Protokoll der Sitzung vom 30.08.2018

Das ist mehrheitlich von allen Fraktionen so gewünscht. Somit werden wir in den nächsten Tagesordnungspunkt einsteigen.

(Unruhe - Zuruf von Alexander Raue, AfD)

- Sehr geehrter Herr Raue, Sie müssen sich einmal bei den Mitgliedern Ihrer Fraktion im Ältestenrat darüber informieren, wie dieses Format gewählt wurde. Wenn die Zeit abgelaufen ist, können wir nur auf Verständnis im Plenum hoffen, dass die Zeitvorgabe erweitert wird. Dann hätten Sie die Möglichkeit gehabt, noch einmal das Wort zu ergreifen. Sie sind aber nicht der Einzige, der sich zu Wort gemeldet hat, sondern es gibt eine weitere Wortmeldung. Deswegen möchte ich das richtigstellen. Das hat nichts mit Willkür zu tun. Das ist das Format, das im Ältestenrat so beschlossen wurde.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

 Auf der Grundlage des § 45 Abs. 4 GO.LT i. V. m. Nr. 7 des

Beschlusses des Ältestenrates in Drs. 7/2896 werden die Fragen 1 bis 10 und die dazugehörigen Antworten zu Protokoll gegeben.

Wir kommen nunmehr zum

Tagesordnungspunkt 2 a

Regierungserklärung des Ministers für Inneres und Sport Herr Holger Stahlknecht zum Thema: „Sachsen-Anhalt: unsere Heimat, starker Staat, gelebter Zusammenhalt“

Sie haben das Wort, Herr Minister Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Reihenfolge lautet: unsere Heimat, starker Staat, gelebter Zusammenhalt. Aufgrund der Vorkommnisse in Chemnitz, die wir, glaube ich, nicht unerwähnt lassen dürfen, was ich auch nicht will, will ich den starken Staat an den Anfang meiner Regierungserklärung stellen.

Dieser starke Staat ist nicht ohne Grund ein Rechtsstaat. Und in diesem Rechtsstaat führen Polizeibeamte objektiv Ermittlungen bei einem Anfangsverdacht - unabhängig vom Geschlecht des Täters, unabhängig von der Nationalität des Täters und unabhängig von der Hautfarbe des Täters. Diese Polizei führt diese Verfahren unabhängig von einer politischen Einstellung, weil unsere Polizei weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind ist. Unsere Justiz urteilt anhand eines Sachverhaltes - unabhängig vom Geschlecht, unabhängig von der Nationalität und ohne Ansehung der Hautfarbe.

(Zuruf: Richtig!)

All das ist gut, weil es gewährleistet, dass wir unabhängig von der Ansehung der Person das höchste Maß an Gerechtigkeit erfahren.

Dieses Land braucht einen starken Staat, eine starke Polizei für die innere Sicherheit, eine starke Justiz, die personell so ausgestaltet ist, dass Verfahren zügig geführt werden können und dass die Bürger in ihrer Erwartung, erlebbar Recht zu erfahren, bestätigt werden.

Dieser Staat braucht auch eine starke Verwaltung, wo wir administrieren. Er muss in seinen Kernaufgaben stark sein und muss in diesen Kernaufgaben ausfinanziert sein, weil in diesen Kernaufgaben des Staates Vertrauen entsteht, Vertrauen der Bürger in den Staat.

Wie bei einem Thema in der Musik ist das Hauptthema eben die Kernaufgabe des Staates, und das, was wir dann tun, sind die Variationen eines Themas. Diese Variationen, die der Staat hat, dienen der Zufriedenheit, auch der sozialen Gerech

tigkeit. Aber ohne Vertrauen in einen Staat wird es keine Zufriedenheit geben. Auch die Ausformulierung sozialer Gerechtigkeit wird dann verblassen.

Aber, meine Damen und Herren, neben diesem Staat brauchen wir auch eine starke Gesellschaft. Wenn wir Chemnitz sehen, dann stellen wir fest, dass es einen Mord gibt, der von dieser Justiz so verfolgt wird, wie ich es gesagt habe.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen in Deutschland keine Selbstjustiz.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen in Deutschland keine Pogromstimmung.

(Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir brauchen in Deutschland keinen Rassismus und wir brauchen keine Intoleranz.

(Zurufe von der CDU und von der AfD)

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Stimmung wankt, ist die Mitte verpflichtet, weitere Eskalationen zu verhindern und die Balance zu halten. Deshalb muss ein Ruck durch die Gesellschaft gehen, auch durch diese schweigende Mehrheit: ein Ruck zu Anstand, ein Ruck zu Toleranz und auch ein Ruck, das Land in Freiheit weiter gestalteten zu können.

Diese Gestaltung in Freiheit beginnt dort, wo wir zu Hause sind, dort, wo wir uns sicher fühlen, und dort, wo wir uns geborgen fühlen. Dort beginnt der Gestaltungswille für ein Land.

(Zuruf von der AfD: Wir schaffen das!)

Dort, wo wir zu Hause sind, dort, wo wir uns geborgen fühlen, ist unsere Heimat.

Der Begriff Heimat - insofern passt das auch gut zu den Vorkommnissen - ist in unserer deutschen Geschichte überhöht, verzerrt und auch von Nationalsozialisten missbraucht worden. Aber trotzdem ist Heimat für jeden Einzelnen immer noch positiv konnotiert, weil es der Ort ist, an dem er ankommt, der eine Ankerfunktion hat.

In diesem Teil Deutschlands - das dürfen wir, wenn wir über Heimat reden, auch nicht vergessen - haben sich viele Bürgerinnen und Bürger nach der friedlichen Revolution wegen veränderter Lebensbiografien, wegen Arbeitslosigkeit in ihrer eigenen Heimat fremd gefühlt.

Umso erfreulicher ist die Studie der BertelsmannStiftung, die festgestellt hat, dass mittlerweile Sachsen-Anhalt das Bundesland ist, in dem sich die meisten Menschen mit ihrer Region identifi

zieren. Das ist ein Riesenerfolg nach einer friedlichen Revolution.

Ich denke, zu einer Regierungserklärung gehört auch dazu, dass wir rückblickend einmal überlegen, wie es hier vor 28 Jahren aussah, wie die Infrastruktur war, welche Metamorphosen wir erlebt haben, wie hoch die Arbeitslosigkeit war - kürzlich kamen die neuen Zahlen: 7,6 % - und was wir erreicht haben.

Ich denke, dieses Land darf mit jeder einzelnen Bürgerin und jedem einzelnen Bürger auch einmal stolz auf das sein, was in diesem Land erreicht worden ist.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich wünsche mir von jedem Einzelnen in diesem Land auch ein stärkeres Selbstbewusstsein. Selbstbewusstsein hat nichts mit Überheblichkeit zu tun, aber Selbstbewusstsein macht einen auch immun gegen Anfeindungen und Versuchungen von rechts außen. Insofern brauchen wir eine selbstbewusste Gesellschaft, die weiß, was sie erreicht hat, und weiter gestalten kann.

Diese Gestaltung passiert vor Ort, in den Gemeinden. Deshalb brauchen wir starke Gemeinden in diesem Land. Wir müssen diese Gemeinden so ausformen, dass sie lebens- und liebenswert sind.

Wir brauchen Schulen, wir brauchen Infrastruktur, wir brauchen ärztliche Versorgung und wir brauchen Breitband. Das sind die Herausforderungen, um zu gewährleisten, dass keine Region als Heimat in unserem Bundesland abgehängt wird. Dafür müssen wir politisch die Rahmenbedingungen schaffen.

Wir müssen aber auch - das haben wir getan - den Menschen die Chance geben, politisch teilzuhaben an dem, was geschieht. Denn es gibt eben in unserem Staat nicht „die da oben“, sondern jeder Einzelne in unserem Land trägt die Verantwortung für die Gestaltung seiner Heimat, seines Landes und seines Ansehens.

Deshalb habe ich die große Hoffnung - denn die Gestaltung beginnt in der Kommunalpolitik -, dass wir bei den Kommunalwahlen im nächsten Jahr eine hohe Wahlbeteiligung verzeichnen

(Beifall bei der AfD)

und sich viele der Verantwortung stellen werden, dieses Land in der Balance der Mitte zu halten und es weiter zu gestalten.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Es gehört aber auch dazu - deshalb haben wir Quoren gesenkt; deshalb haben wir gesagt, in jeder Ortschaft wird es weiterhin Ortschaftsräte

geben -, dass wir den Menschen die Chance geben, sich über Bürgerbegehren, über Fragen und Rückkopplungen daran zu beteiligen, wie sie ihre Heimat gestalten. Denn die Gemeinde ist das Fundament unseres Staates. Wir gestalten in den Kommunen jeden Tag das Fundament unseres Staates und dort auch das Klima.

Daher sage ich auch deutlich als Kommunalminister: Es wird keine weitere Kommunalreform in diesem Land geben; denn noch größere Kreise und noch größere Gemeinden führen zu einem Rückzug der Demokratie aus der Fläche.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Menschen müssen erlebbar teilhaben können an dem, was politisch gestaltet wird.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)