Protokoll der Sitzung vom 09.03.2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der Überschrift des Antrages können alle Demokraten uneingeschränkt zustimmen und können diese mittragen. Leider kann dies der Antrag selbst für sich nicht beanspruchen. Er bedient selbstverständliche Allgemeinplätze eines freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates.

Ich will an der Stelle ausdrücklich noch einmal darauf verweisen: Die verfassungsrechtlichen Herleitungen, die Sie gemacht haben - ich bin

kein Verfassungsjurist und der Kollege Robra ist gerade nicht da, aber ein paar Juristen sind ja im Hause -, kommen, glaube ich, spätestens von der Frankfurter Paulskirchenverfassung, der ersten deutschen Verfassung, in der die Religionsfreiheit bereits stand. Die Wurzeln leiten sich davon ab. Deswegen ist der verfassungshistorische Kontext, den Sie aufgeworfen haben, ein bisschen verkürzt.

(Zuruf von Wulf Gallert, DIE LINKE)

Die Demokraten des 19. Jahrhunderts, die zumindest zum Teil versucht haben, demokratische Prinzipien in unser deutsches Gemeinwesen zu verankern, haben sich diese Gedanken auch schon gemacht. Deswegen sollten wir diese an der Stelle ausdrücklich auch einmal würdigen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Die Gewissens-, Religions- und Bekenntnisfreiheit des aktuellen Grundgesetzes steht gemäß Artikel 4 des Grundgesetzes und Artikel 9 der Landesverfassung deswegen schlichtweg nicht zur Disposition.

Auch der Inhalt des Punktes 2 des Antrages ist für die Verfassungsorgane des Landes ebenso selbstverständlich. Zur Freiheit der Religionsgemeinschaften gehört indes auch, dass diese darüber mitbestimmen, inwieweit sie ihrerseits ebenfalls an einer offenen Kommunikation und Zurückweisung von Diffamierungen aktiv interessiert sind.

Die Freiheit zur ungestörten Religionsausübung für die jüdischen und muslimischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt ist gewährleistet, ebenso das angstfreie Bekenntnis zur eigenen Religion. Antisemitische, antijüdische und antimuslimische

Diffamierungen, wie Straftaten, sind scharf zurückzuweisen, unabhängig vom Urheber und von dessen kulturellem Hintergrund. Das gilt übrigens selbstverständlich auch für antichristliche Ausfälle.

Auch der Inhalt des Punktes 4 des Antrages ergibt sich aus Artikel 3 des Grundgesetzes sowie Artikel 7 der Landesverfassung. Religionsgemeinschaften nehmen ihre Rechte im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen wahr. Sie beteiligen sich am gesellschaftlichen Dialog.

Über Artikel 140 des Grundgesetzes und durch Artikel 136 der Weimarer Reichsverfassung, insbesondere durch die Artikel 137 Abs. 2 und 3 der Weimarer Verfassung, wird die innere Gestaltungsfreiheit der Religionsgemeinschaften gewährleistet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aufforderung an die Landesregierung zu a) - ich zitiere -, „den Dialog mit den muslimischen Gemeinden im Land

Sachsen-Anhalt sofort wieder aufzunehmen“, geht fehl. Denn bereits seit April 2010 existiert im Land ein Landesintegrationsbeirat unter Federführung des für Integration zuständigen Ministeriums.

Bereits aus dem Namen „Landesintegrationsbeirat“ ist ersichtlich, dass hier alle gesellschaftlich relevanten Gruppierungen, die Ministerien - so auch mein Haus - und last, but not least die islamischen Gemeinden, zusammenarbeiten. Und genau hier gehört das, was Sie mit dem Beispiel der Tafel beschrieben haben, auch hin, dass man sich am Ende über die Fragen unterhält, wie wir in den Dialog kommen und die Probleme lösen.

Zudem gibt es das Aktionsprogramm „Integration“, das alle gesellschaftlichen Bereiche, wie vorschulische Bildung, Allgemeinbildung, berufliche Bildung, Hochschule, Unternehmen usw., umfasst.

Insoweit sei mir auch eine Anmerkung zum angesprochen Islam-Forum gestattet. Es wurde - Sie haben es bereits ausgeführt - unter meinem Vorgängerminister a. D. Dorgerloh Ende 2015 gegründet. Hintergrund war damals vor allem der große Flüchtlingszuwachs, der auch Auswirkungen auf Sachsen-Anhalt hatte.

Die entstandene Situation sollte auch mit den islamischen Gemeinden beraten werden. Zugleich wollte der damals zuständige Kirchenminister mit den Gemeindevertretern insbesondere auch den persönlichen Meinungsaustausch pflegen. Bereits bei Gründung dieses Gremiums wies der zuständige Sozialminister a. D. Bischoff zu Recht darauf hin, dass es vermieden werden sollte, dass sich die Gremienarbeit zwischen dem Integrationsbeirat und diesem neuen Gremium überschneidet.

Es hat im Rahmen des Islam-Forums unter Minister Dorgerloh zwei - ich betone: zwei - Gesprächsrunden gegeben. Dabei stellte sich heraus, dass durch die Gemeinden vorrangig Einzelprobleme angesprochen wurden, deren Lösung zum Teil besser vor Ort anzusiedeln wäre bzw. in der Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden, nicht jedoch im Rahmen eines IslamForums.

Als nunmehr jetzt zuständiger Kirchenminister stand ich mit der Übernahme meines Amtes vor der Frage: Wie soll mit diesem Gremium, welches auch in der Koalitionsvereinbarung erwähnt ist, sinnvoll umgegangen werden?

Turnusmäßige Treffen sind in Konkurrenz zum Landesintegrationsbeirat und den Aktivitäten des Aktionsprogramms „Integration“ nicht geboten. Insofern wäre aus meiner Sicht allenfalls denkbar, dieses Forum als jährliche Basis für die Erörterung übergreifender Themen zwischen der Landesregierung und der islamischen Gemeinschaft

Sachsen-Anhalts zu entwickeln. Hierzu steht mein Haus in engem Kontakt mit den Kirchenreferenten der anderen Bundesländer, insbesondere auch der neuen Länder.

An der Stelle will ich sagen, ein Punkt, den Sie in Ihrer Rede gar nicht berührt haben, ist die Frage: Wie gehen wir eigentlich mit dem islamischen Religionsunterricht um? - Wir alle wissen ganz genau: Es gab Länder, die in einem anderen Kontext insoweit sehr weit vorangeschritten sind, deren Entwicklung aber im Moment, freundlich umschrieben, mit Stagnation beschrieben werden muss. Ich glaube, dass wir sehr sorgfältig - die Prüfungen laufen bereits in meinem Haus - mit diesem Fakt umgehen sollten, der verfassungsrechtlich ebenso herleitbar ist wie all die anderen Dinge, die ich schon angesprochen habe.

Nun zu b) des Antrages: Nach hiesiger Einschätzung werden seitens der Landesregierung hinreichende Anstrengungen zur ungestörten Religionsausübung jüdischer und muslimischer Gemeinden unternommen. Bei antisemitischen, antijüdischen und antimuslimischen Straftaten etc. sind die entsprechenden Behörden bis hin zur Staatsschutzebene - der Kollege Stahlknecht ist ja anwesend - gefragt.

Dass in allen Bereichen des Bildungswesens über Religionen und Weltanschauungen informiert wird und Diffamierungen zurückzuweisen sind, ist eine Selbstverständlichkeit des freiheitlich und demokratischen Rechtsstaates.

Fazit: Wenn auch der Antrag in dieser Form in seiner Sinnhaftigkeit für mich als schwierig einzuschätzen ist, so sind die hier angesprochenen Themen dennoch viel zu wichtig und zu ernst, als dass sie sich für politische Rangeleien eignen würden.

Deswegen freue ich mich darauf, dass wir im Ausschuss, in welchem auch immer, diese Debatte fortsetzen können. - Vielen Dank.

Herr Minister Tullner, Herr Gallert hat sich zu Wort gemeldet.

Das habe ich irgendwie erwartet, Herr Präsident. Ich freue mich auf die Frage.

Herr Gallert, Sie haben das Wort.

Ihre Freude springt aus allen Knopflöchern. - Herr Tullner, ich habe eine Vorfrage: Sie haben

gesagt, Sie seien Kirchenminister. Ich habe gedacht, Sie sind Religionsminister. Was stimmt denn nun?

Herr Gallert, wenn wir jetzt in die semantischen Spitzfindigkeit gehen, dann gebe ich zu, an der Stelle habe ich gelernt, dass ich Kirchenminister bin. Man kann aber auch Religionsminister sagen. Wenn Sie jetzt daraus den Kontext machen, in welcher Kirche ich mich definiere, dann einigen wir uns auf Religionsminister.

Ja, das ist aber wichtig; denn Kirchenminister heißt, dass Sie nur für die christlichen Kirchen zuständig sind, und Religionsminister heißt, dass Sie für alle Religionsgemeinschaften zuständig sind. Insofern ist das nicht nur ein semantisches Problem.

Ich kann Ihnen nur eines sagen, gerade von dem Verband der islamischen Gemeinden gibt es ausdrücklich den Wunsch, ein solches Forum, wie es Ihr Vorgänger eingerichtet hat, weiterzumachen. Es ist ein Fehler - so wie Sie eben die Religionsgemeinschaften semantisch auf Kirche reduziert haben -, die islamischen Gemeinden auf Integration zu reduzieren. Es sind viele Flüchtlinge dabei, die können viel leisten in der Integration. Aber viele, zumindest aus der Führungsebene sind zum Teil seit 30 Jahren hier; die müssen nicht integriert werden. Die haben Probleme, die sich aus der Religionsgemeinschaft ergeben.

Deswegen ist es ausdrücklich so, dass sie natürlich wichtige Ansprechpartner für die Integration sind. Deswegen habe ich dieses Beispiel mit den Tafeln ja genannt. Aber das bedeutet trotzdem auch, dass wir sie in ihrer Selbstständigkeit als religiöse Gemeinden anerkennen und mit ihnen darüber reden, welche Probleme sie haben. Wenn die dieses Ansinnen nicht gehabt hätten, hätte es heute nicht in diesem Antrag gestanden, Herr Tullner.

Herr Minister, Sie können noch einmal antworten.

Herr Präsident! Lieber Herr Gallert, wir können uns jetzt trefflich über die Frage streiten, welche Definition von Benennungen hier zielführend ist. Wir wissen doch aber auch, dass sich das Kirchenreferat - und das heißt nun einmal so in meinem Hause - nicht nur für christliche Kirchen zuständig fühlt, sondern für alle Religionsgemein

schaften. Deswegen gibt es bestimmte historische Herleitungen dafür, dass das einmal Kirchenreferat hieß. Aber daraus sollten Sie jetzt nicht die Idee ableiten, dass wir uns darüber nicht klar sind, welche Verantwortung wir an der Stelle haben. Deswegen bin ich dankbar für diese Frage, weil sie zugleich eine Klarstellung ist.

Jetzt zu einem anderen Thema: Wir leben in einem kleinen Land - Gott sei Dank -, in dem sich viele kennen. Deswegen reden viele Leute immer mit vielen Leuten. Auch ich rede immer mit ganz vielen Leuten. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, dass ich bei der Eröffnung des für mich damals überraschenden muslimischen Gebetsraumes im katholischen Krankenhaus „St. Elisabeth“ in Halle war, was auf den ersten Blick nicht zu erwarten war. Aber das haben sie gemacht und das war sehr interessant. Da trifft man diesen und jenen und dann kommt man ins Gespräch. Deswegen kennen sich dort auch ganz viele Leute.

Aber die praktischen Beispiele, die Sie in Ihrem Redebeitrag gemacht haben - Sie haben einen langen Bogen geschlagen, von der Verfassung abgeleitet und am Ende waren Sie bei den Tafeln -, haben sich am Ende alle um das Thema Integration gerankt.

Ehrlich gesagt, ich bin ein Fan von vielem. Aber dass wir hier immer Doppelstrukturen machen, das ist doch Quatsch. Lassen Sie uns doch einfach die Themen angehen und nicht immer über die Zuständigkeiten reden.

Unser ureigenstes Thema, mit dem wir mit den Gemeinden in engen Kontakt treten, ist der Religionsunterricht. Das ist ein schwieriges Unterfangen. Wenn mir meine Kollegen aus NRW, Bayern und Baden-Württemberg berichten, was da alles an Enttäuschungen zu hören gewesen ist und wie wichtig es trotzdem gewesen ist, dass wir unsere verfassungsrechtlichen freiheitlich-demokratischen Dingen auch in diesem Unterricht so abbilden, damit das alles funktioniert, dann sind das doch die zentralen Herausforderungen. Und denen werden wir uns auch stellen.

Alle anderen unterschwelligen Unterstellungen sollten wir beiseite lassen. Wenn Sie sich darüber freuen, dass hier plötzlich Kleine Anfragen im Raume stehen, dann beantworten wir diese selbstverständlich auch.

Wir haben natürlich auch die Frage zu beantworten - das taucht ja in einem Ihrer Punkte auf; dafür ist jetzt keine Zeit, aber ich freue mich ausdrücklich auf die Frage im Ausschuss -, wie wir als Landesregierung eigentlich auftreten, wenn wir sozusagen in den Kommunikationsprozess eintreten, mit welcher Verordnung, mit welchem Selbstverständnis. Darum ringen wir ja. Wir haben einen

Dissens beschrieben, den wir als Landesregierung demnächst versuchen ein Stück weit zu lösen.

Ich habe eine klare Vorstellung, wie das stattzufinden hat. Es gibt aber offenbar auch andere in diesem Land.

All das können wir in Ruhe besprechen. Wir müssen uns hier nicht unterschwellig unterstellen, dass der eine dumm, verstockt, blöd oder reaktionär ist. Das ist der Sache nun wirklich nicht angemessen; denn wir haben einen Haufen von Problemen, die wir lösen müssen. Sie haben welche beschrieben. Genauso werden die Kollegen sicherlich gleich wieder Beispiele bringen bis hin zu der Tatsache, was heute auf der ITB passiert ist. Es sind ja die alltäglichen Situationen, die wir in diesem Land haben.

Wir als Staat sind dafür verantwortlich, dass sich die Menschen, und zwar alle Menschen, die hier leben, sicher und frei bewegen und ihre verfassungsmäßigen Rechte ausüben können. Das ist das Anliegen, das wir als Landesregierung haben. Dem werden wir uns auch tatsächlich stellen. - Danke.

Es gibt keine weiteren Fragen. Ich danke Ihnen, Herr Minister Tullner, für die Ausführungen. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Dr. Pähle. Frau Dr. Pähle, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Es ist schon merkwürdig. Einerseits ist alles, was die Fraktion DIE LINKE in ihrem Antrag aufgeschrieben hat, völlig selbstverständlich. Andererseits ist gerade diese Debatte über Religionsfreiheit und Religionspolitik ganz offenkundig notwendig. Denn ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Weltanschauung ist erkennbar nicht immer und überall selbstverständlich.