Zu Beginn der Sitzung am 15. Februar 2018 beantragten die Koalitionsfraktionen, den Antrag von der Tagesordnung zu nehmen, weil sie derzeit dabei wären, eine Lösung zu entwickeln.
Es bestand die Absicht, den in Rede stehenden Antrag der Fraktion DIE LINKE in der 23. Sitzung des Ausschusses für Inneres und Sport am 31. Mai 2018 erneut zu beraten. Zu Beginn der Sitzung wurde von den Koalitionsfraktionen beantragt, den Antrag von der Tagesordnung zu nehmen. Dem wurde gefolgt. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich danke Herrn Kohl für die Berichterstattung. In der Debatte sind drei Minuten Redezeit je Fraktion vorgesehen. Die Landesregierung verzichtet auf einen Redebeitrag. Für die SPD-Fraktion spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie gerade auch von dem Berichterstatter dargelegt worden ist, haben wir uns nach der Überweisung in den Ausschuss in verschiedenen Sitzungen mit dem Antrag beschäftigt.
Der Antrag geht auf eine Erlasslage zurück, die in Brandenburg vorliegt. Deshalb war auch der Antrag auf Überweisung in den Ausschuss vorgesehen, um in eine mögliche Entscheidung die Erfahrungen mit der Regelung in Brandenburg einzubeziehen. Dazu erfolgte, wie gerade von Herrn Kohl dargestellt worden ist, die Berichterstattung im Ausschuss.
Rechtlicher Rahmen für den Erlass ist § 60a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes. Dieser gilt, weil es ein Bundesgesetz ist, natürlich auch für Sachsen-Anhalt.
Die Fragen zu der Anwendung stehen auch im Vordergrund der Diskussion zwischen den Koalitionsfraktionen. Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Ermittlungsbehörden und die Staatsanwaltschaften dies im Rahmen des Strafverfahrens zur Sicherung der Zeugenaussagen prüfen. So wurde es auch durch den Vertreter des Justizministeriums im Ausschuss vorgetragen.
Fraglich ist aber, wie nach dem Abschluss des Strafverfahrens die Ausländerbehörde Kenntnis erlangt, ob ein weiterer Aufenthalt notwendig ist. Dies zu entscheiden, liegt im Ermessen der Ausländerbehörde.
derzeit nämlich keine Informationspflicht seitens der Staatsanwaltschaft an die Ausländerbehörden. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir in Kürze auch dazu eine Lösung unter den Koalitionsfraktionen finden werden und eine Beschlussempfehlung vorbereiten können. - Vielen Dank.
Ich danke Frau Schindler für die Ausführungen. Für die AfD-Fraktion spricht der Abg. Herr Kirchner. Herr Kirchner, Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Werte Abgeordnete! Hohes Haus! Wer die Wahrheit nicht kennt, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher. - Ähnliches würde Bertolt Brecht wohl vermutlich wieder denken, müsste er sich mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion DIE LINKE beschäftigen.
„Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten“ - Auszug aus der Begründung: „Der Anstieg rechter Straftaten innerhalb der letzten zwei Jahre ist in Sachsen-Anhalt exorbitant.“
Schauen wir auf die Zahlen des Referats 44 des Ministeriums des Inneren zur politisch motivierten Kriminalität. Bundesweit politisch motivierte Kriminalität von rechts im Jahr 2017: etwas mehr als 1 000 Gewalttaten; bundesweit politisch motivierte Kriminalität von links im Jahr 2017: fast 2 000 Gewalttaten.
Wir haben also bundesweit doppelt so viele linke Gewalttaten wie rechte. Im Verfassungsschutzbericht haben wir bei politisch motivierten Straftaten von rechts einen Rückgang von 12 % und bei links motivierten Straftaten einen Zuwachs von 41 % in Sachsen-Anhalt. Also, wenn hier irgendetwas exorbitant ist, werte LINKE, so ist es der Anstieg linker Gewalt in Sachsen-Anhalt.
Wenn man diesem Antrag etwas Positives abgewinnen möchte, dann wäre das maximal die Absicherung laufender Strafverfahren, die Sicherstellung medizinischer Maßnahmen oder etwa eine Wiedergutmachung mit der Gewährung eines Bleiberechts.
Wenn man aber rechtskonform an diesen Sachverhalt herangeht, bleibt anzumerken, dass dies erstens die unzulässige Privilegierung gegenüber anderen Opfern von Gewalt darstellt, dass es zweitens das Missbrauchspotenzial erheblich erleichtert, indem die bloße Behauptung, Opfer rechter Übergriffe zu sein, schon ausreichen würde, ein Bleiberecht zu erhalten und somit in die
Sozialsysteme einzuwandern, dass drittens aus dem Antrag nicht ersichtlich ist, ob Opfer rechter Gewalt nur Opfer körperlicher Gewalt sind oder ob verbale Übergriffe bereits zu einem Bleiberecht führen sollen, und dass viertens nicht klar ist, ob das Bleiberecht dann auch für Zeugen gelten soll.
Alles in allem bleibt zu sagen, die rechtlichen Regelungen zur Gewährleistung der Durchführung von Strafverfahren sind ausreichend. Nach geltender Rechtslage ist nach dem Aufenthaltsgesetz die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, wenn die Anwesenheit für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht als sachgerecht erachtet wird.
Dann müssten Sie auch einmal einem Asylbewerber erklären, dass er als Opfer eines anderen Asylbewerbers die Heimreise antreten muss, während der Asylbewerber, der als Opfer rechter Straftaten gilt, ein Bleiberecht genießt. Wo bleibt da eigentlich der linke Gleichstellungsgrundsatz?
Ich schließe wiederum mit Bertolt Brecht: Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht. - Der Widerstand der AfD-Fraktion sei Ihnen gewiss, werte LINKE. Darum werden wir den mit der lauen Integrationsnadel gestrickten Antrag zum Wohl „Asylierender“ ablehnen, sollte er nach der Verschleppung durch andere Parteien hier im Plenum doch noch auf der Tagesordnung erscheinen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege, Sie wissen wahrscheinlich nicht, dass ich Brecht-Fan bin. Mir hat es gefallen, dass Sie Brecht zitiert haben; mir ist die Quelle aber nicht ganz erinnerlich. Können Sie mir sagen, in welchem Zusammenhang das Zitat Brechts steht, und könnten Sie mir noch weitere nennen?
Ich habe bereits zwei Brecht-Zitate genannt. Ich denke, bei diesem hanebüchenen Antrag der LINKEN reicht das durchaus aus. - Vielen Dank.
(Zustimmung bei der AfD - Sebastian Strie- gel, GRÜNE: Gelesen haben Sie ihn offen- sichtlich nicht!)
Ich sehe keine weiteren Fragen. Dann danke ich Herrn Kirchner für die Ausführungen. - Für die GRÜNEN spricht der Abg. Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verstehe, dass die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN ihren im Innenausschuss geparkten Antrag heute erneut auf die Tagesordnung gesetzt haben. Das Thema „Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten“ hätte schon längst gelöst werden müssen.
„Wir stehen für den Grundsatz ‚Opferschutz vor Täterschutz‘, für wirksame Kriminalprävention und für eine konsequente Strafverfolgung. Um Opfer optimal zu schützen, sind ihre Rechte zu verbessern.“
198 politisch rechtsmotivierte Gewalttaten mit 291 direkt Betroffenen hat die mobile Opferberatung für das Jahr 2017 in Sachsen-Anhalt registriert. Das ist die dritthöchste Zahl in den letzten zehn Jahren. 73 % der Angriffe waren rassistisch motiviert.
Ich will jetzt nicht in die BKA-Statistiken zum Thema einsteigen. Ich meine, wir müssen dafür Sorge tragen, dass in jedem dieser Fälle von rechter und rassistisch motivierter Gewalt die Durchführung eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens gegen die Täterinnen und Täter ermöglicht wird.
Die Aufklärung und Verfolgung aller rechten oder rassistischen Gewaltstraftaten darf nicht durch die Abschiebung eines Zeugen oder Betroffenen behindert werden. Es wäre eine Niederlage des Rechtsstaates, wenn Täter frei kämen oder der Strafnachweis nicht gelingt, weil ein Opfer abgeschoben wurde.
Dabei geht es nicht um eine Privilegierung. Es geht nicht um eine Besserstellung von Opfern rechter Gewalt. Es geht um den Ausgleich eines von Anfang an bestehenden Defizits. Ein Deutscher, der hier Opfer wird, wird nicht abgeschoben werden. Für jemanden, der als Geflüchteter oder als sonstiger Ausländer hier ist, sieht es anders aus.
Auf die Kritik, dass hier kein Fall bekannt sei, in dem einem Verdächtigen die Täterschaft aufgrund der fehlenden Aussage eines abgeschobenen Zeugen oder einer abgeschobenen Zeugin nicht nachgewiesen werden konnte, entgegne ich, hier fehlt es schlicht an aktuellen Statistiken, um solche Fälle zu erfassen. Wir erwarten deshalb, dass zukünftig Dokumentationspflichten greifen.
Der Auffassung, dass die Regelungen über die Aussetzung der Abschiebung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes ohnehin obsolet seien, da bereits andere Regeln griffen, kann ich leider nicht beipflichten. Auch wenn es nur einzelne Fälle sind, die beispielsweise in den Anwendungsbereich des § 60a Abs. 2 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes fallen, sind es Menschen, denen wir hier gerecht werden müssen.
Ich will - Wahrheit ist bekanntlich konkret - auf den Fall eines Liberianers aus dem Saalekreis verweisen. Er wurde mitsamt der Angehörigen, unter anderem dem fünfjährigen Sohn der Familie, im Oktober 2017 in seiner Wohnung von rassistisch motivierten Angreifern verletzt.
Bereits im Dezember stellte die Nebenklage einen Antrag bei der zuständigen Ausländerbehörde auf Duldung zum Zwecke der Strafverfolgung. Die Behörde hatte diesen Antrag bis zum Prozessbeginn im März 2018 nicht einmal bearbeitet.
Im Rahmen des Prozesses wurde informell geäußert, er werde zur Aussage gar nicht gebraucht. Danach erfolgte durch die Ausländerbehörde die Ablehnung des Antrags. Die zuständige Staatsanwaltschaft wurde von dort nicht einmal angefragt.
Meine Fraktion streitet für ein Bleiberecht für Opfer rechter Straftaten. Diese Position haben wir auch gegenüber den Koalitionspartnern entsprechend vertreten. Wir werben bei unseren Partnern weiterhin für eine Lösung im Sinne der Betroffenen und des Rechtsstaats. - Herzlichen Dank.