Anhalt bei den antimuslimischen Anschlägen bei 19. Aber, wie gesagt, die Zahlen sagen nicht allzu viel, weil es in diesem Bereich eine hohe Dunkelziffer gibt.
Was wir zunächst zum Ausdruck bringen müssen, das ist nicht so sehr eine Frage der Landesregierung, sondern es ist wichtiger, dass der Landtag zum Ausdruck bringt: Niemand von uns akzeptiert Angriffe, niemand von uns akzeptiert Diskriminierung, weil er irgendeiner Religionsgemeinschaft angehört. Das, meine lieben Kollegen, muss unser gemeinsames Ziel sein.
Ich will ganz klar sagen, dass es Menschen gibt, die sich intensiv auch gerade mit diesen Problemen auseinandergesetzt haben. Gerade die muslimischen Gemeinden waren durch ihre starke Vergrößerung durch Flüchtlinge, die dazugekommen sind, in den letzten Jahren stark beansprucht.
Viele von Ihnen kennen die Debatte um die Situation Magdeburgs. Dort ist es gelungen - übrigens mit ganz großem Engagement des Vertreters der katholischen Kirche -, eine Lösung für diese Gemeinde in einem ehemaligen Heizhaus zu finden, das innerhalb kürzester Zeit auf eigene Kosten derjenigen, die sich dort engagieren, ausgebaut worden ist und in dem es jetzt gute Bedingungen gibt.
Wir haben gute Erfahrungen zum Beispiel auch in Stendal gemacht, wo es eine gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt und der islamischen Gemeinde gibt, um entsprechende Dinge zu realisieren.
Wir haben jetzt leider, obwohl es auch dort eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt gibt, in Halle das Problem, dass die Räumlichkeiten für die islamische Gemeinde zu klein sind. Etwa 1 300 Menschen kommen dort zum Freitagsgebet. Dort ist aber nur für 400 Personen Platz.
Folgendes wäre wirklich überlegenswert, werte Vertreter in der Landesregierung - ich spreche hier auch den Finanzminister an, wenn er zuhören kann -: Es gibt dort in unmittelbarer Nähe Immobilien, die zumindest eine Übergangslösung für dieses Problem sein könnten. Es kann nicht sein, dass Muslime beim Freitagsgebet im Freien beten müssen, obwohl sie spätestens seit dem letzten Anschlag Angst davor haben, im Freien zu sein. Es gab überall woanders gute Möglichkeiten, diese Dinge durch die Aktivitäten der islamischen Gemeinden zu bewältigen. Ich glaube, mit ein bisschen Hilfe können wir das auch in Halle hinkriegen. Dann hätten wir in der Praxis viel getan.
Ich will natürlich - das sage ich ganz klar - nicht verschweigen, dass die Ausübung von Religion keinerlei Möglichkeit der Legitimierung von Diskriminierung ist, die nach dem Grundgesetz und nach der Landesverfassung verboten ist.
Ebenso wie ich sage, dass wir sowohl den islamischen als auch den jüdischen Religionsgemeinschaften ihre Religionsausübung gewährleisten müssen, so richtig ist es auch, dass niemand in dieser Gesellschaft, ob mit christlicher, mit islamischer oder mit jüdischer Religionszugehörigkeit, eine Diskriminierung von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung, wegen ihres Geschlechts, wegen ihrer Rasse oder wegen ihrer Herkunft ableiten kann. Das ist ebenso Grundlage des Grundgesetzes.
Ich sage mit aller Deutlichkeit: Niemand von uns versteht Religionsfreiheit als Freiheit für Diskriminierung. Nein, Religionsfreiheit findet dort ihre Grenze, wo mit Religionsausübung Diskriminierung begründet wird. Zu dieser Grenze
Allerdings - das ist nun wiederum das Problem -: Eine gesellschaftliche Debatte, die zum Beispiel davon geprägt ist, dass Muslime grundsätzlich immer Frauen diskriminieren, dass Muslime grundsätzlich Menschen mit anderer sexueller Orientierung oder Herkunft diskriminieren, ist falsch; das entspricht nicht der Realität.
Ich sage ganz deutlich: Wenn man sich mit den Vertretern der muslimischen Gemeinden, zum Beispiel in Sachsen-Anhalt, unterhält - in Stendal ist es ein Arzt; die Führungsriege bilden aber im Wesentlichen Ärzte, die dort zum großen Teil seit Langem im Johanniter-Krankenhaus arbeiten; in Halle ist es ein Sozialarbeiter, der beim Paritätischen Wohlfahrtsverband arbeitet; in Magdeburg ist es jemand, der als Dozent an der Universität arbeitet -, dann merkt man, das sind Menschen, die aufgeklärt sind, das sind Menschen, die in ihrer islamischen Gemeinde etwas zur Integration in unserer Gesellschaft erreichen wollen.
Wenn man sich mit denen unterhält - ich habe das zumindest in Stendal und in Halle getan - und sie um Erläuterung der Rolle der Frauen bittet, dann sagen sie: Ja, wir haben das Problem verstanden. In Stendal und in Halle organisieren sie zum Beispiel für Frauen, die Mitglieder dieser Gemeinde sind, Kinderbetreuung, damit diese an Sprachkursen teilnehmen können; denn sie sagen auch: Wir kennen dieses Problem aus den Communities im Westen, dass die Männer zur Arbeit gegangen sind, die Kinder zur Schule gegangen sind und die Frauen zu Hause geblieben sind; das ist nicht unsere Perspektive. Wir kennen dieses Problem und wir wollen uns dieser Aufgabe stellen.
Das ist etwas, was mit den Menschen dort beredet werden kann. Dabei ist auch ganz klar, dass es keinerlei Akzeptanz zum Beispiel für Leute gibt, die für den islamischen Terror in irgendeiner Art und Weise Sympathie haben.
Es möge sich bitte jeder einmal mit dem Vorsitzenden der islamischen Gemeinde in Magdeburg über islamische Terroristen und über den Daesh unterhalten. Jeder, der das tut, ist nach zwei Stunden definitiv klüger und weiß, es gibt niemanden, der so radikal für die Bekämpfung des islamischen Terrorismus einsteht wie dieser Mann. Das ist wichtig; das muss man wissen. Aber dafür muss man sich mit den Leuten unterhalten.
Unsere Aufforderung an die Landesregierung ist ganz klar: Herr Tullner, das, was Ihr Vorgänger - er hat nicht überall sonderlich glückliche Entscheidungen getroffen; aber an der Stelle hat er
zumindest was Vernünftiges gemacht - gewollt hat, nämlich mit diesem Islam-Forum zumindest eine Kommunikationsebene mit den muslimischen Gemeinden zu schaffen, das fordern wir. Wir brauchen eine solche Kommunikation, damit Probleme erst gar nicht entstehen, damit wir eine gemeinsame Arbeit machen können und - das sage ich ganz klar - damit die Möglichkeiten der islamischen Gemeinden für die Integration von Menschen in unserer Gesellschaft genutzt werden können und diese Menschen nicht vor den Kopf gestoßen und weggeschoben werden. Das ist unsere Forderung, Herr Tullner.
Das funktioniert auch und das kann auch funktionieren. Wir haben solche Situationen zum Beispiel in Halle gehabt. Bei der Tafel in Halle-Neustadt gab es genau dasselbe Problem. Dort kamen auf einmal - relativ neu - 70 arabischstämmige Leute an, stellen sich vor der Ausgabe hin und wollen was haben. Es gibt große Aufregung. Da ist in etwa das gleiche Problem wie in Essen. Dann ruft die Tafel die Integrationsbeauftragte der Stadt an. Was macht sie? - Sie ruft den stellvertretenden Imam der islamischen Gemeinde in Halle an. Der kommt dahin und erklärt den 70 Leuten, wie die Essensausgabe läuft, was passieren muss.
Was sagt die Chefin der Tafel? - Seitdem läuft das absolut okay, völlig entspannt, funktioniert super. Ja, diese arabischstämmigen Leute haben im ersten Augenblick einfach nicht verstanden, wie die Sache funktioniert. Aber mithilfe gerade dieser Aktiven aus der muslimischen Gemeinde war die Tafel in der Lage, dieses Problem zu bewältigen.
Herr Gallert, es gibt zwei Nachfragen von Herrn Dr. Tillschneider und von Herrn Raue. - Herr Dr. Tillschneider, Sie haben das Wort.
Zuerst eine Anmerkung, dann eine Frage. Ich kann Sie beruhigen, Herr Gallert, nach islamischem Recht gilt ein Gebet auch unter freiem Himmel. Jeder Platz, an dem man betet,
wird dadurch zur Moschee; denn „Moschee“ heißt auf Arabisch „Ort, wo man sich niederwirft“. Wenn Sie zum Islam konvertieren würden, könnten Sie hier einen Gebetsteppich ausrollen und darauf beten. Dann wäre das genauso gültig. Daraus, dass die Muslime unter freiem Himmel leben, ist aus der Religionsfreiheit nicht ableitbar, dass die eine Moschee brauchen. Es gibt kein Grundrecht auf Großmoscheen.
Dann habe ich eine Frage an Sie. Ich glaube, Sie haben den Finanzminister angesprochen. Fordern Sie allen Ernstes, dass das Land Sachsen-Anhalt für Muslime, die hier ansässig sind, einen Moscheebau bezahlt? - Ich meine, wir können darüber reden, ob wir einen genehmigen, wenn die ihn selbst bezahlen. Aber fordern Sie, dass das Land Sachsen-Anhalt eine Moschee bezahlt?
Herr Dr. Tillschneider, in etwa dieses Niveau hatte ich erwartet; aber ich bin darauf vorbereitet. Erstens. Die Leute haben dort auch bei minus 10°C draußen gebetet.
- Ja, das haben sie getan, bis sie angegriffen und beschossen worden sind. Seitdem haben sie Angst und wollen es nicht mehr. Religionsfreiheit bedeutet angstfreie Religionsausübung. Deswegen ist dies ein Problem. Ich garantiere Ihnen, sowohl in Magdeburg als auch in Stendal sind die Moscheen alle vollständig selbst bezahlt worden.
Es gibt eine Möglichkeit, eine Übergangslösung zu realisieren, Herr Tillschneider, bevor Sie in den sozialen Netzwerken Halle-Neustadt mit einer Moschee überbauen. Es gibt dort ein leer stehendes Finanzamtsgebäude; das könnte man interimsmäßig vielleicht zur Verfügung stellen; darum geht es.
Dass Sie das nicht wollen, ist mir 100-prozentig klar. Ihre AfD-Kollegen fahren lieber nach Syrien und unterhalten sich mit einem Drahtzieher von Terrorismus, als die Menschen hier zu integrieren.